Offensichtlich sind die beiden mormonischen Redner des Willow-Creek-Leitungskongress 2016 (Liz Wiseman und Joseph Grenny) nicht ganz zufällig eingeladen worden. Schon seit 2013 besteht eine gute und fortgesetzte Zusammenarbeit der mormonischen Bestsellerautoren mit Willow-Creek. Bereits zum amerikanischen Willow-Creek-Leitungskongress 2013 (Global Leadership Summit) hielten beide ein Referat. Ein Jahr später (2014) sprach Joseph Grenny auf dem spanischsprachigen Willow-Creek-Kongress (La Cumbre Global de Liderazgo). Im Jahr 2015 hielt Liz Wiseman auf einem nächsten Willow-Creek-Kongress einen weiteren Vortrag.
Auch andere, von Willow-Creek als Redner eingeladene Prominente, haben einen nicht unproblematischen religiösen Hintergrund. Der 2013 bei Willow-Creek in den USA aufgetretene vierfache Emmy Award Preisträger Mark Burnett leitete im gleichen Jahr eine mormonische Großveranstaltung in Salt Lake City (A Concert of Praise).
Auch der in Fachkreisen bekannte indische Wirtschaftsautor Vijay Govindarajan war 2013 einer der Hauptredner auf dem amerikanischen Willow-Creek-Leitungskongress. Außerhalb evangelikaler Veranstaltungen betont Govindarajan stets, wie wichtig die hinduistische Mythologie für die Entwicklung seiner auch bei Willow-Creek vorgestellten Innovationstheorie war. Aus der Analyse der drei hinduistischen Hauptgötter Vishnu, Shiva und Brahma habe er seine Prinzipien der Leiterschaft und der Innovation abgeleitet.1
Bei vielen der zu Willow-Creek-Kongressen eingeladenen Redner scheint die Prominenz deutlich wichtiger gewesen zu sein als ihre Verwurzelung im christlichen Glauben. Ein großer Teil der Referenten (z.B. Condoleezza Rice 2012; Sheryl WuDunn 2012; Colin Powell 2013; Vijay Govindarajan 2013; Liz Wiseman 2013; Henry Cloud 2013; Jeffrey R. Immelt 2014; Carly Fiorina 2014; Joseph Greeny 2014; Jim Collins 2015; Sallie Krawcheck 2015; Ed Catmull 2015) kamen aus der Wirtschaft oder der Politik und waren darum bemüht, säkulare Managementprinzipien als neues Vorbild für christliche Leiterschaft zu vermitteln.
Zweifellos handelt es sich bei den eingeladenen Prominenten um brillante Redner, die oftmals mit dem christlichen Glauben allerdings nur wenig bis gar nichts zu tun haben. Kaum einer dieser Redner begründete seine Anregungen zu besserer Leiterschaft mit biblischen Vorbildern oder christlicher Lehre.2 Natürlich waren diese Prominenten nicht die einzigen Redner. Immer sprachen auf den Willow-Creek-Leitungskongressen auch christliche Führungskräfte. Dort aber, wo Spannungen zwischen Strategien aus Politik bzw. Wirtschaft und christlichen Leiterschaftsprinzipien auftauchten, wurden diese zumeist weder benannt noch aufgelöst.
Bewusst als christlich organisierte Kongresse genießen beim evangelikalen Publikum zurecht einen erheblichen Vertrauensbonus. Das sollten Veranstalter solcher Events bei der Auswahl ihrer Redner und deren Vorstellung berücksichtigen.3 Wenn gute Redner aus einem Sekten- Hintergrund kommen, sollte das zumindest für die Besucher des Kongresses deutlich gemacht werden. Wenn ein Redner seine Strategien aus einer anderen Religion (wie in diesem Fall aus dem Hinduismus) ableitet, sollte auch das erwähnt und gegebenenfalls aufgearbeitet werden.
Jedoch bleiben selbst bei einer sehr wohlwollenden Perspektive viele Fragen offen. Der Vorstand von Willow-Creek Deutschland (namentlich Ulrich Eggers, Stefan Pahl, Dr. Michael Diener, Karl-Heinz Zimmer) begründet seine Einladung von Mormonen nachträglich damit (Meldung vom 5.4.2016), dass man an der Weisheit »religiös Andersdenkender« auch sonst regelmäßig im Alltag Anteil habe. 2Tim 1,7 gebiete ohne Furcht, aber mit Kraft, Liebe und Besonnenheit Hochachtung vor diesen Leistungen zu haben, auch wenn das »weiterführende Fragen« aufwerfe. Welche Fragen sich der Vorstand stellt, das sagt er allerdings nicht. Genauso wenig wie er auf dem Kongress in Hannover die Referenten mit einer Offenlegung ihrer nichtchristlichen religiösen Ansichten angekündigt hatte.
Eine Frage ist jedenfalls, worum es auf dem Leitungskongress in Hannover eigentlich ging. Die meisten Teilnehmer werden sich dort deswegen angemeldet haben, weil sie für ihre Aufgaben in christlichen Gemeinden, eine geistliche Wegweisung, Hilfestellung und Ermutigung wünschten. Wäre es um die Ausstattung von Gemeindehäusern nach den aktuellen Brandschutzvorschriften gegangen, dann hätte man die Fachleute nicht nach ihrem Glauben fragen müssen.
Jetzt aber hat mit dem prominenten Mormonen Joseph Grenny jemand über Gesprächsführung in schwierigen Situationen referiert. Er pries, unterstützt von Bill Hybels, seine Strategien als Hilfe für Gemeindewachstum.4 Zitat Grenny: „Wir wachsen durch Wahrheit“. Man stelle sich vor, der Apostel Paulus hätte bei seinen schwierigen Gesprächen mit den Korinthern darüber nachgedacht hätte, sich zur Hilfestellung eines Vortrags eines griechischen Philosophen oder eines heidnischen Götzenpriesters zu bedienen, weil die christliche Gemeinde so „kluge“ Leute nicht zu bieten hat. Stattdessen hat er die Korinther ermahnt, für ihre Streitigkeiten nicht einmal vor weltliche Gerichte zu ziehen, sondern vor allem mit christlicher Weisheit Streit zu schlichten. Sein Urteil ist deutlich (1Korinther 6,5-6): »Euch zur Schande muss ich das sagen. Ist denn gar kein Weiser unter euch, auch nicht einer, der zwischen Bruder und Bruder richten könnte? Vielmehr rechtet ein Bruder mit dem andern, und das vor Ungläubigen!«
Mormonen versprechen ihren Anhängern eine evolutionäre Gottwerdung. Sie beziehen ihre Informationen neben der Bibel aus weiteren, vorgeblich von ihrem Propheten geoffenbarten Schriften. Sie halten Jesus Christus für einen zu Gott gewordenen Menschen. Sie wollen durch Rituale sich und verstorbene Verwandte retten. Dazu missionieren sie in aller Welt offensiv und behaupten, dass sie es sind, die das Evangelium verkünden.
Dass evangelikale Christen mit Leitungsverantwortung in Gemeinden von antichristlichen Lehrern (1Joh 4,2-4) Rat auf einem Gebiet suchen, das den Kern eines Lebens aus dem christlichen Glauben betrifft, muss man mit Paulus beschämend nennen.
Lesen Sie einen Kommentar zu den Folgen der Einladung und ihrer Rechtfertigung.
In seinem Aufsatz „Thinking inside the boxes“ schreibt er: „Though the Hindu religion recognizes 330 million gods, there are only three main Hindu deities (the “Hindu Trimurti”): Vishnu, the god of preservation; Shiva, the god of destruction; and Brahma, the god of creation. The correspondence between the three boxes and the three Hindu gods is clear. Vishnu/Box 1 = preserving or managing the present; Shiva/Box 2 = destroying or selectively abandoning the past; and Brahma/Box 3 = creating the future. According to Hindu philosophy, creation-preservation-destruction is a continuous cycle without a beginning or an end. The three gods play an equally important role in creating and maintaining all forms of life. Further, Hinduism states that while changes in the universe can be quite dramatic, the processes leading to the changes usually are evolutionary in nature and involve smaller steps.“ ↩
Zu den Weisheiten gehören Aussagen wie diese: „Stelle mehr Fragen, gib weniger Anweisungen!“ (Liz Wiseman); „Leiterschaft bedeutet absichtvoll Einfluss nehmen.“ (Joseph Grenny); „Bei Kreativität geht es um Ideen; bei Innovation geht um die Verwirklichung von Ideen.“ (Vijay Govindarajan) ↩
Der Leiterschaftskongress von Willow-Creek in Chicago bewegt sich wohl auf der Grenze zwischen „christlicher“ Veranstaltung und Lehrveranstaltung von weltanschaulich neutralen Leiterschaftsprinzipien, die mit christlicher Ethik übereinstimmen. Immerhin ist die Willow-Creek Gemeinde auch ein in Chicago ansäßiges mittleres Wirtschaftsunternehmen. Die Grenzen zwischen christlicher Gemeinde und Firma sind in Amerika im Allgemeinen nicht ganz so scharf wie in Deutschland. Der deutsche Kongress war aber eindeutig als christliche Veranstaltung organisiert. ↩
Seinen 40minütigen Vortrag auf dem Leadership Summit in Chicago (2013) kann man auf Youtube ansehen. Er lässt sich leicht zusammenfassen:
– These: Die Gesundheit einer Beziehung, eines Teams oder eines Unternehmens ist eine Funktion der durchschnittlichen Zeit zwischen dem Erkennen eines Problems und der Diskussion darüber.
– Daraus folgt: Hilf Menschen, ihre Probleme zu erkennen, und diskutiere sie mit ihnen. Das steht auch so in der Bibel.
– Worauf es dabei ankommt, ist:
Vermeide Verurteilung!
Beschreibe das Problem (nur Fakten ohne den Einfluss deiner Gefühle)!
Werde offen und neugierig (wie es weitergeht)! ↩