ThemenBibelverständnis, Kultur und Gesellschaft

Unterwegs mit Frodo: Ein Taschenbuch und zwei Satiren

Kann „der Herr der Ringe“ die Vorlage für Andachten liefern?

Arthur, Sara. Unterwegs mit Frodo, Inspirierende Andachten zu Tolkiens „Der Herr der Ringe“. Asslar: Geth Medien GmbH 2003. 124 S. Taschenbuch: 6,95 EUR. ISBN: 3-89437-912-x.

„Dies ist ein Andachtsbuch. Das bedeutet, es gibt einen Text, der auf einem Thema aus ‚Der Herr der Ringe‘ basiert, gefolgt von einer passenden Bibelstelle und dann Fragen zur Vertiefung.“ (S. 15)

Ein Andachtsbuch? Man reibt sich verwundert die Augen. Kann denn ein Roman die Vorlage für Andachten liefern? Gründet sich unser Glauben, Denken und Leben denn nicht mehr auf die Bibel? Doch, doch! Es sind am Schluss jeder Andacht immer ein paar Bibelstellen angegeben, sogar grafisch hervorgehoben und mit der Aufforderung verknüpft:

„Nimm dir Zeit, um die folgenden Bibelstellen nachzuschlagen.“

Und dann folgen noch weiterführende Fragen wie: „Sieh dir Schlangenzunges Erfahrungen an – was sind die Konsequenzen von Selbstbetrug und Betrug an anderen?“ (S. 72), und zum Schluss dann immer die Frage: „Was wirst du nun tun?“ Ja, was soll man tun mit Andachten, die auf einer Fiktion aufgebaut sind, die biblische Wahrheiten mit einer Fantasy-Geschichte erklären? Der Papierkorb ist wohl doch der geeignete Ort dafür.

Um die Absurdität des Unterfangens der Autorin deutlich zu machen, hat Alexander Seibel zwei satirische „Andachten“ angefügt. Leider kann einem das Lachen dabei vergehen, weil es inzwischen auch in evangelikalen Kreisen üblich geworden ist, über alles Mögliche zu predigen, nur nicht über Gottes Wort. Man vergisst, dass man dabei alle Vollmacht verliert. (d. Red.)

Satire 1: „Unterwegs mit Herkules“

„Frodo“ hat mich nun inspiriert, mit den Sagen des klassischen Altertums Andachten zu versuchen. Ich sehe meine Darlegung der Parallelen zur Bibel als eine Bereicherung für die moderne Christenheit.

Herkules hat so erstaunliche Ähnlichkeiten mit Jesus, dass dies nicht unerwähnt bleiben sollte. Seine Geburt ist insofern übernatürlich, als der oberste Gott Zeus sein Vater und eine Sterbliche, Alkmene, seine Mutter ist. Wie wir alle wissen, hat unser Herr ebenfalls keinen sterblichen Vater, wohl aber eine irdische Mutter.

Herkules soll noch als Säugling kurz nach seiner Geburt von Schlangen umgebracht werden, aus Eifersucht, wie man in dieser Sagenfundgrube erfährt. Die Parallele ist unübersehbar. Der um seinen Thron eifernde Herodes möchte das Kind Jesus umbringen lassen. Doch dies wird in beiden Fällen verhindert, dank höheren Eingreifens. Bibelstelle: Mt 2,16.

„Sie hatten offensichtlich prächristliche feste Normen und Tugenden“

Auch führt uns dieses Szenario die Vision von Offenbarung 12 vor Augen:

„Und als der Drache sah, dass er auf die Erde geworfen war, verfolgte er die Frau, die den Knaben geboren hatte … fern von dem Angesicht der Schlange. Und die Schlange stieß aus ihrem Rachen Wasser aus wie einen Strom hinter der Frau her, um sie zu ersäufen“ (Verse 13-15).

Berühmt ist die Episode im Leben des Übermenschen, Herkules am Scheideweg. Er darf wählen zwischen dem leichten Weg der Lust oder dem den mühe- wie entsagungsvollen Pfad der Tugend. Dies erinnert natürlich an die Versuchung Jesu. Bibelstelle Mt 4,8-9. Beide bestehen diese Prüfung

Herkules schwerste Arbeit war der Abstieg in die Unterwelt und die Bezwingung des Höllenhundes Kerberos, den er zur Oberwelt brachte. Dies erweckt Assoziationen an den Abstieg Jesu in die unteren Örter und seinen Sieg über den Tod bzw. Pforten des Hades. Bibelstellen: 1Petr 3,19 und 2Tim 1,10.

Ein gewaltiger Triumph war die Befreiung der Alkestis durch Herkules aus den Fängen des Todes. Aus Treue und Liebe zu ihrem Ehemann König Admetos ging sie freiwillig in den Tod. Wegen dieser großen Tugend wurde sie von Herkules im gewaltigen Kampf dem Thanatos (Tod) entrissen. Dies erinnert uns an Tabea, die wegen ihrer Tugenden ebenfalls von den Toten auferweckt wurde. Bibelstelle Apg 9,39-40. Wer denkt nicht bei dem Ringkampf und Sieg über den Tod an 1Kor 15,55?

Herkules wurde zuletzt als Gott in den Olymp entrückt. Dies erinnert natürlich an die Himmelfahrt Jesu und seine Erhöhung. Bibelstelle: 1Tim 3,16b.

Fazit: Herkules ist ein Typus für Jesus. Wem dies zu stark ist, dem sei in Erinnerung gerufen, das C. S. Lewis auch Baldur und Osiris als Vorläufer für Christus betrachtet hat. Er nennt sie heidnische Christusse. (C. S. Lewis, Streng dämokratisch zur Hölle, Brunnen, Basel 1982, S. 49). Außerdem heißt es in Unterwegs mit Frodo:

„In dieser Hinsicht ist Jesus – wie Gandalf – der Retter. Er hat für uns die Mächte der Hölle bekämpft und ist dann von den Toten auferstanden, um uns in unserer dunkelsten Stunde beizustehen“ (S. 13).

Ein guter Zauberer als Typus für Jesus!

Wir staunen ergriffen darüber, wie viel biblisches Gedankengut diese klassischen Sagen des Altertums durchdringt. Wir sind begeistert davon, wie die Schöpfer dieser Sagenwelt von Gut und Böse, vorbildlichen Verhaltensweisen wie Treue, Kameradschaft, Kraft, Mut, Tapferkeit usw. wussten. Sie hatten offensichtlich prächristliche feste Normen und Tugenden. Andachten sind also mit diesem Klassiker zur geistlichen Vertiefung wärmstens zu empfehlen.

Die archetypischen Bilder des kollektiv Unbewussten durchdringen das literarische und kulturelle Wirken der Menschheit und spiegeln unsere eigenen Wünsche, Sehnsüchte und Neigungen wider. Wir betrachten diese Vielfalt als Bereicherung unseres historischen christlichen Erbes und des gegenwärtigen Pluralismus. Der Gedanke ist beglückend, wie sehr christliche und göttliche Normen die Religionen und Sagen der heidnischen Völker durchziehen. Wir brauchen diesen schlafenden Christus nur zu wecken. Mit „Frodo oder Herkules unterwegs“ sind wir auf dem besten Wege dazu, besonders durch die unausschöpflichen Inspirationen Tolkiens und der Mythen der Völker, diesen kosmischen Christus neu zu entdecken.

Satire 2: Unterwegs mit Schneewittchen

Wie wäre es, Andachten mit Schneewittchen und die sieben Zwerge zu versuchen. Ich sehe meine Darlegung der Parallelen zur Bibel als eine Bereicherung für die moderne Christenheit.

Schneewittchen ist ein Bild für den Menschen allgemein, aber auch für den Gläubigen, bzw. für die Gemeinde Jesu. Sie wird durch den Biss in den vergifteten Apfel getötet. Wer denkt da nicht an die Geschichte des Sündenfalls. Durch das verhängnisvolle Kosten von der Frucht kam der Tod zu den Menschen (Röm 5,12).

Dahinter steckte die böse Schwiegermutter, ein Abbild für das Böse, den Teufel, der aus Eifersucht den Menschen zu Fall brachte, um dem König der Erde, Adam, diese Würde zu entreißen. Er wollte selbst der Erste sein und bleiben (Jes 14,14). Bei Schneewittchen war die Schwiegermutter erfüllt von dem Ehrgeiz und dem Stolz, die Schönste zu sein. Hier zeigt dieses Märchen sehr eindrücklich, ähnlich wie die Bibel, welche Auswirkungen die Sünde, der Stolz hat.

„Dahinter steckte die böse Schwiegermutter, ein Abbild für das Böse, den Teufel, der aus Eifersucht den Menschen zu Fall brachte“

Der Prinz ist ein Typus für Jesus. Rein und edel taucht er buchstäblich wie ein Retter im Geschehen auf. Ähnlich kam Jesus, um die Gemeinde, die kostbare Perle, zu erlösen bzw. zu kaufen (Mt. 13,45-46).

Der Kuss des Prinzen erweckt Schneewittchen von den Toten. Es erinnert daran, wie wir durch die Begegnung bzw. Berührung durch Jesus Christus als solche, die tot in Sünden und Übertretungen waren, wieder lebendig geworden sind (Eph 2,5).

Wer denkt bei dem Blick des Prinzen auf Schneewittchen nicht an Ps. 45,12: „Den König verlangt nach deiner Schönheit.“

Auch die Hochzeit des Lammes (Offb 19,7) wird durch das Happy End des Märchens vorgeschattet. Halleluja.

Die Zwerge erinnern an den Freund des Bräutigams und frohlocken bei der Begegnung zwischen Braut und Bräutigam:

„Wer die Braut hat, der ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber, der dabeisteht und ihm zuhört, freut sich sehr über die Stimme des Bräutigams. Diese meine Freude ist nun erfüllt“ (Joh 3,29).

Wir sind beeindruckt, wie die klassischen Tugenden von Liebe, Treue, Opferbereitschaft diese Märchen und Mythen prägen. Eine Andacht mit Schneewittchen mag unseren geistlichen Horizont erweitern und unsere Bereitschaft zur Nachfolge vertiefen.

Die Autoren dieser Märchen und Fabeln wussten um Gut und Böse und ihr tiefes christliches Empfinden durchdringt ihre Erzählungen, die Welt ihrer Elfen, Zwerge, Trolle usw. Der ewige Kampf zwischen Gut und Böse, das epische Ringen zwischen Licht und Finsternis, der Triumph über den Tod, all das findet sich in dem unausschöpflichen Reichtum unserer Märchen- und Sagenwelt. Wir sind begeistert von den Parallelen zwischen Bibel und Märchen. „Unterwegs mit Schneewittchen“ eignet sich als ausgezeichnetes Andachtsbuch für unsere postmoderne Generation. So bietet „Schneewittchen“ nicht nur Unterhaltung, sondern offenbart auch die zentralen Wahrheiten der Heiligen Schrift.

Auch eignen sich diese Anknüpfungspunkte hervorragend zur evangelistischen Verkündigung. Nur kleinkarierte Gemüter werden diese geistliche Fundgrube der Märchen-, Mythen- und Fabelwelt als für die Evangelisation untauglich ablehnen. Kein Zweifel, die große Begeisterung für Sagen und – dank Tolkien – Rückkehr zur Welt der Mythen eröffnet uns für die Evangelisation ganz neue und faszinierende, fast erweckliche, Perspektiven.