ThemenMission und Evangelisation

Warum bekehren sich Menschen?

Ist der Ruf zu Buße und Unkehr, zu einer Bekehrung des Menschen hin zu Gott überhaupt noch zeitgemäß – ist er nicht eine Zumutung für den Menschen unserer Zeit? Dahinter steht die Frage wieso und warum sich Menschen überhaupt zu Gott bekehren?

Lassen Sie mich mit einigen Bemerkungen beginnen, die für mich mehr als eine formale Einleitung sind:

Warum beschäftigen wir uns überhaupt mit diesem Thema?

Ich kann verstehen, wenn eingewandt wird: Das ist doch schon so alt. Das kennen wir doch seit Anbeginn des Baptismus. Gibt es nicht wichtigere oder relevantere Themen unter uns zu besprechen? Die heutige Zeit stellt uns vor wichtige Herausforderungen, auf die nicht mit einfachen Konzepten geantwortet werden kann. Das stimmt!

Tatsächlich haben wir als Gemeinde heute eine Menge wichtiger Themen unter uns zu bedenken: wir reklamieren zu Recht den Bedarf an kompetenter Seelsorge und Lebenshilfe, die Notwendigkeit der Verantwortung für unsere Welt, wirtschaftsethische Themen oder auch die vielfältigen Fragen der Gemeindeentwicklung. Gemeindeaufbaukonzepte bewegen uns genauso wie drängende sozial – diakonische Themen. Das alles ist wirklich wichtig, ohne wenn und aber. Wir müssen diese Herausforderungen annehmen.

Und dennoch – oder: gerade deshalb – erscheint es wichtig und sinnvoll, bei der Fülle der Themen immer wieder auf das Wesentliche hinzuweisen, unter dem Vielen das Eine zu suchen und die Prioritäten neu festzusetzen. Und das scheint uns doch bei aller Notwendigkeit der Themen das Zentrale zu sein: dass Menschen Jesus finden und gerettet werden.

Aversionen gegen Bekehrung?

Auch das kann ich gut verstehen, wenn es bei dem einen oder anderen mehr oder weniger starke Aversionen gegen den Begriff und die Sache Bekehrung gibt.

Wir wissen um den Missbrauch der Bekehrung. Wir kennen (meist aus der Vergangenheit) manipulative Techniken, Seelenmassage, suggestives Drängen und die geistliche Vergewaltigung von Kindern und Jugendlichen. Wir wissen auch um die eigenständigen Gesetze der Massenpsychologie, um starre Bekehrungsschemata, die Menschen verbogen und die letztlich nur Schaden angerichtet haben. Wir kennen auch (heute seltener) nervende Drohbotschaften und peinliche Aufrufe. Und wir wissen nicht zuletzt um die Diskrepanz, die manchmal zwischen der Höhe offiziell bekannt gegebener Bekehrungszahlen und der niedrigen Wirklichkeit klaffte.

Wenn Bekehrung aus dem Zusammenhang geistlichen Lebens herausgelöst wird, kann sich ebenfalls eine Aversion gegen das Thema entwickeln. Wenn sie isoliert ohne die Verbindung zu einem Leben in der Nachfolge Jesu verstanden und gelebt wird. Wir kennen Menschen, die Bekehrung als Freifahrtschein zum ewigen Leben betrachten, der es ihnen ermöglicht, entlastet und weltangepasst zu leben. Man „ist ja bekehrt“. Nachfolge Jesu, Dienst und Mission sind in der Folge einfach keine relevanten Themen mehr.

Es gibt nicht wenige unter den Christen, die dem Thema Bekehrung gegenüber immunisiert sind, weil sie über Jahre hinweg Sonntag für Sonntag nichts anderes gehört haben als eine Predigt, die formal zur Bekehrung aufrief und den Hörern keinerlei Wachstums- und Reifechancen ließ. Dabei sollte jede Predigt inhaltlich Bekehrungspredigt sein, ohne formal Bekehrungspredigt sein zu müssen.

Und dennoch auch hier: Der Missbrauch hebt den rechten Gebrauch nicht auf.

Aversion aus theologischen Gründen. Auch das gibt es unter uns, dass man sagt, die Kategorie Bekehrung sei aus theologischen Gründen, so wie wir sie verstehen, fragwürdig. Besonders Theologen, die Karl Barth folgen, haben Mühe mit einem punktuell und in der eigenen Biographie fest gemachten Bekehrungserlebnis.

Barth hatte im Jahr 1960 eine gute Begegnung mit Billy Graham in Basel. Die beiden Theologen schienen sich in dem Gespräch bei Barth blendend zu verstehen. Doch dann ging Karl Barth abends ins Stadion St. Jakob, wo Graham evangelisierte. Dort war „ich nur eben entsetzt“ bekennt er nachher.

Graham „wirkte wie ein Rasender und was er vortrug, war sicher nicht das Evangelium. … Das war ein Pistolenschießen … Das war Predigt des Gesetzes, nicht froh machende Botschaft.“

Das hat ihn, den großen Theologen einer objektiven Versöhnungstheologie, abgestoßen. Er, der das extra nos des Heils neu betonte, hat auf die Frage, wann er sich denn bekehrt habe, geantwortet: „Vor 2000 Jahren auf Golgatha!“ Basta. Bekehrung ist für ihn eine Wendung um 360°, nicht um 180°. Pietistische Heilsaneignung ist ihm letztlich zutiefst fremd geblieben.

Nicht wenige Theologen verweigern sich – von Barth beeinflusst – einer Theologie der Bekehrung

Nicht wenige Theologen sind an dieser Stelle von Barth (bewusst oder unbewusst) beeinflusst und verweigern sich einer Theologie der Bekehrung. Hier müssen wir neu ansetzen. Wir müssen einsehen, dass der objektiven Tat Christi am Kreuz die subjektive Heilsaneignung folgen muss, um gerettet zu werden.

Und auf einen letzten Einwand möchte ich noch eingehen:

Bekehrung scheint nicht mehr in unsere Zeit zu passen.

Unsere heutige Zeit scheint Begriff und Sache von Bekehrung gar nicht mehr zu verstehen. Dieses Endgültige, Konfrontative, Ausschließlichkeit beanspruchende der Bekehrung passt scheinbar nicht mehr in die postmoderne Befindlichkeit. Dieses Schwarz-Weiß-Malen (Finsternis-Licht, Macht Satans-Gott, Apg 26, 18), dieses grundsätzliche Festlegen auf eine Person (Jesus Christus) oder Sache (Reich Gottes, Gemeinde) widerspricht der postmodernen Relativierung des Wahrheitsbegriffs. Es gibt dort keine einzige Wahrheit mehr. Also kann man sich auch nicht zu einer Sache oder einer Person bekehren. Es gibt Hunderte und Tausende von Wahrheiten. Man glaubt sich seine Wahrheit. Alles ist im Fluss. Alles entwickelt sich. Deshalb ist jeder Ausschließlichkeitsanspruch von vornherein suspekt. Menschen, die mit der Wahrheit kommen, werden als Fundamentalisten diskriminiert. Menschen, die von Bekehrung sprechen, sind eine Gefahr, weil sie andere einengen oder vergewaltigen.

Und dennoch: Bekehrung ist nicht einfach ein antiquierter theologischer Begriff, der zur Disposition steht, der als eine Möglichkeit unter vielen, als eine lyrisch-theologische Metapher einfach durch andere zeitgemäßere und sanftere zu ersetzen wäre.

Bevor wir die oben genannte Frage weiter beantworten wollen, soll zunächst geklärt werden:

Was ist überhaupt Bekehrung?

Bekehrung ist ein fundamentales soteriologisches Geschehen, durch das Menschen zur Heilsaneignung gelangen

Bekehrung beschreibt ein fundamentales soteriologisches (d. h. das ewige Heil existentiell betreffendes) Geschehen, durch das Menschen zur Heilsaneignung gelangen.

Die Grundbedeutung der hebräischen Begriffe im AT liegt in der Um-, Hin- oder Rückkehr eines oder vieler Menschen zu Gott. Sie tun dies in vollem Bewusstsein ihrer Schuld, indem sie sich im Glauben an den wenden, von dem sie sich entfernt, dessen Wege sie verlassen, an dem sie sich versündigt haben und von dessen Geboten sie abgeirrt sind.

Im NT bedeutet Bekehrung die entscheidende Hinwendung zu Gott, durch die ein Sünder (Jude oder Heide) durch den Glauben an Jesus Christus den gegenwärtigen Eintritt in das eschatologische Königreich Gottes erlangt und den eschatologischen Segen der Vergebung seiner Sünden erhält.

Jesus macht1 deutlich, dass es sich bei der Bekehrung um die Abkehr von Sünde (Mt 6,1-18), das Bekenntnis zu Jesus (Mt 10,32f.) und die Verpflichtung zur Nachfolge (Mk 8,34-38) handelt. Sie umfasst den ganzen Menschen.

In der Apostelgeschichte wird Bekehrung als einmaliger Akt2 beschrieben, in dem sich der Mensch von der Finsternis des Götzendienstes, der Sünde und der Herrschaft Satans ab- und der Anbetung und dem Dienst Gottes zuwendet (Apg 14,14; 26,18). Sie schließt Buße (Apg 3,19; 26,18) und Glauben (11,21; 20,21) ein und führt zu guten Werken (27,20).

Auch Paulus lehrt die Bekehrung als grundlegenden Akt der Abkehr von der Sünde und Hinkehr zu dem lebendigen Gott (1Thess 1,9).

Das NT berichtet von heftigen und dramatischen Bekehrungen3 aber auch von ruhigen und unspektakulären4.

Für die Urchristen war die Bekehrung die Antwort des Glaubenden auf Gottes Wirken in der Verkündigung des Evangeliums, weniger eine Erfahrung, die man fühlt, als eine Aktion, die man tut. Bekehrung bedeutet das Bekenntnis zu Christus, das in der Taufe symbolisiert wird: Vereinigung mit Christus im Tod als Gericht über die Sünde, in der Auferstehung aus dem Tod, um durch ihn für Gott zu leben und durch die Kraft des innewohnenden Geistes in einem neuen Leben zu wandeln.

Noch eine letzte kleine Vorbemerkung:

Ein perspektivischer Akzent

Die Frage: „Warum bekehren sich Menschen“ soll hier nicht unter religions-soziologischen oder religions-psychologischen, also empirischen Gesichtspunkten behandelt werden, (wie z. B. die Beobachtung, dass und warum sich vor allem Heranwachsende bekehren würden oder nur Menschen in einer Lebenskrise oder seelisch labile usw.) sondern unter geistlichen und biblisch-theologischen.

Also wenden wir uns positiv der Frage zu: Warum bekehren sich Menschen?

1. Weil Gott in Christus sein Reich, seine Herrschaft begonnen hat.

Es gibt eine geistliche – unsichtbare, aber ganz reale Wirklichkeit, die in der Bibel mit Reich Gottes bezeichnet wird. Gott ist der Herr. Er regiert über alles. Er tut das auf eine solch andere Weise als die Herren dieser Welt, dass man sich nur in seinem Denken und in seiner Gesinnung und in seinem Verhalten ändern kann, wenn man IHM begegnen und IHN erfahren will.

Jesus hat das mit aller Deutlichkeit und Liebe gepredigt. Seine Botschaft lässt sich in einem Satz zusammenfassen:

„Kehrt um, denn das Reich Gottes ist gekommen!“ (Mt 4, 17)

Er hat diese Predigt nicht nur verbal gehalten, sondern existenziell gelebt: Er hat die Macht der Liebe Gottes gelebt und glaubwürdig verkörpert.

Er war nicht einfach nur ein neuer leidenschaftlicher Wanderprediger aus Galiläa oder ein unbequemer Sozialreformer, sondern derjenige, der sich selbst als Messias, als von Gott Gesandter und Gesalbter verstand und auch in dieser Vollmacht auftrat.

Seine messianischen Zeichen haben die Menschen, besonders die geistliche Elite, zum Umdenken und Nachdenken herausgefordert. Er übertrat scheinbar die Gesetze. Er heilte kultisch unreine und kranke Menschen am heiligen Sabbat. Er schenkte Blinden das Augenlicht. Er heilte einen Gelähmten, so dass dieser herumhüpfte und Gott vor allen lauthals pries.

Jesus stellte die damalige theologische Ordnung auf den Kopf

Er verkehrte – und das war anstößig – mit Sündern und aß mit ihnen! Er unterhielt sich mit sündigen Frauen, die im Ehebruch lebten und vergab ihnen ihre Sünden.

Er stellte die theologische Ordnung auf den Kopf. Und er sagte:

„Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder!“ (Mt 9, 13.)

Die als Schimpfwort gedachte Schmähung: „Dieser nimmt die Sünder an!“ (Lk 13, 2) ist ein Erweis für die Konsequenz seiner Bekehrungspredigt.

Was hat das alles mit Bekehrung zu tun? Sein Aufruf umzukehren, sich Gott ganz zuzuwenden, wurde von den meisten (tragischerweise von der theologischen Elite) gar nicht verstanden!

Jesu Aufruf umzukehren, sich Gott ganz zuzuwenden, wurde tragischerweise von der theologischen Elite gar nicht verstanden

Aber von vielen wurde er beherzigt: Sie kehrten um zu Gott. Sie erkannten ihr verpfuschtes Leben, ihre Schuld und Sünde, ihre Gesetzes – Übertretungen, ihr Versagen. Sie litten an ihren Verletzungen. Ihnen tat es leid, dass sie sich über Gottes Gebote hinweggesetzt hatten, dass sie andere übers Ohr gehauen, sich unsittlich bereichert, andere verletzt hatten – und sie kamen zu Jesus. Sünder kamen zu Jesus: Gutsituierte Sünder, kaputte Sünder, moralisch hochstehende Sünder, reiche Sünder, arme Sünder – sie alle erkannten ihre Leere und ihre Schuld vor Gott und bekehrten sich zu ihm. Die Freude und das verwandelte Leben dieser Menschen war das stärkste Zeugnis für die Wahrheit und Wirksamkeit der Bekehrung.

Warum bekehren sich Menschen?

2. Weil Gott auch heute noch will, dass Menschen gerettet werden

Die Tagesordnung Gottes ist heute keine andere als damals zur Zeit Jesu! Die Rettung von Menschen hat für Gott nach wie vor oberste Priorität. „Gott will, dass alle Menschen gerettet werden!“ (1Tim 2, 4.) Es bekümmert ihn auch heute, dass Menschen ohne ihren Lebensursprung, ohne IHN selbst, den Vater des Lichts, den Ursprung des Lebens, leben und deshalb verloren gehen.

Das Reich Gottes besteht auch nach Jesu Wirken, nach seinem stellvertretenden Sühnetod am Kreuz und seiner Auferstehung und Erhöhung weiter, und es weitet sich aus. Jesus Christus wirkt bis er wiederkommt in Macht und Herrlichkeit.

Seine Apostel haben diesen heilsgeschichtlichen Kairos erkannt:

„Jetzt ist die Zeit der Gnade. Jetzt ist der Tag des Heils.“ (2Kor 6, 2.)

Ich verstehe (auch aus eigener Erfahrung!) die Anfechtung, dass man den Eindruck hat, jetzt sei einfach keine gute Zeit. Der Boden sei so hart und die Menschen so gottlos. Keiner habe Interesse an Gott. Alles gehe den Bach ab usw. Aber das sind Lügen. Nie war die Zeit so günstig wie heute. Nie waren die Möglichkeiten so gut wie heute. Nie waren Menschen in unserem Land so satt und doch so leer. Nie war die Sehnsucht nach Angenommensein und sinnerfüllter Geborgenheit, nach Heil, Frieden und Gerechtigkeit größer.

Warum bekehren sich Menschen?

3. Weil Gott heute noch Menschen durch seinen Geist und sein Wort anspricht und zu sich zieht

Es ist und bleibt tatsächlich ein Wunder, wenn Menschen zum Glauben an Jesus kommen! Es ist und bleibt die souveräne Tat Gottes.

„Es kann keiner zu mir kommen, es ziehe ihn denn der Vater!“ sagt Jesus in Joh 6, 44.

Und Paulus war überzeugt:

„So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen.“ (Röm 9,16)

Das zu wissen, befreit von Bekehrungsdruck und menschlichen Machenschaften!

Obwohl wir umgangssprachlich davon reden, dass „wir uns bekehrt“ haben, meinen wir natürlich, dass Gott uns bekehrt hat

Jeder, der sich bekehrt hat, weiß das auch und gibt deshalb Gott die Ehre, dass ER ihn gerufen und ihm die Augen für sein Heil geöffnet hat. Obwohl wir umgangssprachlich davon reden, dass „wir uns bekehrt“ haben, meinen wir natürlich, dass Gott uns bekehrt hat.

  • Wir alle kennen Beispiele von Menschen, (besonders von Moslems im Ausland) die sich zu dem lebendigen Christus bekehrt haben ohne Zutun eines Christen, ohne eine Bibel gekannt zu haben – allein durch Gottes Wirken im Heiligen Geist. Erst danach trafen sie Christen, lernten die Bibel kennen und dienten dem Herrn. Aber sie erkannten Jesus als Herrn. Sie erkannten, dass sie nur bei IHM ihre Schuld loswurden und Heil empfingen.
  • Ich denke an den jungen Mann, der mir vor ein paar Monaten auf einem Spaziergang über den Weg lief. Er war auf dem Weg zu mir nach Hause, kehrte aber wieder um, weil er keinen Mut mehr hatte. Er sah mich an – ich ihn. Er sagte nichts. Ich kannte ihn gar nicht! Er hatte mich auf der Beerdigung seines Opas gehört. Er kam mit und er war vom Heiligen Geist vorbereitet. Ich lud ihn ein und wir sprachen über ihn, sein Leben, seine Angst, seine Schuld. Ich konnte beten. Nach einiger Zeit sprachen wir wieder miteinander. Er kam unangemeldet. Ich hatte eigentlich gar keine Zeit, merkte aber, dass der Heilige Geist an diesem Mann arbeitete. Während des Gesprächs kam ein Freund und wollte mich abholen. Aber der junge Mann war wichtiger. Er bekehrte sich an diesem Nachmittag. Bei der letzten Taufe war er dabei.

Warum bekehren sich Menschen?

4. Weil Gott Menschen durch Menschen anspricht

Obwohl es allein Gottes Werk ist, wenn sich Menschen bekehren, braucht Gott doch auch Menschen dazu, die anderen sagen, dass sie sich bekehren sollen. Gott handelt nicht an leblosen Objekten, an Steinen und Hölzern, sondern an Menschen durch Menschen.

Wie oft lesen wir im NT den Imperativ in der Missionspredigt der Apostel:

„So tut nun Buße und bekehrt euch, damit eure Sünden getilgt werden!“ (Apg 3,19)

Wie oft wird beschrieben, dass Menschen sich bekehrten aufgrund der Predigt und des Zeugnisses anderer Menschen.

Das NT bezeugt, dass Gott handelt, wenn Menschen im Vertrauen seinen Willen tun:

„Während Petrus noch diese Worte redete, fiel der Heilige Geist auf alle, die das Wort hörten.“ (Apg 10, 44)

„Sie verkündigten das Evangelium von dem Herrn Jesus, und des Herrn Hand war mit ihnen, so dass eine große Zahl gläubig wurde und sich zum Herrn bekehrte.“ (Apg 11, 21)

Geradezu leidenschaftlich fragt Paulus in der klassischen Stelle in Röm 10,14-17:

„Wie werden sie nun den anrufen, an den sie nicht geglaubt haben? Wie aber werden sie an den glauben, von dem sie nicht gehört haben? Wie aber werden sie hören ohne einen Prediger? Wie aber werden sie predigen, wenn sie nicht gesandt sind? … Also ist der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber aus dem Wort Gottes.“

Den Glauben weckende Botschaft muss von Zeugen weitergegeben werden, damit andere sich bekehren

Den Glauben weckende Botschaft muss von Zeugen weitergegeben werden, damit andere sich bekehren.

Wenn Paulus in 1Kor 3, 9 sogar davon spricht, dass „wir Gottes Mitarbeiter ( synergoi – Mitwirker) sind“, dann wird deutlich, wie eng wir mit Gott zusammenarbeiten dürfen. Es geht hierbei nicht um die Gefahr des soteriologischen Synergismus5, sondern um das Ineinander von Gottes souveränem Wirken und dem gehorsamen Wirken des Menschen bei der Verkündigung des Evangeliums und der Heilsaneignung in der Bekehrung von Menschen.

Das Evangelium ist Gottes Kraft zur Rettung für jeden, der glaubt

Es ist mit unseren reformatorischen und baptistischen Vätern unsere tiefe Überzeugung, dass auf der Verkündigung des Evangeliums Gottes Segen liegt, ja dass das „Evangelium Gottes Kraft zur Rettung für jeden, der glaubt“ (Röm 1,16) ist. Deshalb gibt es keine Alternative zur Verkündigung (bzw. Bezeugung) des Evangeliums.

Heute ist es notwendig, sich wieder neu auf das Wesentliche und auf die Wesensmerkmale des Evangeliums zu besinnen.

Das Evangelium ist die gute Nachricht, dass Gott, der uns geschaffen hat, liebt und uns trotz unserer Schuld nicht richten, sondern um Jesu und seines Todes am Kreuz willen retten will. Diesen Jesus im Glauben anzunehmen, bewirkt neues Leben. 

Natürlich können wir nicht einfach davon ausgehen, dass jeder weiß, wer Gott ist. Wir müssen erklären, wer der biblisch bezeugte Gott ist. Wir müssen uns Gedanken machen, wie Menschen heute über Gott denken, welche Gottesbilder sie haben und was diese bewirken. Wir müssen alle Inhalte des Evangeliums neu überdenken und für Menschen von heute kommunizieren lernen. Wir müssen klar von Sünde sprechen und vor allem von Jesus Christus. Warum dieser Mann aus Nazareth der Christus Gottes ist. Was sein Tod am Kreuz für uns bedeutet, wieso er trotz seines Todes lebt. Wir müssen sagen, dass es eine ewige Verlorenheit und eine ewige Errettung gibt. Wir müssen von den Segnungen des Heils im Leben von Menschen sprechen usw.

Wir müssen gute Apologetik lernen. Apologetik ist intellektuelle Evangelisation. Sie ist heute im multikulturellen Klima postmoderner Gesellschaften mehr denn je gefragt.

Dabei dürfen wir das Evangelium auf alle Weise kommunizieren

Das bedeutet: verkünden, bezeugen, erklären, postulieren, proklamieren. In persönlichen Gesprächen, in öffentlichen Veranstaltungen, in Diskussionsrunden, einfach überall.6

In diesem Prozess ist die Glaubwürdigkeit der Zeugen enorm wichtig.

„Das Wort allein“ klingt zwar gut, ist aber unabhängig von dem Zeugnis des Boten, allzu oft ein lutherisches Phantom. Paulus sagt jedenfalls:

„Wir haben euch nicht allein das Evangelium mitgeteilt, sondern auch unser eigenes Leben!“ (1Thess 2, 8.)

Die Übereinstimung von Botschaft und eigener Gesinnung sowie dem Zeugnis des Lebens überzeugt Menschen

Unser Leben sagt mehr aus als viele Worte. Die Übereinstimung von Botschaft und eigener Gesinnung sowie dem Zeugnis des Lebens überführt Menschen.

Warum bekehren sich Menschen?

5. Weil Menschen bereit sind, anderen Jesus zu bezeugen.

Ein schönes Beispiel ist Philippus. Als er durch einen Boten Gottes den Auftrag bekam, auf die Straße, die von Jerusalem nach Gaza führt, zu gehen, „stand er auf und ging hin“ (Apg 8,27). Dort trifft er einen vorbereiteten Mann, der die Bibel liest ohne sie zu verstehen! Auf die Frage: „Verstehst du auch was du liest?“ antwortet dieser: „Wie könnte ich, wenn mich keiner anleitet!“ Auf sein Bitten steigt Philippus zu ihm und erklärt ihm den Weg zu Gott. Daraufhin erkennt er Jesus, bekehrt sich und begehrt auf der Stelle die Taufe.

Es bekehren sich Menschen, wenn wir bereit sind (und es immer mehr werden), „jederzeit Rechenschaft zu geben von der Hoffnung, die in uns ist“ (1Petr 3,15) und wenn wir bereit sind (und es immer mehr werden), von Jesus zu Menschen zu sprechen, die ihn brauchen.

Die Motivation, anderen Menschen Jesus zu bezeugen, liegt nach urchristlichem Vorbild einmal in der Ehrfurcht vor Gott und zum andern in der Liebe zu Gott und zu den verlorenen Menschen.

„Da wir nun die Furcht des Herrn kennen, so überreden wir Menschen … Denn die Liebe Christi drängt uns …“ (2Kor 5, 11.14)

Menschen bekehren sich, weil andere in der Ehrfurcht vor Gott und in der Liebe Christi ihnen Jesu bezeugen.

Warum bekehren sich Menschen?

6. Weil sie erkennen, wer Jesus Christus ist

Eine durch den Geist und das Wort Gottes gewirkte ganzheitliche und grundsätzliche Umkehr eines Menschen zu Gott mit klar erkennbaren Auswirkungen eines erneuerten Lebens vollzieht sich nicht nach einem starren Schema.

Bekehrung ist ein punktuelles und prozessuales Geschehen mit dem Ergebnis der Gewissheit, durch Christus zu Gott zu gehören

Bekehrung ist ein punktuelles und prozessuales Geschehen zugleich mit dem Ergebnis der Gewissheit, durch Christus zu Gott zu gehören. Dabei sind folgende Essentiales Teil dieses komplexen Bekehrungsgeschehens.

  • Echte Selbsterkenntnis des Menschen vor Gott (Lk 18,13).
  • Das Kommen zu Jesus und das Anrufen seines Namens im Glauben (Joh 6,37; Apg 4,12).
  • Die Bitte um Vergebung und der Empfang derselben (Apg 2,38).
  • Der bewusste Vollzug des Herrschaftswechsels (Apg 26,18).
  • Die Befreiung von der Macht des Bösen (Apg 26,18; Kol 1,13).
  • Das Erfülltwerden mit dem Heiligen Geist (Apg 2,38).
  • Die Taufe (Apg 2, 38.41).
  • Die neue Lebensrichtung: Nachfolge – Dienst – Mission (Apg 2,38-47).

Bekehrung ist nach dem Zeugnis des AT und besonders des NT ein komplexes Geschehen. Er wird im NT nie im technisch-instrumentalen, sondern im geistlichen Sinn verwendet. Deshalb dürfen wir kein Schema aufstellen und Menschen dadurch vergewaltigen.

In der Praxis kann es durchaus so sein, dass die Elemente der Heilsaneignung nicht in der oben aufgeführten Reihenfolge vollzogen werden. Wichtig ist aber, das geistliche Geschehen in einzelnen Glaubensschritten zu erleben. Es gibt Bekehrungen, in denen alle sieben Schritte auf einmal getan werden, andere, die sich in zwei oder drei Etappen vollziehen. Wichtig ist das Ziel der ganzen Heilsaneignung in Christus und die Gewissheit, durch ihn zu Gott zu gehören.

Konsequenzen

Es hat den Anschein, als brauchten wir unter uns wieder eine neue Klarheit im Blick auf die Notwendigkeit der Bekehrung verlorener Menschen. Bekehrung ist kein Randthema in der Verkündigung Jesu und der Apostel. Es ist ein Haupt-Thema des NT und deshalb heute überhaupt nicht überholt.

Bekehrung von Menschen muss ein klares Ziel des Gemeindeaufbaus sein. Die vielen Aktivitäten in Gemeinden müssen diesem großen Ziel dienen, dass Menschen zum Glauben an Jesus Christus kommen und in seiner Nachfolge als hingebungsvolle Jünger leben oder sie haben letztlich keine Berechtigung.

Die Erkenntnis, dass Bekehrungen nicht Menschenwerk sind, befreit zu einem kreativen und vielfältigen Zeugnis des Evangeliums und zu einem langen Atem. Es müssen keine kurzschlüssigen und schnellschüssigen Aktionen sein, sondern das stetige zielorientierte Beten und Arbeiten und Glauben, damit Menschen sich bekehren.

Weil Gott will, dass Menschen gerettet werden, müssen auch wir neu ernst machen mit dem Willen, Menschen durch das Evangelium konkret zu Jesus zu rufen. Diese Konzentration auf das wesentliche Ziel bedarf eines starken Muts und einer starken Demut. Um beides müssen wir neu bitten.

Literatur

  • Artikel „Bekehrung/Konversion“ in: RGG4 , Bd. 1, hrsg. v. H. D. Betz, Don S. Browning, B. Janowski, E. Jüngel. Mohr Siebeck, Tübingen, 1998.
  • Artikel „Bekehrung“ von J. I. Packer/Helmut Burkhardt in: Das große Bibellexikon. Bd. 1, Wuppertal / Gießen 1990², S. 178-179.
  • J. Schniewind, Das biblische Wort von der Bekehrung, 1948.
  • J. Schniewind, Geistliche Erneuerung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1981.
  • William Barclay, Bekehrung im Neuen Testament. R. Brockhaus, Wuppertal 1966.
  • Helmut Burkhardt, Die biblische Lehre von der Bekehrung. TVG-Brunnen, Gießen/Basel, 1985.

  1. Besonders in den Gleichnissen, aber auch sonst: Mt 4,17; Lk 15,18; Mt 5,23f.; Lk 17,4. 

  2. Daher die Zeitform des Aorist. 

  3. Saulus vor Damaskus, Apg 9; 22; 26; der Kerkermeister zu Philippi, Apg 16,29ff. 

  4. Der Kämmerer aus Äthiopien Apg 8 oder Lydia Apg 16. 

  5. Einer theologischen Auffassung des Zusammenwirkens beim Heil! 

  6. Vgl. Phil 1,18.