ThemenTheologische Beiträge

Dominus Iesus

Welche Kirche ist die wahre Kirche?

Mit großem Interesse und engagierten Kommentaren wurde die am 6.August 2000 verabschiedete Erklärung des Vatikan mit dem Titel „Dominus Iesus“ (DI) aufgenommen.

1. Enttäuschung

Insbesondere die von Einheitshoffnung und Ökumeneeuphorie geprägten evangelischen Theologen beklagten die Deutlichkeit, mit der die katholische als die einzig wahre Kirche bezeichnet wurde. Das evangelische Nachrichtenmagazin idea überschrieb seine Titelreportage: „Dominus Iesus – Rom ließ Träume platzen.“1 Im Folgenden war von einem „Kälteeinbruch für die ökumenischen Beziehungen“ zu lesen. Der EKD Ratsvorsitzende Manfred Kock sprach von einem Zeichen des Stillstands aus Rom.2

Angesichts der vatikanischen Verlautbarung warnte er vor „ökumenischer Traumtänzerei“.3 Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes Ishmael Noko bemängelt, mehr als dreißig Jahre des Dialogs zwischen Katholiken und Lutheranern hätten in DI keine Berücksichtigung erfahren.4 Kirchenrat Prof. Karl- Hermann Kandler ruft zum „reformatorischen Protest“ gegen die „Vatikanische Arroganz“ auf.5 Tom Best vom Weltkirchenrat äußerte sich „enttäuscht und bestürzt“.6 Die ökumenischen Verbindungen zwischen Protestanten und Katholiken sind nach Meinung der FAZ zu einem vorläufigen Ende gekommen.7 Die Frankfurter Rundschau sieht eine vatikanische „Eiszeit“ anbrechen.8

Nüchterner weist Prof. Ulrich H. J. Körtner darauf hin, dass die schöne neue Welt der Ökumene schon seit langem nicht mehr der konfessionellen Realität entspricht, sondern eher ein Produkt der Medien ist:

„Manchem dämmert endlich, dass das Fernsehen auch in Sachen Ökumene virtuelle Welten produziert, die mit der harten Realität konfessioneller Differenzen und Konkurrenzen wenig gemein haben.“9

2. Kein konturloser Pluralismus

Obwohl sie weniger als die Hälfte des Gesamttextes ausmachen, wurden die antiökumenischen Aussagen von DI in den Mittelpunkt der Berichterstattung gerückt. Dem Papst ging es Kardinal Ratzinger zufolge aber vor allem um ein Bekenntnis zur „Einzigartigkeit und Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche.“10 Der Vorschlag, in der Theologie Ausdrücke wie „Einzigkeit“, „Universalität“ oder „Absolutheit“ zu vermeiden, wird vom Vatikan in DI auf der Grundlage des biblischen Zeugnisses zurückgewiesen. (DI §15)

„Dieser Papst will keine liberale und offene Kirche. Er will sie als geschliffenes Schwert für die Sache Jesu.“11

Angesichts vieler konturloser Stellungnahmen seitens der evangelischen Kirche sind die deutlichen und an der Bibel orientierten Aussagen von DI gegenüber postmodernem Pluralismus und dem Verhältnis der Christen zu anderen Religionen wohltuend klar und deutlich. Der Bezug zur Bibel wird auch an den 37 im Wortlaut zitierten und 60 als Verweisstellen angeführten Bibelversen deutlich.

Die katholische Festlegung auf christliche Exklusivität kann als bewusste Gegenposition zum Kurs der meisten evangelischen Kirchen verstanden werden. Bischof Diethardt Roth (SELK) erkennt in dem Dokument eine Anfrage an den Pluralismus in den evangelischen Landeskirchen.12 Wilfried Reuter ergänzt dazu:

„Während viele protestantische Kirchenführer und Synoden ihren religiösen Relativismus und uferlosen Pluralismus stolz wie ein Markenzeichen vor sich her tragen, sagt Rom, was Sache ist.“13

Die Ausführungen beginnen mit dem Hinweis auf den Missionsauftrag Jesu (Mt 28,18ff; Mk 16, 15f). (DI §1) In diesem Zusammenhang scheut der Vatikan sich auch nicht, darauf hinzuweisen, dass Menschen ohne den Glauben an Jesus Christus verdammt werden.

Dominus Iesus wendet sich ausdrücklich gegen die Relativierung biblischer Wahrheiten durch den Zeitgeist

Dominus Iesus wendet sich ausdrücklich gegen die Relativierung biblischer Wahrheiten durch den Zeitgeist des Pluralismus:

„Die immer währende missionarische Verkündigung der Kirche wird heute durch relativistische Theorien gefährdet, die den religiösen Pluralismus … rechtfertigen wollen. In der Folge werden Wahrheiten als überholt betrachtet, wie etwa der endgültige und vollständige Charakter der Offenbarung Jesu Christi, die Natur des christlichen Glaubens im Verhältnis zu der inneren Überzeugung in den anderen Religionen, die Inspiration der Bücher der Heiligen Schrift, die personale Einheit zwischen dem ewigen Wort und Jesus von Nazaret, … die Einzigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi …“ (DI §4)

Der Vatikan wendet sich gegen eine Absolutsetzung des Verstandes, aber auch gegen eine persönliche Beliebigkeit, die sich aus Elementen verschiedener Religionen eine individualistische Weltanschauung zusammenzimmert. Verantwortlich für die gegenwärtige Glaubenskrise sind

„der Subjektivismus jener, die den Verstand als einzige Quelle der Erkenntnis annehmen und so unfähig werden, den Blick nach oben zu erheben, um das Wagnis einzugehen, zur Wahrheit des Seins zu gelangen14 … der Eklektizismus jener, die in der theologischen Forschung Ideen übernehmen, die aus unterschiedlichen philosophischen und religiösen Strömungen stammen, ohne sich um deren Logik und systematischen Zusammenhang sowie deren Vereinbarkeit mit der christlichen Wahrheit zu kümmern …“ (DI §4)

Nur Jesus Christus ist ganzer Gott, ganzes Wort Gottes und einziger Vermittler zu Gott dem Vater

Nur Jesus Christus ist nach DI ganzer Gott, ganzes Wort Gottes und einziger Vermittler zu Gott dem Vater (vgl. §9-12). „In ähnlicher Weise ist auch fest zu glauben, dass es nur eine einzige, vom einen und dreifaltigen Gott gewollte Heilsordnung gibt,“ in deren Mitte die Fleischwerdung Gottes in Jesus Christus steht. Diese Wahrheit betrifft nicht nur Christen.

„Außerdem erstreckt sich das Heilswirken Jesu Christi mit und durch seinen Geist über die sichtbaren Grenzen der Kirche hinaus auf die ganze Menschheit.“ (DI §11) „Es gehört nämlich zum beständigen Glaubensgut der Kirche und ist fest zu glauben, dass Jesus Christus, der Sohn Gottes, der Herr und der einzige Erlöser ist, der durch seine Menschwerdung, seinen Tod und seine Auferstehung die Heilsgeschichte, die in ihm ihre Fülle und ihren Mittelpunkt findet, zur Vollendung gebracht hat.“ (DI §13)

3. Kein Heil durch Religionen

Im Gegensatz zur katholischen Kirche scheint der evangelische Dialog mit den Religionen deren vorbehaltlose Anerkennung einzuschließen.

„Es gehört zu den Absurditäten nicht weniger so genannter Dialogveranstaltungen, dass der universale Geltungsanspruch des Christentums massiv kritisiert wird, während das Publikum bereitwillig akzeptiert, dass die Vertreter anderer Religionen die Veranstaltung völlig ungeniert zur missionarischen Gelegenheit umfunktionieren.“15

Zur Überzeugung, dass Gott sich in der Vergangenheit auch in anderen Personen und Religionen offenbart habe, kommentiert DI unter Anführung zahlreicher Bibelstellen:

„Diese Ansichten sind dem christlichen Glauben gänzlich entgegengesetzt. Es ist nämlich fest zu glauben, dass Jesus von Nazaret, der Sohn Marias, und nur er, der Sohn und das Wort des Vaters ist.“ (DI §10) Und: „Im Gegensatz zum Glauben der Kirche steht deshalb die Meinung, die Offenbarung Jesu Christi sei begrenzt, unvollständig, unvollkommen und komplementär [ergänzend] zu jener in den anderen Religionen.“ (DI §6)

Es wird zwar darauf hingewiesen, dass auch andere Religionen Teilbereiche Gottes erkennen können (Röm 1).

„Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet“.16

In den fremden Religionen spiegeln sich lediglich die „Erfahrungen und Einsichten, welche die menschlichen Schätze der Weisheit und Religiosität ausmachen, die der Mensch auf seiner Suche nach der Wahrheit in seiner Beziehung zum Göttlichen und Absoluten ersonnen und verwirklicht hat.“17 Die katholische Kirche geht davon aus, dass positive Elemente anderer Religionen zum göttlichen Heilsplan gehören könnten, die der Vorbereitung des Evangeliums dienen. (§8,12,21) Im Gegensatz zur Bibel, welche die Wahrheit Gottes „sicher, getreu und ohne Irrtum“ enthält, weisen die Überlieferungen anderer Religionen „Lücken, Unzulänglichkeiten und Irrtümer“ auf. Die „Elemente des Guten und der Gnade“, die sie enthalten, verdanken sie der Offenbarung GotteS. (DI §8)

„Einige Gebete und Riten der anderen Religionen können tatsächlich die Annahme des Evangeliums vorbereiten, insofern sie Gelegenheiten bieten und dazu erziehen, dass die Herzen der Menschen angetrieben werden, sich dem Wirken Gottes zu öffnen.“18 (DI §21)

„Die Menschen können demnach mit Gott nicht in Verbindung kommen, wenn es nicht durch Jesus Christus unter Mitwirkung des Geistes geschieht“.19 Ein Weg durch die fremden Religionen an Jesus Christus vorbei wird jedoch strikt abgelehnt. (vgl. §2,6)

„Weil die Kirche an den allumfassenden Heilsratschluss Gottes glaubt, muss sie missionarisch sein“.20

Wobei der Vatikan unter Mission nicht nur den Ruf zur Bekehrung, sondern ebenfalls die Eingliederung in die katholische Kirche und die Aufforderung zur Teilnahme an den Sakramenten versteht. (DI §22)

4. Einzigartigkeit der katholischen Kirche

Der krasse Gegensatz zwischen ökumenischen Träumereien und der katholischen Realität wurde besonders durch die zeitliche Abfolge der diesbezüglichen Dokumente deutlich. Am Montag wurde die gemeinsame lutherisch- katholische Studie „Communio Sanctorum“ vorgestellt, in der die Lutheraner sich bereit erklärten, das Papstamt unter bestimmten Bedingungen anzuerkennen.

Krasser Gegensatz zwischen ökumenischer Träumerei und katholischer Realität

Am Dienstag macht die katholische Kirche durch DI klar, dass sie die Lutheraner nur als religiöse Gemeinschaft, nicht aber als eigentliche Kirche ansehen.

Zurecht kritisiert die Kirchenleitung der VELKD, dass der Anspruch Roms, einzige Kirche zu sein, „biblisch nicht zu begründen“ ist.21

Schon zu Beginn der Erklärung DI lehnt der Vatikan die Tendenz ab, „die Heilige Schrift ohne Rücksicht auf die Überlieferung und das kirchliche Lehramt zu lesen und zu erklären.“ (DI §4) Damit verurteilt er schon im Vorfeld eine Grundlage evangelischer Theologie.

Wie es nur einen einzigen Christus gibt, so gibt es nur eine einzige Braut Christi: „die eine alleinige katholische und apostolische Kirche“

Insbesondere die in den Paragraphen 16 und 17 behauptete Ausschließlichkeit der katholischen Kirche war für die internationale Irritation unter evangelischen Theologen verantwortlich. So wie nur ein Mittler zu Gott existiere, so könne es auch nur eine wahre Kirche geben, die katholische.

„Deshalb muss in Verbindung mit der Einzigkeit und der Universalität der Heilsmittlerschaft Jesu Christi die Einzigkeit der von ihm gestifteten Kirche als Wahrheit der katholischen Lehre fest geglaubt werden. Wie es nur einen einzigen Christus gibt, so gibt es nur einen einzigen Leib Christi, eine einzige Braut Christi: die eine alleinige katholische und apostolische Kirche“ (DI §16)

„Die Gläubigen sind angehalten zu bekennen, dass es eine geschichtliche, in der apostolischen Sukzession verwurzelte Kontinuität“22 zwischen der von Christus gestifteten und der katholischen Kirche gibt:

„Dies ist die einzige Kirche Christi … Sie zu weiden, hat unser Erlöser nach seiner Auferstehung dem Petrus übertragen … Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfasst und geordnet, ist verwirklicht [subsistit in] in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird“.23

Mit dem Ausdruck „subsistit in“ wollte das Zweite Vatikanische Konzil zwei Lehrsätze miteinander in Einklang bringen: Auf der einen Seite, dass die Kirche Christi trotz der Spaltungen der Christen voll nur in der katholischen Kirche weiter besteht, und auf der anderen Seite, „dass außerhalb ihres sichtbaren Gefüges vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind“,24 nämlich in den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen. Bezüglich dieser Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften ist festzuhalten, dass „deren Wirksamkeit sich von der der katholischen Kirche anvertrauten Fülle der Gnade und Wahrheit herleitet“.25 … Es gibt also eine einzige Kirche Christi, die in der katholischen Kirche subsistiert und vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird.“26 (DI §16f.) Wer viel von der katholischen Kirche übernommen hat, (apostolische Sukzession – die amtliche Segensvermittlung bei der Ordination, Eucharistie – Wandlung von Wein und Brot beim Abendmahl), wird Schwesterkirche genannt. „Kirchliche Gemeinschaften“, die lediglich wenige Gemeinsamkeiten mit der katholischen Kirche verbinden (z. B. Taufe) „sind nicht Kirchen im eigentlichen Sinn“. (DI §17) Die Wirksamkeit dieser „Sakramente“ leitet sich von der wahren katholischen Kirche ab, in der allein die ganze Fülle der Gegenwart Gottes anzutreffen ist.

„… der Geist Christi hat sich gewürdigt, sie als Mittel des Heiles zu gebrauchen, deren Wirksamkeit sich von der der katholischen Kirche anvertrauten Fülle der Gnade und Wahrheit herleitet“.27

„In der wahren katholischen Kirche ist allein die ganze Fülle der Gegenwart Gottes anzutreffen“

In Wirklichkeit „existieren die Elemente dieser bereits gegebenen Kirche in ihrer ganzen Fülle in der katholischen Kirche und noch nicht in dieser Fülle in den anderen Gemeinschaften“.28

In der Fortführung katholisch dogmatischer Positionen der Vergangenheit behauptet DI, dass die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche notwendig zur Erlangung des Heils sei.

„Es ist vor allem fest zu glauben, dass die pilgernde Kirche zum Heile notwendig ist. Der eine Christus ist Mittler und Weg zum Heil, der in seinem Leib, der Kirche, uns gegenwärtig wird …“ (DI §20)

Zur Rettung des Menschen notwendig sind „die tatsächlich gegebene Möglichkeit des Heiles in Christus für alle Menschen und die Notwendigkeit der Kirche für dieses Heil“.29

Die Kirche ist das „allumfassende Heilssakrament“30. Sie ist immer auf geheimnisvolle Weise mit dem Retter Jesus Christus, ihrem Haupt, verbunden und ihm untergeordnet und hat deshalb im Plan Gottes eine unumgängliche Beziehung zum Heil eines jeden Menschen.“31 (DI §20) Wer nicht formal Mitglied der katholischen Kirche ist, kann auch durch die Teilhabe der in anderen Gemeinschaften wirksamen katholischen Sakramente Rettung erlangen.

Auch im letzten Paragraphen von DI wiederholen die Autoren von DI noch einmal ihr Bekenntnis zur katholischen Kirche:

„Diese einzige wahre Religion, so glauben wir, ist verwirklicht in der katholischen, apostolischen Kirche …“32

Damit sagt der Papst schnörkellos klar und ohne Rücksicht auf die Empfindlichkeiten des Zeitgeistes lediglich das, was die katholische Kirche schon seit Jahrhunderten von sich behauptet.

„Das ist angesichts des Wortnebels, den die ökumenischen Dialoge der vergangenen Jahre erzeugt und mit Fortschritt verwechselt haben, wirklich ein Fortschritt. Jetzt weiß man, woran man ist, auch wenn man das schon lange hätte wissen können.“33

Spätestens seit der Trennung von der Ostkirche finden sich in den Verlautbarungen katholischer Konzilien und Kirchenleitungen regelmäßig Aussagen über die Einzigartigkeit und Ausschließlichkeit der römisch-katholischen Kirche. Im Konzil von Trient wird mit den protestantischen Kirchen abgerechnet. Erstes und Zweites Vatikanisches Konzil bestätigen, wie zahlreiche Zitate in DI belegen, diese Selbsteinschätzung des katholischen LehramtS.

1985 wurde von der Glaubenskongregation Leonardo Boffs Auffassung zurückgewiesen, die einzig wahre Kirche finde sich auch in anderen christlichen Kirchen.

5. Schwesterkirchen und religiöse Gemeinschaften

Eine mit DI versandte Note der Glaubenskongregation über den Ausdruck „Schwesterkirchen“ klärt darüber auf, dass aus katholischer Sicht lediglich die orthodoxen Kirchen nicht aber die „religiösen Gemeinschaften“ der Reformation Anspruch auf diese Anrede haben.34

Die Note stellt klar, dass der Gebrauch des Begriffs „Schwesterkirchen“ nur in Bezug auf kirchliche Gemeinschaften zulässig sei, die ein gültiges Episkopat und eine gültige Eucharistie bewahrt hätten.35

„Aus diesem Grunde erkennen sich die katholische Kirche und die orthodoxe Kirche gegenseitig als Schwesterkirchen an.“ (§14)

Selbstverständlich sieht die römisch-katholische Kirche sich im eigentlichen Sinn nicht als Schwester, sondern als Mutter aller übrigen Kirchen.

Mancher erinnert sich noch an die warnenden Stimmen vor der Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre im Oktober 1999. Sah es damals doch so aus, als gebe es ein Gespräch unter gleichberechtigten Kirchen. Zwischenzeitlich kann von einem gleichberechtigten Dialog unter christlichen Kirchen nicht mehr die Rede sein.

Zahlreiche evangelische Christen werden dem Vatikan insgeheim zustimmen, wenn er evangelischen Landeskirchen das Kirchesein abspricht

Zahlreiche evangelische Christen werden dem Vatikan insgeheim zustimmen, wenn er evangelischen Landeskirchen das Kirchesein abspricht, wenn auch aus anderen Beweggründen. Schon mancher wird sich gefragt haben, wieso eine Gemeinschaft, deren höchste Vertreter sich entgegen klaren biblischen Aussagen für Abtreibung, Scheidung, Homosexualität und fremde Religionen engagieren, sich christliche Kirche nennt.

„Laxheit in der Lehre, Leichtsinn im Umgang mit der eigenen Tradition oder ein labiles Selbstverständnis sind das Letzte, was von der römischen Kirche zu erwarten ist. … Was protestantische Kirchen in den letzten Jahren in so zentralen Fragen wie Rechtfertigung, Glaube, Kirchenverständnis, Amt, Priestertum aller Gläubigen oder kirchliche Entscheidungsprozesse zum Besten gegeben haben, konnte die katholische Seite in ihrer Haltung nur bestärken.“36

Nach katholischer Lesart sind die protestantischen „kirchlichen Gemeinschaften“ mangels gültiger Bischofsweihe und vollgültiger Eucharistie leider „nicht Kirchen im eigentlichen Sinne.“

„Das muss natürlich jene schmerzen, die noch zu Jahresbeginn für den zum Heiligen Jahr ausgerufenen Ablass ein gutes evangelisches Wort einlegten und mit dem Papst an die Heilige Pforte pochten, hinter der sie das ökumenische Paradies wähnten.“37

Auch die russisch-orthodoxe Kirche erklärt, dass eine wirkliche Einheit der Christen nur unter ihrem Dach denkbar ist

Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang natürlich, dass nicht nur Rom für sich in Anspruch nimmt einzig wahre Kirche zu sein, auch die russisch orthodoxe Kirche verabschiedete im August 2000 eine „Ökumene Erklärung“, in der sie deutlich macht, dass eine wirkliche Einheit der Christen nur unter ihrem Dach denkbar ist:

„Die orthodoxe Kirche kann keine Ebenbürtigkeit der Denominationen anerkennen: Die von der Kirche Abgefallenen können mit ihr nicht wieder vereint werden in dem Zustand, in dem sie sich jetzt befinden … Die orthodoxe Kirche ist Hüterin der Tradition und der Gnadengaben der Alten Kirche; deshalb betrachtet sie im Umgang mit Nichtorthodoxen das beständige und nachdrückliche Zeugnis als ihre wichtigste Aufgabe.“38

Die meisten sektiererischen Gruppen erheben allerdings ebenfalls Anspruch darauf, nur bei ihnen volle Wahrheit und ganze Gemeinschaft mit Gott erlangen zu können.

6. Ziel: Zurück zur katholischen Kirche

Für Prof. Ingolf U. Dalferth ist die römische Absicht der Rückführung aller Kirchen zur rechtmäßigen katholischen Kirche schon seit 1964 klar: „Weil die Einheit der Kirche nicht erst zu suchen, sondern in der römisch-katholischen Kirche bereits sichtbar da ist, besteht deren ökumenische Aufgabe allein darin, „ihre Universalität in der Geschichte voll zu verwirklichen“ (§17), indem alle nichtkatholischen Kirchen und Christen dazu gebracht werden, sich wieder mit ihr zu vereinigen.“39 Auch in der FAZ versteht man die Aussagen in DI diesbezüglich: „Wenn andere Kirchen zur Fülle der katholischen Kirche kommen wollen, müssen sie doch zu ihr zurückkehren, sonst wird es keine Einheit der Kirchen geben.“40 Die „tageszeitung“ kommentiert dazu:

„Ökumene versteht Karol Wojtyla in erster Linie als Schritt zur erhofften zukünftigen Rückkehr dieser Glaubensgemeinschaften in den Schoß der katholischen Kirche.“41

7. Brauchen evangelische Christen katholische Anerkennung?

Kardinal Ratzinger erklärt, es sei „völlig absurd, was unsere lutherischen Freunde … wollen … dass wir diese zufälligen historischen Bildungen im gleichen Sinne als Kirche ansehen, wie wir glauben, dass die … katholische Kirche ist“42.

Durch die aufsehenerregenden Reaktionen auf die Selbstansprüche der katholischen Kirche in DI wird fast der Eindruck erweckt, evangelische Christen sind auf eine ökumenische Anerkennung durch den Vatikan angewiesen.

„Es hat jedoch keinen Zweck, jetzt so zu tun, als wäre die Menschenwürde aller Nicht- Katholiken in Frage gestellt. Es zeugt von Realitätsverlust, auf institutioneller Anerkennung zu bestehen, wo ein säkularisierter Protestantismus mit Kirche ohnehin nichts am Hut hat.“43

Sicher sollten evangelische Christen gewarnt sein die Grundaussagen ihres Glaubens nicht leichtfertig für ungewisse Einheitshoffnungen preiszugeben, wie es in der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre im Jahr 1999 und in der Studie Communio Sanctorum (Frage des Papstamtes) im Jahr 2000 gegen zahlreiche Bedenken geschehen ist. Kirchenrat Prof. Karl- Hermann Kandler warnt vor der blauäugigen Tendenz mancher evangelischer Ökumeniker, „immer wieder etwas nachzuschieben und … den immer neuen Forderungen des Vatikans nach[zugeben], um das Erreichte nicht zu gefährden.“44 Schließlich hat die katholische Kirche die protestantischen Kirchen nie als vollwertig und gleichberechtigt anerkannt.

Nicht ganz erklärlich ist die Betroffenheit mancher evangelischer Theologen, die sich nach katholischer Definition plötzlich als Mitglieder „religiöser Gemeinschaften“ wiederfinden. Doch warum sollten evangelische Christen dieser Beurteilung zustimmen? Woher nimmt sich denn der Vatikan das Recht, allgemein verbindlich zu definieren, wer sich Kirche nennen darf und wer nicht?

Woher nimmt sich der Vatikan das Recht, allgemein verbindlich zu definieren, wer sich Kirche nennen darf und wer nicht?
Mit etwas Mut sollten DI an der Bibel erarbeitete Kriterien für „Kirche“ entgegengestellt werden.

Vollkommen richtig betont der Direktor des Bundes der evangelisch freikirchlichen Gemeinden, „daß Jesus überall dort seine Gemeinde baut und durch seine Gegenwart die Kirche begründet, wo Menschen nach dem Neuen Testament in seinem Namen zusammenkommen.“45 Maßstab für die Zugehörigkeit zur allgemeinen Kirche ist nach biblischem Zeugnis das Bekenntnis zu Jesus Christus als Herrn und Erlöser:

„Wer aber mit dem Mund bekennt Herr ist Christus und in seinem Herzen glaubt, daß Gott ihn von den Toten auferweckt hat, der wird gerettet werden.“ (Röm 10,9, vgl. 1Kor 12,3)

Darauf verweist in der aktuellen Diskussion auch der evangelische Prof. Eberhard Jüngel.46 Umkehr, Glauben und Sündenvergebung allerdings sind durch Gott gewirkt und nicht menschlich organisatorisch beanspruchbar. Jeder totalitäre Anspruch, sei er auch vom Vatikan behauptet, muss angesichts der geistlichen Kriterien für wahre Kirche Christi zurückweichen.

8. Folgen der Absolutheitserklärung des Vatikan

Nach Auffassung der FAZ wäre es jetzt angebracht, „ein mehrjähriges Bußschweigen für die Ökumene einzuführen, zu größerer Wahrhaftigkeit zurückzukehren und die bleibenden, unüberwindlichen Unterschiede beim Namen zu nennen.“47

Sollten kirchliche Leitungsgremien nicht aus DI lernen, dass die Unterscheidbarkeit der Konfessionen gewahrt bleiben musS. Statt ökumenischer Gleichmacherei wäre etwas mehr Mut zu einer deutlichen evangelischen Selbstpositionierung wünschenswert. Prof. Ingolf U. Dalferth dazu:

„Dialoge erübrigen sich, wenn man sich gegenseitig nicht sagt, wie es wirklich ist – aus der je eigenen Sicht. … Wer der Wahrheit die Ehre geben will, muss sagen, wie er die Wahrheit sieht und was er für wirklich hält. Sonst kann ich nicht mit ihm darüber streiten, ob es auch wirklich so ist.“48

Der missionarische Auftrag duldet keine durch falsche ökumenische Bemühungen hervorgerufenen theologischen Unklarheiten

Ein echter Dialog schielt nicht auf die formale Anerkennung durch den Gesprächspartner, er braucht allerdings eine eindeutige Identität der Gesprächspartner, also auch deren Abgrenzung voneinander. Dem entgegen schienen manche Theologen das Zusammenleben der Konfessionen in der Vergangenheit dadurch befördern zu wollen, dass sie protestantisch unsichtbar werden.

Neben dem legitimen Anliegen, die Einheit der Christen zu fördern, sollte auch nicht vergessen werden, dass die Konfessionen auch zueinander in Konkurrenz stehen. Sie wollen die Menschen von der Glaubwürdigkeit ihrer Interpretation biblischer Wahrheit überzeugen und diese ausleben, auch wenn nicht alle anderen Kirchen dazu applaudieren.

Der missionarische Auftrag der Gemeinde fordert dazu heraus, ihre Überzeugung von der allein errettenden Kraft des Todes Jesu Christi so gut und deutlich wie möglich vorzubringen. Theologische Unklarheiten, die durch falsche ökumenische Bemühungen hervorgerufen werden können, haben da keinen Platz.


  1. idea Spektrum, Nr. 37/2000. 

  2. idea Spektrum, Nr. 37/2000, S. 6. 

  3. epd-Wochenspiegel 37/2000, S. 4. 

  4. epd-Wochenspiegel 37/2000, S. 3. 

  5. idea Spektrum, Nr. 37/2000, S. 19. 

  6. idea Spektrum, Nr. 37/2000, S. 6. 

  7. Frankfurter Allgemeine Zeitung, zitiert nach: idea Spektrum, Nr. 37/2000, S. 6. 

  8. Frankfurter Rundschau, zitiert nach: idea Spektrum, Nr. 37/2000, S. 6. 

  9. Ulrich H. J. Körtner; Ökumenischer Einspruch, Zeitzeichen 11/2000 Spezial, S. VII. 

  10. Ratzinger, Interview der FAZ, 22.9.2000. 

  11. Die Tageszeitung (taz), zitiert nach: idea Spektrum, Nr. 37/2000, S. 6. 

  12. RNA, URL: http://www.refpresse.ch/agentur/meldungen/4207.htm, Stand: 25.10.2000. 

  13. Wilfried Reuter, in: idea Spektrum, Nr. 37/2000, S. 20. 

  14. Johannes Paul II., Enzyklika Fides et ratio, 5: AAS 91(1999) 9. 

  15. Ulrich H. J. Körtner; Ökumenischer Einspruch, Zeitzeichen 11/2000 Spezial, S. VII. 

  16. II. Vat. Konzil, Erklärung Nostra aetate, 2., zitiert nach: DI §2. 

  17. DI §7, vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Eides et ratio, 31f.: AAS 91 (1999) S. 29f. 

  18. Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 843., zitiert nach: DI §12. 

  19. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 5: AAS 83 (1991) S. 254, zitiert nach: DI §12. 

  20. Katechismus der Katholischen Kirche, S. 851. Vgl. auch ebd. S. 849-856, zitiert nach: DI §22. 

  21. idea Spektrum, Nr. 37/2000, S. 6. 

  22. Vgl. II. Vat. Konzil , Dogmatische Konstitution Lumen gentium, S. 20. 

  23. II. Vat. Konzil , Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 8., zitiert nach: DI §16. 

  24. Ebd., 8. Vgl. ebd., 15, Dekret Unitatis redintegratio, 3. Johannes Paul II., Enzyklika Ut unum sint, 13: AAS 87 (1995) S. 928f, zitiert nach: DI §16. 

  25. II. Vat. Konzil, Dekret Unitatis redintegratio, 3., zitiert nach: DI § 16. 

  26. Vgl. Konstitution für die Glaubenslehre, Erklärung Mysterium Ecclesiae, 1: AAS 65 (1973) S. 396-398, zitiert nach: DI § 17. 

  27. II. Vat. Konzil, Erklärung Unitatis redintegratio, 3., zitiert nach: DI §17. 

  28. Johannes Paul II., Enzyklika Ut unum sint, 14: AAS 87 (1995) S. 929, zitiert nach: DI §17. 

  29. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 9: AAS 83 (1991) S. 258. Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, S. 846-847, zitiert nach: DI § 20. 

  30. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, S. 48, zitiert nach: DI § 20. 

  31. Vgl. Hl. Cyprian, De catholicae unitate ecclesiae, 6: CCL 3, S. 253-254; Hl. Irenäus, Adversus haereses, 111,24, 1: SC 211,472-474, zitiert nach: DI § 20. 

  32. II. Vat. Konzil , Erklärung Dignitatis humanae, S. 1, zitiert nach: DI §23. 

  33. Ingolf U. Dal- ferth, RNA 22.URL: http://www.refpresse.ch/agentur/meldungen/4085.htm, Stand: 09/2000. 

  34. Vgl. Note über den Ausdruck Schwesterkirchen, in: MD 5/2000, S. 96f. 

  35. Vgl. RNA, URL: http://www.refpresse.ch/agentur/meldungen/4239.htm, Stand: 31.10.2000. 

  36. Ingolf U. Dalferth, RNA 22, URL: http://www.refpresse.ch/agentur/meldungen/4085.htm, Stand: 09/2000. 

  37. Ulrich H. J. Körtner, Ökumenischer Einspruch, Zeitzeichen 11/2000 Spezial, S. VI. 

  38. Ökumene Erklärung der russisch-orthodoxen Kirche, zitiert nach Gerd Stricker, „Es gibt nur eine Kirche“, Rheinischer Merkur, Christ und Welt, 2/2001, S. 25. 

  39. Ingolf U. Dalferth, RNA 22, a.a.O. 

  40. Heike Schmoll, Rückschlag für die Ökumene, in: FAZ 6.9.2000. 

  41. Die Tageszeitung (taz), zitiert nach: idea Spektrum, Nr. 37/2000, S. 6. 

  42. Ratzinger, Interview der FAZ, 22.9.2000. 

  43. Edo Reents, der Kardinal. Spielt nicht mit der Schwesterkirche: Ratzinger und die Reaktionen, SZ, 7.9.2000. 

  44. idea Spektrum, Nr. 37/2000, S. 19. 

  45. Lutz Reichardt, in: Die Gemeinde, 21/2000. 

  46. Vgl. Eberhard Jüngel, Paradoxe Ökumene, Zeitzeichen 11/2000 Spezial, S. II. 

  47. Frankfurter Allgemeine Zeitung, zitiert nach: idea Spektrum, Nr. 37/2000, S. 6. 

  48. Ingolf U. Dalferth, RNA 22, a.a.O.