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Scheidung und Wiederheirat – was sagt die Bibel?

Nicht nur im Zusammenhang mit der Scheidung der hannoverschen Landesbischöfin Käßmann ist die Frage nach Scheidung und Wiederheirat wieder aktuell geworden. Die Käßmanns waren 26 Jahre lang verheiratet und hatten vier Töchter. Innerkirchlich entspann sich nach der Ankündigung ihrer Scheidung – die inzwischen rechtskräftig vollzogen ist –  eine Debatte um die Frage, ob die Bischöfin im Amt bleiben, oder ob sie zurücktreten oder ihr Amt ruhen lassen sollte. In anderen Landeskirchen, z.B. der sächsischen,  werden in Scheidung lebende Pastoren in der Regel versetzt.

Ein Theologiestudent wird nach erfolgreichem Abschluss seines Studiums Pastor einer Gemeinde. Nach einigen Jahren Gemeindedienst verlässt ihn seine Frau, angeblich, um der Enge des Gemeindelebens zu entfliehen und sich im Leben nach eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Der Pastor wird geschieden. Ist ihm eine Wiederheirat zeitlebens verwehrt?

Unter der Pastorenschaft evangelikaler Gemeinden finden sich Ehescheidungen zwar noch eher selten. In den Gemeinden aber stößt man bereits relativ häufig auf sie. So fand ich etwa bei meinem Dienstantritt in einer kleinen Freikirche im Jahre 1990 vier geschiedene und teilweise schon wieder verheiratete Mitglieder vor. Die Tendenz ist steigend. Denn unter Nichtchristen werden Scheidung und Wiederheirat weitgehend akzeptiert. Ein dreimal geschiedener (früherer) Bundeskanzler bereitet kaum jemandem mehr Kopfzerbrechen. In den Großstädten Deutschlands wird bereits jede zweite Ehe geschieden. In den USA liegt selbst unter den Evangelikalen die Scheidungsrate bei über 30 Prozent. (Die Rate derer, die wieder heiraten, liegt nur wenig darunter.) Doch was sagt die Bibel zu dieser für unsere Gemeinden und die ganze Gesellschaft brennenden Frage?

1. Scheidung und Wiederheirat im Alten Testament

Gott hat die Ehe als unauflösliche Einheit von Mann und Frau gedacht. Das geht schon daraus hervor, dass Gott nur einen Mann und nur eine Frau schuf, so dass im Falle einer Trennung eine Wiederheirat ausgeschlossen war. Es gab keinen weiteren Partner. Außerdem ist jede Ehe ein Werk Gottes. Er fügt laut Mt 19,6 die Menschen zusammen. Was Gott aber zusammengefügt hat, soll ein Mensch nicht trennen (Mt 19,6). Auch drückt das hebräische Wort für anhangen (1Mose 2,24), das wörtlich kleben heißt, ein unbedingtes Treueverhältnis aus. Schließlich weist noch die Formulierung sie werden ein Fleisch sein (1Mose 2,24) auf die unzerreißbare organische Verbindung von Mann und Frau hin.

Scheidung und Wiederheirat
waren im alttestamentlichen Gottesvolk erlaubt

Durch den Sündenfall hat es auf allen Gebieten der Schöpfung negative Veränderungen gegeben. Seitdem ist der Mensch böse. Er ist ein Lügner, ein Dieb, ein Schwätzer und eben auch jemand, der nicht mehr unbedingt treu ist. Gott möchte zwar weiterhin, dass die Ehe heilig gehalten wird und es weder Scheidung noch Wiederheirat gibt. Doch im Blick auf des Menschen Schwäche (Herzens Härte, Mt 19,8, d.h. sein unbeschnittenes Herz, ein Herz, das ohne Liebe zu Gott und Menschen ist) macht das Alte Testament Zugeständnisse. So erlaubt Mose in 5Mose 24,1-4 die Ehescheidung und auch die Wiederheirat. Bei sorgfältigem Lesen dieses Abschnittes fällt allerdings auf, dass es hier gar nicht darum geht zu regeln, wann eine Ehe geschieden werden darf. Vielmehr will der Abschnitt sagen, dass eine Frau, wenn sie ein zweites Mal geheiratet hat und der zweite Mann stirbt, nicht wieder Ehefrau des ersten Mannes werden darf.

Gleichwohl muss festgehalten werden, dass Scheidung und Wiederheirat im alttestamentlichen Gottesvolk erlaubt waren. Diese Erlaubnis ist allerdings von manchen Juden schändlich ausgenutzt worden. So behauptete etwa die Schule Hillels: Das in 5Mose 24,1 als Scheidungsgrund angegebene Schändliche umfasse z.B. auch das Anbrennenlassen einer Speise. So kam es im Laufe der Zeit dazu, dass jüdische Männer, wenn sie ihre Frau nicht mehr wollten, irgendein Bagatellvergehen an ihr suchten und sich dann von ihr scheiden ließen. Dies war natürlich ein böswilliges Missverständnis von 5Mo 24. Mose meinte mit Schändlichem nicht eine angebrannte Speise oder eine Frau mit ungepflegtem Haar, sondern hier geht es um Grundsätzlicheres. Wenn eine Frau etwa in der Hochzeitsnacht nicht als Jungfrau vorgefunden wurde oder wenn sie während der Ehe Hurerei trieb, dann konnte sie sofort entlassen werden. Jesus führt nun in Mt 19 wieder zurück zum eigentlichen Willen Gottes, und der sah Ehescheidung und Wiederheirat nur in Ausnahmefällen vor.

Es gilt also festzuhalten, dass in der Schöpfungsordnung Gottes für Scheidung und Wiederheirat kein Platz ist. Infolge des Sündenfalles aber macht Gott dem hartherzigen Menschen Zugeständnisse: Er erlaubt in Ausnahmefällen Scheidung und Wiederheirat, obwohl dies nicht seinem eigentlichen Willen entspricht (vgl. auch Mal 2,14-16).

(Warum Gott dieses Zugeständnis macht, wird nicht ausdrücklich gesagt. Man kann nur spekulieren und vielleicht folgendes ahnen: Wenn Gott die Scheidung generell verböte, würden manche Ehen zur Hölle auf Erden werden. Insofern mag eine Scheidung einfach das kleinere Übel sein.)

2. Scheidung und Wiederheirat im Neuen Testament

Vor allem in der Bergpredigt sehen wir, wie der Herr Jesus unter dem Schutt der jüdischen Auslegungstradition wieder den wahren Willen Gottes hervorholt. So macht er den Juden deutlich, dass nicht nur der ein Ehebrecher ist, der Ehebruch mit der Tat begeht, sondern dass Ehebruch schon im Herzen beginnt und Gott will, dass unser Herz rein sein soll. Genauso stellt der Herr auch im Blick auf die Frage nach Scheidung und Wiederheirat den ursprünglichen Willen Gottes wieder ins Zentrum. Als er von den Pharisäern auf 5Mose 24 angesprochen wird, weist er auf den eigentlichen Willen Gottes hin. Dieser lautet: Es soll keine Ehescheidung geben. Nur im Blick auf des Menschen Bosheit hat Gott nach dem Sündenfall die Ausnahmeregelung der Scheidung und Wiederheirat eingeräumt (vgl. Mt 19,8f.). Und Jesus sagt nun ganz klar, dass diese Ausnahmeregelung nur in einem Fall zur Anwendung kommen darf. Wenn ein Partner die Ehe bricht, dann darf es zur Scheidung kommen (vgl. Mt 19,9 und 5,32). Das griechische Wort „porneia“, das sowohl in Mt 5,32 wie auch in Mt 19,9 steht, bezeichnet von Gott als Sünde gebrandmarkte außereheliche sexuelle Verhaltensweisen wie vorehelicher Geschlechtsverkehr, Ehebruch (vgl. 1Thess 4,3-6), Homosexualität, Pädophilie etc. In genauen deutschen Übersetzungen wird „porneia“ gewöhnlich mit Unzucht oder Hurerei (LU: Ehebruch) angegeben. „Porneia“ ist also umfassender als das griechische Wort „moicheia“, das Ehebruch bedeutet. Matthäus gebraucht bewusst nicht „moicheia“, sondern „porneia“, weil nicht nur dann die Ehe gebrochen wird, wenn eine Ehefrau mit einem anderen Mann ehelich verkehrt, sondern auch dann, wenn sie z.B. mit einer anderen Frau Intimkontakt hat.

Jesus lehnt die Ehescheidung grundsätzlich ab, lässt aber eine Ausnahme zu

Jesus lehnt also die Ehescheidung grundsätzlich ab, lässt aber eine Ausnahme zu: Wenn ein Partner Unzucht getrieben hat, dann ist die Ehe gebrochen und darf auch formal geschieden werden. Damit schützt der Herr ganz besonders die Frauen vor einer willkürlichen Entlassung durch den Mann, wie wir sie aus verschiedenen Kulturen kennen.

Es gibt nun im evangelikalen Raum eine Reihe von Auslegern, die versuchen, die sogenannte „Unzuchtsklausel“ von Mt 5,32 und 19,9 dahingehend zu interpretieren, dass durch sie weder Scheidung noch Wiederheirat erlaubt sei. Sie behaupten folgendes: „Porneia“ in Mt 5,32 und 19,9 müsse man wie in Apg 15,20.29 und 21,25 auf jene illegitimen ehelichen Verbindungen beziehen, die in Lev 18,6-18 (Inzuchtssünden) verurteilt werden. Es sei denkbar, behaupten jene Ausleger, dass die Ehe des Herodes Antipas mit der Herodias, seiner Nichte und früheren Frau seines Bruders Philippus, der Anlass für die Stellungnahme von Jesus gewesen sei. Diese Auslegung hat freilich den Vorzug, dass sie plausibel erklärt, warum das an Judenchristen gerichtete Matthäus-Evangelium als einziges die „Unzuchtsklausel“ enthält, während Markus (10,9-12) und Lukas (16,18) keine Ausnahme erwähnen:

„Matthäus wollte nämlich seinen judenchristlichen Lesern deutlich machen, dass das Scheidungsverbot von Jesus nicht auf die Trennung einer von vornherein ungültigen Verwandtenehe nach 3Mose 18 … zu beziehen ist, sondern nur auf rechtmäßig zustande gekommene Ehen.“ (Das große Bibellexikon, Bd. 1, 297.)

Meines Erachtens kann diese Auslegung dennoch nicht überzeugen. Denn wenn der Herr wirklich in Mt 5,32 und 19,9 mit dem Begriff „porneia“ nur die Inzuchtssünden von Lev 18 gemeint hätte, so hätte er dies wahrscheinlich viel deutlicher ausgedrückt. Wir können keineswegs annehmen, dass die Juden bei der Verwendung dieses Begriffs ohne nähere Erläuterung gleich an Inzucht dachten.

Vielmehr zeigt die Verwendung von „porneia“ im ganzen Neuen Testament, dass es sich hier um sexuelle Verfehlungen im umfassenden Sinn handelt, also um jegliche Art von Sexualität außerhalb der Ehe. Wer aber als Verheirateter mit irgendjemandem außer seinem Ehepartner sexuell verkehrt, der hat die Ehe gebrochen. Wenn sich dann der betrogene Ehepartner scheiden lässt, ist das nach meinem Empfinden nur verständlich.

Der Apostel Paulus geht in 1Kor 7 ebenfalls auf die Frage von Scheidung und Wiederheirat ein und liegt dabei ganz auf der Linie von Jesus. Er untersagt die Scheidung (vgl. 1Kor 7,10), erwähnt die Ausnahme im Falle von Unzucht nicht, geht aber interessanterweise davon aus, dass es manchmal zu Scheidungen kommt. Wer geschieden ist, soll aber ledig bleiben oder sich wieder mit seinem Partner versöhnen (Vers 11).

Danach behandelt Paulus einen Fall, der in den Anweisungen von Jesus nicht vorkommt. Was ist zu tun, wenn von einem ungläubigen Ehepaar der eine Teil gläubig wird und der ungläubige Teil nicht mehr mit dem Gläubigen zusammenleben will? Dies ist eine wichtige Frage, die im Alltag auch unserer Gemeinden auftaucht. Der Rat des Apostels lautet in solchen Fällen: Zunächst soll man alles versuchen, um die Ehe zu retten. Wenn aber der ungläubige Teil weiter auf Scheidung besteht, darf es zur Scheidung kommen (1Kor 7,15).

Für einen Juden war die Erlaubnis zur Scheidung immer auch eine Erlaubnis zur Wiederheirat

Die Frage, die sich hier nun anschließt, ist natürlich die der Wiederheirat. In den Anweisungen von Jesus ist diese Frage nicht ausdrücklich beantwortet worden. (Obgleich man darauf hinweisen darf, dass für einen Juden die Erlaubnis zur Scheidung immer auch eine Erlaubnis zur Wiederheirat war.

Denn einmal war es für einen Juden wegen des Auftrages, sich zu vermehren, undenkbar, ledig zu bleiben; zum anderen aber musste eine geschiedene Frau wieder heiraten, um sozial abgesichert zu sein. Daher hat Jesus, wenn er die Scheidung wegen Unzucht erlaubt, implizit auch die Wiederheirat gebilligt.) Geht nun Paulus ausdrücklich auf die Frage der Wiederheirat ein?

Paulus geht, wie wir aus 1Kor 7,15 erfahren haben, davon aus, dass manchmal eine Scheidung unvermeidbar ist.

Allerdings darf sich ein Christ nicht aus jedem beliebigen Grund scheiden lassen, etwa weil er einen anderen Partner gefunden hat, mit dem er meint, sich besser verstehen zu können. Scheidung ist nur denkbar im Fall von Unzucht (Anweisung von Jesus) oder wenn der ungläubige Teil nicht mehr mit dem gläubigen Partner zusammenleben will (Anweisung von Paulus). Darf der unschuldig Geschiedene in einem solchen Fall wieder heiraten?

Die Antwort auf diese Frage hängt von der Auslegung eines einzigen Verses bzw. eines einzigen Wortes ab. Es handelt sich um 1Kor 7,15. Was heißt: Der Bruder oder die Schwester ist in solchen Fällen nicht gebunden? In der Literatur finden sich im Wesentlichen drei verschiedene Auslegungen des Begriffes doulow (versklaven).

Die erste Auslegung, die man als ultrakonservativ bezeichnen könnte, besagt folgendes: „douloô“ bedeute nicht, nicht mehr durch die Ehe an den anderen gebunden zu sein, sondern bedeute, dem anderen nicht mehr als Sklave unterworfen zu sein. Das heißt: Der gläubige Mann braucht sich nicht länger verpflichtet zu fühlen, für den Unterhalt seiner Frau zu sorgen usw. Die gläubige Frau braucht sich nicht weiter verpflichtet zu fühlen, dem ungläubigen Mann den Haushalt zu führen usw. Doch von einer Scheidung, von einer Auflösung der Ehe in den Augen Gottes sei hier überhaupt keine Rede, auch wenn der ungläubige Teil die Scheidung durchsetze. Daher solle auch der gläubige Teil ehelos bleiben und auf die Versöhnung mit dem ungläubigen hinarbeiten. Die Anhänger dieser Theorie übersetzen dann Vers 16 auch etwas anders, nämlich: Denn was weißt du, Frau, ob du vielleicht den Mann retten wirst … Man soll also als geschiedener gläubiger Teil an der Ehe festhalten, für den ungläubigen Teil beten und auf seine Bekehrung hoffen und sich dann wieder mit ihm verheiraten. (Diese Auslegung wird in Teilen der Brüdergemeinden vertreten.)

Die zweite Auslegung, die man als konservativ bezeichnen könnte, besagt folgendes: Wenn der ungläubige Teil die Scheidung verlange, dann brauche sich der Gläubige nicht sklavisch an seine Ehe gebunden zu fühlen, sondern dürfe mit einem guten Gewissen in die Scheidung einwilligen, solle aber ehelos bleiben. (Diese Auslegung ist in vielen evangelikalen Kreisen verbreitet.)

Die dritte Auslegung schließlich, die man als gemäßigt konservativ bezeichnen könnte, besagt: Wenn sich der ungläubige Teil scheiden lassen will, braucht sich der gläubige Partner nicht an die Ehe gebunden zu fühlen, darf sich also trennen. Als nun lediger Mensch sei er oder sie aber auch frei, wieder eine neue Verbindung einzugehen.

Während die erste Auslegung also nicht einmal die Scheidung zugesteht, erlaubt die dritte sogar die Wiederheirat. Wer hat hier Recht? Eine Antwort ist schwierig. Die erste Auslegung ist in meinen Augen sophistisch (spitzfindig, haarspalterisch). Wenn Paulus wirklich sagen wollte, was die erste Theorie behauptet, hätte er es dann nicht klarer gesagt? Wer kann schon auf den Gedanken kommen, dass douloô bedeutet, sich nicht mehr dem Partner verpflichtet zu fühlen, dass es aber nicht bedeutet, was man eigentlich aus dem Zusammenhang schließen würde, nämlich nicht mehr durch die Ehe an den anderen gebunden zu sein? Und was soll denn der gläubige Teil machen, möchte man fragen, wenn der Ungläubige nach der Scheidung einen anderen heiratet? Soll er oder sie dann immer noch an der Ehe festhalten und auf eine Rückkehr warten, was ja nicht einmal mit dem Alten Testament vereinbar wäre (vgl. 5Mose 24, 4)?

Warum sollte der unschuldig
geschiedene Partner neben dem Leid der Scheidung auch noch die lebenslange Last der Ehelosigkeit tragen?

Die zweite Auslegung ist ernster zu nehmen. Sie betrachtet die Ehe als beendet, rechnet auch damit, dass der ungläubige Teil einen anderen heiratet, so dass eine Rückkehr ausgeschlossen ist, verlangt aber vom gläubigen Teil die Ehelosigkeit. Doch hier wird man zumindest fragen dürfen, ob Paulus, gerade auch angesichts seiner Aussage in Vers 9, wirklich eine erneute Heirat ausgeschlossen hat. Kann man nicht auch das Wörtlein douloô in Vers 15 so interpretieren, dass Paulus damit nicht nur den gläubigen Partner vom Versklavtsein an die erste Ehe freispricht, sondern zugleich die Perspektive einer neuen Ehe eröffnet? Warum sollte denn der unschuldig geschiedene Partner neben dem Leid der Scheidung, zu der er ja nichts kann, auch noch die lebenslange Last der Ehelosigkeit tragen, obwohl der Schöpfer uns doch für die Zweisamkeit geschaffen hat? Mit diesen Fragen, so fiel mir beim Studium der Literatur auf, haben sich die Theologen der beiden ersten Theorien kaum auseinandergesetzt. Doch gerade in exegetischen Zweifelsfällen darf der Blick auf die praktische Theologie, auf die Seelsorge nicht fehlen. So denke ich denn, dass ein Zusammengehen von verantwortlicher Exegese und Seelsorge zu etwa folgendem Fazit kommen wird:

Jede Ehescheidung ist eine Scheidung zu viel. Gott will weder Scheidung noch Wiederheirat. In zwei Fällen kann jedoch eine Scheidung als Ausnahme unumgänglich sein: wenn ein Partner in Unzucht lebt oder wenn der ungläubige Teil ausdrücklich die Scheidung verlangt. In solchen Fällen muss der gläubige Partner nicht an der Ehe festhalten, sondern darf sich scheiden lassen. Wenn er dann dem apostolischen Rat zur Ehelosigkeit (vgl. 1Kor 7,40) nicht imstande ist zu folgen, mag er unter Gottes Führung eine weitere Ehe eingehen.

Anhang

Um in der Öffentlichkeit deutlich zu machen, dass Scheidung und Wiederheirat grundsätzlich nicht dem Willen Gottes entsprechen, sollte überlegt werden, ob auf eine öffentliche kirchliche Trauung nicht verzichtet werden kann. Bei Wiederheirat von kirchlichen Amtsträgern (Pastor, Ältester, Bischof) nach vorangegangener Scheidung sollte der erneut heiratende Geistliche mindestens versetzt werden, wenn nicht gar auf sein Amt verzichten; denn die Lebensführung kirchlicher Amtsträger hat eine hohe Vorbildfunktion und eine große, das sittliche Bewusstsein der Gemeinde und Öffentlichkeit prägende Kraft.