ThemenWeltanschauungen, Zeitgeist und Bibel

Neale Donald Walschs „Gespräche mit Gott“

Hunderttausende Deutsche (weltweit Millionen) haben „Gespräche mit Gott“ gelesen. Darin werden christliche Begriffe und Gedanken aufgenommen und esoterisch weiterentwickelt. Fragen nach Gott, dem Willen Gottes, der Sünde und dem ewigen Leben werden auf eine plausible, dem Zeitgeist entsprechende Art beantwortet. Walsch bündelt die derzeit dominierenden Glaubensüberzeugungen der westlichen Welt. Christen, die das religiöse Denken ihrer Zeit verstehen wollen und Menschen ihrer Generation ihren Glauben verständlich machen wollen, sollten sich mit N. D. Walschs Gedanken auseinandersetzen.

Millionenfach wurden Neale Donald Walschs Bücher in den letzten Jahren gekauft und überwiegend begeistert gelesen. In seinen „Gesprächen mit Gott“ redet er über den Menschen, über Gott, über Ethik und das Leben nach dem Tod. Christen sollten sich mit Walsch auseinandersetzen, nicht nur weil er das Denken zahlreicher Menschen prägt, sondern auch weil er vorgibt, neue Informationen vom Gott der Bibel erhalten zu haben, die in einer deutlichen Spannung zu den Überzeugungen von Christen stehen. Viele religiöse Menschen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten von den etablierten Religionen abgewandt auf der Suche nach einer individuellen und glaubwürdigen Alternative. In Walschs buntem Gemenge zeitgenössischer esoterischer Überzeugungen meinen zahlreiche seiner Leser eine akzeptable Antwort gefunden zu haben.

Stellvertretend sollen hier einige Walsch wohlgesonnene Leser zu Wort kommen. Ein Internetrezensent bezeichnet die „Gespräche mit Gott“ als „Ein Geschenk Gottes“. Er schreibt:

„Ich hab mir das Buch vor einem Jahr gekauft und seither hat sich mein Leben stark verändert. Dieses Buch ist die Grundlage für jeden, der beschließt, den Sinn des Lebens zu verstehen und sein wahres Ich zu erkennen. Aber nicht nur einmal lesen, sondern drei, vier mal oder noch öfter, immer wenn man nicht weiter weiß.“

Für einen anderen Leser sind die „Gespräche mit Gott“ „Die neue Bibel“. Ein weiterer Rezensent betont, dass Walschs Buch ihn emotional außergewöhnlich berührte:

„Schon die ersten Seiten wurden für mich zu einem Erlebnis, das ich nie vergessen werde, und auch mein Leben verändert hat. Ich badete in Gefühlen. … Schon während dem Lesen stellte sich bei mir ein Geborgenheitsgefühl ein, das ich bis dahin nicht kannte. Dieses Gefühl kann ich mir bis jetzt und weiterhin bewahren.“

Später heißt es:

„Dieser Band war die absolute ‚Offenbarung‘. Einst war ich verloren, doch jetzt bin ich gefunden. Ich war blind, aber jetzt bin ich sehend.“

Ein anderer Leser hebt hervor, dass seiner Meinung nach Gott durch Walsch spricht:

„Einfach unglaublich. Dieses Buch ist der Hammer, öffne Dich und Du wirst sehen, dass Gott auch mit Dir spricht, und zwar in jedem Augenblick!“

Ein Leser sieht in Walschs „Offenbarung“ das Ende des bisherigen Christentums:

„… in letzter Konsequenz ist das Buch vielleicht sogar eine Bankrotterklärung an die Machtstrukturen der Institution Kirche, die das religiöse Monopol für sich beansprucht.“

Eine andere Leserin berichtet davon, wie ihr die Lektüre der „Gespräche mit Gott“ aus Verzweiflung und Depression geholfen haben.1

Anlässlich seines im Herbst 2006 erschienen Buches „Zuhause in Gott“ (ZiG) soll hier Neale Donald Walschs religiöse Welt entfaltet und beurteilt werden. Wer Neale Donald Walschs neustes Buch gelesen hat, muss wohl zu dem Schluss kommen, dass dem esoterischen Bestsellerautor in den vergangenen zehn Jahren nur wenig Neues eingefallen ist.

Seit Jahren schreibt und redet Walsch, was in seiner esoterischen Fangemeinde gerne gehört wird. Und wer will es ihm verdenken, verdient er damit nach wie vor recht gut und scheinbar wird er weiterhin gelesen. Immer wieder verteilt er Balsam für die Seelen gestresster Bürger des Industriezeitalters. Wer lässt sich nicht auch gerne einmal sagen, dass er eigentlich Gott ist (ZiG, S. 51, 313). Walschs Religionspotpourri muss wohl als Spiegel zeitgeistlicher Befindlichkeit betrachtet werden. Nicht ganz unberechtigt warnt Walsch seine Leser, dass „sich manches davon … weit hergeholt und esoterisch ausnehmen“ könnte (ZiG, S.19).

1 Der Autor

Walsch_NDNeale Donald Walsch ist Autor esoterischer Bestseller und gefragter Guru der Szene. Nach einem Studium an der Universität von Wisconsin in Milwaukee wandte sich Walsch der Radioarbeit zu. Seine ersten Erfahrungen sammelte er bei einem größeren Sender in Annapolis (Maryland). Später wechselte er als Programmdirektor an einen Radiosender in Baltimore. Eine liberale Grundhaltung erhielt er durch seine Arbeit bei „The Evening Capital“ (Tageszeitung in Annapolis) und „Anne Arundel Times“. Nach einigen Erfahrungen in der Lokalpolitik wechselte Walsch in die Öffentlichkeitsarbeit des nationalen Schulsystems.

Etwa im Alter von 40 Jahren übernahm Walsch die PR Arbeit der Sterbeforscherin Dr. Elisabeth Kübler-Ross. Bei ihr „erwachte seine Religiösität neu“ und „sein Verlangen nach Gott“. Kübler-Ross prägte in ihm das Wissen von einem Gott, „der den Menschen außergewöhnlich liebt, ihn niemals verurteilt und jeden akzeptiert, wie er ist.“ In San Diego gründete Walsch daraufhin mit einigem Erfolg eine eigene Public Relations Agentur. Auf der Suche nach einem besseren, erfüllten Leben zog er mehrfach um und erlitt mehrere einschneidende Rückschläge: Bei einem Brand verlor er den Großteil seines Besitzes, seine Ehe endete in der Scheidung und in einem schweren Autounfall zog er sich bleibende Gesundheitsschäden zu. In dieser Zeit meinte er, sein Leben sei am Ende. Freunde bauten ihn wieder auf und vermittelten ihm eine neue Anstellung beim Radio. Seine schwierigen Erfahrungen hätten ihn auf seine spätere Aufgabe als „Botschafter der Liebe Gottes“ vorbereitet, so Walsch.2

Mit 49 Jahren, in einer persönlichen Krise, wandte sich Walsch in einem ärgerlichen Brief an Gott:

„Was habe ich getan, dass ich andauernd mit solchen Schwierigkeiten zu kämpfen habe?“

In den nächsten Monaten (1992) begann Gott ihm zu antworten. In seinen „Gesprächen mit Gott“ veröffentlichte Walsch sein Zwiegespräch mit Gott, das sich aus diesem ersten Kontakt entwickelte. Zweieinhalb Jahre fand sich daraufhin sein Buch auf der Bestsellerliste der New York Times und wurde in 24 Sprachen übersetzt. Weitere Bestseller ähnlichen Aufbaus und ähnlicher Form schlossen sich an. Walsch gründete die Organisationen ReCreation und Humanity’s Team, um spirituell suchenden Menschen mit Seminaren und Vorträgen auf ihrem Weg zu helfen. Zwischenzeitlich hat er Millionen überzeugte Anhänger, die sich auf Seminaren und Kongressen, sowie virtuell auf GmG-Foren austauschen (GmG = Gespräche mit Gott). Walsch wird von zahlreichen seiner Anhänger als Vermittler göttlicher Wahrheiten und großer spiritueller Lehrer gesehen.

Walschs auch international außerordentlich erfolgreiche Bücher wurden in Deutschland vom Goldmann Verlag (München) herausgegeben: Gespräche mit Gott 1 (1997), Gespräche mit Gott 2. Gesellschaft und Bewusstseinswandel (1998), Gespräche mit Gott 3. Kosmische Weisheit (1999), Freundschaft mit Gott. Ein ungewöhnlicher Dialog (2000), Beziehungen, Wegweisungen für den Alltag (2000), Rechtes Leben und Fülle.

Wegweisungen für den Alltag (2000), Bring Licht in die Welt (2002), Gemeinschaft mit Gott (2002), Fragen und Antworten zu „Gespräche mit Gott“ (2002), Neue Offenbarungen. Ein Gespräch mit Gott (2003), Gott erfahren (2003), Gott heute (2004), Erschaffe dich neu (2003), Was Gott will (2005), Zuhause in Gott. Über das Leben nach dem Tode (2006).

2 Walschs Selbstanspruch

Walsch_BuchSeit 1992 will Walsch regelmäßig von Gott inspiriert worden sein. Er stellt sich als eine Art Medium dar, das lediglich zu Papier bringt, was Gott ihm diktiert hat.

„Zu meiner … Überraschung antwortete Gott: In meinem Inneren hörte ich eine Stimme, die mir etwas zuflüsterte, was ich ganz automatisch aufschrieb – ich nahm ein Diktat auf.“ (GmG 3, S. 9; vgl. ZiG, S. 5; 19)

Der Leser wird aufgefordert, all sein bisher für wahr gehaltenes Wissen über Gott und Moral über Bord zu werfen, um sich bereit zu machen, Walschs Offenbarungen aufzunehmen. (GmG 3, S. 19)

Walsch schreibt seinem Buch dieselbe Autorität zu wie der Bibel. Walschs Gott verspricht jedem suchenden Menschen durch die Lektüre seines Buches zu begegnen.

„So wie ich auch jetzt zu jenen gekommen bin, die diese Worte lesen. Denn dieses Gespräch war nie nur für dich allein gedacht, sondern für Millionen überall auf der Welt.

Und es wurde … einer jeden Person genau dann in Buchform in die Hände gelegt, wenn sie es brauchte. Es hat ihr die Weisheit gebracht …“ (GmG 3, S. 98; vgl. ZiG, S. 17, 361f., 365f.)

„Die ganze Welt hat sich verändert“, durch Walsch Offenbarungen (ZiG, S. 361). Die Lektüre seines Buches helfe den Menschen, ihre eigenen Probleme zu bewältigen wie auch die vorgebliche Krise der gesamten Gesellschaft (GmG 3, S. 59, vgl. ZiG, S. 377). Darin werden „alle Aspekte menschlichen Lebens berührt“ (ZiG, S. 5). Walschs Offenbarungen wollen „atemberaubenden Einblick in die letzte Wirklichkeit“ bieten (ZiG, S. 5). Walschs Leser sollen von Gott geführt worden sein, seine Bücher zu lesen (ZiG, S.6f). „Ihre Seele hat Sie … zu diesem Buch hingezogen …“ (ZiG, S. 10).

Letztlich stellt Walsch bescheiden fest: „Ich bin Gott“

Obwohl er sich als selbstsüchtig und unwürdig bezeichnet, nimmt Walsch göttliche Autorität für den Inhalt seines Buches in Anspruch: „Gott ist der Autor“ (GmG 3, S. 117; ZiG, S. 12) Walsch selbst sieht sich als einen der großen Lehrer der Menschheit (GmG 3, S. 237). Nach den Aussagen seines Gottes ist Walsch ein großer Meister wie Buddha, Jesus oder Krishna. Er wurde berufen, seine Offenbarungen der breiten Öffentlichkeit zu verkünden. Walschs Mutter und Vater sollen seine Vorboten gewesen sein, die sein Auftreten vorbereiteten. (GmG 3, S. 239f.) Er selbst bekennt:

„Ich bin … ein großer Lehrer. Ein großer Lehrer der ewigen Wahrheit.“ (GmG 3, S. 242).

Letztlich stellt Walsch bescheiden fest: „Ich bin Gott“ (GmG 3, S. 331).

Dass diese Aussagen nicht mit der Bibel zu vereinbaren sind, ist offensichtlich (Mt 24,4f.11.24; Gal 1,8f.; 1Petr 1,25; 1Joh 5,10; Offb 2,18). Darüber hinaus hat Walsch bisher auch keinen überzeugenden Nachweis seiner Göttlichkeit liefern können. Weder kann er auf außerordentliche Wunder verweisen, noch meldeten sich bislang außerirdische „höher entwickelte Wesen“, um seine Behauptungen zu beglaubigen.

3 Walschs Stellung zur Bibel

Walsch_Buch_1Immer wieder beruft sich Walsch auf biblische Aussagen, wenn sie ihm gelegen kommen (z.B. GmG 3, S. 56, 67). Entsprechende Bibelstellen werden bei Walsch nicht exegetisch gedeutet, sondern, unabhängig von ihrer ursprünglichen Bedeutung, im Sinne eines esoterischen Weltbildes vereinnahmt. Die Offenbarung göttlicher Wahrheit ist für Walsch keineswegs auf die Bibel beschränkt. Denker anderer Religionen, aber auch „spirituelle Menschen“ wie die Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross sollen von Gott inspiriert sein (GmG 3, S.43). Offen äußert Walschs Gott seine Meinung zur Wahrheit der Bibel:

„Kein Film oder Buch oder irgendeine andere menschliche Erklärung des Göttlichen ist buchstäblich wahr. – Auch nicht die Bibel? – Nein. Und ich denke, du weißt das.“ (GmG 3, S.102)

Für Walsch ist die Bibel keine unhinterfragbare, autoritative Offenbarung Gottes, sondern eine teilweise von Menschen aus Machtgier verfälschte spirituelle Überlegung, die lediglich Teilwahrheiten der von ihm formulierten geistlichen Gesetzmäßigkeiten enthält. Insbesondere die biblischen Vorstellungen eines einmaligen Lebens, einer menschlichen Schuld vor Gott, der Notwendigkeit der Todes Jesu, fester ethischer Gebote, der Existenz von Himmel und Hölle usw. werden von Walsch verneint. Walsch liefert esoterischen Verschwörungstheorien Vorschub, nach denen die Lehren Jesu „weitgehend verzerrt und verdreht worden sind.“ (GmG 3, S. 408) Ursprünglich entspräche die Bibel nämlich den Überzeugungen Walschs.

Jesus ist für Walsch keinesfalls einzigartiger Sohn Gottes (Mt 14,33; 16,16), universeller Richter (Joh 5,22; 2Tim 4,1) oder Heiland der Menschen (Joh 4,42; Tit 3,6), sondern eher Wesen einer höheren geistigen Entwicklungsstufe wie Mohammed oder Buddha. Jesus soll aus dem All angereist sein, um den Menschen zu zeigen, wie sie selbst Götter werden könnten. Kollegen Jesu mit derselben Botschaft seien „Buddha, Krishna, Moses Babaji, Sai Baba und Paramahansa Yogananda.“ (GmG 3, S.408)

Dass diese Aussagen nicht mit der Bibel zu vereinbaren sind, ist offensichtlich (Mt 5,17-20; 24,35, Gal 1,8f, 1Petr 1,25). Keinerlei historische Belege sprechen für eine Verfälschung der Bibel.

4 Walschs Gott

Walschs Gott stellt sich als pantheistisches Wesen vor, eine Art kollektives Unterbewusstsein, das sich im ständigen Wandel befindet und doch schon immer war wie es ist.

„Ihr seid der Teil von mir, der die erfahrene Bewusstheit ist. Was ihr erfahrt … das bin ich … Ich bin die kollektive Erfahrung von euch allen! … Alles, was ihr je sein, tun oder haben werdet, habt ihr bereits getan. … So etwas wie die Zeit gibt es nicht.“ (GmG 3, S. 76f., vgl. ZiG, S. 346)

Vor dem Hintergrund dieser Aussagen könnte Walsch verstanden werden, als sei Gott nicht das Gegenüber des Menschen, wie die Bibel behauptet, sondern lediglich ein abgespaltener Teil seiner Persönlichkeit. Dementsprechend könnte es zahlreiche Götter geben, jeder Mensch hätte seinen eigenen, da sich ja auch das Bewusstsein jedes Menschen unterscheidet.

Walschs toleranter Gott macht keinem Menschen Vorschriften

Da es für Walschs Gott weder gut noch böse gibt, vereint er sowohl Gutes als auch Böses in seinem Wesen:

„Ich bin das Licht und ich bin die Dunkelheit, die das Licht erschafft und es möglich macht. Ich bin das Gutsein ohne Ende und die Schlechtigkeit, die das Gutsein gut macht.“ (GmG 3, S. 25)

In der Bibel hingegen stellt sich Gott als der absolut Gute dar, der unveränderlich ist und nichts mit Finsternis und Bosheit zu tun haben kann (Ps 86,5; Mk 10,18; Jak 1,17; 1Joh 1,5). Zwischen Gott und Mensch wird deutlich unterschieden (Hi 4,17, 11,7-9, 33,12, Ps 145,3, Röm 3,4, 11,33). Walschs grundtoleranter Gott macht keinem Menschen Vorschriften, wie er sich zu verhalten habe, niemanden weist er auf seine Fehler hin, da es diese eigentlich nicht gebe, und niemand werde nach dem Tod für sein Denken und Handeln von Gott zur Rechenschaft gezogen. Gott bestraft nicht, er liebt nur, alles und jeden, ganz gleich, wie sich ein Wesen verhält (GmG 3, S. 191).

5 Walschs Heilsgeschichte

Der von Walsch
erstrebte Mensch soll ganz in sich selbst ruhen

Walschs Gott offenbart eine gänzlich von der Bibel verschiedene Heilsgeschichte. Weil es sich ja um eine Offenbarung handelt, muss sich Walsch auch nicht um archäologische, historische oder religiöse Belege kümmern, sondern kann eifrig darauflosspekulieren. Demnach entwickelte sich aus dem friedfertigen harmonischen Matriarchat der menschlichen Vorzeit das bis heute dominierende, gewaltlastige Patriarchat, das den Teufel erfand, um die Frauen besser unterdrücken zu können. Alle Menschen waren sich laut Walsch darüber im Klaren, dass die Frauen den Männern in den Bereichen Weisheit, Planung, Mitgefühl und Denken weit überlegen waren (GmG 3, S. 62ff., 70).

Die frustrierten Männer benutzten die Angst vor dem Teufel, den sie nun erfanden, um die Frauen unter Druck zu setzen. Irgendwie merkten die weisen Frauen nichts von dem mythologischen Betrug der Männer, sodass der männliche Schutzgott sein weibliches Gegenüber immer mehr in den Hintergrund drängen konnte. (GmG 3, S.70ff)

„Der Gott des Zorns war geboren. … Die weitgehend weibliche Modellvorstellung von Liebe – die unendlich tolerante Liebe einer Mutter für ihr Kind … wurde durch die eifersüchtige, zornige Liebe eines fordernden, intoleranten Gottes ersetzt … Der Gott des Zorns, der Eifersucht und des Ärgers war eine Einbildung. Doch ihr habt euch das so lange eingebildet, dass es Realität wurde.“ (GmG 3, S. 72f.)

Obwohl in der frühen glücklichen Kulturepoche Frauen den Ton angegeben haben sollen, plädiert Walschs Gott schlussendlich doch für eine Gleichberechtigung der Geschlechter in der Gesellschaft. Männer und Frauen müssen wieder zueinander finden. Nach dem esoterischen Modell des androgynen Urmenschen sollten auch heute alle Einzelseelen und die Gesellschaft als ganze eine holistische Vereinigung ihrer männlichen und weiblichen Aspekte erstreben. (GmG 3, S. 66).

Dass diese Aussagen nicht mit der Bibel zu vereinbaren sind, ist auch hier offensichtlich (1Mo 2; Mk 1,15; 1Kor 11,8; Eph 5, 21-24; Gal 4,4; 1Tim 2,12-14).

6 Walschs Menschenbild

Der von Walsch erstrebte Mensch soll ganz in sich selbst ruhen, keiner Zustimmung oder Rechtfertigung von außen bedürfen, weder von Gott noch von anderen irdischen Instanzen:

„Solange du dir darüber Sorgen machst, was andere von dir denken, gehörst du ihnen. Nur wenn du keine Zustimmung von außen brauchst, kannst du dir selber gehören.“ (GmG 3, S. 17)

Jeder Mensch ist nicht nur Gott (GmG 3, S. 385, ZiG, S. 43f., 50f.), er ist auch ein Heiliger und ein Erlöser. (GmG 3, S. 116)

Nach Walschs Gott gibt es eine einheitliche, dauerhafte Seele des Menschen genauso wenig wie einen absoluten unveränderlichen Gott. Alles ist in einer ständigen Entwicklung ohne Anfang und ohne Ende, ohne je ein Ziel zu erreichen. (GmG 3, S. 93, vgl. ZiG, S. 313)

Der Weg zur Gottwerdung verläuft nach Walsch in drei Schritten:

„Akzeptanz, Proklamation, Demonstration. Das sind die drei Schritte zu Gott. Akzeptieren, wer und was du wirklich bist. Es proklamieren, damit die Welt es hört. Und es dann in jeder Hinsicht demonstrieren … Euer ganzes Leben ist eine solche Demonstration.“ (GmG 3, S. 332, vgl. ZiG, S. 43f., 326f.)

Im Gegensatz zu Walschs Äußerungen in einem anderem Zusammenhang, lehnt er es hier nicht ab, sich und anderen die eigene Gottheit eindrücklich zu demonstrieren.

In ihrem irdischen Alltag müssen die Mensch-Götter darauf achten, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Kummer, Ärger, Neid und Angst sind nach Walsch natürliche Emotionen, die auch zu einer vollkommenen und glücklichen Seele gehören. Obwohl eigentlich nur geschehen soll, was ich wirklich will, empfiehlt Walsch, Kummer, Ärger, Neid und Angst zu wollen. Sperrt sich ein Mensch gegen diese Charaktereigenschaften und Emotionen, steht er in Gefahr, daran Schaden zu nehmen. Unterdrückter Kummer führt demnach zu Depressionen, die wiederum Kriege hervorrufen. Unterdrückter Ärger führt zu rasender Wut, die auch kriegsauslösend wirkt. Unterdrückter Neid wird nach Walsch zu Eifersucht und unterdrückte Angst zu Panik. Auch diese soll für die irdischen Kriege verantwortlich sein (GmG 3, S. 44f.). Offen bleibt, warum Walsch nicht einfach rät, recht intensiv ein Leben ohne Kummer, Ärger, Neid und Angst zu wollen, dann könnte man diese negativen Emotionen einsparen und die negativen Folgen ihrer Unterdrückung gleichermaßen. Unklar bis unlogisch sind auch die einzelnen von Walsch behaupteten Ableitungen.

Mag es noch plausibel erscheinen, dass wütende oder neidische Menschen eher zu Gewalt und Krieg tendieren, klingt es absurd, niedergeschlagene und depressive Menschen zu potentiellen Kriegstreibern zu erklären.

Dass Walschs Aussagen nicht mit der Bibel zu vereinbaren sind, ist auch hier offensichtlich (Röm 3,4; 11,33; 1Kor 3,19; 13,9; Tit 3,3; 1Petr 2,1). Darüber hinaus zeichnet sich das Alltagsleben aller Menschen, einschließlich esoterischer Walsch-Anhänger, nicht gerade durch eine besondere göttliche Vollmacht und Qualität aus.

7 Wirklichkeitsveränderung à la Walsch

In Fragen eines glücklichen Lebens wirbt Walschs Gott für eine vereinfachte Form des „positiven Denkens“.

„Nichts geschieht, was du nicht geschehen lassen willst.“ (ZiG, S.24)

Jede menschliche Seele verfügt eigentlich schon über Glück, Erfolg, Selbstbewusstsein usw. Um diese Zustände auch in der sichtbaren Welt Wirklichkeit werden zu lassen, muss der Mensch lediglich so leben als wäre er schon reich, erfolgreich und schön.

„Die im Voraus getroffene Entscheidung, etwas zu sein … erzeugt eben dies in deiner Erfahrungswelt. … Handle so, als wärest du es, und du wirst es anziehen. Du wirst das, was du durch dein Handeln … zum Ausdruck bringst. Mit anderen Worten: Täusche es vor, bis es Wirklichkeit wird.“ (GmG 3, S. 31)

„Nichts geschieht, was du nicht geschehen lassen willst.“

Um jedem Misserfolg dieses Rezeptes zuvorzukommen, schränkt Walschs Gott gleich ein, wer nicht stark genug davon überzeugt ist, zu sein, was er zu sein wünscht, wird nur enttäuscht feststellen, dass er geblieben ist wie er war (GmG 3, S. 32).

Wer sich freut, mit entsprechender Einbildungsübung bald glücklich, gesund und reich zu sein, wird von Walschs Gott gewarnt.

„Du bist einfach dieses Wissen. Du bist einfach dieses Sein. Ein solches Sein entspringt einem Zustand totaler Bewusstheit. Es kann nur aus einem solchen Zustand hervorgehen. Wenn du danach strebst, bewusst zu werden, kannst du es nicht sein. … Deshalb versuche nicht zu glauben, dass du diese Dinge kannst. Versuche statt dessen, in den Zustand totaler Bewusstheit einzutreten“ (GmG 3, S. 113f., vgl. ZiG, S.32f., 313).

Wer also trotz aller Gedankenakrobatik weitgehend in dem Zustand verharrt, in dem er sich zuvor befand, hat sich wahrscheinlich zu sehr bemüht, ohne einfach zu sein. Wie die Veränderung des Seins allerdings konkret zu bewerkstelligen ist, wird auch von Walsch nicht angegeben.

Walschs Gott erfüllt dem
Menschen jeden Wunsch

Walschs Gott erfüllt dem Menschen jeden Wunsch. Dass nicht jeder Wunsch augenblicklich in Erfüllung geht, liegt daran, dass Gott immer den tiefsten und eigentlichen Wunsch eines Individuums erfüllt, der nicht immer mit dem übereinstimmt, was er momentan zu wünschen meint.

„Ich bin immer mit eurem tiefsten Wunsch in Berührung und gebe ihm immer statt. Auch wenn ihr etwas tut, das euren Tod verursacht – wenn das euer tiefster Wunsch ist, dann bekommt ihr das auch: die Erfahrung des Sterbens.“ (GmG 3, S. 37, ZiG, S. 65-68)

Tod, Mord, Krankheit und Ehekrise sind also demnach immer das Ergebnis der eigentlichen Wünsche der betreffenden Menschen, ganz gleich ob sie selbst das wissen oder nicht.

Aus christlicher Perspektive ist diese Konzeption irreal, menschenverachtend und ethisch äußerst bedenklich. Mit Walschs Wunsch-Ideologie werden alle Ehebrecher, Lügner, Mörder und Vergewaltiger pauschal gerechtfertigt.

Wirklich gefährlich sind diese negativen Erfahrungen (Krankheit, Tod, Betrug) nach Walsch allerdings nicht, weil sie der spirituellen Weiterentwicklung dienen und weil es unbegrenzte Möglichkeiten zur Reinkarnation gibt.

„Ihr könnt euch keinen Schaden zufügen. Ihr seid nicht imstande, beschädigt zu werden.“ (GmG 3, S. 37)

Jeder Mangel des gegenwärtigen irdischen Lebens ist nach Walsch auf unzureichende Einbildungskraft zurückzuführen.

„Dein Leben ist ein Spiegel dessen, was du dir wünscht und was davon du deinem Glauben nach haben kannst. … Der Glaube, dass du etwas nicht haben kannst, ist dasselbe wie der Wunsch, es nicht zu haben, denn er führt zum selben Ergebnis.“ (GmG 3, S. 112)

Angesichts dieser Überzeugung kann sich der Leser nur wundern, dass zufällig so viele Menschen Indiens oder Haitis sich gleichermaßen Armut wünschen, bzw. zu wenig von ihrem Wunsch des Wohlstandes überzeugt scheinen.

Verwunderlich auch, dass alle Opfer einer Naturkatastrophe oder einer Epidemie, am selben Ort zur selben Zeit den Wunsch hatten zu sterben.

Gelegentlich stößt sich auch ein wohlwollender Leser an Walschs widersprüchlichen weltanschaulichen Angaben.

Obwohl die einzige Wirklichkeit, die sein soll, die sich ein Mensch wünscht, erdenkt und damit erschafft, behauptet er gleichzeitig, dass diese Wirklichkeit zumeist nur Illusion ist – zumindest sofern sie nicht mit Walschs Vision der Welt übereinstimmt.

„Das meiste von dem, was ihr erfahrt, existiert nicht, und doch erfahrt ihr es.“ (GmG 3, S. 101)

Dass Walschs Aussagen nicht mit der Bibel zu vereinbaren sind, ist auch hier offensichtlich (1Mo 2,17; Mt 6,27; Lk 12,20; Röm 5,12; 1Kor 15,21; Jak 4,14; Hebr 12,5-11).

8 Ethische Normen bei Walsch

Für Gott existieren keine absolut gültigen Maßstäbe von gut und böse (GmG 3, S. 283, ZiG, S. 30, 57), so behauptet Walsch zumindest immer wieder:

„Die erste irrige Annahme ist die, dass es so etwas wie richtig und falsch gibt. … Begreift, dass richtig und falsch Produkte eurer Phantasie sind …“ (GmG 3, S. 188f.)

Alle Werte sind lediglich von Menschen für Menschen entworfen, sie sind relativ und werden nach Gutdünken einer Gesellschaft willkürlich verändert.

Walsch glaubt, dass die Menschheit den Schritt von den vielen partikulären Moralvorstellungen hin zu einer neuen Moral, einer neuen Ethik tun müsse. Der Terrorismus und eine repressive Sexualmoral belegten das Versagen der bestehenden Ethik. Walsch will den gemeinsamen Kern der vielen perspektivischen Ethiksysteme erhöhen und erweitern.

„Gott“ fordert Walsch dazu auf, sich niemals schuldig zu fühlen, weil das niemandem helfe.

„Es gibt nichts ‚Falsches‘. Es gibt nur das, was dir nicht dienlich ist; was nicht dem entspricht, der du bist und wofür du dich entschieden hast. Schuldgefühle lassen dich in dem stecken bleiben, was du nicht bist.“ (GmG 3, S. 18, vgl. ZiG, S. 346)

Freie Sexualität entspricht nach Walschs Gott der Natur des Menschen und den Gesetzen des Kosmos. Keine Form der Sexualität ist nach Walsch abzulehnen.

Dass Walschs Aussagen nicht mit der Bibel zu vereinbaren sind, ist offensichtlich (Röm 6,12; Eph 4,25; Kol 3,8; 1Petr 2,1; 1Joh 1,8). Darüber hinaus widerspricht dieses Ethikkonzept jeder Form staatlicher Rechtsprechung und scheint höchstens für Verbrecher oder skrupellose Egoisten erstrebenswert, die sich mit gutem Gewissen, frei von jeder ethischen Norm und frei von jeder Rechenschaft entsprechend ihren Wünschen und Vorstellungen ausleben können.

9 Walschs Erlösungskonzept

Körperliche Vergnügen wie die Sexualität setzen nach Walsch Energien frei, die seiner spirituellen Entwicklung dienen

Da Walsch in seiner Ideologie Schuld, Tod und ungewolltes Leid zumindest verbal eliminiert hat, erübrigt sich jede Frage nach Erlösung. Eigentlich sei der Mensch schon Gott, lebe ewig, könne über die gesamte materielle und immaterielle Welt bestimmen, sein eigenes Leben richte sich lediglich nach seinen Wünschen. Da natürlich kein Mensch das in seiner irdischen Existenz auch so erlebt, fühlt sich Walsch verpflichtet, zumindest Ansätze einer Methode zur spirituellen Höherentwicklung vorzustellen. Körperliche Vergnügen wie die Sexualität, setzen nach Walsch Energien frei, die der Mensch in seinem Innern aufsteigen lassen kann, damit sie seiner spirituellen Entwicklung dienlich werden. (GmG 3, S. 79f.) In seinem religiösen Potpourri greift Walsch hier auf das indische Konzept innerer Energiezentren (Chakra) zurück, die ein Mensch meditativ emporsteigen soll, von dem Chakra auf der Ebene der Geschlechtsorgane bis zum höchsten, das über der Stirn schwebt. Dann könne er zur Erleuchtung gelangen. Für Walschs Gott ist dieser Aufstieg der göttlichen Energien im Menschen nicht nur auf das momentane irdische Leben bezogen, sondern auch auf die endlose Abfolge der Reinkarnationen. Die klassisch indische Vorstellung, die den Grund der Reinkarnationen mit Schuld und Versagen des einzelnen Individuums in Verbindung bringt, die ausgelöscht werden muss, wird von Walschs Gott zurückgewiesen. Denn nach Walschs Vorstellungen gibt es keinerlei Schuld oder Versagen, das beseitigt werden müsste.

Obwohl ein Mensch eigentlich gar keine Fehler machen kann, sagt Walschs Gott zu, dem Menschen seine eingebildeten Fehler zu vergeben. Das Bekenntnis aus Johannes 3,16, dass Gott die Welt so sehr liebte, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit die Welt durch ihn errettet werde, ist für Walsch bloßer Mythos. Auftrag Jesu war dementsprechend nicht die Rettung der Menschen, sondern die Erinnerung an ihre eigene Göttlichkeit, die sie durch mangelnde Erfahrung verdrängt hatten. (GmG 3, S. 136)

Walschs Gott zufolge kann die Seele des Menschen eigentlich gar nicht sterben, da sie Gott ist

Dass Walschs Aussagen nicht mit der Bibel zu vereinbaren sind, ist offensichtlich. Darüber hinaus ist es offensichtlich, dass Schuld nur von dem vergeben werden kann, an dem ein Mensch schuldig geworden ist. Die imaginäre Selbstentschuldigung oder der esoterische Versuch der Schuldverdrängung machen in der Realität weder die untreue Ehefrau noch den gewalttätigen Ehemann oder den gewieften Bankräuber weniger schuldig. Dass Walschs Aussagen nicht mit der Bibel zu vereinbaren sind, ist auch hier offensichtlich (Joh 11,26; 1Kor 6,11; Hebr 9,27; 1Joh 1,9).

10 Tod und Jenseits bei Walsch

Alle Menschen lebten schon immer, Walsch zufolge ändern sie nur von Zeit zu Zeit ihre Erscheinungsform. Jeder Mensch, auch das Mord- oder Unfallopfer, entscheidet sich selbst für diesem Tod. Sterben ist für Walsch lediglich ein Perspektivenwechsel der Seele (GmG 3, S. 91, ZiG, S. 316, 321), die plötzlich all das versteht, was ihr während des irdischen Lebens unverständlich erscheint.

„Das erkennt die Seele im Augenblick, den ihr den Tod nennt. Es handelt sich einfach nur um die Veränderung der Perspektive. Du siehst mehr und verstehst daher auch mehr. Nach dem Tod bist du in deinem Verständnisvermögen nicht mehr beschränkt. … Es wird dir alles ganz klar sein“ (GmG 3, S. 95)

Nach Walsch gibt es auch nach dem irdischen Tod kein göttliches Gericht über Menschen (GmG 3, S. 101) und natürlich weder eine Hölle noch einen Teufel (GmG 3, S. 20). Schlussendlich werden alle errettet (GmG 3, S. 123, ZiG, S. 37f., 50f.).

Walschs Gott zufolge kann die Seele des Menschen eigentlich gar nicht sterben, da sie Gott ist. In Anlehnung an das Phänomen außerkörperlicher Erfahrungen beschreibt Walsch, wie die Seele auf den verlassenen toten Leib herabblicken kann. Auch die Lebenden können ohne größere Anstrengungen mit den Seelen Verstorbener kommunizieren.

„Schon der leiseste Gedanke, der mit einem im sogenannten Jenseits existierenden Wesen zu tun hat, lässt dessen Bewusstsein herbeieilen.“ (GmG 3, S. 162)

Trotz des uneingeschränkten Individualismus verspricht Waschs Gott seinen Anhängern, dass sie auch nach dem Tod mit allen ihren Verwandten zusammen seien werden, da sich ihre Wünsche auf wunderbare Weise decken werden.

Für den Leser ergibt sich daraus der überraschende Gedanke, dass er zu jedem Zeitpunkt von einem Heer verstorbener Vorfahren und Freunde umgeben ist.

Obwohl der Mensch nach seinem irdischen Tod plötzlich alles durchschauen und verstehen kann, behauptet Walsch andererseits, dass die Seele in diesem Zustand das erleben und wahrnehmen wird, was sie zeitlebens für Wahrheit hielt, einschließlich der Hölle, die es in Walschs Universum eigentlich nicht gibt (GmG 3, S. 130, ZiG, S. 40, 318).

„In Wahrheit erlebst du das Bewusstsein, in dem du stirbst … plötzlich das, was du dir ausgemalt hast. … Dann könnte also eine Person in die Hölle kommen. Wenn sie ihr ganzes Leben lang geglaubt hat, dass ein solcher Ort existiert, dass Gott die Lebenden und die Toten richtet …“ (GmG 3, S. 100f.)

Im offensichtlichen Widerspruch zu biblischen Aussagen wird man dementsprechend am einfachsten vor einer göttlichen Strafe bewahrt, indem man sich schlicht weigert, sie als Realität zu akzeptieren.

Christen wissen von der Realität des Teufels (Mt 4,1; 1Petr 5,8), eines göttlichen Gerichts (Mt 25,31ff.; Röm 2,3), einer Grenze zwischen Lebenden und Toten (Lk 16,19ff.; Hebr 9,27), sowie von der Einmaligkeit des irdischen Lebens (5Mo 18,11; Ps 88,11; Lk 16,19ff.).

11 Gespräche mit Gott – Irreführung und leere Versprechungen

Die aus verschiedenen Versatzteilen esoterischer Popkultur zusammengeschusterte Theologie des Bestsellerpropheten Neale Donald Walsch lässt sich verhältnismäßig einfach zusammenfassen: Jeder Mensch ist Gott und damit zumindest potentiell allmächtig, ewig und allwissend. Jeder entwickelt sich durch unzählige Reinkarnationen hindurch von einem begrenzten materiellen Individuum zu einem geistigen, lediglich aus göttlicher Energie bestehenden HEW (Höher entwickeltes Wesen). Gut und Böse, Richtig und Falsch werden abgeschafft, jeder soll tun und lassen, was er gerade will. Wie zu erwarten liest sich sein moralischer Kanon wie das Glaubensbekenntnis eines zeitgenössischen Esoterikers. Stellt Walsch trotz seines einfach gestrickten theologischen Konzepts unsinnige oder widersprüchliche Behauptungen auf, erklärt er sie als göttlich dialektische Wahrheit, die für einfache Menschen halt nicht begreifbar sei.

Die Gespräche mit Gott entpuppen sich bei näherem Hinsehen als Selbstgespräche. Die weltanschauliche Sozialisation des Autors vermischt mit einer Spiegelung des gegenwärtigen esoterischen Zeitgeists wird bei Walsch zum Wort Gottes.

Eigentlich ist Walschs wachsende Fangemeinde kaum verwunderlich, denn wer hört nicht gerne, dass er absolut gut ist, nie einen Fehler gemacht hat, über paranormale Fähigkeiten verfügt, nie sterben wird, durch seinen bloßen Willen die Welt verändern kann und dass er selbst Gott ist. Bei solch einem großartigen Angebot versäumen es viele zu prüfen, ob Walschs Offenbarungen wirklich von Gott stammen.

12 Auseinandersetzung mit Walschs Religionskonzept

a) Walschs übersteigertes Selbstbewusstsein

Zwar finden sich in seinen Büchern vereinzelte Floskeln, die Walschs Bedeutung herunterspielen sollen (ZiG, S. 29, 32f.). Diese werden aber gerade deshalb nötig, weil der Autor auf der anderen Seite beständig für sich in Anspruch nimmt, in einzigartiger Weise mit Gott in Verbindung zu stehen. Mit seinen Offenbarungen bräche eine neue Epoche der Menschheit und ihrer religiösen Entwicklung an, suggeriert Walsch (ZiG, S. 17, 38, 361f., 364f., 377). Selbst die Führer des etablierten Christentums seien zwischenzeitlich auf seine Linie eingeschwenkt.

b) Fehlende objektive Belege

Da Walsch vorgibt, nicht nur eine neue philosophische Idee zur Diskussion zu stellen, sondern die Geheimnisse der Geschichte des Universums und des Menschseins erklären zu können, muss die Frage gestattet sein, woher er die Autorität dafür nimmt. Er kann keinen Beleg vorlegen, dass Gott wirklich zu ihm gesprochen hat, dass es die von ihm behaupteten jenseitigen Existenzen überhaupt gibt, dass der Mensch wirklich Gott ist usw. Nie hat er ein Wunder vollbracht, die jenseitige Welt nachweislich besucht oder von seiner vorgeblichen Göttlichkeit Gebrauch gemacht.

Zumindest hypothetisch sollte an dieser Stelle die Möglichkeit erwogen werden, dass Walsch seine Dialoge lediglich seiner reichen Phantasie verdankt. Für einen kritischen Leser bleibt kaum etwas, das für Walsch als Prophet ewig gültiger Wahrheiten spricht. Zum einen begründet er keine seiner Aussagen, sondern erwartet vom Leser, diese einfach zu akzeptieren. Seiner Glaubwürdigkeit hilft es auch nicht unbedingt, wenn Walsch eher moralisch bedenklich lebt, wie er selbst zugibt (ZiG, S. 30, 321). Wenn Walsch wirklich nur seine „göttlichen Mitteilungen“ an die Menschheit weitergibt, stellt sich die Frage, ob es gerechtfertigt ist, an dieser Weisheit Gottes Millionen zu verdienen, auf Kosten seiner sinnsuchenden Leser. Wäre es da nicht denkbar, dass Walsch lediglich eine spirituelle Marktlücke entdeckt hatte und schreibt, was religiöse, aber von den Kirchen enttäuschte Zeitgenossen gern hören wollen.

Übrigens wäre es durchaus möglich, dass Gott in meinen Gedanken auch zu mir gesprochen hat, um mir zu sagen, dass Walsch ein Scharlatan ist, der sich seine Dialoge nur selber ausgedacht hat. Eigentlich müsste Walsch mir hierin durchaus zustimmen, schließlich höre ich doch, seiner Meinung nach, auch Gottes Stimme in mir. (ZiG, S. 27f., 32, 39).

c) Widerspruch zu allen anderen Religionen

Die einzelnen, religiös relevanten Aussagen Walschs stehen in offensichtlichem Widerspruch zu allen bekannten Religionen (ZiG, S. 32, 326, 374), auch wenn er eine gewisse Sympathie für einen westlich popularisierten Buddhismus zeigt (ZiG, S. 46f., 53, Klappentext). Buddhas pessimistische Weltsicht („Alles ist Leiden“) liegt Walsch natürlich auch fern. Die deutlichen Unterschiede zwischen Walschs Religion und dem christlichen Glauben, dem Judentum und dem Islam sind durch die obigen Ausführungen deutlich gemacht worden (unüberbrückbare Unterschiede im Menschenbild, in der Vorstellung von Gott, im offenbarten Heilsweg, in der Ethik usw.). Wenn Gott sich wirklich jedem Menschen mitteilt, wie Walsch annimmt, und wenn die Religionen solchen Offenbarungen Gottes entsprechen, wie Walsch behauptet, ist es unbegreiflich, warum Gott bisher immer vollkommen andere Wahrheiten geoffenbart haben sollte als heute durch Walsch.

d) Intoleranz gegenüber anderen Weltanschauungen

Obwohl Walsch gebetsmühlenhaft betont, dass jeder seinen Dialog mit Gott führen könne, wenn er nur in sich hineinhöre, lautet der Grundtenor seiner Bücher: Die anderen Weltanschauungen und Religionen sind auf einer tieferen Stufe geistlicher Erkenntnis stehengeblieben (ZiG, S. 37f., 40, 48f., 361-366, 374ff.). Ob sie wollen oder nicht, werden sie sich in der Zukunft transformieren lassen müssen. Ohne Hemmungen und ohne vorsichtige Relativierung stellt Walsch sein Gottesbild als das eigentlich richtige dar. Die Konzeption aller Kirchen und Religionen verneint er deutlich oder subsummiert sie gegen ihren Willen unter seine Realitätssicht. Sie seien in ihrer beschränkten Auffassung von menschlicher Schuld, in ihrer Vorstellung vom Teufel und der Hölle, in ihrem Bild vom Jenseits und vom Unterschied zwischen Gott und Mensch im Irrtum (ZiG, S. 43f., 321). Zwar könne man sie eine Zeitlang in ihren Illusionen beharren lassen. Schlussendlich würden alle bei Walschs Gott enden und ihre vorläufigen Irrtümer einsehen (ZiG, S. 11, 40, 48f., 346, 356). Alle Religionen und Weltanschauungen werden von Walsch zu Subsystemen seiner Religion degradiert.

Schließlich fordert Walsch seine Anhänger auch dazu auf, Andersdenkende zu ihrer Sicht der Dinge zu bekehren (ZiG, S. 364-374)

e) Innere Widersprüche und mangelnde Logik

Walschs Religionskonzept enthält dermaßen zahlreiche logische Widersprüche, dass er sich in jedem neuen Buch darum bemüht, diese durch neue Entschuldigungen und Relativierungen zu erklären. Kommt er bei diesem Geschäft selbst nicht mehr voran, fordert er von seinen Lesern den bedingungslosen Glauben, schließlich könne man sein „göttliches Wissen“ mit dem Verstand nicht begreifen (ZiG, S. 74, 324f.).

„Pass auf, dass du nicht zu viel denkst.“ (ZiG, S. 329).

Zentraler Bestandteil des Walsch‘sen Glaubensbekenntnisses ist beispielsweise die Aussage: „Es geschieht immer nur, was du willst! Selbst wenn du überfallen oder ermordet wirst, wenn du in einer Prüfung versagst oder an Krebs stirbst, geschieht das nur nach deinem Willen.“ (ZiG, S. 20, 23f., 57, 67) Da natürlich auch Walschs Leser nicht ausgeraubt oder zusammengeschlagen werden wollen, erklärt der Meister ihnen, dass sie sich zwar dessen nicht bewusst seien, ihr unterbewusstes Ich aber wünsche sich diese Zwischenfälle, um spirituelle Erfahrungen zu sammeln.

Letztlich stößt diese kosmische Wunschmaschine aber an ihre logischen Grenzen. So gesteht Walsch einem Christen zwar zu, nach dem Tod eine Zeitlang im christlichen Himmel verbringen zu können, dann aber müsse er in Walschs Entwurf des Jenseits überwechseln. Denn plötzlich wünsche sich auch der Christ nichts anderes mehr.

Wenn ich jede Handlung für moralisch erkläre, gibt es keine unmoralische Handlung mehr

Widersprüchlich ist auch Walschs Behauptung, dass es keine festen Normen gäbe, sondern alles richtig sei, was der Mensch wolle (ZiG, S. 34). Diese Aussage ist natürlich schon in sich unsinnig, da der Wille keine ethische Instanz ist, sondern sich gerade auf sie als externen Maßstab bezieht. Wenn ich jede Handlung für moralisch erkläre, gibt es folglich keine unmoralische Handlung mehr. Demnach wäre jede Handlung gleichwertig, nämlich gut. Damit erübrigte sich jede Beurteilung oder Empfehlung, weil die Begriffe gut und böse entleert und unsinnig geworden wären. Außerdem ist dann nicht mehr verständlich, warum Walsch seine Leser immer wieder zu einem bestimmten Handeln animiert, wenn doch alles letztlich gut ist (ZiG, S. 37f., 40, 48f., 354f., 364-374).

f) Widerspruch zur erlebten Realität

Kein Mensch verfügt über eindeutige klare Erinnerungen an vergangene Erdenleben

Walschs Behauptungen und Versprechungen haben keinerlei Bezug zur erlebbaren Wirklichkeit seiner Leser. Sooft er seine Anhänger auch darauf einschwört Götter zu sein (wie vor ihm Gnostiker, Mormonen und Scientologen), der erlebte Alltag bleibt doch weit dahinter zurück (ZiG, S. 51, 67f.). Kein Leser der GmG verfügt über Allgegenwart, ist plötzlich hellsichtig oder kann mit einem bloßen Befehl die Wirklichkeit verändern (ZiG, S. 32f., 43f., 312f.). Möglicherweise ist das auch kein Wunder, da man Walschs Wirklichkeit mit dem Verstand nicht erkennen kann (ZiG, S. 324). Auch die ausführlichen Erklärungen über das gloriose Jenseits, in dem jede Seele endlich all das erlebt, was sie sich auf der Erde nur wünscht, hat keinerlei Rückhalt in dem Erleben der Wirklichkeit. Im Gegensatz zur Theorie immer wiederkehrender, sich ergänzender Reinkarnationen (ZiG, S. 46f.) erleben alle Menschen ihre momentane Existenz als einzigartig. Keiner verfügt über eindeutige klare Erinnerungen von vergangenen Erdenleben. Wer angibt, sich an frühere Existenzen zu erinnern, wartet zumeist mit vagen aus Träumen oder Hypnosesitzungen zusammengesetzten Phantasien auf. Dabei wäre es von außerordentlicher Bedeutung, sich an Fehler, Irrtümer, Ziele und Erkenntnisse vergangener Reinkarnationen zu erinnern, um die von Walsch versprochene Weiterentwicklung effektiv betreiben zu können.

Auch das eindeutige Sprechen Gottes im eigenen Innern erfahren Menschen nicht wirklich (ZiG, S. 27f.). Zwar kann jeder seine eigenen Gedanken, Wünsche und Gefühle schnell zu Worten Gottes erklären (ZiG, S. 39f.), im Alltag stellen sich diese Gedanken allerdings oft als Irrtümer und Halbwahrheiten heraus.

g) Widerspruch zu wünschenswertem Verhalten

Allgemein anerkannte Tugenden, wie Nächstenliebe, Mitleid, Schuldeinsicht, Opferhilfe oder Katastrophenschutz werden von Walsch mit Füßen getreten. Opfer gäbe es nicht, Trauer beruhe nur auf einer falschen Sicht der Dinge, entschuldigen bräuchte sich kein Mensch, weil alles, was er täte letztlich richtig sei, Nächstenliebe sei überflüssig, da doch jeder bekäme, was er eigentlich wolle (ZiG, S.20, 23f.).

Auch wird das Gerechtigkeitsempfinden eines jeden Menschen durch Walschs Behauptung in Frage gestellt, jeder Mensch ginge in dieselbe himmlische Herrlichkeit. Ein ewiges Gericht gebe es nicht (ZiG, S. 50f., 318, 346).

Ungeheuerlich erscheinen Walsch Behauptungen, beispielsweise die 6 Millionen im zweiten Weltkrieg ermordeten Juden hätte den Holocaust selbst gewollt, sonst hätte er nicht geschehen können.

„Nichts geschieht, was du nicht geschehen lassen willst. … Tochter vergewaltigt … ganzes Dorf in einem brutalen Akt ethnischer Säuberung ausradiert … ich sage, dass in Wirklichkeit niemand zum Opfer gemacht werden kann ..“ (ZiG. 24f., 57, 67f., 73).

Hitler sei deshalb nicht der alleinverantwortliche Täter. Zwischenzeitlich sei er bei Gott in der Ewigkeit (GmG 1, S. 103).3

Schlussendlich muss festgestellt werden: Walschs Religion ist weder glaubwürdig noch tolerant, sie ist in sich widersprüchlich, sie verdreht die alltäglich erlebte Wirklichkeit, steht im Gegensatz zu allen bekannten Religionen und ist aufgrund ihrer ethischen Aussagen nicht wünschbar.


  1. Zitiert nach: URL: http://www.leichte.info/ueber/Esoterische_Buecher/… (Stand: 15.6.2006). 

  2. Vgl. URL: http://www.bookbrowse.com/biographies/index.cfm?author_number=173 (Stand: 20.9.2006) und URL: http://www.nealedonaldwalsch.com/aboutneale.cfm (Stand: 20.9.2006). 

  3. Vgl.  URL: http://www.gespraechemitgott.org/index.php?t=3&id=161 (Stand: 24.7.2006),
    URL: http://www.leichte.info/buch.php?info=3442307376 (Stand: 20.6.2006) und URL:
    http://www.staette-der-heilung.de/forum/thema-723-ber-gott-und-die-welt.htm (Stand: 20.9.2006).