ThemenBuchbesprechungen, Islam und Christentum

Wie ein Muslim mit Mohamed abrechnet – Zum neuen Buch von Hamed Abdel-Samad

♦ Der frühere Muslim-Bruder äußert sich scharf zu Charakter und Moral des islamischen Propheten.
♦ Gewaltanwendung und Sexualvorstellungen Mohameds dürfen kein Vorbild für Muslime sein.
♦ Mohameds Probleme prägen den Islam.

Abdel-Samad-MohamedGerade erscheint das neue Buch des ägyptischen Politik­wis­sen­schaftlers Hamed Abdel-Samad. Nachdem er im vergangenen Jahr dem Islam Faschismus vorgehalten hat, rechnet er nun dem Propheten des Islam, mit Mohamed1 selber ab.

Was in Deutschland sonst kaum jemand den Mut hat auszusprechen, das sagt Abdel-Samad in aller Deutlichkeit: er nennt Mohamed einen „Massenmörder und psychisch kranken Tyrann”. Er erkennt einen „gewalttätigen Propheten …, der für seine Ziele über Leichen ging”.

„Mohamed war süchtig nach Macht und Anerkennung. … Erst im Schatten des Schwertes erfuhr er diese Anerkennung. Doch je mehr Feinde er ausschaltete, desto mehr wuchs seine Paranoia.“

Der diesen Klartext schreibt, ist kein atheistischer oder rechter Hetzer, sondern lehrte in Erfurt Islamwissenschaften. Er ist selber der Sohn eines sunnitischen Imam. Von Kindesbeinen an hat er den Koran vollständig auswendig gelernt, noch bevor er ihn gelesen hat. In den Schriften des Islam studierte er gründlich. Er war Mitglied der radikalen ägyptischen Muslimbruderschaft. Als diese aber immer fanatischer werden, wandte er sich von ihnen ab und ging nach Deutschland.

Er bleibt Muslim, aber er wird auch ein scharfer Kritiker des Islam. Er beklagt nicht nur die innere Verdrehtheit des Islam, sondern entlarvt auch die Argumente moderner Islamversteher, die behaupten, der Radikalismus und Terrorismus gehöre gar nicht zum Islam. Er hält ihnen vor, dass sie Koranverse aus dem Zusammenhang reißen und es damit nicht anders machten als Islamisten.

Dagegen fordert Abdel-Samad, dass die Muslime sich von großen Teilen des Koran und vor allem von Mohamed als Vorbild distanzieren müssen.

Die Folgen seines mutigen Redens und Schreibens erlebt Hamed Abdel-Samad täglich. Seit 2013 ist eine Fatwa, ein islamisches Rechtsgutachten, mit einem Todesurteil gegen ihn verhängt. Abdel-Samad sieht Mohameds Lehren und Leben dafür verantwortlich, dass einige Muslime daraus jetzt ein Recht ableiten, ihn persönlich zu bedrohen. Selbst in Deutschland kann er nur unter ständigem Polizeischutz leben. Das hat ihm bisher nicht den Mut geraubt.

Sein neuestes Buch liest er auch auf Arabisch selber vor. Muslime auf der ganzen Welt können sich über den Videokanal Youtube im Internet informieren. Was sie dort zu hören bekommen, dürfte ihnen nicht gefallen. Denn Abdel-Samad sieht einen starken Einfluss Mohameds auf den heutigen Muslim:

„Er hat Züge seiner Persönlichkeit, die man krankhaft nennen könnte, an die Muslime weitergegeben: Allmachtsfantasien und Größenwahn, Paranoia und Verfol­gungs­wahn, Kritikunfähigkeit und Zwangs­­störungen”.

Er fordert Muslime dazu auf, Mohamed nicht durch Nachahmung zu würdigen; die „beste Würdigung” sei es, „ein gefährliches Idol zu beerdigen”.

Abdel-Samad wollte keine Biografie schreiben, sondern eine „Ab­rechnung“. Dabei hält er Mohamed nicht für einen Lügner, aber glaubt auch nicht an eine göttliche Offen­­barung des Koran. Er deutet den Koran als psychisches Phänomen, mit dem Mohamed seine eigenen inneren und äußeren Kämpfe verarbeitet hat und dabei selber von einer göttlichen Offenbarung überzeugt war.

Abdel-Samad nennt viele Details des bewegten Lebens Mohameds aus mus­limischen Quellen. Dann gibt er psychologische Deutungen. Das wirkt teilweise überzogen und ist natürlich spekulativ. Er liest seine Quellen nicht historisch-kritisch, sondern wie es die meisten Muslime tun. Das sagt Abdel-Samad auch. Er will aber offenbar einen Kontrapunkt dazu setzen, dass das Leben Mohameds ein Vorbild darstellt.

Alles was er tat, ist für jeden Muslim Gesetz. Die Berichte von Mohameds Leben legen den teilweise schwer verständlichen und sogar widersprüchlichen Koran aus. Sie sind Ergänzung und vorbildliche Ethik für den (sunnitischen) Muslim.

Hat Mohamed den heiligen Krieg, den Dschihad, mit Gewalt und Tod geführt, dann ist das Maßstab für jeden Muslim. Hat Mohamed seine Lieblingsfrau Aischa mit sechs Jahren geheiratet und sich ihr von Anfang an sexuell genähert, wenn er den Geschlechts­verkehr auch erst drei Jahre später vollzog, dann ist das Erlaubnis für jeden Muslim zu dem, was wir und auch die meisten Muslime Kindes­missbrauch nennen.

Das alles habe Folgen für die ganze Religion des Islam. So habe die Frau in der muslimischen Gemeinde vor allem die „Funktion, … den Mann zu erleichtern”. Zur sexuellen Befriedigung versklavte Frauen seien von daher zur Unterstützung des Dschihad keine überraschende Tatsache. Die sexuellen Männerphantasien, die die Vorstellung vom Paradies begleiten, und die Nähe von Sex und Gewalt im Islam ergänzen das Bild.

Gerade wenn Abdel-Samad den Zu­sammenhang zwischen den zahlreichen Frauengeschichten Mohameds mit einzelnen Koransuren darlegt, hat sein Ansatz eine hohe Überzeugungskraft. Einige Koran­­suren wirken so, als seien sie extra dazu „offenbart“, um Mohameds Probleme mit den Frauen zu „lösen“. Eine schöne Frau macht Mohamed einen Antrag, obwohl er schon zahlreiche Frauen hat: „Wie gut, dass hier Sure 33:50 Abhilfe schaffen konnte“. Mohamed erhält die Sondererlaubnis Allahs, so viele Frauen zu heiraten, wie er will. Sein eigene Schwiegertochter zu heiraten, erlaubt ihm Sure 33,4-5. Im Streit seiner Ehefrauen untereinander um das Recht auf Beischlaf hilft ihm Sure 66.

In den Hadithen, der Überlieferung des Lebens von Mohamed, ist der Spruch seiner jüngsten Ehefrau Aischa zu lesen:

„Ich sehe, dass dein Gott dir in deinen Gelüsten vorauseilt.“

Der Sohn eines Imam hat keine Scheu, das alles und noch viel mehr klar aus­zusprechen.

„Der Soldat Mohamed konnte im Gebet vor Ehrfurcht weinen und wenige Minuten später einen Ungläubigen enthaupten.”

Das sei nicht anders als bei einem italienischen Mafioso, der eine Predigt über Nächstenliebe mit einem kaltblütigen Mord verbinden könne.

Aber auch die praktische Ausübung der Religion mit ihren festgelegten Gebeten und Ritualen sieht Abdel-Samad vom Charakter und der Psyche Mohameds bestimmt.

„Viele islamische Rituale sind von sinnlosen Wieder­holungen bestimmt, etwa die Gebetsverbeugungen und die Reini­gungsrituale.”

Zugleich sind sie mit Drohungen belegt: die Stellen, die ein Muslim vor dem Gebet nicht richtig gereinigt hat, „würden am Jüngsten Tag von Gott verbrannt, ließ Mohamed seine Anhänger wissen”.

Er fragt sich, wie es im Inneren eines Menschen aussieht, der aus Angst vor Dämonen vor jedem Toilettengang ein Gebet fordert und danach ein Dankgebet für den Schutz vor den Dämonen. Auch dass jede Beleidigung des Propheten mit dem Tod bestraft werden muss, geht offenbar auf Mohamed selber zurück. Nach Abdel-Samads Zählung waren es schon zu Lebzeiten von Mohamed mehr als 40 Todesopfer aus diesem Grund. Seitdem sind viele Tausende dazugekommen.

Nach Meinung des Islam­wis­sen­schaftlers ist der islamische Fun­damen­­talismus keine Folge einer Fehlinter­pretation des Islam, sondern eine Folge der Überhöhung des Propheten. Der Islam könne nur reformiert werden, wenn Muslime „Mohamed aus dem Gefängnis der Un­an­tastbarkeit” ent­ließen und sel­ber aus ihrem „Gefängnis des Glaubens aus­brechen”.

Hamed Abdel-Samad hat offenbar keine Scheu, die Gefühle von Muslimen zu verletzen. Ob das daran liegt, dass er den Islam von der Innenschau her kennt und seine Einstellung zum Islam änderte, als er sich von der Radikalität des Islam abwandte? Seine starken psychologischen Deutungen des Charakters von Mohamed bleiben notwendig spekulativ, seine Angriffe gegen viele heutige Muslime pauschal. Einzelne Quellen und Autoritäten, auf die er sich beruft, sind auch unter Muslimen umstritten.

Wenn Christen mit Muslimen sprechen, sollten sie einen anderen Ton wählen, als es Abdel-Samad tut. Es kann aber trotzdem nicht schaden, den Islam und seinen Propheten auch aus der Perspektive eines (sehr) kritischen Muslims zu sehen. Auf der anderen Seite steht nämlich das verbreitete Schönreden des Islam mit dem Ziel, Islam und Christentum irgendwie miteinander zu harmonisieren. Ohne Zweifel ist die Religiosität vieler Muslime von einer tiefen Sehnsucht und ehrlichen Suche nach dem wahren Gott bestimmt. Das aber macht den Koran und den auf seiner Grundlage gelehrten Islam noch nicht zu einer „guten“ Religion.


  1. Ich folge der Schreibweise des Namens im besprochenen Buch. Auszüge sind zu lesen auf http://www.zeit.de/2015/38/Mohammed