ThemenIslam und Christentum, Mission und Evangelisation

Wie wir Muslime zum Glauben an Jesus einladen können – praktische Tipps aus langer Erfahrung

Auch wenn wir den Islam sehr kritisch betrachten, soll das aber nicht bedeuten, dass wir die Menschen, welche diesem Glauben folgen, ablehnen. Auch für sie starb Jesus am Kreuz, um sie mit Gott zu versöhnen. Auch ihnen gilt das Evangelium, das sie allerdings noch hören und verstehen müssen. Hier befassen wir uns damit, wie wir dies am besten tun können.

Erfahrungstipps

Takt und Einfühlungsvermögen

Was können Feingefühl und Einfühlungsvermögen wohl mit Evangelisation zu tun haben? Vielleicht können wir das am besten verstehen, wenn wir uns das Gegenteil davon vorstellen. Das wäre beispielsweise Zynismus und Häme oder das Verletzen des anderen, indem wir das belächeln oder verspotten, was ihm wert und heilig ist.

Anlässlich eines Hausbesuches bei Muslimen saßen wir über der Bibel, als es klopfte. Ich schlüpfte daraufhin die Bibel diskret in meine Aktentasche, bis der Besuch wieder gegangen war. Ich tat das nicht, um meine Identität als Christ zu verleugnen, sondern um unser Gegenüber zu schützen. Hätte ich es nicht getan, hätte er sich sicher verraten und bloßgestellt gefühlt und uns möglicherweise nie wieder willkommen geheißen. Er wäre dann möglicherweise auch von seinen Glaubensgenossen vorzeitig in die Mangel genommen worden.

Wir reden und handeln als Freunde. Taktgefühl und Einfühlungsvermögen helfen dabei, echte menschliche Beziehungen aufzubauen. Muslime leben oft, wie Leute anderer Kulturen auch, in einer für sie geschlossenen Welt mit ihrem eigenen, spezifischen Wertesystem, das uns fremd vorkommen mag und vielleicht auch verunsichert. Wir können aber, als die Werbenden, nicht ohne Weiteres erwarten, dass sie sich auf uns einstellen. Sie können andererseits schon erwarten, dass wir uns Mühe geben, auf sie einzugehen.

Liebe geht (nicht immer) durch den Magen

Muslime haben sehr strikte Diätvor­schrif­ten, die von den meisten recht ernst genommen werden. Alle Nahrung muss halaal, d. h. rein, bzw. erlaubt, sein. Dies ist dem jüdischen Koscherkonzept recht ähnlich. Schwei­ne­fleisch darf auf keinen Fall gegessen werden. Es ist haram, d. h. unrein und damit verboten. Alle Tiere, deren Fleisch als von Allah erlaubt gilt, müssen mit einem islamischen Ritual geschlachtet werden. Man spricht eine Gebetsformel im Namen Allahs über dem Tier aus, dessen Kopf in Richtung Mekka zeigen soll, und dann wird ihm die Kehle durchgeschnitten. Dadurch blutet das Tier besser aus.

Im Laufe der Zeit entwickelte sich nun ein komplexes halaal System, in dem alle Nahrungsmittel auf dem Markt geprüft und auf eventuelle haram Zutaten untersucht werden. Muslime werden somit auf der Verpackung ein kleines halaal Zeichen suchen, dass ihnen die rituelle Reinheit bescheinigt.

Wenn wir nun gastfreundlich sein wollen und Muslime, die wir kennen gelernt haben, zum Essen einladen, ergibt das mit einiger Wahrscheinlichkeit für manche ein Gewissensproblem. Dürfen sie essen, was wir ihnen vorsetzen? Das kann dazu führen, dass eine Einladung ausgeschlagen wird oder man einfach nicht zum Essen erscheint. Bei einer Einladung können wir taktvoll nachhaken, ob sie die Freiheit haben, unsere Einladung anzunehmen und ihnen versichern, dass wir nichts anbieten werden, was ihnen nicht genehm ist. Es versteht sich, dass wir unseren Gästen kein Bier oder ein Glas Wein anbieten. Jeglicher Alkohol ist haram und somit tabu.

Kleider machen Leute

Ein weiterer Punkt, an dem unsere Kulturen auseinander gehen, ist die Frage der Kleidung. Sicher finden wir es wenig ansprechend, wie manche muslimische Frauen sich kleiden. Sie mögen ähnlich empfinden, wenn sie uns ansehen. Ganz abgesehen von der Bademode halten Muslime generell die Kleidung westlicher Frauen für schamlos und ausgesprochen unanständig. Ist sie das? Der Begriff ‚westlich‘ ist natürlich recht dehnbar. Was davon ist nun ‚anständig‘, und was ‚unanständig‘? Diese Frage kann selbstverständlich nur innerhalb einer gegebenen Kultur beantwortet werden. Und auch hier kann man Anstand nicht mit dem Zentimetermaß messen. Ob wir uns daran erinnern können, dass einst Vorschriften über ‚anständige und unanständige‘ Kleidung usw. auch in christlichen Kreisen kursierten?

Rechter Anstand ist eine Herzenshaltung

Rechter Anstand ist eine Herzens­haltung. Eine Frau kann sich wie eine Mumie kleiden, wo nur die Augen sichtbar sind – und dabei von Männern als kokett und herausfordernd empfunden werden. Ebenso kann eine Frau, die für uns ‚normal‘ gekleidet ist, spürbar integer und anständig sein. Es gibt islamische Länder, in denen Frauen als Huren bezeichnet, verhaftet und ausgepeitscht werden, weil sie ihre Fußgelenke ‚zur Schau gestellt‘ haben oder gar Lippenstift benutzen oder Nylonstrümpfe tragen, auch wenn diese nicht ohne weiteres sichtbar sind. Was dahinter steckt, ist vielfach ein Mangel an Herzensmoral. Muhammad sah in Frauen Verführerinnen, die darauf aus sind, Männer zu Fall zu bringen. Darum muss eben alles, was einen Mann erotisch ansprechen könnte, verdeckt werden. Und es scheint gar so, als ob dies am Gott wohlgefälligsten geschieht, je unschöner ein Gewand ist.

Im Gegensatz dazu mahnt uns die Schrift zur Selbstzucht oder Keuschheit, wie es Luther übersetzt (Gal 5,23, 1Tim 4,12), die eine Folge der Erneuerung unseres Geistes und somit gottgewirkt ist (Röm 12,1-2). Das Gegenteil davon ist Unzucht. Und diese werden wir ermutigt abzulegen, indem wir den Herrn Jesus ‚anziehen‘ (Röm 13,13). Im Neuen Testament werden immer wieder ‚Fleisch‘ und ‚Geist‘ gegenüber gestellt. Als ‚offenkundig fleischlich‘ wird Unzucht genannt und es wird dort festgestellt, dass die, welche sie betreiben „das Reich Gottes nicht erben“.

„Die aber Christus angehören, die haben ihr Fleisch gekreuzigt samt den Leidenschaften und Begierden“ (Gal 5,19-21.24).

Und das ist nicht, wie bisweilen verstanden wird, ein Tabu für Sexualität!

Somit wird die ‚Keuschheit‘ der Männer nicht durch Verbannung der Frauen aus ihrem Blickfeld bewirkt (oder umgekehrt), sondern durch die Gegenwart von Jesus Christus in unserer Gedankenwelt. Die Reinheit, die der Islam propagiert, ist weitgehend eine äußere. Sie hat etwas mit Waschungen und Verdecken zu tun. Rechte Reinheit aber beinhaltet Schauen mit dem Herzen.

„Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist!“ (Ps 51,12).

Und darum sollten auch wir bitten. Gott ist nicht gegen Schönheit oder Sexualität, denn er hat beides für uns geschaffen! Aber er hasst den Missbrauch. Wenn wir diese Situation in Betracht ziehen, ist es sicher angemessen, sich zurückhaltend zu kleiden, um jeden ‚falschen Schein‘ zu meiden (1Thes 5,22 nach Luther).

Vom Umgang der Geschlechter untereinander

Generell ist der gesellschaftliche Umgang miteinander im Islam anders als bei uns. Mädchen und Frauen sind ungleich behüteter und abgegrenzter als in der westlichen Kulturgemeinschaft. In islamischen Ländern werden Jungen und Mäd­chen schon ab der Vorpubertät strikt getrennt. Wenn sich später ein Liebesverhältnis anbahnt, verlangt die Sitte, dass immer ein ‚Anstandswauwau‘ zugegen ist, wenn sich ein Paar trifft. Auch gehen Frauen im islamischen Kontext nicht alleine aus dem Haus. Es ist gut, das zu wissen, wenn wir Kontakt mit Muslimen pflegen. Wir werden dann auch zurückhaltend sein mit Körper­berührungen, wie z. B. Hände­schütteln.

Bei Frauen zurückhaltend mit Körperberührungen sein, auch z. B. Händeschütteln

Natürlich wissen sie darum, dass wir einer anderen Kultur mit einem unterschiedlichen Moralverständnis angehören, aber es ist immer weise, sich diesbezüglich etwas zurückzuhalten. Sicher ist es auch gut, ihnen unseren christlichen Standpunkt zu erklären und den offensichtlichen Gegensatz zur ‚westlichen‘ Denk- und Handlungsweise, wenn sich eine Gelegenheit dazu ergibt.

Kontakte mit Familien

Im Islam sind Familien viel mehr geschlossen als im Westen. Die Familienbande sind stark, obwohl auch bei Muslimen, die in westlichen Ländern leben, die junge Generation nach mehr Unabhängigkeit strebt. Vielleicht sehen wir als Außenseiter es als erstrebenswert an, in der Geborgenheit einer Großfamilie zu leben. Es gibt aber auch da erhebliche Schattenseiten. In fast allen islamischen Kulturen finden wir die absolute Dominanz der Männer, besonders des Familienoberhauptes. Frauen im Islam sind sehr oft entmündigt und Ehefrauen eher Objekte als Partner. Sie erhalten im Falle einer Erbschaft nur die Hälfte von dem, was Männern zusteht. Im Gericht hat ihre Aussage auch nur das halbe Gewicht.

Interessant ist die Einstellung zur Scheidung. Wir lesen in der Bibel (Mal 2,16), dass Gott Ehescheidung hasst. Jesus Christus gibt nur Ehebruch als gültigen Grund dafür an (Mt 19,9). Der Islam dagegen geht mit der Ehe recht locker um. Ein Mann braucht nur dreimal zu seiner Frau sagen „Ich scheide mich von dir!“ – und die Scheidung ist vollzogen.

Es ist wohl allenthalben bekannt, dass ein Muslim, der Christ wird, zunächst unter Druck gesetzt und dann aus Familie und Gesellschaft ausgestoßen wird. Das ist sicher ein wesentlicher Grund dafür, warum sich relativ wenige Muslime zum christlichen Glauben bekehren. Man kann davon ausgehen, dass so etwas abgemildert wird, wenn die ganze muslimische Familie persönlichen Kontakt mit Christen hat. Das kann bewirken, dass sie dem christlichen Glauben verständnisvoller begegnen und sie darum bei einer Bekehrung verständnisvoller reagieren mögen, was dann nicht unbedingt zu einem tiefen, unheilbaren Bruch führt, sondern eher zu intensiverem Fragen. Diese Überlegungen sollen Denkanstöße sein, dürfen aber keinesfalls dogmatisch durchgezogen werden.

Selbstverständlich soll man Menschen dort, wo man Kontakte mit ihnen hat, im Geschäft, am Arbeitsplatz oder wo immer, ansprechen, ohne zu warten, bis sich ein Familienkontakt heranbildet. Und Schüler sollen natürlich ihre Klassenkameraden auf ihren Glauben hin ansprechen. Nur soll man die besonderen Chancen eines Kontaktes mit einer muslimischen Familie nicht außer Acht lassen.

Mit Kindern über Gott reden?

Dies ist eine kontroverse Frage, und es stehen sich zwei Meinungen gegenüber. Die einen vertreten zu Recht die Ansicht, dass Kinder wesentlich ansprechbarer sind als Erwachsene, schon weil sie unvoreingenommener sind. Andere raten davon ab, diese Offenheit zu nutzen, weil das zu starkem Ressentiment bei den Eltern führen könnte. Wir können uns sicher die Reaktion einer Familie vorstellen, wenn ihre Kinder gegen den Willen der Eltern ‚christlich indoktriniert‘ werden.

Aber wie oft hörten wir von Konvertiten aus dem Islam, dass die erste Saat in ihr Kinderherz gepflanzt wurde. Was dort gesät wird, geht oft später auf oder ist zumindest eine Glaubenshilfe, wenn eine tiefere Begegnung mit dem Evangelium erfolgt.

Islamische Eltern sehen geistliche Gespräche mit ihren Kindern als Verführung an

Ebenso müssen wir die fast immer ungute Reaktion der Eltern und die dann folgende islamische Programmierung der Kinder im Auge behalten. Islamische Eltern und die islamische Gesellschaft sehen geistliche Gespräche mit ihren Kindern als Verführung an.

Ich werde nie vergessen, wie nach einer heftigen Auseinandersetzung mit ihrer Familie eine Tochter in den späten Teens wegen ihres Glaubens an Jesus von ihren Eltern verworfen wurde und ich auf der Straße in aller Öffentlichkeit von einer wütenden Gruppe von Muslimen als ihr Verführer angeprangert wurde!

Wie verhalten wir uns nun angesichts dieser Kontroverse? Ich rate absolut dazu, muslimischen Kindern eine Liebe zu Gott, Jesus Christus und zur Bibel zu vermitteln. Wenn sie den Wunsch aussprechen, sich zu bekehren, frage ich, was ihre Eltern dazu sagen würden. Die Reaktion der meisten Eltern wird eine negative sein. Dann rate ich, den Herrn Jesus in ihrem Herzen zu lieben, aber mit einem offenen Bekenntnis und der Taufe zu warten, bis sie volljährig sind.

Gottes Wort und unser Zeugnis

In der zweiten Hälfte des 20. Jahr­hun­derts konnte man eine subtile Akzent­verschiebung bei Christen beobachten. Im evangelistischen Gespräch rückte das persönliche Zeugnis bisweilen sehr in den Vordergrund – und damit leider die Bibel in den Hintergrund. Im Zeugnis schildert man dem anderen ja persönliche – und somit subjektive, eigene Erfahrungen, die man mit Gott hatte. Das ist grundsätzlich etwas Positives, doch ist es eben subjektiv und nicht unbedingt überzeugend. Das ist für manchen mehr sachlich orientierten Menschen, und das sind meist die Männer, als Argument nicht ausreichend. Wenn ein Ehepaar sich ‚streitet‘, wer wen am meisten liebt, dann ist das nicht messbar, weil es eben das Gefühlsleben angeht. Ähnlich verhält es sich beim Zeugnis geben. Innerliche, geistliche Erfahrungen und Begegnungen mit Gott sind an sich nicht vermittelbar, weil alle Vokabeln, die wir benutzen, letztlich an den Erfahrungen des Empfängers gemessen und eingeordnet werden, und diese können unser Zeugnis durchaus als Einbildung, Fantasie oder gar Fanatismus ansehen.

Andererseits, wenn ich als Mensch, der Gottes Nähe und Güte immer wieder spürbar erfährt, dies einem anderen Menschen vermittle, kann Gott das durchaus gebrauchen, um dadurch eine Sehnsucht nach ihm bei der anderen Person auslösen. Als individuelle Persönlichkeiten wollen wir ja alle ernst genommen und wert geachtet werden. Gott nimmt uns ernst! Wenn wir dessen inne werden, ist das eine alles überschattende Erfahrung. Dieses kann in einem Zeugnis zur rechten Zeit vermittelt werden. Darum kann ein persönliches Zeugnis von Gottes erlebter Zuwendung, besonders für Frauen, die sich oft weniger geliebt und geachtet fühlen, sehr anziehend und ansprechend sein. Erlebnisse mit Gott und sein mannigfaches Wirken in realen menschlichen Situationen zeugen von der Fürsorge und Liebe Gottes. Davon können wir dann zur Ehre Gottes berichten:

„Gehe … und sage, wie große Dinge Gott an dir getan hat“ (Lk 8,39).

Wir müssen es vermeiden, in unserem Zeugnis Jesus als eine Art Weihnachtsmann darzustellen

Wir müssen aber vermeiden, in unserem Zeugnis Jesus als eine Art Weihnachtsmann darzustellen, der sich geduldig all unsere großen und kleinen Wünsche anhört und sich dann beeilt, all unsere Gebete zu erhören und unsere Probleme zu lösen. Es ist wahr, dass Gott unsere Gebete erhört. Aber wir sollten und dürfen niemand vorgaukeln, dass das Leben mit Jesus in der Erfüllung unserer Wünsche gipfelt. Es gilt auch die Kosten zu bedenken, die für ein Leben vor dem Angesicht Gottes anfallen können, denn es ist uns nicht nur die Krone versprochen worden, sondern auf dieser Erde auch das Kreuz.

Sicher ist es immer am besten, wenn die Vermittlung von Gottes Wort mit unserem Zeugnis gepaart ist. Das Wort hilft einem Muslim, das Wesen und die Jesus-Botschaft von Herzen kennenzulernen. Gleichzeitig soll er aber auch erkennen, wie sich das Wort Gottes im Leben der Christen auswirkt. Vielleicht sollten wir abschließend feststellen, dass ein Muslim dem Zeugnis eines Christen nichts Entsprechendes entgegen zu setzen vermag, weil er ja eigentlich nur von Vorschriften, Pflichten und Regeln sprechen kann, denen er versucht Genüge zu leisten. Von einem persönlichen Erleben mit Gott wird er kaum berichten können, denn das widerspräche, theologisch gesehen, dem islamischen Gottesverständnis.

Eine Botschaft für das Herz

Wir sind sicher nicht gut beraten, theologische oder lehrmäßige Aussagen als Evangelium anzubieten. „Du bist Sünder, musst Buße tun, deine Schuld bekennen und Jesus, das Lamm Gottes, der für deine Schuld gekreuzigt wurde und gestorben ist, als Heiland annehmen, um mit Gott versöhnt zu werden“, ist eine richtige und wahre Aussage. Doch was bedeuten diese Worte und Begriffe für jemand ohne biblischen Hintergrund? Wenn wir dagegen mit jemand die Geschichte von der Ehebrecherin (Joh 8) lesen, wird nicht nur der Verstand, sondern auch das Herz angerührt. Was muss die vom Gesetz rechtmäßig zum Tode durch Steinigung verurteilte Frau empfunden haben, als sie die Worte von Jesus vernahm:

„Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!“

Jesus blickte darauf auch nicht in der Runde umher, wer das wohl nun tun werde oder wer versuchte, sich unerkannt aus der Affäre zu ziehen. Er beugte sich herunter und malte im Sand. Damit gab er jedem die Chance, sich unblamiert abzusetzen, bis keiner der Ankläger mehr da war.

„Wenn diese dich nicht verurteilt haben, tue ich es auch nicht! Gehe, und sündige hinfort nicht mehr!“

Diese Worte treffen ins Herz. Darüber argumentiert man nicht. Auch nicht über die Worte aus dem klassischen Kapitel über die Liebe im 1Kor 13,4-8:

„Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit, sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. Die Liebe hört niemals auf … !“

Das ist eine andere Liebe, als wir sie kennen. Es ist ‚agape‘, die Liebe, die Gott uns gegenüber zeigt. Ähnlich erhebende Worte finden wir im Psalm 23:

„Der HERR ist mein Hirte … Er erquickt meine Seele … ich fürchte kein Unglück, denn du bist bei mir … Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar!“

Dagegen erscheint der Islam wie aus Stein: unbarmherzig, unerbittlich und unnachgiebig. Letztlich sollten wir auch nicht vergessen, dass ein Muslim sich kaum als Sünder versteht, ehe ihm das biblische Verständnis dafür geöffnet wird. Darum sieht er auch keine Notwendigkeit für eine Erlösung.

Wir merken, wie viele Komponenten da sind, die wir wie die vielen Stücke eines Mosaiks zusammensetzen können, bis jemand Jesus in seiner ganzen Heiligkeit und Gerechtigkeit, Liebe und Güte schauen kann. Wir tun gut daran, uns zu erinnern, wie viele Weichen Gott in unserem Leben gestellt hat, wie viele Anstöße wir erhielten, bevor wir zur Hingabe an Jesus kamen. Wir wissen auch, dass nicht alle Anstöße von einer Person ausgingen. Ebenso mögen auch wir nicht den einzigen Anstoß geben, die eine Umkehr zu Gott in einem Menschen bewirkt. Aber wir können ein Steinchen, vielleicht sogar mehrere Teile eines Mosaiks sein. Das mag uns trösten und Mut machen.

Verstehen und Verstanden werden

Insiderjargon

Traditionen, das heißt Gewohnheiten, können eine gute Sache sein. Es gibt gute Gewohnheiten, aber auch schlechte. Wenn eine Gewohnheit uns von der Welt absondert, kann das bewahrend sein, aber gleichzeitig macht sie uns uneffektiv in unserem Zeugnis nach außen hin. Eine Ritterrüstung bietet Schutz vor Pfeilen oder Schwerthieben, macht aber auch ungelenk und langsam. Eine Tradition in ‚frommen‘ Kreisen ist eine – nennen wir es einmal ‚religiöse Fachsprache‘. Sie ist eigentlich nur den ‚Insidern‘ recht verständlich. Nach außen hin wirkt sie eher komisch. Wir können dankbar sein, dass diese Gewohnheit nun am Aussterben ist. Das zwingt uns, auch geistliche Begriffe ‚normal‘ auszudrücken, und das ist nötig, um auch von Nicht-Christen verstanden zu werden.

Es gilt auch zu bedenken, dass Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten unterschiedlich reden und denken. Wenn wir uns wirklich mitteilen wollen, tun wir gut daran, uns Martin Luther als Vorbild zu nehmen, der bei seinen Bemühungen, das Wort Gottes in die damalige Umgangssprache zu übersetzen, ‚den Leuten aufs Maul schaute‘. Mit Sicherheit kann man annehmen, dass er dieses Anliegen heute auch vertreten würde.

Es ist eine sehr bedauernswerte Tat­sache, dass sich durch die Hektik des Lebens Kommunikation mehr und mehr auf das Allernötigste beschränkt. Dies wird zur Tragödie, wenn es, abgesehen vom Verlust kultureller Werte und Ästhetik, um die Vermittlung geistlicher Wahrheit geht. Worte sind das Medium, mittels derer wir Gedanken weitergeben. Sprache formuliert Gedanken aus Worten und der Art, wie diese zusammengefügt sind, und entwickelt sich ständig weiter.

Dazu kommt ein weiterer Aspekt, und das ist der Sprachgebrauch, der an die Dynamik einer Sprache gebunden ist. Im Laufe der Zeit werden bestimmte Worte überflüssig, andere erhalten eine neue Bedeutung. Eine Sprache lebt, ist nie statisch. Sie entwickelt sich weiter, und gegenwärtig leider weg von Schönheit und Aussagekraft. Das führte eindeutig zur Verwahrlosung und einer neuen Primitivität der Sprache, in der es ‚voll cool‘ ist, mit einem Wortschatz von weniger als 250 Worten auszukommen. Wir müssen es lernen, auch in diesem Millieu unser Anliegen zu vermitteln. Um einen Gedankeninhalt präzise ausdrücken zu können, ist eine gültige Sprache unumgänglich. Sonst wird bei unserem Gesprächspartner die Botschaft entstellt ankommen. Wenn wir an einer überholten Sprache festhalten, mag das in manchen Ohren zwar würdevoll und feierlich klingen, aber ist der Vermittlung von Sinn und Inhalt nicht dienlich.

Klischees haben keine Aussage

Das bisher Gesagte hat uns sicher zur Genüge vor Augen geführt, dass unser Auftrag unter den Muslimen nicht einfach darin bestehen kann, ihnen ein Traktat in die Hand zu drücken oder einfach zu sagen: „Jesus liebt Dich!“, „Jesus ist Sieger!“, „Jesus ist der einzige Weg!“ oder dergleichen mehr, so wahr diese Aussagen auch sind.

Es ist es auch nicht anzuraten, den Gesprächspartner mit den drei, fünf oder zwölf ‚Schritten‘ bekannt zu machen, die dann zu einer Entscheidung führen sollen, oder ihn mit Bibelzitaten zu bombardieren, deren Bedeutung ihm sicher nicht ohne klärende Gespräche zugänglich ist. Wir wollen hier nicht die Kraft des Wortes Gottes schmälern. Er kann es auch fügen, dass ein einfaches Traktat bei einem suchenden Menschen der Anstoß zu seiner Bekehrung wird.

Auch Bibelverse haben keinen „magischen“ Einfluss auf den Hörer. Sie müssen gehört, durchdacht und verstanden werden

Aber grundsätzlich muss auch das Wort Gottes erst einmal verstanden werden, bevor es seine Wirkung tut. Wir können auch nicht annehmen, dass in einer Zeit, in der die Bibel vielen Menschen nicht mehr bekannt ist, Bibelverse, besonders, wenn sie aus einer alten Übersetzung stammen, eine Art magischen Einfluss auf den Hörer ausüben. Sie müssen – wie jede andere Botschaft auch – im Kontext gehört, durchdacht und verstanden werden. Ich möchte das an einem Bild deutlich machen.

Wenn im späten 19. Jahrhundert von jemandem gefragt wurde, wie ein Auto fahren kann, ohne dass es von Pferden oder Ochsen gezogen wird, dann hätte man erklären können, dass darin eingebaut ein Motor ist, der durch Explosionskraft Kolben bewegt, deren Hub mittels der Pleuelstange auf eine Kurbelwelle übertragen wird, und dass es Ventile und einen Vergaser gibt und die Explosion im Zylinder durch die Zündkerze ausgelöst wird usw. … Das sind für einen Menschen, der nicht weiß, was ein Auto ist, bedeutungslose Worte, es sei denn, sie werden ihm erklärt. Wenn man heute voraussetzen kann, dass ein Autobesitzer mehr oder weniger weiß, wovon man redet, wenn das Wort ‚Verteiler‘ fällt, hätte man dies jedoch nicht bei Menschen des vorletzten Jahrhunderts voraussetzen können, die nur Ochsenwagen oder Pferdekutschen kannten. Wenn jedoch schon damals jemand wirklich wissen wollte, wie ein Auto funktioniert, wäre auch dann ein gewisses Fachwissen unumgänglich gewesen. Ähnlich verhält es sich beim Umgang mit Muslimen (nach Jens Christensen).

Wonach wir also streben wollen, ist die Fähigkeit, den christlichen Glauben in verständliche Worte zu kleiden, damit ‚der Groschen fällt‘. Psychologen sprechen treffend von einem ‚Aha!-Erlebnis‘, und das ist ja, was wir bewirken wollen! Wie kommt es denn nun dazu? Der erste wichtige Schritt dahin ist immer wieder Empathie, unser Einfühlungsvermögen, durch das wir versuchen, uns in die Haut unseres Zuhörers zu versetzen, und uns fragen, was er wohl versteht von dem, was wir ihm zu sagen versuchen. Wir sollten ihn dort abholen, wo er gedanklich wirklich steht.

Eine neue Situation

Ohne glaubwürdige Modelle, ein erwecktes Bewusstsein für wirkliche Werte und eine Sehnsucht nach Sinn und Ziel im Leben geht die Frage nach Gott und Ewigkeit im Trubel des Alltags unter. Wer sich aber nicht mit geistlichen Inhalten beschäftigt, lässt seine Seele verkümmern. Das ist leider ein rapide wachsendes Phänomen in unserer Gesellschaft geworden. Nun hat sich im letzten Jahrhundert sehr viel auf dem religiösen und philosophischen Markt getan. Früher gab es fast nur die ‚Katholischen‘ und die ‚Evangelischen‘. Aus! Heute ist der ‚Pluralismus‘, inklusive der Angebote auf dem esoterischen Markt, ‚in‘. Buddhismus und Hinduismus, Islam und Schamanentum wetteifern miteinander und sind zum Teil recht erfolgreich dabei, die christliche Szene zu überrunden. Es gibt wohl mehr Menschen in Deutschland, die Horoskope lesen, als solche, welche die Bibel lesen. All diese benutzen (oftmals) dieselbe Sprache und dieselben Worte in ihren Aussagen, aber sie haben diese mit neuen, ihren eigenen, Inhalten gefüllt.

Wenn heute von ‚Gott‘ geredet wird, bedeutet dieses Wort nicht unbedingt, was es vor 50 Jahren aussagte oder was die Bibel damit meint. Das gleiche trifft auf andere religiöse Worte zu wie Gebet, ewiges Leben, Wiedergeburt, Gnade oder Erlösung, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Was stellt sich mein Gegenüber wohl darunter vor?

  • Wiedergeburt? Das ist die Implantation unseres ‚Ichs‘ in ein anderes Wesen nach unserem Tod, die ‚Seelenwanderung‘.
  • Gott? Alles ist Gott. Wir sind Gott. Ich bin Gott! Gott ist die Weltseele, die alles einschließt. Gnade ist, wenn der Regen nicht ausbleibt und wir genug zu essen haben.
  • Gebet? Das ist, was wir fünfmal täglich zu vorgeschriebenen Zeiten tun, indem wir die vorgeschriebene Gebetsformel in arabisch in der vorgeschriebenen Gebetshaltung aufsagen.

Jemand kann sorgfältig hinhören auf das, was gesagt wird, dem zustimmen, und doch etwas grundsätzlich anderes verstehen.

Wie können wir dem entgegenwirken? Durch intensives Hinhören auf den anderen, durch klärende Gespräche, und indem wir spezifische Worte definieren. Jeder Mensch hat eine gewisse Vorstellung von Gott und ein daraus resultierendes Weltbild, das oft im Widerspruch zu dem biblischen steht. Deshalb ist es wirklich wichtig, beim Vermitteln der Botschaft die Denkstrukturen und den geistlichen und kulturellen Hintergrund des Hörers zu berücksichtigen.

Echte Kommunikation

Je verständlicher der Gedanke eines Redenden beim Hörenden ankommt, desto besser war die Kommunikation. Dabei kommt es darauf an, dass der ‚Sender‘ für den ‚Empfänger‘ verständlich ist. Rechte Kommunikation will also Verstehen bewirken. Je komplexer oder abstrakter ein Thema ist, umso mehr müssen wir darauf achten, dass der Inhalt auch wirklich verstanden wird. Die Bibel rührt gerade diesen Aspekt immer wieder an. Jesus sagte im Gleichnis des ‚vierfachen Ackers‘:

„Wenn jemand das Wort vom Reich hört und nicht versteht, so kommt der Böse und reisst hinweg, was in sein Herz gesät ist“ (Mt 13,19).

Erklärend sagt er dann etwas später:

„Bei dem auf gutes Land gesät ist, das ist, der das Wort hört und versteht…“

Am Ende des Kapitels fragte Jesus dann auch seine Jünger:

„Habt ihr das alles verstanden?“

Paulus erwähnt, dass er nichts schrieb, was seine Leser nicht auch lesen und verstehen können, und sprach die Hoffnung aus, dass sie ‚völlig verstehen‘ mögen (2Kor 1,13). Den Kolossern gegenüber bemerkte er lobend, dass sie das Wort der Wahrheit „gehört und die Gnade Gottes erkannt“ hatten, und er betet für sie, dass sie erfüllt werden „mit der Erkenntnis des Willens Gottes in aller geistlichen Weisheit und Einsicht“ (Kol 1,6,9). Im selben Brief bittet er um Gebetsbeistand für die Verkündigung des Evangeliums, „damit ich es offenbar mache“ (Kol 4,4).

In seinem Buch ‚Gott ist keine Illusion‘ schreibt Francis Schaeffer (Seiten 132-134):

„Wenn wir echte Kommunikation erreichen wollen, müssen wir Zeit und Mühe aufwenden, um uns den Sprachgebrauch unserer Zuhörer so zu eigen zu machen, dass sie unsere Mitteilung verstehen können. Vor dieser Aufgabe steht heute besonders der Christ, der Wörter wie ‚Gott‘ oder ‚Schuld‘ in einem klar definierten Sinn gebrauchen will und nicht als verschwommene Konnotationswörter, die heute weitgehend einen anderen Inhalt haben. Wir müssen also versuchen, solche Wörter entweder durch gleichbedeutende andere zu ersetzen, die keine falschen Assoziationen auslösen, oder sie jedes Mal genau zu definieren, damit der Hörer unsere Mitteilung so richtig wie nur möglich versteht … Wenn ein oft gebrauchtes Wort (oder eine Redewendung) sich lediglich als ein evangelikales Klischee entpuppt, dann sollten wir bereit sein, es durch ein anderes zu ersetzen … Ist das Wort aber unersetzlich, wie z.B. das Wort ‚Gott‘, dann sollten wir es genau und gründlich definieren. Verwenden wir ungenügend erklärte ‚christliche Fachbegriffe‘, laufen wir Gefahr, dass die Außenstehenden die christliche Botschaft überhaupt nicht wirklich hören und dass wir in unseren Kirchen und Gemeinschaften eine introvertierte und isolierte Sprachgruppe werden …

Unser christliches Zeugnis hat seine Wurzel in unserer Liebe zum Nächsten und der Besorgnis, dass sie am Sinn und Ziel des Lebens gleichsam vorbeileben. „Liebe ist nichts Billiges, keine Gefühlsduselei, sondern das Bemühen, auf den anderen zuzugehen, sich in seine Lage zu versetzen, um die Probleme von seiner Warte aus zu sehen … Auslösendes Moment für unser Zeugnis muss die Tatsache sein, dass wir in unserem Gegenüber das Ebenbild Gottes vor uns haben, ein Individuum, das auf der ganzen Welt einmalig dasteht. Unter dieser Voraussetzung ist Kommunikation keine billige Sache. Es kostet etwas, die aufrichtigen, doch völlig verwirrten Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts zu verstehen und mit ihnen zu sprechen …

Schließlich dürfen wir bei unserer Beschäftigung mit Fragen der Kommunikation niemals vergessen, dass wir den anderen als Ganzheit ansprechen müssen. Ich kümmere mich also nicht nur um jenen Teil von ihm, den man ‚Seele‘ nennt, um diese in den Himmel zu bringen. Nein, ich weiß, dass die Bibel die Einheit der Persönlichkeit lehrt, und so muss ich durch meine Haltung und meine Worte beweisen, dass ich mich als ganzer Mensch dem ganzen Menschen zuwende.“

Kann man das Anliegen noch besser ausdrücken? Die Liebe zu denen, die Gott nicht kennen, sollte uns bewegen, dieses Anliegen auch wirklich ernst zu nehmen. Wer verstanden werden will, muss verständlich und relevant reden.

Vermittlung geistlicher Inhalte

Das Vermitteln geistlicher Inhalte war immer schon recht schwierig. Wir finden in der Bibel Aussagen, die selbst uns, die wir schon seit Jahren auf dem Wege sind, nicht ohne weiteres zugänglich sind. Wir lesen z.B. über das, was Gott uns geschenkt hat:

„Davon reden wir auch, nicht in Worten, gelehrt durch menschliche Weisheit, sondern in [Worten] gelehrt durch den Geist, indem wir Geistliches durch Geistliches deuten.“ (1Kor 2,13).

Geistliche Inhalte können nur durch den Geist Gottes zugänglich gemacht werden

Geistliche Inhalte können nur durch den Geist Gottes zugänglich gemacht werden. „Unser Evangelium kam zu euch nicht im Wort allein, sondern auch in Kraft, im Heiligen Geist und in großer Gewissheit …“ lesen wir (1Thes 1,5). Den Christen in Kolossä sagte Paulus, dass er nicht aufgehört habe für sie zu beten, damit sie erfüllt seien mit der Erkenntnis des Willens Gottes „in aller Weisheit und geistlichem Verständnis“ (Kol 1). Aber dann schrieb er auch:

„Wir schreiben euch nichts, was ihr nicht lesen und auch verstehen könnt“ (2Kor 1,13).

Merken wir nicht immer wieder, dass wir in einem Gespräch einfach spüren, dass der andere kein geistliches ‚Ohr‘ hat? Aber dann erleben wir vielleicht auch, dass in einer bestimmten Situation nicht mehr wir reden, sondern Gott durch uns. Und dann sind die Hörer auch immer betroffen. Was will damit gesagt werden? Gott erwartet von uns, dass wir menschlich verständlich reden, und wir können von ihm erwarten, dass sein Heiliger Geist den Inhalt all denen geistlich verständlich macht, die ein ehrliches und offenes Herz für ihn haben.

Um es noch einmal anders auszudrücken, kann man sagen, dass geistlicher Inhalt, wie alle abstrakten Begriffe, verschiedene Ebenen hat. Einmal ist da die Semantik, das was man vielleicht am besten mit dem ‚technischen‘ Verstehen eines Begriffs bezeichnen kann. Aber das ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit dem Erfassen des Inhalts. Wir kennen wohl alle die Frage, warum soundso dreimal über einen Witz lacht. Die Antwort darauf ist, dass er erstmals lacht, wenn er den Witz hört, noch einmal, wenn ihm der Witz erklärt wird und zum dritten Mal, wenn er ihn versteht. So simpel dies erscheint, ist doch eine Wahrheit darin verborgen. Wir mögen über einen biblischen Begriff referieren und ihn erklären können, doch ein erleuchtetes, geistliches Erfassen des Inhalts kann nur der Geist Gottes ermöglichen.

Die Tatsache, dass der Heilige Geist einem Hörer den Inhalt und die tiefen Zusammenhänge individuell, auf seiner Denkebene, aufschließt, heißt aber nicht, dass wir das Wort nicht mehr verständlich zu machen brauchen. Verkündigen, lehren und unterweisen ist uns aufgetragen, in alle Wahrheit führt allein der Heilige Geist. Er ist es auch, der von Sünde überführt und die Umkehr und neue Geburt bewirkt.

Warum wir besser von vorne anfangen

Wir kennen alle den Bericht über die Begegnung der Emmausjünger mit Jesus. Für diese entmutigten Jünger war die Welt zusammengebrochen und ihre großen Erwartungen und Hoffnungen waren wie eine Seifenblase geplatzt. Jesus, in dem sie den Messias ihrer eigenen Vorstellung sahen, war tot! Dann brachte Jesus ihnen Licht. Er rügte sie, denn sie waren „zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was die Propheten geredet haben! Musste nicht der Messias dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen?“ (Lk 24,25-26).

Sie hatten Jesus nicht im Kontext der offenbarten Schrift, sondern ihrer persönlichen Erwartungen gesehen. Das führte zu einem falschen Verständnis.

Darum „fing er (Jesus) an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus (gr. diermeneuo, voll verständlich machen), was in der ganzen Schrift von ihm gesagt war“.

Abschließend fasste er das Ganze noch einmal zusammen:

„Das sind meine Worte, die ich euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: ‚Es muss alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den Psalmen‘. Da öffnete er ihnen das Verständnis, so dass sie die Schrift verstanden und sprach zu ihnen: ‚So steht‘s geschrieben, dass Christus leiden und auferstehen wird von den Toten.“

Und jetzt ging ihnen das Licht auf!

Wenn es schon den Jüngern an geistlichem Verständnis mangelte, wieviel mehr den Menschen unserer Zeit. Einem Muslim fehlt darüber hinaus noch ein christliches Grundwissen, das selbst ein Namenschrist hat, auch wenn ihm dies nicht unbedingt bewusst ist. Ein Muslim ist auch nicht in das Denken und in die Ethik einer ‚christianisierten‘ Gesellschaft eingebettet, selbst wenn er in Deutschland aufgewachsen ist. Wir müssen einfach lernen, die Phasen, in denen wir vor der eigenen Bekehrung geistliche Erkenntnis gewonnen haben, im Leben eines Muslims nicht unbedingt voraussetzen können. Somit ist das Legen eines Fundamentes, das klärende, vorbereitende Gespräch als Trittbrett zum Glauben, unerlässlich. Man kann das Vorevangelisation nennen.

Vielleicht müssen wir uns immer wieder fragen, warum es wohl ein Altes Testament gibt

Es ist darum nicht sinnvoll, dass wir in einem geistlichen Gespräch mit Sünden­erkenntnis, der Notwendigkeit einer Be­keh­rung und dem Kreuz von Jesus beginnen. Vielleicht müssen wir uns immer wieder fragen, warum es wohl ein Altes Testament gibt und damit den Schöpfungsbe­richt, die Ge­schichten von Adam und Eva, Kain und Abel, von Noah, Abra­ham, Isaak, Jakob und Esau und all den anderen? Warum wird von Moses und den Israeliten, ihrem Auszug aus Ägypten, ihrer Wüstenwanderung, der Stiftshütte und der Durchquerung des Jordan, von dem ständigen Ungehorsam der Israeliten, den bösen und den paar guten Königen erzählt? Warum wird von Propheten wie Elia und Elisa, den verlorenen und auch siegreichen Kriegen, der assyrischen Gefangenschaft und dem Exil in Babylon berichtet? Das ist sicher mehr als nur eine geschichtliche Chronik.

In all diesen Schriften gibt Gott sich selbst zu erkennen. In seinem Handeln in der biblischen Geschichte gibt Gott etwas von seinem Wesen zu erkennen. Sein Wille, seine Güte und sein Erbarmen, aber auch sein Korrektiv, sein Zorn und Gericht werden dargestellt. „Das ist aber geschehen uns zum Vorbild, damit wir nicht am Bösen unsere Lust haben, wie jene es hatten … es ist geschrieben uns zur Warnung …“ (1Kor 10,6,11) werden wir im Neuen Testament belehrt. Wer das Wesen Gottes nicht kennt, seine Liebe zu den Menschen im Allgemeinen und zu seinem Volk im Besonderen, aber auch seinen Hass aller Sünde und Abgötterei gegenüber, der kann mit Jesus Christus als Gottessohn und seinem Opfertod am Kreuz wenig anfangen. Biblische Begriffe müssen biblisch definiert und erklärt werden, um auch bei Fernstehenden Verständnis zu erwecken. Das mag vor 100 Jahren in Europa nicht notwendig gewesen sein, aber heute, da vielerorts ungeheure Verwirrung und Unwissenheit vorherrschen, ist dies unumgänglich. Und bei negativ beeinflussten Menschen, wie auch bei Muslimen, ganz besonders.

Es ist hier eine gewisse Sequenz erkennbar. Am Anfang steht eigentlich immer die Grundsatzfrage: wer und wie ist Gott? Religiöse und kulturelle Einflüsse, sowie Lebenserfahrungen bestimmen das Gottesbild eines Menschen. Wird Gott als der Unpersönliche und Ferne gesehen, als der Strafende, der letztlich unser ganzes Leben vermiest, weil er uns immer seinen Willen aufzwingen will oder vielleicht als der ‚liebe Gott‘, der wohlwollend Fünfe gerade sein lässt? Oder ist Gott der Heilige, der absolut Gerechte, der zwar hassen mag, was wir tun, der uns aber dennoch liebt, wie kein Mensch uns je zu lieben vermag. Er ist es ja auch, der in Christus um „unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen“ wurde. „Die Strafe liegt auf ihm, dass wir Frieden hätten…“, sagt der Prophet (Jes 53,5). Das war von Anfang an „den Juden ein Ärgernis“, und den ‚Klugen‘, und dazu gehören auch die Muslime, ist „das Wort vom Kreuz eine Torheit“ (1Kor 1,23,18).

Man sollte sich die Zeit nehmen, am Anfang zu beginnen und nicht mitten drin oder gar am Ende. Lasst uns in Glaubensgesprächen zuerst versuchen, ein falsches Gottesbild durch ein biblisches zu ersetzen. Dann wird, ganz selbstverständlich, auch die Frage über Sünde und Schuld als Thema aufkommen. Immer sollte dabei die Bibel im Mittelpunkt stehen und uns korrigieren und prägen, und nicht umgekehrt.

In Bildern reden

Immer wieder ist das Wort ‚verstehen‘ im Zusammenhang mit Sprache und Kultur gefallen. In vielen Kulturen ist die Sprache, die ja auch einen Volkscharakter ausdrückt, sehr bildlich. Bei vielen Menschen bewirkt der Gebrauch von Bildern, Gleichnissen und Allegorien ein besseres Verständnis für geistliche Wahrheiten und bleibt auch besser im Gedächtnis hängen.

Besonders die Orientalen werden von einer bildhaften Ausdrucksweise eher angesprochen, als von abstrakten Gedanken

Eine bildliche Rede wird darum oft besser verstanden als eine theologisch-abstrakte und illustriert, worauf es ankommt. Es ist sicher kein Zufall, dass Jesus selbst von dieser Art der Kommu­nikation regen Gebrauch gemacht hat. Besonders die Orientalen sind von einer bildhaften Ausdrucksweise eher angesprochen als von abstrak­ten Gedanken. Können wir das an einem Beispiel verdeutlichen? Hier ist eine Geschichte, die ich oft erzählt habe:

Es war wohl im 18. Jahrhundert, als Schamuël, der Fürst und Anführer der Armenier lebte. Die Türken und Armenier waren traditionell Feinde, und Kriegs­handlungen zwischen ihnen waren keine Seltenheit. Schamuël war von seinem Volk sehr geschätzt und verehrt, nicht zuletzt, weil er seiner Mutter große Zuneigung entgegen brachte. Selbst auf Kriegszügen trennte er sich nicht von ihr, sondern nahm sie stets in seinem Tross mit. Als er einst eine türkische Stadt belagerte, hatte er mit seinen Offizieren einen nächtlichen Überraschungsangriff geplant. Doch dieser endete in einer Niederlage, weil sein Plan offensichtlich an die Feinde verraten worden war. In seinem Zorn schwor Schamuël, den Täter, wenn er überführt werden würde, mit 100 Peitschenhieben zu bestrafen. Das entsprach einem Todesurteil, denn so mancher, der diese Strafe zu erdulden hatte, erlag an den Folgen. Ein weiterer Überraschungsangriff wurde aufs geheimste vorbereitet, aber auch dieser endete mit einer Niederlage, weil auch dieser Plan den Türken bekannt war. Aber jetzt hatte man den Verräter entdeckt. Es war Schamuëls Mutter!

Zutiefst schockiert und verletzt zog Schamuël sich in sein Zelt zurück, empfing keine Besucher und nahm weder Speise noch Trank zu sich. Drei Tage später rief er seine Soldaten zusammen. Bei seinem Erscheinen ging ein Raunen durch die Menge. Man war gespannt. Würde Schamuël wohl seine eigene Mutter auspeitschen lassen? Oder würde er in diesem besonderen Fall ein Auge zudrücken, seinen Eid brechen und somit ungerecht handeln? Von einem erhöhten Platz aus gab er das Urteil bekannt: „Als euer Fürst und Führer bin ich dafür verantwortlich, dass Gerechtigkeit geschieht. Die Strafe für Verrat sind hundert Peitschenhiebe. Meine Mutter ist eine Verräterin und hat sich als unsere Feindin erwiesen, denn etliche unserer Krieger sind ihretwegen ums Leben gekommen. Darum muss die angekündigte Strafe vollzogen werden!

Bleich und zitternd wurde die Mutter in die Mitte geführt. Ihre Arme und Beine wurden in den Block geschraubt, ihr Rücken frei gemacht. Der Henker trat mit der Peitsche herzu. „Bei uns gibt es kein Ansehen der Person“, rief Schamuël, „und wehe, du vollziehst die Strafe mit mehr Nachsicht als sonst!“ Jedoch, als der Henker die Peitsche zum ersten Schlag erhob, sprang Schamuël schnell in den Kreis. „Ich bin von ihrem Fleisch und Blut. Ich nehme ihre Strafe auf mich!“, rief er. Er erduldete die hundert Peitschenhiebe für sie. So hatte Schamuël gerecht gehandelt. Die verdiente Strafe wurde vollzogen. Und in seiner Liebe, auch für die verräterische Mutter, hatte er die Strafe, die ihr zustand, auf sich selbst genommen.

Sicher gibt es viele anschauliche und verständliche Geschichten, die als Beispiel dienen können, eine biblische Wahrheit zu verdeutlichen, wie hier beispielsweise den stellvertretenden Sühnetod unseres Herrn, wo die Gerechtigkeit und Liebe Gottes sich treffen. Ich habe sie viele Male benutzt und gefunden, dass es bei Muslimen – und anderen Leuten – oft ‚geklickt‘ hat und gut verstanden wurde.

(Schluss folgt)