ThemenWeltanschauungen

Gibt es Heil nur durch die Zeugen Jehovas?

Selbstverständlich bejahen auch Jehovas Zeugen, was in Apostelgeschichte 4,12 geschrieben steht:

„Überdies gibt es in keinem anderen Rettung, denn es gibt keinen anderen Namen unter dem Himmel, durch den wir gerettet werden sollen.“ (NW-Übersetzung)

Doch sollte sich jeder Zeuge ehrlich fragen: Zeigt sich diese Zustimmung auch in meinem alltäglichen Leben oder hat nicht vielmehr die Organisation längst Jesu Platz eingenommen? Habe ich überhaupt ein persönliches Verhältnis zu Jesus oder habe ich nicht auch dies auf die Organisation übertragen, wie es eine Zeugin ausdrückte:

„Wir nennen die Organisation „Mama“. Wir fühlen uns eng mit ihr verbunden. Es ist etwas Wunderbares, etwas unvergleichlich Schönes“ (Wachtturm vom 01.04.94, S. 32.)

Ein weiteres schlimmes Beispiel, wie Jesus entehrt wird, ist in dem Wachtturmbuch „Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt“ nachzulesen. Dieses Buch wird von der Wachtturmgesellschaft selbst als eines der meistverkauften Bücher der Welt bezeichnet und war jahrelang eines der Hauptlehrbücher der Wachtturmorganisation. Unter anderem wird von den Befugnissen der sogenannten 144000 Mitkönige Jesu berichtet. Auf S. 106 heißt es:

„Die Menschen, die die Vernichtung des Bösen überlebt haben, werden zufolge der von Adam ererbten Sünde immer noch unvollkommen sein. Die unrechten Wünsche ihres unvollkommenen Fleisches werden immer noch gegen die rechten Wünsche des Sinnes und Herzens streiten (Röm. 7:21-23). Sie bedürfen daher zuerst der Dienste der himmlischen Priester Gottes, um als vollwertige Glieder, als Söhne, in Gottes Familie aufgenommen zu werden. Was werden diese Priester Gottes tun? Sie werden eine Macht besitzen, die bis jetzt keine menschliche Regierung besessen hat; die Macht, die Menschen von Sünde und Unvollkommenheit zu befreien. Diese Macht besitzt Gottes himmlische Priesterschaft zufolge des Loskaufsopfers Jesu.“

Hier werden die „144000“ zu Miterlösern! Es ist bemerkenswert, dass Jehovas Zeugen, die die Heiligenverehrung der katholischen Kirche unverhohlen als Götzendienst bezeichnen, hier sogar 144000 weitere Mittler zu Gott eingeführt haben, die von Sünde und Schuld befreien können.

Jehovas Zeugen sollten sich warnen lassen, einer Organisation zu folgen, die sich als Kanal Gottes bezeichnet und die doch das alleinige Mittel zur Sündenvergebung durch das Blut Jesu Christi durch solche Lehren leugnet.

Dies ist ein anderes Evangelium, über das Paulus in seinem Brief an die Galater schreibt:

„Wenn jemand euch etwas als Evangelium verkündigt entgegen dem, was ihr empfangen habt: er sei verflucht.“ (Gal 1.9)

Ungehorsam gegen Gott = Ungehorsam gegen die Wachtturmgesellschaft?

Die Wachtturmgesellschaft verlangt von den Zeugen einen sehr weitgehenden Gehorsam und warnt vor sogenanntem unabhängigem Denken:

„Satan zog schon zu Beginn seiner Auflehnung Gottes Handlungsweise in Frage. Er trat für unabhängiges Denken ein. ‚Du kannst selbst entscheiden, was gut und böse ist‘, sagte er zu Eva. ‚Du musst nicht auf Gott hören. Er sagt dir in Wirklichkeit gar nicht die Wahrheit‘ (1.Mose 3:1-5). Bis auf den heutigen Tag besteht einer der heimtückischen Anschläge Satans darin, Gottes Volk mit dieser Art des Denkens zu infizieren (2. Tim. 3:1, 13). Wie macht sich dieses unabhängige Denken bemerkbar? Im allgemeinen dadurch, dass der Rat, den Gottes sichtbare Organisation gibt, in Frage gestellt wird.“ (Wachtturm vom 15.04.83, S.22).

Als Folge dieses unabhängigen Denkens wird dann Unsittlichkeit genannt.

Auffällig ist, dass auch hier die Auflehnung gegen Gottes Gebot an Adam und Eva, nicht von der verbotenen Frucht zu essen, mit der Auflehnung gegen die Organisation gleichgesetzt wird. Auch hier wird behauptet: Wer der Organisation nicht gehorcht, gehorcht Gott nicht.

Es ist bemerkenswert, wie die Wachtturmgesellschaft, die schon viele gerichtliche Prozesse zur Durchsetzung der Religionsfreiheit durchgefochten hat und die in ihren Zeitschriften regelmäßig auf den Machtmißbrauch und die Intoleranz der Großkirchen hinweisen, innerhalb der eigenen Organisation kein selbständiges Denken zulassen will. So heißt es im Wachtturm vom 01.09.89 auf S. 3 über das geistliche Klima unter dem Papsttum im 11. Jahrhundert:

„Niemand war frei, Gott so zu dienen, wie er wollte, oder eine Meinung zu äußern, die derjenigen der Geistlichkeit widersprach. Diese klerikale Intoleranz schuf in ganz Europa ein Klima der Furcht. Die Kirche rief die Inquisition ins Leben, um einzelne, die unerschütterlich an ihrer abweichenden Anschauung festhielten, auszurotten. Sie wurden als Ketzer betrachtet und vor die Inquisitoren geschleppt, die von ihnen mit der Folter ein Schuldbekenntnis erzwingen wollten.“

Selbstverständlich stellen Jehovas Zeugen niemanden vor eine Inquisition, die sie dann zum Tode verurteilt; aber haben nicht die Rechtskommitees, vor denen sich Personen verantworten müssen, die gegen bestimmte Lehren verstoßen haben, eine Macht, die durchaus ähnlich ist? Wer sich von Jehovas Zeugen abwendet, ist damit ihrer Lehre gemäß auch vom ewigen Leben „abgeschnitten“. Und darf ein Zeuge Jehovas Gott so dienen, wie er will? Ist er frei, eine Meinung zu äußern, die derjenigen der Gesellschaft widerspricht ? Was geschieht mit Einzelnen, die unerschütterlich an ihrer abweichenden Ansicht festhalten?

Verhandlungen vor den Rechtskommitees sind außerdem grundsätzlich nichtöffentlich, so dass die Versammlung Ausschlußgründe nicht nachprüfen kann. So sind den wildesten Spekulationen Tür und Tor geöffnet. Mit dem Ausgeschlossenen darf nicht mehr geredet werden, so dass auch dieser seine Gründe nicht darlegen kann. Wie oft wurden Ausgeschlossene schon der unmoralischsten Handlungen verdächtigt, während sie in Wirklichkeit die Lehren der Organisation bezweifelten.

Gibt es eine Organisation, die das Heil vermittelt?

Gibt es eine Stelle in der Bibel, in der Gott eine Bevollmächtigung für die Zeugen Jehovas ausspricht? Die Leitung der Zeugen Jehovas sagt: „Ja, Matthäus 24,45ff“. Dort heißt es:

„Wer ist demnach der treue und kluge Knecht, den sein Herr über seine Dienerschaft gesetzt hat, damit er ihnen die Speise zu rechter Zeit gebe? Selig ist ein solcher Knecht, den sein Herr bei seiner Rückkehr in solcher Tätigkeit antrifft. Wahrlich, ich sage euch, er wird ihn über seine sämtlichen Güter setzen. Wenn aber ein solcher Knecht schlecht ist und in seinem Herzen denkt: Mein Herr kommt noch lange nicht! und wenn er sein seine Mitknechte zu schlagen beginnt, und mit den Trunkenen ißt und trinkt, so wird der Herr eines solches Knechts an einem Tage kommen, an dem er es nicht erwartet, und zu einer Stunde, die er nicht kennt …“

Nach der Auslegung der Zeugen Jehovas ist hier eine sogenannte „Klasse des klugen und getreuen Knechtes“ (heute: „treuer und verständiger Sklave“) gemeint. Man schreibt hierzu:

„Bibelkommentatoren betrachten das Gleichnis häufig als eine allgemeine Ermahnung an jeden, der eine verantwortungsvolle Stellung in der Christenversammlung bekleidet … Doch es ist natürlich klar, dass nicht jede dieser Personen zur gleichen Zeit, nämlich bei der Ankunft des Herrn, über die „ganze“ Habe gesetzt werden kann. Dies erfordert jedoch nicht, dass der „Sklave“ nur eine bestimmte Person mit großen Vorrechten darstellt.“ (Hilfe zum Verständnis der Bibel, S. 1436.)

Es ist interessant, einen Blick in die Geschichte zu werfen und herauszufinden, wie dieses Gleichnis früher ausgelegt worden war. Im Jahrbuch der Zeugen Jehovas von 1975 heißt es hierzu auf S. 86:

„Man war damals sehr daran interessiert zu wissen, wer der kluge und verständige Sklave … sei.“

Lange zuvor, im Jahre 1881, hatte C. T. Russell geschrieben:

„Wir glauben, dass jedes Glied dieses Leibes Christi entweder direkt oder indirekt an dem gesegneten Werk teilhat, dem Haushalt des Glaubens Speise zur rechten Zeit auszuteilen. Wer ist nun der treue und kluge Knecht, den sein Herr über sein Gesinde gesetzt hat, um ihnen Speise zu geben zur rechten Zeit? Ist es nicht diese kleine Herde geweihter Diener, die ihre Weihegelübde treu erfüllen – der Leib Christi –, und ist es nicht der ganze Leib, als einzelne und als Gesamtheit, der dem Haushalt des Glaubens – der großen Menge der Gläubigen – Speise zur rechten Zeit austeilt? Demnach verstand man, dass der Knecht, den Gott gebrauchte, um geistige Speise auszuteilen, eine Gruppe war. Im Laufe der Zeit jedoch vertraten viele die Ansicht, dass C. T. Russell selbst der treue und kluge Knecht sei. Dadurch gerieten einige in die Schlinge der Menschenverehrung … Mit der verkehrten Ansicht, dass Russell selbst der kluge und treue Knecht sei, wurde im Februar 1927 aufgeräumt.“

Wer waren denn diese, die sich in der ‚Schlinge der Menschenverehrung‘ fangen ließen? In der heutigen Literatur von Jehovas Zeugen wird der Eindruck erweckt, es seien einige übereifrige Menschen gewesen, die C. T. Russell als den „treuen und klugen Knecht“ bezeichnet hätten, doch die Tatsachen sehen anders aus.

Es war der Wachtturm selbst!

In seiner engl. Ausgabe vom 01.01.1917 heißt es, der Wachtturm ‚erkläre ohne Zögern, dass Bruder Russell der kluge und treue Knecht sei‘. Und wer war zum damaligen Zeitpunkt alleiniger Herausgeber des Wachtturms? Es war Charles Russell. (Beweist dies im übrigen die Demut, die ein Diener Gottes haben sollte, oder zeigt sich hier nicht vielmehr eine Selbsterhöhung?)

Auch in seiner Ausgabe vom 01.03.1896 erklärt der engl. Wachtturm, man habe in der Zeitschrift vom 01.04.1895 den treuen Sklaven auf alle Sklaven Gottes bezogen, aber weitere Untersuchungen deuteten auf eine einzelne Person hin. Diese Einzelperson sei eindeutig und unmißverständlich C. T. Russell, der erste Präsident der Gesellschaft (Watchtower vom 01.03.1917). War dies nicht auch „helleres Licht“?

Auch mit dem Tod von Russell endete diese Lehre nicht. In dem Buch ‚Das vollendete Geheimnis‘, das auch als 7. Band der ‚Schriftstudien‘ bezeichnet wird, heißt es im Kommentar zu Hes 3,1:

„Und er sprach zu mir: Menschensohn, iß, was du findest; iß diese Wort und gehe hin, rede zu dem Haus Israel. – Der Prophet sollte etwas finden. Wie Hesekiel das Buch aß, das in der Hand Gottes war, so „der treue und kluge Knecht“ dieser Zeit: er nahm den göttlichen Plan der Zeitalter, der in der Macht (Hand) des Allmächtigen war, in sich auf und machte ihn sich zu eigen.“

Doch wie ist es nun mit der „Menschenverehrung, in deren Schlinge sich einige fangen ließen“? Lassen wir dazu Joseph Rutherford, den zweiten Präsidenten der Wachtturmgesellschaft und Nachfolger Russells zu Wort kommen, der nach dem Tode Russells das Buch „Das vollendete Geheimnis“ veröffentlichte. In einer Wort-für-Wort-Auslegung des Buches Hesekiel heißt u. a.:

„Ich habe niemals jemand gekannt, der so willig war, den Willen Gottes zu tun, sagte der Privatsekretär und Reisegefährte von Pastor Russell … Nicht aus sich selbst heraus lernte und lehrte er den göttlichen Plan, sondern Gott ließ ihn lernen, glauben und lehren … Den Hesekiel und den größten Prediger der Neuzeit überkam eine Redegewandtheit ohnegleichen, wenn Jehova selbst ihnen seinen Geist gab … Der Geist von Pastor Russell war mit der Wahrheit erfüllt. Kristallklar, mit zwingender unwiderstehlicher Logik, war die gegenwärtige Wahrheit, die seine Weisheit und sein Verständnis bildete, das Härteste, mit dem das Kirchentum jemals zu tun bekam“. Alle diese Aussagen über Hesekiel wurden auf Russell angewandt und gipfelten in dem Ausspruch: „Er sagte, dass er seine Bücher niemals selbst geschrieben haben könnte. Alles kam von Gott durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes.“ (Das vollendete Geheimnis, Auslegung zu Hes 3,17).

Resümieren wir: Im Jahre 1881 hatte C. T. Russell geschrieben, der kluge und treue Knecht sei der ‚ganze Leib Christi‘. Zu Anfang des Jahrhunderts schrieb der Wachtturm, dessen Herausgeber Russell selbst war, Russell sei der kluge und treue Knecht. Interessanterweise wurden Personen, die die Lehre vertraten, der kluge und treue Knecht sei die ganze Gemeinde gesalbter Christen, im englischen Watchtower als bittere und sarkastische Gegner eingestuft. Auch nach Russells Tod wurde diese Lehre im Buch Das vollendet Geheimnis aufrechterhalten, und im Jahre 1927 ‚räumte man mit dieser verkehrten Ansicht‘ dann wieder auf.

Ein Zeuge mag jetzt einwenden, die damaligen Lehren seien für ihn nicht mehr interessant, das Verständnis vieler Dinge habe sich verbessert, und heute habe man helleres Licht. In den heutigen Büchern und Zeitschriften werden frühere Lehren meist mit Bemerkungen wie „Damals wurde allerdings nicht genau verstanden …“ oder „Eine Zeitlang glaubten Jehovas Diener …“ abgetan.

Doch überlegen wir einmal, was eigentlich dahintersteckt! War denn nicht die Lehre, die in dem Buch Das vollendet Geheimnis veröffentlicht wurde, die „geistige Speise“, die ausgeteilt wurde, nachdem Jesus Christus angeblich unsichtbar wiedergekommen war, die christlichen Kirchen begutachtet und dann die Wachtturmgesellschaft auserwählt hatte? War nicht zu diesem Zeitpunkt die Wachtturmgesellschaft schon Gottes Kanal?

Kann dieses Licht also von Jehova stammen, bei dem „keine Veränderung noch eines Wechsels Schatten.“ ist (Jak 1,17)? Nein, und so erweist sich auch hier das angeblich hellere Licht von Jehova als Wechsellicht.

Heute heißt es also, der kluge und treue Knecht (treuer und verständiger Sklave, wie man sich jetzt ausdrückt) sei der Überrest gesalbter Christen, die sich heute noch auf der Erde befinden. Diese befänden sich nur in den Reihen der Zeugen Jehovas. Ihre Zahl beläuft sich auf etwa 8500 Personen. Weiter spricht man davon, dass diese gesalbten Christen sich der „Gesellschaft“ bedienten, die ihrerseits wieder eine sogenannte „leitende Körperschaft“ habe.

Es gibt nur noch einige Tausend „gesalbter Christen“, die hoch in den 70ern und 80ern sind und meist keinerlei Einfluß mehr haben. Sie leben verstreut in den verschiedensten Versammlungen der Zeugen Jehovas auf der ganzen Welt und werden nie zusammengerufen, um Lehren auszuarbeiten oder ähnliches. Die sogenannte „geistige Speise“ wird zentral in Brooklyn herausgegeben, erarbeitet von den dortigen Mitarbeitern – heute nach eigenem Bekenntnis in den meisten Fällen selbst keine Mitglieder der ‚Gesalbten‘ – und beschlossen von der „Leitenden Körperschaft“ der Zeugen Jehovas, zwischen 10 und 15 Männern, solchen, die sich zu den Gesalbten zählen. Der sogenannte „Überrest“, der den treuen und verständigen Sklaven bilden soll, ist in keiner Weise an der Ausarbeitung neuen Lichtes, neuer Anweisungen etc. beteiligt und doch sind sie angeblich der Kanal, durch den Jehova sein Licht vermittelt.

Das einzige Mal, wo diese Männer und Frauen in Erscheinung treten, ist beim jährlichen Gedächtnismahl, wo sie als einzige das Recht haben, Brot und Wein zu nehmen, während alle anderen es an sich vorbeigehen lassen müssen. Diese Männer und Frauen empfangen also die’geistige Speise ‚, neue Erkenntnisse etc., wie jeder andere Zeuge auch, der zu den ‚anderen Schafen‘, den Nichtgesalbten, zählt.

Wir sehen also: Den „treuen und verständigen Sklaven“, der aus allen Gesalbten bestehen soll, es gibt ihn eigentlich gar nicht!

Doch nicht nur diese Betrachtung läßt Zweifel daran aufkommen, ob denn die Auslegung der Wachtturmorganisation so richtig ist, auch ein genauer Blick in den Text zeigt, dass sie nicht stimmen kann. Wie sein Zusammenhang klar zeigt; ist es keine Prophetie, sondern ein Gleichnis (Seltsamerweise werden diese Bibelstellen im Wachtturmbuch „Hilfe zum Verständnis der Bibel“ auch von Jehovas Zeugen als Gleichnis bezeichnet, s. o.). Diese Geschichte von einem Knecht, den der Herr mit der Verwaltung seines Betriebes und der Versorgung der Mitknechte betraut hat, gibt es in vielen Abwandlungen (Mk 13,33.34; Lok 12,35-38; Mt 25,14ff.). Es gibt verschiedene Gleichnisse im Zusammenhang mit Jesu Wiederkunft; er warnt dort vor Terminberechnungen und ermahnt seine Jünger, immer wachsam zu sein. Dann folgen nacheinander:

  1. das o. g. Gleichnis (Mt 24,45-51),
  2. das Gleichnis von den „klugen und törichten Jungfrauen“ (Mt 25,1-13),
  3. das Gleichnis von den Knechten mit den anvertrauten Geldern (Mt 25,14-30).

Diese Gleichnisse haben alle eine ähnliche Bedeutung; durch die Wiederholung soll die Warnung Jesu verstärkt werden. So, wie wir wissen, dass bei dem Knecht mit den anvertrauten Geldern der Umgang mit den Gaben, die Gott uns gab, verdeutlicht werden soll, so ist bei dem Gleichnis mit dem treuen bzw. untreuen Verwalter Ähnliches gemeint. Wer Gottes Wort austeilt, – die Speise – ist der nicht eigentlich über „die ganze Habe“ gesetzt?

Wenn wir den Text genauer untersuchen und dabei voraussetzten, die Wachtturmgesellschaft hätte recht, diese Bibelstelle sei tatsächlich eine Prophetie, so treten weitere Probleme auf.

Nach dem Bibeltext setzte der Herr ja einen Sklaven ein, der Speise austeilen sollte, als er außer Landes ging. Im Buch „Einsichten über die heilige Schrift“, Bd II, heißt es hierzu auf S. 1159:

„Somit sollte die ganze Versammlung von gesalbten Christen gemeinsam als Verwalter dienen und diese Wahrheiten austeilen. Gleichzeitig wären die einzelnen Glieder, aus denen sich dieser Leib zusammensetzt, oder die Hausknechte, die das Haus Gottes bilden …, auch Empfänger der ausgeteilten Speise.“

Das erste Problem ergibt sich dadurch, dass im Jahre 1919, als nach Lehre der Wachtturmgesellschaft dieser treue und verständige Sklave eingesetzt worden ist, die ganze Versammlung nur aus sogenannten „ Gesalbten „ bestand; dass daher in dieser Prophetie die gesalbten Christen gleichzeitig Austeilende und Empfänger der Speise wären. Dieses Bild wäre zumindest sehr ungewöhnlich, gerade weil Jesus für die Einfachheit seiner Gleichnisse bekannt war.

Doch selbst wenn wir dies als richtig voraussetzten, ergäbe sich ein weiteres Problem dadurch, dass dieser Sklave, wenn es sich denn tatsächlich um eine Prophetie handeln sollte, ja schon beim Weggang des Herrn Jesus, also seiner Himmelfahrt, eingesetzt wurde.

Von dieser Sklavenklasse heißt es:

„Offenbar nahm jede Generation der „Sklavenklasse nicht nur selbst Speise zu sich, sondern reichte sie auch der nachfolgenden Generation weiter.“ (Wachtturm vom 15.04.75, S. 238.)

Weiter schreibt man:

„Wir stellen also fest, dass Jesus Christus selbst die Aufmerksamkeit darauf lenkte, wie die Glieder seines Volkes geistige Speise erhalten – nicht als voneinander unabhängige Einzelpersonen, sondern als eine Gruppe eng miteinander verbundener Christen, die echte Liebe hatten und umeinander besorgt sind.“ (A.a.O., S. 239.)

Es hätte also durch die Jahrhunderte hindurch eine Gemeinschaft geben müssen, die Gottes Wort bewahrte. Nach der Lehre der Zeugen Jehovas sind die Christen nach dem Tod der Apostel jedoch recht schnell vom Glauben abgefallen. Akzeptiert werden durch die Jahrhunderte hindurch allenfalls Einzelpersönlichkeiten, die durch die damaligen herrschenden Organisationen trotz Verfolgung ihren Glauben bewahrt hätten. Die christlichen Kirchen sind nach Aussage der Wachtturmgesellschaft alle von Jehova Gott abgefallen. Wo blieb also diese Sklavenklasse durch die Jahrhunderte hindurch? Zwar gab es in jeder Gemeinschaft Gott hingegebene und treue Christen, aber sie waren überall verstreut, und das ist es ja gerade nicht, was Jehovas Zeugen lehren.

In vielen Wachtturm und Erwachet werden treue Einzelpersonen über die Jahrhunderte angeführt. Wie sehr wird der Mut dieser Menschen gelobt, die gegen den Widerstand der damals herrschenden Organisationen das vertraten, was sie bei ihrem Bibelstudium gelernt hatten! (Bemerkenswert dabei ist übrigens, dass fast alle diese Menschen Lehren vertraten, die von der Wachtturmgesellschaft heute als babylonisch gebrandmarkt werden.)

Gab es eine Verwalterklasse, die Speise über die Generationen weitergereicht hätte? In den Lebensbeschreibungen Russells, des ersten Präsidenten der Wachtturmgesellschaft, wird immer wieder betont, dass er zwar durch den Kontakt mit dem Adventisten Barbour auf das Datum 1914 aufmerksam geworden sei, dass er aber unabhängig von irgendeiner damaligen Gesellschaft nach der Wahrheit gesucht und sich allein auf sein eigenes Studium der Bibel verlassen habe.

Etwas, was damals als lobenswert galt, ist für einen heutigen Zeugen fast gefährlich; ein unabhängiges Bibelstudium wäre ein Zeichen von unabhängigem Denken, das vom Teufel herrührt! (s. o.).

Eine Verwalterklasse, die Speise ausgeteilt hat, ist also nicht zu finden gewesen. Hat Jesus da etwas Falsches prophezeit? Nein, das hat er nicht, denn diese Bibelstelle ist eben keine Prophetie, sondern ein Gleichnis!

Auch eine Betrachtung der folgenden Gleichnisse in Matthäus zeigt, dass mit dem klugen Knecht keine sogenannte Klasse gemeint sein kann. In Matthäus 25, 14ff ist wieder die Rede von einem’Menschen, der außer Landes ging‘ , womit also wieder Jesus gemeint ist. Dieser betraut drei Diener mit Talenten, einen mit fünf, den zweiten mit zwei und den dritten mit einem Talent. Während die ersten beiden ihre Talente verdoppeln, vergräbt der dritte das seine und wird bei der Wiederkunft des Herrn verworfen. Wir alle kennen die Geschichte. Wenn in Matthäus 24 mit dem ‚klugen und treuen Knecht‘ eine sogenannte Klasse gemeint sein soll, dann wohl hier logischerweise auch. Doch wen stellen dann die Diener mit ihren Talenten dar? Bei dem Knecht, der sein Talent vergraben hat, wäre die Wachtturmgesellschaft sicherlich schnell mit der Deutung bei der Hand: ‚Das ist die abtrünnige Christenheit!‘ Doch wen stellen dann die beiden anderen Knechte dar? Zwei Klassen können es nach der eigenen Lehre von Jehovas Zeugen nicht sein, denn nur ihre eigene Organisation wurde ja angeblich von Jehova auserwählt.

Eindeutig macht diese Geschichte klar, dass es sich eben nicht um eine Prophetie handelt, die verschiedene Klassen von Menschen betrifft, sondern um ein Gleichnis, das einzelne Menschen betrifft; jeder einzelne Mensch hat von Gott eine Gabe erhalten, und jeder kann und soll sie nutzen. So ausgelegt, macht die Geschichte Sinn.

Und ist nach alledem nicht genauso logisch und klar, dass es sich dann bei der Geschichte in Matthäus 24,45ff. genauso wenig um eine Prophetie handelt?

Wer die Schriftstellen genau durchliest, wird außerdem feststellen, dass in dem o. g. Gleichnis nicht von zwei Knechten, sondern von zwei möglichen Verhaltensweisen des gleichen Knechts gesprochen wird. Auch dies zeigt, dass die Auslegung der Wachtturmgesellschaft falsch ist.

Was lehrt uns die Geschichte der Wachtturmgesellschaft?

Oder ließe sich vielleicht aus der Geschichte von Jehovas Zeugen eindeutig entnehmen, daß ihre Organisation der „neuzeitliche Prophet Jehovas“ ist? Jehovas Zeugen erklären, daß Gott durch ihre Organisation als „Kanal“ rede. Es ist nun eine Sache, dies zu behaupten, eine andere, es zu belegen. Gottes Wort selbst bietet uns allerdings eine Hilfe hierbei an. Es zeigt, wie man wahre und falsche Propheten erkennen kann. In 5Mose 18,21 (NW-Übersetzung) heißt es:

„Und falls du in deinem Herzen sagen solltest: Wie werden wir das Wort erkennen, das Jehova nicht geredet hat? – Wenn der Prophet im Namen Jehovas redet, und das Wort trifft nicht ein oder bewahrheitet sich nicht, so ist dieses das Wort, das Jehova nicht geredet hat. Mit Vermessenheit hat der Prophet es geredet. Du sollst vor ihm nicht erschrecken.“

In diesem Zusammenhang heißt es nicht nur, daß das Volk Israel vor diesem falschen Propheten nicht erschrecken sollte, sondern daß dieser falsche Prophet sterben sollte; er wurde von Gott verworfen!

Die Organisation der Zeugen Jehovas hat verschiedene ihrer Lehren im Laufe der Zeit mehrmals korrigieren müssen. So setzte z. B. der erste Präsident der Wachtturmgesellschaft, C. T. Russell, die unsichtbare Wiederkunft Jesu auf 1874 fest und sagte die sichtbare Aufrichtung des Königreiches für 1914 voraus, nachzulesen in seinen Schriftstudien. Auch im Buch ‚Prophezeiung‘ von Rutherford, dem zweiten Präsidenten wird erklärt, die zweite Gegenwart Christi habe 1874 begonnen (S. 70). Und über das Jahr 1925, das später als Jahr der Vollendung angesetzt wurde, schrieb der englische Watchtower, dieses Jahr sei ein durch die heilige Schrift eindeutig markiertes Jahr; die Christen hätten mehr Anhaltspunkte, worauf dieses basiere, als Noah hatte, daß eine Flut kommen würde!

Es läßt sich unschwer feststellen, daß diese Voraussagen falsch waren!

Genauso klar ist deshalb, daß nicht Jehova der Verantwortliche für diese falsche Aussage war, sondern die Wachtturmgesellschaft! Diese entschuldigt sich mit dem Eifer, den man für Jehova gehabt habe und erklärt, dies sei schließlich lobenswerter als schläfrige Untätigkeit.

Doch erinnern wir uns: Die Lehren der Wachtturmgesellschaft werden von einer Organisation veröffentlicht, die angeblich als „Vertreter des Herrn auf Erden“ eingesetzt worden ist (‚Jehovas Zeugen – Verkündiger des Königreiches Gottes‘, S. 219). Sie wird als Kanal Gottes und als Prophet bezeichnet. Unter der Überschrift „Sie werden wissen, daß ein Prophet unter ihnen gewesen ist“ veröffentlichte die Gesellschaft im Wachtturm vom 01.07.1972, S. 389-392 einen Artikel, in dem die „Gesalbten“ als Prophet Jehovas bezeichnet und mit Hesekiel verglichen werden. Im Wachtturm vom 15.04.1995, S. 24, wird der „treue und verständige Sklave“ als neuzeitlicher Elia bezeichnet.

Die Gesellschaft verlangt von ihren Mitgliedern absoluten Gehorsam und die Annahme aller Wachtturmlehren. Kann sich eine derartige Organisation damit entschuldigen, sie sei ja schließlich nicht unfehlbar? Dürfte sie falsche Daten veröffentlichen, wenn Gott durch sie als einen bevollmächtigten Kanal spräche? Jehovas Zeugen wenden ein, auch die Propheten des Alten Testaments hätten oftmals auch nicht alles, was sie weissagten, selbst verstanden, doch besteht hier ein gravierender Unterschied: Das, was sie prophezeiten, erfüllte sich!

Wenn nun die Lehren der Wachtturm-Gesellschaft des öfteren korrigiert werden müssen, von wem stammen dann die ursprünglichen Lehren? Können sie von Gott stammen, in dem „keine Veränderung ist noch eines Wechsels Schatten“? (Jak 1,17).

Wenn Gott jetzt „helleres Licht“ gibt, wie Jehovas Zeugen ausdrücken, von wem stammt dann das ursprüngliche Licht? Ist es denkbar, daß Jehova falsche Informationen gibt? Nein, sondern es waren lediglich MEINUNGEN von Menschen, die die Bibel studierten, aber kein Kanal, kein Sprachrohr Gottes, dem die Christen wie Gott selbst Gehorsam schulden würden!

Soll dies nun bedeuten, daß jemand, der eine falsche Auslegung der Bibel veröffentlicht, dann ein falscher Prophet ist? Selbstverständlich nicht. Die Bibel sagt selbst ausdrücklich, daß unser Wissen Stückwerk ist. Doch was macht die Wachtturmgesellschaft denn dann zu einem falschen Propheten?

Sie spricht im Namen Jehovas. Sie erklärt, Gottes Kanal und neuzeitlicher Prophet zu sein. Wenn die Gesellschaft sich selbst als Prophet Jehovas bezeichnet, wenn sie im Namen Jehovas spricht und ihre Voraussagen erfüllen sich nicht, dann macht sie Gott zum Lügner und ist nach der Aussage der Bibel ein falscher Prophet. Die Aussage der Bibel ist klar und eindeutig!

Gibt Jehova helleres Licht?

In Gesprächen werden die Änderungen in der Lehre von Zeugen manchmal mit dem „Kreuzen“ eines Segelschiffes verglichen, das keinen geraden Weg zurücklegt, sondern sich nach den günstigsten Winden richtet, um an sein Ziel zu gelangen. Nach ihrer eigenen Definition gilt für die Erkenntnisse der Zeugen Jehovas:

„Aber der Pfad der Gerechten ist wie das glänzende Licht, das heller und heller wird, bis es voller Tag ist.“ (Sprüche 4,18)

Doch wer die verschiedenen Änderungen in den Lehren der Zeugen Jehovas betrachtet, wird sehr schnell feststellen, daß dies mit „Kreuzen“ nichts zu tun hat, sondern es teilweise glatte Kehrtwendungen sind, daß auch das Licht nicht etwa heller geworden ist, sondern verschiedene Lichter zu sehen waren, ob von Gott, mag der Leser selbst entscheiden. Im Zusammenhang mit der Aufforderung an Christen, nicht wie ins Ungewisse zu laufen (1Kor 9,26) schreibt der Wachtturm vom 01.08.1992 auf S. 17:

„Wenn man am Strand Fußspuren sieht, die sich hin und her schlängeln, stellenweise im Kreis verlaufen und manchmal sogar zurückführen, wird man kaum annehmen, daß die Person gerannt ist, geschweige denn, daß sie genau wußte, wohin sie wollte.“

Ist dies nicht eine ziemlich gute Beschreibung für die Änderung in den Lehren der Zeugen Jehovas? Sieht das so aus, als sei hier das Wort Gottes ein „Licht auf dem Weg und eine Leuchte für die Füße“ ?

Nach der Lehre der Zeugen Jehovas soll ja die Gesellschaft „geistige Speise zur rechten Zeit“ austeilen Im Wachtturm-Buch „Jehovas Zeugen – Verkündiger des Königreiches Gottes“ heißt es hierzu auf S. 146:

„Da sie die Sachverhalte nur in dem Licht untersuchen konnten, das ihnen jeweils zur Verfügung stand, waren ihre Vorstellungen unvollständig oder sogar ungenau … In dem Maße, wie Jehova durch seinen Geist immer mehr Licht auf sein Wort geworfen hat, sind seine Diener demütig dazu bereit gewesen, die nötigen Korrekturen vorzunehmen. Dieses fortschreitende Verständnis beschränkte sich nicht auf die Anfänge ihrer neuzeitlichen Geschichte. Auch heute ist es noch so. Zum Beispiel wurde 1962 das Verständnis über die ‚obrigkeitlichen Gewalten‘ aus Römer 13:1-7 berichtigt.“

Gerade bei der o. g. Auslegung zeigt sich, wie brüchig diese Argumentation vom „helleren Licht“ ist; ein Blick in die Geschichte:

Bis 1929 glaubten Jehovas Zeugen, daß in Röm 13 mit den obrigkeitlichen Gewalten die irdischen Herrscher gemeint waren, so lehrte es Russell – u. a. in Bd. 6 der Schriftstudien, S. 588.

Ab 1929 hieß es, mit den obrigkeitlichen Gewalten seien Jehova Gott und Jesus Christus gemeint; im Buch „Die Wahrheit wird euch frei machen“ heißt es auf S. 312: Sie zogen sich von ihrem öffentlichen Unterrichtswerk zurück, großenteils wegen der immer noch herrschenden religiösen Ansicht, daß die politischen Behörden der sichtbaren Organisation Satans die „obrigkeitlichen Gewalten“ seien, denen alle Christenseelen, wie in Römer 13:1 befohlen, untertan sein sollten. Durch solche Bibelverdrehung vermochte die gewalthabende Religionshierarchie als „geistlicher Berater“ der politischen Mächte zu handeln … Nachdem der Herr zum Tempel gekommen war und den treuen Überrest geistlicher Israeliten aus der Gefangenschaft des neuzeitlichen Babylon befreit hatte, begann der ihren Augen allmählich die Wahrheit zu erschließen. Im Jahre 1929 brach das helle Licht hervor. In jenem Jahre veröffentlichte der Wachtturm die biblische Erklärung über Römer, Kapitel 13. Er zeigte, daß nicht weltliche Herrscher und Regenten, sondern Jehova Gott und Christus Jesus die „obrigkeitlichen Gewalten“ sind.

Im Buch: „Jehovas Zeugen in Gottes Vorhaben“ heißt es auf S. 124:

„Ist es nicht klar, daß die Worte des Apostels Paulus ganz entschieden falsch ausgelegt worden sind, wenn man sie auf die Regierungen dieser Welt anwandte?“

Seit dem Jahre 1963 glauben Jehovas Zeugen wieder, daß in Römer 13 mit den obrigkeitlichen Gewalten die irdischen Herrscher und Regierungen gemeint sind.

Im Jahrbuch 1975 heißt es auf S. 237+238:

„Wie konnten Jehovas christliche Zeugen ihre feste Haltung als Verfechter des Königreiches Gottes aufrechterhalten? … Dies war möglich, weil Jehova Gott barmherzigerweise durch die Gruppe des „treuen und verständigen Sklaven“ für geistige Speise zur rechten Zeit sorgte (Mt 24:45-47)“.

Während der Bezirkskongresse „Mutige Diener Gottes“ im Jahr 1962 zogen sie beispielsweise großen Nutzen aus den Ansprachen über die Themen „Ordnet euch unter – Wem?“, „Unterordnung unter die obrigkeitlichen Gewalten – Warum?“ und ähnliche. Dieser wichtige Aufschluß wurde später wieder im Wachtturm veröffentlicht. Siehe die Ausgaben vom 1. Januar bis zum 1. Februar 1963.).

Zuerst wurde Römer 13 also richtig, dann falsch und dann wieder richtig ausgelegt. Wie kann man hier davon sprechen, daß durch die Gesellschaft „geistige Speise zur rechten Zeit“ ausgeteilt worden sei? Wie kann man davon sprechen, daß das Licht immer heller geworden sei? Wie kann man davon sprechen, daß man Jehovas Kanal sei? Was für ein Licht schien in diesen 34 Jahren von 1929-1963, und von wem stammte es? Außerdem zeigt sich eine weitere Tatsache:

Das obige Zitat erweckt den Eindruck, als habe man eben eine ursprünglich unrichtige Ansicht korrigiert; doch dies ist eben nur die halbe Wahrheit, weil man vorher schon einmal „korrigiert“ hatte.

Die Lehre, daß mit Römer 13 die weltliche Obrigkeit gemeint ist, ist in den christlichen Kommentaren über die Jahrhunderte hinweg überall zu finden gewesen. Aber seltsamerweise verkündigt ausgerechnet die Organisation, die Jehova angeblich 1919 mit der Verwaltung seiner irdischen Besitztümer beauftragt hat, von 1929-1963 eine falsche Lehre. Diejenigen Religionsgemeinschaften, die Jehova angeblich verworfen hat, irrten sich nicht!

Es gibt einige Lehrpunkte, die die Wachtturmgesellschaft im Laufe ihrer Geschichte geändert hat, manche, die die Gesellschaft in Krisen stürzte. Doch diese Änderungen in der Lehre werden sogar noch als etwas Positives dargestellt: „… die wirklich Ehrlichen und Aufrichtigen im Glauben werden feststehen und sich freuen“, hieß es über eine neue Auslegung von Offenbarung 12 im Wachtturm vom 15.04.25, die in krassem Gegensatz zum vorherigen Buch „Das vollendete Geheimnis“ stand (Jehovas Zeugen – Verkündiger des Königreiches Gottes, S. 78+79).

Während Änderungen wie die obengenannten ein bezeichnendes Licht auf die Glaubwürdigkeit einer Organisation werfen, werden sie von der Wachtturmgesellschaft noch als positiv dargestellt, teilweise werden Fehler sogar als von Gott gewollt ausgegeben.

„Durch eine höhere Fügung hatten die Bibelforscher nicht verstanden, daß es zwischen v. Chr. und n. Chr. kein Jahr Null gibt. Später als Forschungen ergaben, daß eine Änderung von 606 v. Chr. auf 607 v.u.Z. nötig war, wurde auch das Jahr Null fallengelassen, so daß die Voraussage auf das Jahr 1914 weiterhin zutraf.“ („Die Offenbarung – ihr großartiger Höhepunkt ist nahe“, S. 105)

Fehler und falsches Verständnis, gewollt von Jehova?

In ihren Publikationen räumt die Wachtturmgesellschaft zwar ein, daß sie fehlbar sei, das hindert sie aber nicht, ihre jeweiligen Auslegungen als „Speise zur rechten Zeit“ zu bezeichnen und jeden Zeugen zu verpflichten, diese Auslegung auch nach außen zu vertreten. Was ist von einem solchen Anspruch zu halten? Warum kritisieren Jehovas Zeugen z. B. das Unfehlbarkeitsdogma der katholischen Kirche, wenn sie eigentlich den gleichen Anspruch erheben? Es geht nicht um die Richtigkeit eines solchen Anspruchs, sondern um das Maß, mit dem gemessen wird. Die Bibel warnt ausdrücklich vor Messen mit zweierlei Maß (Mt 7,1; Röm 2,1).

Was entscheidet über unser Heil?

Für die Führung der Zeugen Jehovas ist es völlig uninteressant, wie der einzelne Mensch zu Gott steht. Sie fällt pauschale Verdammungsurteile über Christen, weil in den Reihen ihrer Kirchen schlimme Sünden vorkommen:

„Auch behaupten einige geistliche Führer, außerehelicher Geschlechtsverkehr sei nicht verkehrt und selbst Homosexualität oder Polygamie könne ganz in Ordnung sein. … Es gibt Kirchenmitglieder, die die Bibel besitzen und sie sogar studieren, die aber durch ihre Lebensweise zeigen, daß sie sich nicht daran halten …Welche Schlußfolgerung muß man ziehen, wenn Kirchenmitglieder, die sich an Glücksspielen beteiligen, sich betrinken oder andere unrechte Dinge tun, bei ihrer Kirche in gutem Ansehen bleiben? Daß Gott ihre Religionsorganisation nicht gut heißt.“ (Paradiesbuch, Seite 187-188)

Würde Gott nach diesem Grundsatz handeln, so könnte wohl kaum einer selig werden. Israel war Gottes auserwähltes Volk, das er besonders schützte und führte. Verdammte Gott alle Israeliten, die unter der Herrschaft gottloser Könige lebten, die „taten, was Gott mißfiel“? (Bücher Könige und Chronik) Nein, sondern „in jeder Nation ist, wer ihn fürchtet und Gerechtigkeit wirkt, ihm angenehm.“ (Apg 10.35)

Verurteilte Gott das ganze Volk, weil König David Mord und Ehebruch beging? Nein, sondern Davids Sohn mit Bathseba starb. Ja, es gab sicherlich auch Begebenheiten, wo das Volk für die Sünden Einzelner bestraft wurde, doch kündigt Gott etwas Neues an. In Hes 18,1ff. heißt es:

„Und das Wort des HERRN geschah zu mir so: Was habt ihr, daß ihr dieses Sprichwort im Land Israel gebraucht und sprecht: Die Väter essen unreife Trauben, und die Zähne der Söhne werden stumpf? So wahr ich lebe, spricht der Herr, HERR, wenn ihr diesen Spruch in Israel noch gebraucht. Siehe, alle Seelen gehören mir; wie die Seele des Vaters, so auch die Seele des Sohnes. Sie gehören mir. Die Seele, die sündigt, sie soll sterben.“

Er sagt also ausdrücklich, daß er jeden Menschen für seine eigenen Sünden verantwortlich machen wird, und das nicht in einer fernen Zukunft, sondern dies war ein Ausspruch Gottes für die Zeit Hesekiels (um 600 vor Chr.) Um nicht falsch verstanden zu werden; es soll nicht einer Theologie das Wort geredet werden, die unter dem Deckmantel von Nächstenliebe und Toleranz alles duldet; jeder Christ ist aufgefordert, alles zu prüfen und in seiner Gemeinde auf Lehre und Praxis zu achten.

Mit gleichem Maß messen

Jehovas Zeugen sollten bedenken, daß sie bei der Verurteilung der christlichen Kirchen mit zweierlei Maß messen. So tragen nach ihrer Lehre die Angehörigen der christlichen Kirchen Mitverantwortung dafür, was in ihren Kirchen geschieht. Doch haben Jehovas Zeugen bedacht, daß dies dann auch auf sie zutrifft? Wenn sie einer Organisation blind gehorchen, die erklärt, sie sei von Gott beauftragt, ohne geprüft zu haben, ob dies denn tatsächlich stimmt, so machen sie sich mitschuldig an den Entscheidungen dieser Organisation. Wenn Menschen aus der Versammlung der Zeugen Jehovas ausgeschlossen werden, weil sie nicht daran glauben, daß dieses Jehovas eigene Organisation ist, wenn Ehen und Familien und Freundschaften daran zerbrechen, daß man mit diesen Ausgeschlossenen nicht mehr verkehren darf, wenn manche sich deswegen auch das Leben nahmen, dann trägt der einzelne Zeuge nach dem gleichen Maß, mit dem er mißt, auch eine Mitverantwortung. Wie weit diese Mitverantwortung bei den Zeugen geht, zeigt eine Zitat aus dem Wachtturm vom 15.04.95, wo als „geistige Speise“ gelehrt wird, daß auch die kleinen Kinder der Nicht-Zeugen in Hamargedon vernichtet werden:

„An jenem Tag der Abrechnung wird mit Kindern oder Zweigen gerecht verfahren werden, je nachdem, wie Jehova ihre Wurzeln, das heißt die Eltern, die die Aufsicht über sie haben. Böse Eltern werden keine Nachkommen haben, die ihre verderbte Handlungsweise fortsetzen könnten.“

Über zwanzig Jahre lang war z. B. Impfung bei Jehovas Zeugen verboten. Wo Impfungen per Gesetz vorgeschrieben waren, wurden sie oftmals durch gefälschte Bescheinigungen umgangen. Wer kann sagen, wie viele Krankheiten oder sogar Todesfälle es durch diese Vorschrift der Wachtturmgesellschaft gab? Ähnlich sah es auch mit Organtransplantationen aus, die sogar als Kannibalismus bezeichnet wurden. (Wachtturm vom 15.02.68) Auch hier mußte man einen Angehörigen lieber sterben lassen als einer Transplantation zuzustimmen.

Ein besonders schlimmes Beispiel für die Entscheidungen des „treuen und verständigen Sklaven“ findet sich im Wachtturm vom 15.03.1972 auf Seite 191. Hier wird im Rahmen einer Leserfrage darauf eingegangen, ob homosexuelle Handlungen des Ehepartners ein Grund zu einer Scheidung seien. Der „treue und verständige Sklave“ antwortete hierauf mit: NEIN! Sogar Sodomie sei kein Grund! Als Begründung wurde angegeben, Ehebruch sei nur mit einem Menschen des anderen Geschlechtes möglich. Zeugen, die sich weigerten, weiter in einer solchen Ehe zu leben und die sich scheiden ließen, wurde die Gemeinschaft entzogen, sie wurden ausgeschlossen! Diese skandalöse Deutung wurde einige Jahre später geändert, doch ist dies ein Trost für diejenigen, die dieses Unrecht erlitten haben? Kann sich dieser treue und verständige Sklave damit herausreden, er sei ja schließlich nicht unfehlbar?

Wer ist wirklich abtrünnig?

Der „treue und verständige Sklave“, der in Wirklichkeit nur aus etwa 10-15 Männern besteht, hat wirkliche Macht über das ganze Leben eines Zeugen, über sein Denken, seine Kleidung, sein Benehmen und sogar sein Intimleben. Es soll hier nicht im einzelnen untersucht werden, welche Vorschriften der Wachtturmgesellschaft biblisch sind und welche nicht. Tatsache bleibt, daß hier Menschen einer Organisation die Entscheidung über alle ihre Lebensbereiche abgetreten haben. Sie haben nur die Wahl, dieser Organisation zu gehorchen oder als böse und abtrünnig von Jehova Gott ausgeschlossen zu werden. Doch waren sie denn wirklich alle abtrünnig von Gott? Heißt es denn wirklich abtrünnig von Gott selbst zu sein, wenn man der Organisation nicht folgen will? Jehovas Zeugen wird keine Wahl gelassen; sie müssen dem treuen und verständigen Sklaven folgen, wenn sie mit Jesus Schritt halten wollen,. so heißt es im Wachtturm vom 01.05.1988, S. 13:

„Nicht mit Christus Schritt zu halten kann zweierlei bedeuten. Entweder versuchen wir, schneller zu gehen und dem ‚treuen und verständigen Sklaven‘, dessen sich Jesus zur Verwirklichung des Vorsatzes Jehovas bedient, vorauszueilen, oder wir hinken der Führung dieses „Sklaven“ hinterher (Matthäus 24:45-47). Einige Christen sind zum Beispiel in der Vergangenheit ungeduldig geworden, weil sie Änderungen in bezug auf die Lehre oder organisatorische Verbesserungen für notwendig und überfällig hielten. Da ihnen die Sache zu langsam ging, zogen sie sich verärgert von Jehovas Volk zurück. Wie töricht und kurzsichtig! Oftmals wurde genau das, was sie aufregte, später geändert, und zwar zu Jehovas bestimmter Zeit. (Spr. 19:2, Prediger 7:8,9)“.

Hier werden wieder Gottes Wille und Weg und der der Organisation gleichgesetzt, aber was noch viel schlimmer ist: Eigentlich wird Jehova für die falschen Lehren verantwortlich gemacht! Die Änderung der Lehren erfolgte angeblich zu der von Jehova bestimmten Zeit! Wer die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas deshalb selbst verläßt, weil er nicht daran glauben kann, daß Jesus 1914 unsichtbar wiedergekommen ist, daß er nicht wiedergeboren ist oder daß Gott nur mit der Wachtturmorganisation handelt, wird genauso behandelt wie jemand, dem wegen Ehebruchs die Gemeinschaft entzogen worden ist. Kein Zeuge Jehovas darf mehr mit ihm sprechen, ihn auch nur grüßen und hat damit auch nie die Möglichkeit zu erfahren, ob diese Person nicht vielleicht recht hatte. Dabei dringen Jehovas Zeugen bei Angehörigen anderer Gemeinschaften immer darauf, diese sollten die Lehren ihrer Kirche sorgfältig überprüfen und sich aus erster Hand darüber informieren, ob z. B. die Informationen, die man ihnen über Jehovas Zeugen gegeben hat, denn überhaupt richtig sind. So heißt es im Wachtturm vom 01.04.1995:

„Wichtig: Informationen aus erster Hand … Jehovas Zeugen schätzen es jedoch, wenn ein Gesprächspartner fair ist und gewissermaßen das sagt, was einige Leute einst in Rom gegenüber dem Apostel Paulus zum Ausdruck brachten: „Wir denken aber, daß es angebracht ist, von dir zu hören, was deine Gedanken sind, denn in der Tat, was diese Sekte betrifft, ist uns bekannt, daß ihr überall widersprochen wird … Kläre falsch unterrichtete Personen mit aller Milde auf … Lade sie ein, Informationen über Jehovas Zeugen aus erster Hand zu erhalten, wodurch sie selbst gewisse Verleumdungen durchschauen können … Du kannst Publikationen verwenden, die von der Wachtturm-Gesellschaft herausgegeben werden und Aufschluß über die Organisation, ihre Geschichte und ihre Lehren geben. Wie Philippus einst Nathanael antwortete, so können wir kritische Personen auffordern: ‚Komm und sieh‘ … Jedermann ist herzlich eingeladen, zum nächstgelegenen Königreichssaal zu gehen, um sich ein eigenes Bild davon zu machen, was für Menschen Jehovas Zeugen sind und was sie lehren.“

Doch wie sieht es im umgekehrten Fall aus? Darf ein Zeuge Jehovas den Gottesdienst eine christlichen Kirche besuchen, um sich „aus erster Hand“ zu informieren? Nein, es ist ihm verboten! Auch hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Es geht nicht darum, die Wachtturmgesellschaft schlecht zu machen. Falsche Dinge, Unzulänglichkeiten und Sünden gab und gibt es in jeder Gemeinde. Die vollkommene Gemeinde gibt es nicht und hat es nie gegeben. Bei der einen ist es die tote Gesetzlichkeit, bei der anderen falsche Lehren oder Unsittlichkeit. Doch wie sollen wir eine Gesellschaft beurteilen, die behauptet, nur in ihr sei Rettung möglich, die von ihren Mitgliedern fordert, alle Anweisungen zu befolgen, ebenso jede Änderung in der Lehre zu akzeptieren, die von sich selbst sagt, sie sei Jehovas Prophet und die dann solche Dinge lehrt? Erinnert uns dies nicht an etwas, was in Röm. 2,17ff. über die Juden gesagt ist: „…der du nun einen anderen lehrst, und lehrst dich selbst nicht …“ Auch warnte uns Jesus ausdrücklich, daß wir mit dem gleichen Maß gemessen würden, daß wir selbst anlegten und verurteilte Selbstgerechtigkeit und Überheblichkeit (Mt 7,1+2; Lk 18,9-14).

Auch die Urchristenheit ist nicht vollkommen

Eine Betrachtung des ganzen Neuen Testaments zeigt uns, daß es keine Organisation gibt, in der sämtliche Gotteskinder vereint wären, sondern daß es in jeder neutestamentlichen Gemeinde gläubige Gotteskinder gegeben hat und solche, die verloren gegangen sind. Schon in der allerersten Gemeinde in Jerusalem sehen wir, wie Hananias und Saphira den heiligen Geist belügen und sterben müssen. In der Gemeinde in Korinth geschieht Unzucht schlimmsten Ausmaßes, die Gemeinde in Galatien ist einem Rückfall in die Gesetzlichkeit des Spätjudentums erlegen etc., doch alle diese Gemeinden werden von Paulus trotzdem als „Gemeinde Gottes“, „Geheiligte in Christus“ angeredet. Paulus macht gerade in seinem ersten Brief an die Korinther klar, daß er sich an die einzelnen Christen wendet; in der Anrede spricht er zu „allen, die den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen an jedem Ort, bei ihnen und bei uns.“ Es kamen viele und schlimme Sünden vor in den Gemeinden der Urchristenheit, aber es wurde niemand von den Aposteln angewiesen, diese Gemeinde zu verlassen, selbst dort nicht, wo die Gemeinde wie in Korinth nicht die notwendige Gemeindezucht geübt hatte.

Betrachten wir doch die Schreiben an die sieben Gemeinden der Offenbarung; fast alle wurden getadelt, z. B. weil sie eine falsche Prophetin duldeten, weil sie die erste Liebe verlassen hatten, weil sie sogenannten Nikolaiten bei sich hatten etc. Und doch verhieß Jesus all denen aus diesen getadelten Gemeinden das ewige Leben, die ihm treu sind, obwohl die Gemeinden selbst teilweise verworfen wurden. (Offb 2,7; 11; 17; 24-26; 3,4.5; 21) So kam es Gott stets auf das Verhältnis zu den einzelnen Personen an.

Schriftstellen aus dem Zusammenhang gerissen

Nicht die Mitgliedschaft in einer bestimmten Organisation ist Voraussetzung für das Heil. Nach der Lehre der Zeugen Jehovas jedoch können „wahre Anbeter Gottes“ nur in ihrer Organisation zu finden sein. Als Schriftstelle, die dies beweise, wird u. a. Joh. 10.16 angeführt:

„Ich habe andere Schafe, die nicht aus dieser Hürde sind; auch diese muß ich bringen, und sie werden meine Stimme hören, und sie werden eine Herde werden unter einem Hirten“.

In dem Buch „Unterredungen anhand der Schriften“ heißt es hierzu auf S. 324:

„Ist es nicht offensichtlich, daß sich diese Schafe nicht in verschiedenen Religionsgemeinschaften der Christenheit befinden können, da Jesus sie doch in ‚eine Herde‘ bringen würde?“

Als Jesus diese Worte sprach, waren seine Zuhörer ausnahmslos Juden, die, wie auch nach Jesu Tod und Auferstehung anfänglich die Apostel, davon ausgingen, der Messias sei ausschließlich für das Volk Israel gesandt und die die Heiden verachteten. Diese Heiden sind die anderen Schafe, die in das Gottesvolk aufgenommen wurden, obwohl sie ursprünglich nicht dazu gehörten. In Römer 9,24-26 schreibt Paulus :

„…Uns, die er auch berufen hat, nicht allein aus den Juden, sondern auch aus den Nationen. Wie er auch in Hosea sagt (Hosea 2,25; 2,1): Ich werde Nicht-mein-Volk mein Volk nennen, und die Nicht-Geliebte Geliebte. Und es wird geschehen, an dem Ort, da zu ihnen gesagt wurde: Ihr seid nicht mein Volk, dort werden sie Söhne des lebendigen Gottes genannt werden.“

Zu dieser Deutung schreibt der Wachtturm vom 01.02.1995:

„Die Kommentatoren der Christenheit vertreten allgemein die Ansicht, bei den anderen Schafen handle es sich um nichtjüdische Christen und bei den zuvor erwähnten Schafen, die sich in der Schafhürde befinden, um Juden, die unter dem Gesetzesbund standen, und beide Gruppen würden in den Himmel kommen. Doch Jesus war von Geburt Jude und stand daher unter dem Gesetzesbund (Gal. 4.4)“

Hat man hierbei bedacht, daß Gottes Wort ausdrücklich sagt: „Christus ist des Gesetzes Ende“ (Röm. 10,4)? Der Galaterbrief, den Jehovas Zeugen anführen, erklärt:

„Also ist das Gesetz unser Zuchtmeister auf Christus hin geworden, damit wir aus Glauben gerechtfertigt würden.“ (Gal 3,24)

Für jeden Juden war das Bild von den Schafen klar. So heißt es z.B. in Psalm 100,3 über Israel: „… sein Volk und die Herde seiner Weide.“ Ähnliches finden wir in Psalm 74,1. Dieses Bild greift Jesus dann z. B. in Mt 15,24 wieder auf. In seinem Brief an die Epheser schreibt Paulus, daß Jesus „aus beiden eins gemacht und die Zwischenwand der Umzäunung abgebrochen habe“ (Eph 2,14). Diese Umzäunung bestand zwischen Juden und Nichtjuden, Von einer Organisation im Sinne der Wachtturmgesellschaft ist bei dem Bild von den Schafen nicht die Rede.

Für einen Zeugen Jehovas ist diese biblische Deutung jedoch von vornherein zweifelhaft, weil sie ja laut Wachtturm von den „Kommentatoren der Christenheit“, von der sogenannten Hure Babylon stammt.

Doch betrachten wir die weiteren Beweise der Wachtturmgesellschaft.

Gott erwählt einzelne

Nach der Lehre der Zeugen Jehovas handelt Gott nicht mit Einzelnen, sondern nur mit ihrer Organisation. Im Paradiesbuch heißt es auf S. 191:

„Wieso können wir davon überzeugt sein, daß Gott eine sichtbare Organisation hat? ein Grund dafür ist, daß er ein unsichtbare Organisation hat. Jehova erschuf Cherube, Seraphe und viele andere Engel, die im Himmel seinen Willen tun sollten. Jesus Christus ist über sie alle als Erzengel eingesetzt. Die Bibel erklärt, daß die Engel zu Thronen oder Herrschaften oder Regierungen oder Gewalten organisiert worden sind (Kol 1.16; Epheser 1.21) … Lernen wir etwas aus dieser wunderbaren Organisation, die unter Gottes unsichtbaren Geschöpfen und in seinem materiellen Universum herrscht? Ja, wir lernen daraus, daß Jehova ein Gott der Organisation ist. Gewiß würde ein solcher Gott Menschen auf der Erde, die ihn wirklich lieben, nicht ohne Führung und Organisation lassen … Die Bibel zeigt, daß Jehova seine Diener immer auf organisierte Weise geleitet hat. Zum Beispiel führten gläubige Männer wie Abraham ihre Angehörigen und ihre Diener in der Anbetung Jehovas. … Später, als die Israeliten an Zahl zunahmen und zu Millionen wurden, wollte Jehova nicht, daß ihn jeder auf seine eigene Weise anbetete, getrennt von irgendeiner organisierten Einrichtung. Nein, die Israeliten wurden zu einer Nation organisierter Anbeter zusammengefügt … Gebrauchte Jehova zu irgendeiner Zeit mehr als eine Organisation? In Noahs Tagen hatten nur Noah und diejenigen, die bei ihm in der Arche waren, Gottes Schutz und überlebten die Sintflut. Auch im 1. Jahrhundert gab es nicht zwei oder mehrere Christenorganisationen. Gott handelte nur mit einer.“

Betrachten wir zuerst die beiden im Paradiesbuch oben genannten Stellen, die belegen soll, daß Gott mit einer sichtbaren Organisation handele, zuerst Kol 1,16 ; dort heißt es über Jesus:

„Denn in ihm ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen.“

In der zweiten Stelle in Eph 1.21 ist wiederum die Rede von Jesus Christus, der von Gott eingesetzt ist zu seiner Rechten im Himmel „über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen.“ Von einer Organisation, die Gott über seine Gemeinde gesetzt hat, wird hier nichts gesagt. Jesus ist das Haupt der Gemeinde und sie sein Leib (Eph. 1,22). Selbstverständlich, die Bibel berichtet auch über Organisation, nämlich die Organisation der Gemeinde (Versammlung) selbst:

„Und er hat die einen als Apostel gegeben und andere als Propheten und andere als Evangelisten und andere als Hirten und Lehrer, zur Ausrüstung der Heiligen für das Werk des Dienstes, für die Erbauung des Leibes Christi, bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zur vollen Mannesreife, zum Vollmaß des Wuchses der Fülle Christi.“

Über die Organisation der Versammlung wird noch des öfteren gesprochen (1Kor 12,28; Heb 13,17), aber, wie seltsam, von dieser angeblich heilsnotwendigen zentralen Organisation finden wird nichts dergleichen. Und eben weil sich in der Bibel nichts darüber findet, muß man dann zu Gedankenschlüssen greifen und zu Formulierungen wie den obigen: „… Wieso können wir überzeugt sein….“.

Auch der Vergleich mit dem Volk Israel zeigt Unterschiede auf. Schon dieses bildete also in vorchristlicher Zeit Gottes Organisation. Natürlich besteht kein Zweifel darüber, daß Gott das Volk Israel auserwählt hat und mit ihm besonders handelte. Beinhaltet dies aber eine Organisation im Sinne der Zeugen Jehovas, eine Organisation, zu der man gehören mußte, wollte man Gott wohlgefallen? Ist die Geschichte des Volkes Israel gewissermaßen eine Vorschattung der heutigen Organisation? Eine Betrachtung der biblischen Geschichte hilft uns hier weiter.

So war Mose derjenige, dem die Übermittlung des alten Bundes anvertraut war; er wurde sogar als Mittler bezeichnet (Gal. 3,19). In dieser Rolle war er ein Bild auf Jesus Christus. Sein Nachfolger Josua war der Anführer des Volkes Israel, aber kein Prophet oder Mittler, auch kein anderer hatte diese Rolle inne. Es gab auch keinen Grund für eine zentrale Leitung in Israel. Die Ältesten waren weder vom Volk gewählt worden, noch waren sie von Gott selbst bestimmt, sondern waren einfach Repräsentanten der jeweiligen Familien. Das mosaische Gesetz legte die Regeln fest, und unter der Aufsicht der jeweiligen Ältesten wurden die Strafen in den einzelnen Familien vollzogen. Jeder war vor Gott selbst verantwortlich. Es gab zu jener Zeit eine wahrhaft theokratische Herrschaft (Gottesherrschaft). Gott selbst handelte anstelle eines irdischen Königs.

Dies änderte sich, als das Volk Israel einen König haben wollte, damit es wie alle Nationen wäre (1Sam 8,20). Die Bibel zeigt, daß Gott kein Königtum über Israel wollte, daß er damit vielmehr nur den Wunsch seines Volkes erfüllte, nicht, ohne es auf die Folgen hinzuweisen:

„Der HERR aber sprach zu Samuel: Gehorche der Stimme es Volks in allem, was sie zu dir gesagt haben; denn sie haben nicht dich, sondern mich verworfen, daß ich nicht mehr König über sie sein soll. Sie tun dir, wie sie immer getan haben von dem Tage an, da ich sie aus Ägypten führte, bis auf diesen Tag, daß sie mich verlassen und anderen Göttern gedient haben…Doch warne sie und verkünde ihnen das Recht des Königs, der über sie herrschen wird…Wenn ihr dann schreien werdet zu der Zeit über euren König, den ihr euch erwählt habt, so wird euch der HERR zu derselben Zeit nicht erhören. Aber das Volk weigerte sich, auf die Stimme Samuels zu hören, und sie sprachen: Nein, sondern ein König soll über uns sein, daß wir auch seien wie alle Heiden.“ (1Sam 8,7-20)

Später sagt Samuel:

„Und ihr sollte erkennen und sehen, daß das Böse, daß ihr darin begangen habt, euch einen König zu erbitten, groß ist in den Augen des HERRN.“ (1Sam 12,17)

Gott wollte dieses Königtum nicht, Es war ein weiteres Zeichen des Abfalls. Ab diesem Königtum, das Gott nicht wollte, gab es also eine zentralisierte Regierungsgewalt über Israel. Diese scheiterte kläglich und gipfelte in der Teilung des Reiches.

Doch welcher Teil hiervon wäre dann Gottes Organisation gewesen? Es gab auf beiden Seiten gute und schlechte Könige, zu beiden sandte Gott seine Propheten, redete mit beiden.

Nein, auch die Betrachtung der Geschichte des Volkes Israel macht deutlich, daß es keine zentrale Leitung gab und geben sollte. Die Betrachtung der gesamten Bibel im Zusammenhang zeigt uns, daß Gott auch später durchweg Einzelpersonen wie verschiedene Propheten und Könige auswählte, derer er sich bediente.

Es ist wirklich erstaunlich, wie die Führung der Zeugen Jehovas aus der Fülle von Einzelpersonen, denen Gott seine Gnade erwies, aus dem Volk Israel eine Organisation zu machen versucht, um eine angeblich biblische Begründung für die eigene Organisation zu haben. Gott wählte Abraham als Einzelperson aus, und wer war denn mit Noah in der Arche: doch nur seine Söhne und deren Frauen! Und auch diese Söhne wurden von Gott nicht alle drei auserwählt.

Selbstverständlich kann man eine Familie im weiteren Sinn auch als Organisation bezeichnen, doch es geht ja nicht um die Bezeichnung, sondern um die Tatsache, daß Jehovas Zeugen damit einen Alleinvertretungsanspruch erheben.

Gott leitet durch den Heiligen Geist, nicht durch eine Organisation

Die Leitung der Zeugen Jehovas versucht, ihre menschlichen Vorstellungen auf das Reich Gottes zu übertragen. So schreibt sie in ihrem Buch „Unterredungen anhand der Schriften“ auf S. 323 unter Berufung auf Mt 24,14 („… und es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker …“):

„Wie sollte das ohne eine Organisation durchgeführt werden? Als Jesus seine Jünger für dieses Werk schulte, sagte er nicht einfach, jeder könne hingehen, wohin er wünsche, und seinen Glauben anderen auf irgendeine Art mitteilen, die ihm beliebe. Er schulte sie, gab ihnen Anweisungen und sandte sie auf organisierte Weise aus. Siehe Lukas 8.1; 9.1-6; 10.1-16“

Doch handelt es sich wirklich um „Organisationsanweisungen“ Jesu? Die Interpretation einer Schulung spiegelt zwar die Art und Weise wider, wie Zeugen Jehovas heutzutage vorgehen, doch wer die Evangelien und die Apostelgeschichte liest, merkt sofort, daß dies bei Jesus und der Urchristenheit anders war.

Die Apostel lebten in der Kraft des Heiligen Geistes, der sie lehrte und leitete. Das war es, was Jesus verheißen hatte: Er würde zum Vater gehen, und der Heilige Geist würde kommen:

„Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten; denn er wird nicht aus sich selbst reden, sondern, was er hören wird, wird er reden, und das Kommende wird er euch verkündigen. Er wird mich verherrlichen, denn von dem Meinen wird er nehmen und euch verkündigen.“ (Joh 16,13.14)

Über den Geist heißt es auch:

„Der Helfer (oder Anwalt, Beistand) aber, der heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch über alles belehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ (Joh 14,26)

„Wenn aber der Helfer kommt, den ich euch vom Vater her senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird Zeugnis über mich (oder „für mich“) ablegen.“ (Joh 15,26)

Dieser Geist ist uns verheißen, nicht aber eine Organisation, die verbindlich erklärt, wie die Bibel auszulegen ist.

Warum ist auch von Jesus nie irgend etwas über eine solche Organisation berichtet worden, wenn sie so wichtig für Gottes Plan war? Warum taucht später, in den Apostolischen Briefen, nichts davon auf? Warum sprechen die ganzen Geschehnisse der Apostelgeschichte im Gegenteil völlig gegen den Plan einer allgewaltigen Organisation?

Nach ihrer Ansicht führen die Zeugen Jehova das „Muster aus dem ersten Jahrhundert“ in bezug auf eine sichtbare Organisation Gottes fort. So heißt es im Paradiesbuch, S. 194:

„Waren diese Christenversammlungen im 1. Jahrhundert unabhängig voneinander, und traf jede ihre eigenen Entscheidungen? Nein, die Bibel zeigt, daß sie in dem einen christlichen Glauben vereint waren. Alle Versammlungen wurden von der gleichen Stelle aus geführt und geleitet. Als zum Beispiel eine Meinungsverschiedenheit über die Frage der Beschneidung aufkam, entschieden die Versammlungen oder Einzelpersonen nicht für sich selbst, was zu tun sei. Statt dessen wurden der Apostel Paulus, Barnabas und andere beauftragt, ‚wegen dieses Wortstreites zu den Aposteln und den älteren Männern nach Jerusalem hinaufzugehen‘. Nachdem diese reifen Männer mit der Hilfe des Wortes Gottes und seines ‚heiligen Geistes‘ ihre Entscheidung gefällt hatten, sandten sie treue Männer aus, um die Versammlung davon zu unterrichten … Ja, alle Versammlungen hielten sich an die Entscheidung der Körperschaft der älteren Männer in Jerusalem und nahmen an Glauben zu.“

Im sogenannten Apostelkonzil ist die Rede davon, daß den Gemeinden die Beschlüsse der Apostel und Ältesten „zur Befolgung“ mitgeteilt wurden. Könnte dies ein Hinweis sein, daß es doch so etwas gab wie eine „leitende Körperschaft“, die von Jerusalem aus zentrale Beschlüsse faßte? Ja, dies könnte darauf hindeuten, wenn es durch die übrigen Geschehnisse bestätigt würde. Ansonsten wäre es als das zu werten, wie es allgemein angesehen wird, als ein besonderer Beschluß in einer besonderen Situation! Prüfen wir, was nach der Apostelgeschichte weiter geschah!

Gerade sie beweist, daß die Behauptungen der Zeugen Jehovas falsch sind. Gab es z.B. eine Organisation, die gemeinsam beschlossen hätte, daß Petrus das Evangelium zu den Heiden tragen sollte? Nein, sondern Petrus erhielt seinen Auftrag durch eine Vision, die ihm Gott gab. Als die Apostel beschlossen, nach Asien zu ziehen und dort das Wort zu verkündigen, wurden sie vom Heiligen Geist daran gehindert (Apg 16.6)!

Über die erste Missionsreise heißt es in Apg 13,2:

„Während sie aber dem Herrn dienten und fasteten, sprach der Heilige Geist: Sondert mir nun Barnabas und Saulus zu dem Werk aus, zu dem ich sie berufen habe.“

Zu Philippus sprach der Engel des Herrn und schickte ihn zu dem Kämmerer aus Äthiopien.

Aber auch sonst gab es keine Entscheidungen einer „leitenden Körperschaft“, der die anderen sich zu fügen hatten. So heißt es in Apg 15,36-41 über den Beginn der zweiten Missionsreise:

„Nach einigen Tagen aber sprach Paulus zu Barnabas: Laß uns nun zurückkehren und die Brüder besuchen in jeder Stadt, in der wir das Wort des Herrn verkündigt haben, und sehen, wie es ihnen geht. Barnabas aber wollte auch Johannes mit dem Beinamen Markus mitnehmen. Paulus aber hielt es für richtig, den nicht mitzunehmen, der aus Pamphylien von ihnen gewichen und nicht mit ihnen gegangen war zu dem Werk. Es entstand nun eine Erbitterung, so daß sie sich voneinander trennten und Barnabas den Markus mitnahm und nach Zypern segelte. Paulus aber wählte sich Silas und zog aus, von den Brüdern der Gnade Gottes befohlen. Er durchzog aber Syrien und Zilizien und befestigte die Gemeinden.“

Auch hier ist nichts von einer Organisation zu sehen, die etwas koordiniert hätte.

Nach der Bekehrung des Paulus ist nichts davon zu lesen, daß er Anweisungen einer „leitenden Körperschaft“ erhalten hätte, im Gegenteil! In seinem Brief an die Galater schreibt er:

„Ich ging auch nicht nach Jerusalem hinauf zu denen, die vor mir Apostel waren, sondern ich ging sogleich fort nach Arabien und kehrte wieder nach Damaskus zurück. Darauf, nach drei Jahren, ging ich nach Jerusalem hinauf, um Kephas kennenzulernen und blieb fünfzehn Tage bei ihm. Keinen anderen Apostel aber sah ich außer Jakobus, den Bruder des Herrn.“

Jedem Zeugen Jehovas sei angeraten, die Apostelgeschichte einmal im Zusammenhang zu lesen, es ist nichts von einer koordinierenden Körperschaft zu finden.

Wenn es eine „leitende Körperschaft“ geben sollte, warum setzten dann im übrigen die Apostel wohl in allen Gemeinden Älteste, nirgends aber Männer ein, die nach ihrem Ableben darüber wachen sollten, daß eine zentrale Leitung stattfand? Selbst wenn sich eine sog. „leitende Körperschaft“ aus den Ältesten hätte zusammensetzen sollen, warum findet sich denn kein einziger Anhaltspunkt dafür? Auch die Bezeichnung „Aufseher“ gibt keinen Anhalt für eine „leitende Körperschaft“, denn er ist nur ein anderer Ausdruck für die Ältesten:

„Aber von Milet aber sandte er nach Ephesus und rief die Ältesten der Gemeinde herüber. Als sie aber zu ihm gekommen waren, sprach er zu ihnen … Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in welcher der heilige Geist euch als Aufseher gesetzt hat , die Gemeinde Gottes zu hüten, die er sich erworben hat. durch das Blut seines eigenen Sohnes“ (Apg 20,17.28).

Wenn wir die Kirchengeschichte betrachten, so stellen wir fest, daß die Gemeinden durchweg selbständig waren. Eine stärkere Zentralisierung fand erst nach dem Tod der Apostel statt. Eine Trennung in Älteste und Bischöfe (Aufsehern) gab es erst im 2. Jahrhundert, die dann immer mehr ausgebaut wurde und letztendlich in die Trennung von „Geistlichen“ und „Laien“ einmündete.

Wenn wir nicht annehmen wollen, die Apostel hätten gegen Gottes Willen verstoßen, indem sie zwar Älteste einsetzten, aber niemanden als ihre Nachfolger bestimmten, bleibt nur der Schluß, daß Gott eben nicht mit einer „leitenden Körperschaft“ handelte, sondern auch hier, wie durchgängig in der Heiligen Schrift, einzelne Personen herausrief und erwählte.

Wenn also Jehovas Zeugen das „Muster der Urchristenheit“ hätten wiederherstellen wollen, müßte man sich für selbständige Versammlungen unter der Leitung von gewählten Ältesten einsetzen.

In der Didache, der sog. Apostellehre 14 heißt es hierzu:

„Wählt euch Bischöfe und Diakone, die des Herrn würdig sind, mild, nicht geldgierig, wahrhaftig und erprobt, da sie euch auch als Propheten und Lehrer dienen.“

Wer sich wirklich dafür interessiert, das Muster der Urkirche wiederherzustellen, sollte sich einmal ernsthaft mit der Kirchengeschichte beschäftigen, dann wird er sehr schnell feststellen, daß die heutige Praxis der Wachtturmgesellschaft nicht schriftgemäß ist.

Es ist auch recht interessant zu lesen, was C. T. Russell, der erste Präsident der Wachtturmgesellschaft über die Einsetzung der Ältesten in Band 6 der Schriftstudien schrieb, wobei er sich auf Apg 14,26 bezog:

„Das griechische Wort, das mit ‚gewählt‘ übersetzt ist, gibt erschöpfenden Aufschluß; es heißt ‚cheirotoneo‘, d. h. die Hand aufheben. Die Gläubigen bezeichneten also ihr Ältesten durch das Aufheben der Hände in öffentlicher Abstimmung. Anders verhält es sich mit der Einsetzung der Apostel, von welcher in Johannes 15,16 die Rede ist: ‚Ich habe euch auserwählt und gesetzt.‘ Dort steht auch ein anderes griechisches Wort. … Das Wählen durch Handaufheben war damals allgemeiner Brauch. Der Apostel gebraucht dasselbe griechische Wort, wo er sagt, wie Titus sein Gehilfe wurde. Er schreibt: ‚Er ist auch von den Versammlungen gewählt [durch Handaufheben] worden zu unserem Reisegefährten.‘ Das Wörtchen ‚auch‘ in diesem Text deutet an, daß der Apostel ebenso gewählt wurde. Nicht zum Apostel wurde er gewählt – der er schon war –, sondern zum Abgesandter Versammlung in Antiochien, die ohne Zweifel für die Kosten dieser Missionsreise aufkam. … In der Urkirche waren alle frei, ihre Fähigkeiten nach eigenem Ermessen in den Dienst der Sache zu stellen. Die Versammlungen konnten beschließen oder ablehnen, den Aposteln besondere Aufträge zu geben, und die Apostel ihrerseits konnten solche Aufträge ablehnen oder übernehmen; beide Teile erfreuten sich der gleichen Gewissensfreiheit … Ohne Zweifel war den Brüdern der Rat des Apostels … sehr erwünscht, und solche Ratschläge sind gewiß eingeholt und dann auch befolgt worden. Gleichwohl suchten die Apostel, und die ihrem Beispiele folgten, die Verantwortlichkeit da, wo Gott sie hin verlegt hat: nämlich bei der Versammlung.“

So, wie Russell es ausdrückt, daß man Rat bei den Aposteln holte, war es auch in der Frage der Beschneidung, beim sog. „Apostelkonzil“ Man muß die ganze Apostelgeschichte lesen, dann sieht man, wie die einzelnen Gemeinden strukturiert waren, wie sie unabhängig voneinander waren und doch durch das Band des einen Geistes vereint waren (Eph 4,3.4) Diese Selbständigkeit wurde erst längere Zeit nach dem Tod der Apostel von der Kirche, die ja nach der Lehre der Wachtturmgesellschaft von Jehova abgefallen war, abgeschafft. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich so eine hierarchisch zentralistisch geordnete Kirche. Auch wenn die Katholische Kirche ein besonders beliebtes Angriffsziel für die Wachtturmgesellschaft ist, hier greift man u.a. auf deren Organisationsstrukturen zurück.

Bis zum Jahre 1932 hatten die Versammlungen die Einrichtung von gewählten Ältesten und Diakonen, doch dann wurde dies durch einen von der Gesellschaft bestellten einzelnen Dienstleiter abgelöst. Im Jahre 1971 gab es dann wieder eine neue – teilweise alte – Lehre, man habe durch genauere Studien herausgefunden, daß eben kein Einzelner mehr, sondern eine Ältestenschaft der Versammlung vorzustehen habe. Diese wurden allerdings nicht wie früher gewählt, sondern von oben eingesetzt.

Bist du wirklich mit Gottes Organisation verbunden?

Mußt du dich nicht, wenn du ein Zeuge Jehovas bist, nach alledem fragen, ob du wirklich mit „Jehovas Organisation“ verbunden bist? Die Bibel zeigt uns , daß es keine sichtbare, zentrale Leitung der Versammlungen gab und darum der Anspruch der Gesellschaft, die Situation der Urchristenheit wieder hergestellt zu haben, falsch ist. Haben die Tatsachen nicht weiter gezeigt, daß der Anspruch der Gesellschaft, nur in ihr als „Arche“ könne man gerettet werden, unbiblisch ist? Hat sich nicht auch erwiesen, daß sie ein falscher Prophet ist? Es gibt keine Organisation, die das Heil vermittelt, nur einer ist Mittler und zwar Jesus (Apg 4,12). Doch die „Organisation“ – „Mama“ – hat sich an die Stelle Jesu gesetzt, sie ist die Verbindung zu Gott, der einzige Weg, Erkenntnis zu erlangen. Erinnert uns dies nicht an das, was Paulus an die Thessalonicher in seinem 2. Brief schreibt, daß jemand sich „in den Tempel des Gottes niedersetzt und sich öffentlich darstellt, daß er ein Gott sei“ (NW-Übersetzung). Kann jemand, der so handelt, für sich in Anspruch nehmen, als „Gottes Kanal“ zu handeln? Wer solches tut, ist „weitergegangen, nicht geblieben in der Lehre des Christus, der hat Gott nicht.“ (2Joh 9) Wie wirst du dann mit der Aufforderung der Organisation umgehen:

„Geht aus ihr hinaus, mein Volk, wenn ihr nicht mit ihr teilhaben wollt an ihren Sünden und wenn ihr nicht einen Teil ihrer Plagen empfangen wollt“? (Offb 18,4, NW-Übersetzung)

Im Wachtturm erschien am 01.02.1995 ein Artikel mit der Überschrift: DEINE RELIGION EIN SCHIFF; DAS MAN AUF KEINEN FALL VERLASSEN SOLLTE? Weiter heißt es dann:

„… argumentieren viele Menschen aus den verschiedensten Religionen: Ich weiß, daß meine Religion in vielem Unrecht hat, aber ich hoffe, sie wird sich ändern; ich will sie nicht verlassen; vielmehr würde ich gerne mithelfen, die Schwierigkeiten zu überwinden … Kann man aber im Boot der eigenen Kirche bleiben und darauf hoffen, Gott werde in seiner Barmherzigkeit allen Religionen unbegrenzt Zeit einräumen, sich zu reformieren … Ist es weise, um jeden Preis in einer Kirche zu bleiben, ungeachtet ihres Zustandes?

Willst du in einer Organisation bleiben, die sich eine Macht anmaßt, die ihr nicht zusteht, die sich als Mittlerin zu Gott ausgibt?

Natürlich stellt sich die Frage, wohin sollst du gehen (Jh. 6,66). Das ist die gleiche Frage, um die es schon einmal ging.

Und die Bibel gibt uns die Antwort. Bete zu Gott und gehe zu Jesus, der ‚Worte des ewigen Lebens hat‘. Jesus sagte von sich, daß er das Brot des Lebens sei. Wer zu ihm kommt, den wird nicht hungern und wer an ihn glaubt, den wird nie mehr dürsten (Joh. 6,35).

Wenn du ein Zeuge Jehovas bist, so mag es sein, daß du dich fragst, wer denn jetzt ‚die Wahrheit‘ habe. Du besuchst vielleicht eine andere Kirche und stellst fest, daß man auch dort Dinge lehrt, die vielleicht auch nicht richtig sind. Für dich ist ‚die Wahrheit‘ eine Sammlung von Lehren, und du würdest bei allen Kirchen und Gemeinschaften enttäuscht sein.

Verschwende deine Zeit nicht, indem du nach einer perfekten Organisation suchst; es gibt sie nicht.

Bedeutet dies für Dich, daß du ein Zeuge Jehovas bleiben solltest, weil es eben keine perfekte Organisation gibt und dir diese Gemeinschaft als das ‚kleinere Übel‘ erscheinen mag? Vielleicht hast du auch Freunde und Verwandte dort, die du alle verlieren würdest, wenn du die Wachtturmorganisation verließest. Es geht jedoch nicht darum, die Versammlung oder Kirche zu finden, die dem eigenen Geschmack oder Verstand am besten zusagt oder eine Liste aufzustellen, was die Gemeinde dir alles bringen muß. Gemeinde ist wichtig, sicherlich, aber zu allererst mußt du zu Jesus gehen. Die Gemeinde in Ephesus wurde trotz aller ihrer Arbeit, ihrer Geduld und der ‚richtigen‘ Lehre getadelt, weil sie ‚die erste Liebe verlassen hatte‘ (Off. 2,1-7).“

Die Wachtturmgesellschaft weist dich nicht auf Jesus hin, sondern auf sich selbst, sie hat sich an die Stelle Jesu gesetzt. Du solltest dich fragen: „Kann ich dieser Organisation guten Gewissens weiter angehören?“ Du gehorchst Menschen und nicht Gott, wenn du ihr folgst, und du folgst einem falschen Propheten. Der Wachtturm schrieb einmal:

„Kann man sagen, es sei lieblos, wenn jemand Menschen vor einer drohenden Gefahr, die sie nicht wahrnehmen, warnt oder wenn er sie darauf aufmerksam macht, daß sie von Personen irregeführt werden, die sie als ihre Freunde betrachten? Sie mögen es vorziehen, die Warnung in den Wind zu schlagen. Oder vielleicht nehmen sie sie sogar übel. Enthebt ihn das aber der Verantwortung, die Betreffenden zu warnen? Wenn du zu den Menschen gehörst, die Gott treu bleiben möchten, solltest du dich mit solchen Fragen auseinandersetzen … Es wäre viel leichter für sie gewesen, Stillschweigen zu bewahren oder nur das zu sagen, was Menschen gern hören wollten. Ihre Treue zu Gott und ihre Liebe zu ihrem Nächsten bewog sie jedoch zu reden.“ (WT vom 15.04.1974, S. 227)

Viele Menschen, die die Wachtturmgesellschaft verlassen haben, taten dies unter großen Opfern. Sie verloren Freunde, Verwandte, Ehepartner, manchmal auch Arbeitsplatz oder Wohnung. Aber Gott verspricht:

„Ich werde euch die Jahre erstatten, die die Heuschrecke, der Abfresser und der Vertilger und der Nager gefressen haben… Und ihr werdet genug essen und satt werden und werdet den Namen des HERRN, eures Gottes, loben, der Wunderbares an euch getan hat.“ (Joel 2,25)

Er verspricht auch, daß derjenige, der alles für ihn verläßt, dies hundertfach wiedererstattet bekommt, er erhält hundertfach neue Brüder, Schwestern und Mütter und das ewige Leben (Mt 19,29).

Habe Vertrauen zu Gott, daß er dich in die Wahrheit leiten wird. Er verheißt uns, daß sein Wort eine Leuchte für unseren Fuß sein wird und ein Licht für unseren Pfad (Ps 119,105). Wir sollen Vertrauen zu ihm haben, auch dort, wo wir seine Wege nicht verstehen (1Kor 8,1-3; Jes 57,15; Spr 3,5). Gott sagt uns in seinem Wort, daß das Wissen aufbläht, die Liebe aber erbaut, daß wenn jemand Gott liebt, er zu ihm gehört.

Gott liebt dich als Person, und du darfst zu Jesus kommen, den der Vater als Retter der Welt bestimmt hat und der uns liebt. Lies die Bibel, bete zu Gott und suche andere Menschen, die Jesus ebenfalls als ihren Herrn und Heiland angenommen haben. Habe mit diesen Menschen Gemeinschaft, aber bleibe nicht in einer Organisation, die sich an die Stelle Jesu gesetzt hat.

Jesus sagte (Joh 6,37):

„Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.“