Der eine Gott existiert ewig als drei Personen, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Diese kurze Formulierung bringt die Dreieinigkeitslehre auf den Punkt. Sie ist christliches Sondergut und entspringt schlussendlich der Erfahrung, die die Apostel mit Jesus Christus gemacht haben. Er ist ihnen nicht bloß als jemand begegnet, der über Gott lehrte, sondern als einer, der auf einmalige Art und Weise das Wesen Gottes offenbarte und die Gegenwart Gottes in sich verkörperte. Mit dem HeiligenGeist war es ebenso: Die Urgemeinde erlebte ihn nach Pfingsten nicht nur als eine unpersönliche göttliche Kraft, sondern als die unmittelbare Gegenwart Gottes in ihrer Mitte.
Biblisch-theologischer Ursprung
Ausgangspunkt für eine Annäherung an die Dreieinigkeitslehre bleibt der Monotheismus (d. h. der Glaube an einen einzigen Gott), zu dem sich auch die Urgemeinde ohne Vorbehalt bekannte. Vermutlich wiederholten die ersten Nachfolger Jesu täglich mit ihren jüdischenMitbürgern1 das sogenannte Sch’ma, den für die Juden wichtigsten Lehrsatz des Alten Testaments:
„Höre, Israel! Der Herr, unser Gott, der Herr ist einzig“ (5Mose 6,4; Sch’ma heißt „höre“ auf Hebräisch).
Gemeinsam war Juden und Christen auch, dass beide von einer – man könnte fast sagen – angeborenen Abscheu geprägt waren, Gott mit irgend einem Bildnis oder Geschöpf in Verbindung zu bringen.
Und trotzdem: Die Erfahrung der ersten Generation von Christen mit Jesus führte bei ihnen rasch zu einer Revision des traditionell jüdischen Monotheismus. Das Sch’ma hielten sie für wahr, aber angesichts der Offenbarung Gottes in Jesus Christus für nicht mehr ausreichend. Sie drängte es, Christus in dieser altbewährten monotheistischen Formel Platz einzuräumen. Genau das macht der Apostel Paulus in 1Kor 8,6:
„So haben wir doch nur einen Gott, den Vater, von dem alle Dinge sind und wir zu ihm; und einen Herrn, Jesus Christus, durch den alle Dinge sind und wir durch ihn.“
In Anlehnung an das Sch’ma bezieht Paulus die zwei Begriffe „Gott“ und „Herr“, die im alttestamentlichen Kontext einen und denselben Bezug haben, nun jeweils auf den Vater und den Sohn. Somit schließt Paulus Christus in sein Konzept von Gott ein.
Das ist nur ein Beispiel von vielen, an denen wir merken, dass sich die Apostel trotz ihrer natürlichen Neigung, den unantastbaren Status Gottes vor jeder konkurrierenden Gottesvorstellung zu bewahren, überhaupt nicht scheuten, Jesus aufs Engste mit Gott in Verbindung zu bringen.
Von Anfang an begannen die Christen, Jesus Kompetenzen zuzuschreiben, die im Alten Testament allein Gott vorbehalten wurden
Von Anfang an begannen sie Jesus Kompetenzen zuzuschreiben, die im Alten Testament allein Gott vorbehalten wurden.2 Sie sahen in Jesus die Erfüllung mancher alttestamentlicher Zitate, die in ihrem ursprünglichen Kontext eindeutig auf Gott bezogen sind.3 Und an ein paar Stellen nennen sie Jesus ohne Zögern schlicht und einfach „Gott“.4 Und alles das in einer Art und Weise, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt und bedürfe keiner Erklärung!
Ähnlich verhält es sich mit der neutestamentlichen Sicht über den Heiligen Geist. Ist der Begriff „Geist“ im Alten Testament mehr oder minder eine Umschreibung für Gott selbst, wird es im Neuen Testament deutlich, das dem Geist Gottes eine Existenz zuzuschreiben ist, die sich vom Vater und Sohn klar unterscheidet. Das heißt mit anderen Worten: Der Geist steht in derselben Beziehung zu Gott wie Jesus selbst.5
Zu all dem kommt noch hinzu, dass uns an einigen Stellen eine ausgeprägte Dreieinigkeitslehre formelhaft begegnet:
„Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes …“ (Mt 28,19). „Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2Kor 13,13).
Dogmatische Formulierung
Oft wird von Kritikern der Einwand geäußert, dass die Dreieinigkeitslehre trotz der biblischen Beweislage nicht als Dogma aufzustellen sei, da sie nicht zu neutestamentlicher Zeit, sondern erst viel später entwickelt wurde. Nun lässt sich nicht ernsthaft bestreiten, dass die Dreieinigkeitslehre in ihrer ausgereiften Formulierung das Resultat nachträglicher Überlegungen ist.6 Nichtsdestotrotz hat sie sich als Versuch bewährt, dem biblischen Befund, wie er oben kurzgefasst wiedergegeben ist, gerecht zu werden.
Kritiker haben jedoch nicht ganz Unrecht: Dogmatische Formulierungen der Dreieinigkeitslehre sind nicht biblischen Ursprungs und haben nur insofern verbindliche Autorität, als sie die biblische Lehre wahrheitsgetreu wiedergeben. Die Kirchenväter, die über einige Jahrhunderte hinweg um die korrekte Formulierung der Dreieinigkeitslehre gerungen haben, waren sich in der Regel auch bewusst, dass ihre Formulierungen keineswegs als genaue Beschreibung des Wesens Gottes fungieren konnten. Gottes Wesen lässt sich weder mit menschlichem Denkvermögen fassen, noch mit menschlicher Sprache ausreichend beschreiben.
Die Dreieinigkeitslehre, die übrigens von allen christlichen Haupttraditionen (römisch-katholisch, orthodox protestantisch u. a.) akzeptiert wird, stellt lediglich den Versuch dar, einen Rahmen für die Betrachtung des Wesens Gotts zu schaffen. Diesen Rahmen stellt man sich am besten als Dreieck vor, denn die Dreieinigkeitslehre, wie wir sie am Anfang dieses Aufsatzes formuliert haben, versucht drei Wahrheiten über Gott im Gleichgewicht zu halten:
- Es gibt nur einen Gott
- Gott umfasst drei
- Diese drei Personen existieren ewiglich.
Das lässt sich bildlich so darstellen: So gesehen bildet die Dreieinigkeitslehre den Rahmen akzeptabler theologischer (im engeren Sinne des Wortes: die Lehre über Gott betreffend) Reflexion. Sie steckt sozusagen das Feld ab, in dem sich unsere Vorstellungen von Gott bewegen dürfen, und hält es gegen Verstöße aufrecht.
Praktischer Wert
Aus diesem Rahmen ergibt sich der praktische Wert der Dreieinigkeitslehre. Die Beachtung der drei Grenzlinien
Die Beachtung der drei Grenzlinien bewahrt vor groben Irrlehren, denn falsche Lehre über Gott verletzt immer eine der Grenzlinien
bewahrt vor groben Irrlehren, denn falsche Lehre über Gott verletzt immer eine der Grenzlinien. Das lässt sich an folgenden Beispielen verdeutlichen:
Vielgötterei (wie sie in der Esoterik oder von den Mormonen vertreten wird) verstößt gegen die Abgrenzung auf der linken Seite des Dreiecks: Es gibt nur einen Gott.
Jede Herabstufung des Sohnes auf die Ebene eines Geschöpfs (wie bei den Zeugen Jehovas oder im liberalen Protestantismus) oder des Geists auf die Ebene einer unpersönlichen Kraft (wie sich überraschend viele Christen den Geist in der Praxis vorstellen), verstößt gegen die Abgrenzung auf der rechten Seite des Dreiecks: Gott umfasst drei Personen.
Jeder Versuch, die Personen als jeweilige Erscheinungsformen des einen Gottes zu deuten (wie z. B. Jesus in der Baha’i-Lehre und anderen fernöstlich geprägten Glaubensrichtungen betrachtet wird), verstößt gegen die Abgrenzung auf der unteren Seite des Dreiecks: Gott existiert als drei Personen ewiglich.
Diese Beispiele zeigen: Es ist alles andere als egal, wie unsere Vorstellung von Gott aussieht. Die Dreieinigkeitslehre will uns zur rechten Gotteserkenntnis verhelfen.
Logische Beurteilung
Die Dreieinigkeitslehre vertritt die Ansicht, dass Gott in Bezug auf sein Wesen eins ist, während er in Bezug auf seine Personen drei ist
Betrachten wir nun unsere Formulierung mit den Augen der Logik, so müssen wir zugeben, dass unsdie Dreieinigkeitslehre an die Grenzen des menschlichen Denkvermögens bringt. Drei Personen in einem Gott? Das ist mit unserem Verstand nicht zu fassen. Das erscheint uns von vornherein widersprüchlich zu sein. Dem ist aber folgendes entgegenzusetzen:
- Die Dreieinigkeitslehre ist genau genommen nicht unlogisch. Dies wird nicht nur von Gegnern, sondern zuweilen auch von Befürwortern (als notwendiges Zugeständnis?) so dahingestellt und bleibt meistens unangefochten. Würde die Dreieinigkeitslehre behaupten, wie es viele meinen, dass Gott gleichzeitig ein Gott und drei Götter sei, dann wäre das ein klarer Widerspruch in sich. Aber das sagt sie eben nicht aus. Sie vertritt die Ansicht, dass Gott in Bezug auf sein Wesen eins ist, während er in Bezug auf seine Personen drei ist. Nun, das ist für uns Menschen, die wir sowohl in Bezug auf unser Wesen als auch in Bezug auf unsere Person eins sind, unzufriedenstellend erklärbar, da es außerhalb unseres Erfahrungshorizontes liegt. Diese Sicht ist aber keineswegs logisch ausgeschlossen.
- Es sollte uns nicht überraschen, dass das Wesen Gottes in seiner Zusammensetzung komplizierter ist, als das Wesen des Menschen. Selbst der Mensch scheint im Vergleich zu den Tieren vom Wesen her komplizierter zu sein. Er vermag, wie es so schön heißt, „sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.“ Er kann sich selbst – das heißt sein Verhalten, seine Motive, seine Ziele etc. – analysieren, dient also gleichzeitig als Subjekt und Objekt seiner Betrachtungen. Um wie viel vielfältiger und komplizierter muss das Wesen Gottes im Vergleich zu dem des Menschen sein. Dass es unsere Fähigkeit übersteigt, sein Wesen zu begreifen, ist also durchaus zu erwarten.
Erlebte Dreieinigkeit
Hinter allen biblischen, dogmatischen, praktischen und logischen Überlegungen steht auch für uns das, was die ersten Christen veranlasst hat, ihre Vorstellung von Gott trinitarisch zu präzisieren: die Begegnung mit dem lebendigen Gott selbst. Wir glauben an den dreieinigen Gott letztendlich nicht, weil die Dogmatik das so bestimmt, sondern weil sich unsere Erfahrung durchaus mit der Erfahrung der Apostel und ihren Berichten im Neuen Testament deckt. Gott begegnet auch uns als Vater, der uns unseren Sünden vergibt und uns in seine Familie ruft. Gott begegnet auch uns als Sohn, der uns durch seinen Kreuzestod rechtfertigt und uns in die Gemeinschaft mit dem Vater zieht. Und Gott begegnet auch uns als Geist, der uns heiligt und uns in das Ebenbild des Sohnes verwandelt. So werden wir Gott auch in der Ewigkeit erleben: Gott, der Vater, der Sohn, und der Heilige Geist.
Es wird oft übersehen, dass die Christen der ersten Generation Juden waren. Erst im Laufe der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts spürten Juden und Christen, dass trotz der gemeinsamen Basis eine Kluft zwischen ihnen entstanden war. ↩
Unter anderen werden Jesus folgende Kompetenzen zugeschrieben: absoluten Gehorsam zu verlangen (Mt 10,32-33), absolute Wahrheit zu lehren (Mk 13,31), die Welt zu richten (Joh 5,27), Sünden zu vergeben (Mk 2,1-12), Anbetung anzunehmen (Joh 20,27-29). ↩
Vergleiche Mt 21,16 mit Ps 8,3; Joh 12,40 mit Jes 6,10; Joh 19,31 mit Sach 12,10; Röm 10,13 mit Joel 3,5; Phil 2,10-11 mit Jes 45,23; Offb 1,17 mit Jes 41,4 bzw. 48,12; Offb 17,14 bzw. 19,16 mit Dan 2,47. ↩
Joh 1,1; Röm 9,5; Tit 2,13; Hebr 1,8; 2Petr 1,1; Joh 1,18. ↩
Siehe Joh 14,26; 15,26; 16,7; 1Kor 2,10; Hebr 9,14; 1Petr 1,11; 2Petr 1,20-21 etc. ↩
Vor allem sind hier die Beschlüsse der kirchlichen Konzilien von Nicäa und Chalcedon, 325 bzw. 451 n. Chr., zu erwähnen. ↩