ThemenBibelverständnis

Die Auferstehung von Jesus – Legende oder Realität?

Wenn wir uns heute mit der Frage beschäftigen, ob das Ostergeschehen historisch ist, also ein Ereignis in Raum und Zeit war, müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass es zu allen Zeiten Zweifler und Kritiker gegeben hat. Keineswegs stellt erst der sogenannte aufgeklärte Mensch des 21. Jahrhunderts die Auferstehung von Jesus in Frage. Vielmehr hat es in der ganzen Kirchengeschichte immer solche gegeben, die das Osterereignis nicht glauben wollten.

Schon im NT begegnen uns Skeptiker. Der Jünger Thomas etwa, der ein Treffen des auferstandenen Jesus mit seinen Jüngern versäumt hatte, sagte frei heraus: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich’s nicht glauben. (Joh 20,25) Seit Beginn der Neuzeit und vor allem im 19. und 20. Jahrhundert hat es eine ganze Reihe von Zweiflern, besonders im Raum der evangelischen Kirche, gegeben. Der Professor für Neues Testament an der Universität Marburg, Rudolf Bultmann (1884-1976), sagte sehr freimütig: Eine Auferstehung von den Toten als historische Tatsache ist völlig unvorstellbar.1 Die Bultmann-Schule, Theologen also, die von Bultmann stark beeinflusst worden sind, lehnt bis heute die Auferstehung als geschichtliche Tatsache ab. Die Schüler Bultmanns übernahmen seit den 50er Jahren des 20. Jh. mehr und mehr theologische Lehrstühle an den evangelisch-theologischen Fakultäten und haben die Pastorenschaft entscheidend geprägt. Gegenwärtig haben die „Ur-Enkel“ Bultmanns das Sagen. Gerd Lüdemann, früher Professor für Neues Testament an der Universität Göttingen, zählt zu dieser Enkelgeneration. Seine Thesen, die er seit einigen Jahren sehr medienwirksam verbreitet, sind im Grunde nichts Neues. Er formuliert nur sehr offen, was Hunderte von Professoren und Pastoren längst glauben. Wer an einer deutschen Universität evangelische Theologie studiert, der muss sich intensiv mit der Bibelkritik und somit auch mit der Kritik an der Auferstehung von Christus beschäftigen.

Im Folgenden wollen wir die Haupt­kritik­punkte am Oster­geschehen kennen­ler­nen und diese zugleich kritisch hinter­fragen.

1. Kritik aus philosophischer Sicht

Während bis zur Aufklärung jede Wissen­schaft ihren Ursprung und ihr Ziel in Gott, dem Schöpfer aller Dinge sah, hat sich die wissenschaftliche Forschung seit der Aufklärung zu einer atheistischen Forschung entwickelt. Die Aufklärung wertet die menschliche Vernunft auf und erhebt sie zur letzten Prüfungs­instanz für alle Fragen des Denkens, Glaubens und Handelns. Fortan wird die Bibel nicht mehr einfach als Wahrheit akzeptiert (wie in den Jahrhunderten davor), sondern nur die Teile der Heiligen Schrift werden angenommen, die von der menschlichen Vernunft als wahr und richtig angesehen werden. Geforscht wird nun etsi Deus non daretur (als ob es Gott nicht gäbe). Das bedeutet: Die Wissenschaft stellt die Frage nach Gott gar nicht mehr und schließt deshalb auch ein Eingreifen Gottes in den Lauf der Geschichte aus. Die Geschichte wird als ein geschlossenes Ganzes betrachtet, als eine ununterbrochene Kette von Ursachen und Wirkungen, die nicht von außen beeinflusst werden kann. Historisch kann nur das sein, so wird fortan gelehrt, was den Prinzipien der Kritik, Analogie und Korrelation entspricht. Die Allmacht der Ana­logie, von der Ernst Troeltsch sprach, wird zum entscheidenden Kriterium bei der Bewertung historischer Vorgänge.

Die „Allmacht der Analogie“ wird zum entscheidenden Kriterium bei der Bewertung historischer Vorgänge

Analogie bedeu­tet: Nur wenn ein angeblich geschichtliches Ereignis Parallelen in der Geschichte hat, ist es wahrscheinlich, dass dieses Ereignis wirklich historisch ist. Die Auferstehung von Jesus aber ist ohne Parallele. Keine andere Person ist jemals von den Toten erweckt worden und gen Himmel gefahren. Daher, so folgert man, müsse die Auferstehung ein Mythos sein. Unter den genannten beiden Voraussetzungen, dass es 1. kein Einwirken Gottes in den Lauf der Geschichte gibt und dass 2. je­des Gesche­hen Parallelen haben müsse, kann es keine Auferstehung von Jesus gegeben haben. Entweder war Jesus dann nur scheintot, hat also nach der Kreuzigung weitergelebt, oder er war tot und ist es auch geblieben.

Doch es ist äußerst problematisch, die menschliche Vernunft zur letzten Prüfungs­instanz für alle Fragen des Denkens und Glaubens zu erheben und durch eine quasidogmatische Entscheidung ein Einwirken der Transzendenz in unsere Immanenz einfach auszuschließen. Jeder denkende Mensch weiß um die Begrenztheit seines Verstandes. Wir alle lernen lebenslang, und gerade die Explosion des Wissens in unseren Tagen zeigt eindrücklich, wie wenig wir eigentlich wissen. Es zeugt geradezu von Dummheit zu behaupten: „Was ich nicht verstehe, was mir nicht einleuchtet, das kann es nicht geben.“ Wer also behauptet: „Ich kann mir eine Auferstehung nicht vorstellen, sie hat keine Parallele in der Geschichte; darum kann es auch keine geben“, der verhält sich sehr engstirnig und insofern auch nicht wissenschaftlich. Wirkliche Wissenschaft ist nämlich immer auch offen für Wahrnehmungen, die den eigenen Horizont sprengen. Wirkliche Wissenschaft wird die Möglichkeit nie von der Wirklichkeit allein her bestimmen; denn sonst verbaut sie sich letztlich auch die Erfahrung von Wirklichkeit. Diese nämlich kann immer noch mehr enthalten, kann reichhaltiger sein als das bisher Erlebte. Wirkliche Wissenschaft muss mit der Existenz eines Göttlichen rechnen; sonst führt sie sich selbst ad absurdum. Denn sie würde dann ihren eigenen Grundsatz leugnen, alle Phänomene vorurteilsfrei zu prüfen. Und vorurteilsfrei bedeutet, auch mit dem Handeln übermenschlicher Kräfte zu rechnen. (Im übrigen gibt es so viele glaubhaft bezeugte übersinnliche Phänomene, die man nicht mit menschlicher Wissenschaft erklären kann, dass man geradezu gezwungen ist, an höhere Mächte zu glauben.)

2. Kritik aus naturwissenschaftlicher Sicht

Bis Anfang unseres Jahrhunderts herrschte ein kausal-mechanisches Weltbild vor. Das Kausalitätsprinzip, also der Zusammenhang von Ursache und Wirkung, bestimme alles Geschehen im Universum. Dieser Kausalnexus sei lückenlos und lasse keinen Raum für übernatürliche Eingriffe. Wunder könne es daher nicht geben. Der Mensch spiele nur die Rolle eines Rädchens im Weltgetriebe. – Diese Weltauffassung fand auch Eingang in die Theologie. So schreibt der schon erwähnte evangelische Theologe Rudolf Bultmann:

Jedenfalls glaubt die moderne Wissen­schaft nicht, dass der Lauf der Natur von übernatürlichen Kräften durchbrochen oder sozusagen durchlöchert werden kann.2

Daher haben die Theologen versucht, die Wunder des NT als natürliche Vorgänge zu erklären. Die Stillung des Sturmes erklärte man z.B. damit, das Boot habe eine Landspitze umfahren und sei dadurch plötzlich im Windschatten gewesen.

Manche Theologen stehen – wissenschaftlich gesehen – noch im letzten Jahrhundert

Der Gang von Jesus über das Wasser sei nur deshalb möglich gewesen, weil ein paar Holzstücke im Wasser trieben und er von Holzstück zu Holzstück sprang. Interessant ist nun, dass die moderne Wissenschaft längst einen Schritt weiter ist, während manche Theologen wissenschaftlich gesehen noch im letzten Jahrhundert stehen. Sie argumentieren immer noch: Das Kausalitätsprinzip gilt ohne Ausnahme; daher können wir uns Wunder, also auch eine Auferstehung, nicht vorstellen.

Der bekannte Physiker Pas­cual Jordan (1902-1980), der sich auch zu theologischen Fragen geäußert hat, sagte einmal: Zweifelsohne sind die Grundaxiome, auf denen Bultmann seine Betrachtungen aufbaut, in krassem Widerspruch zur modernen Naturwissenschaft.3 Was sagt nun diese moderne Naturwissenschaft? Sie hat die Begrifflichkeit der lückenlosen Kausalität aufgegeben. Zitat Pascual Jordan:

Indem die Quantenphysik aller physi­kalischen Grundgesetzlichkeit eine nur statistische Bedeutung zuschreibt, hebt sie – streng genommen – die Definier­barkeit des Begriffes „Durchbrechung der Naturgesetze“ auf: Zu solcher Durchbrechung wäre so etwas nötig wie das Einrennen einer nicht nur offenen, sondern gar nicht vorhandenen Tür.4 

Naturgesetze werden heute als statistische Aufhäufung formuliert; sie gelten nicht mehr zu 100 Prozent, besitzen nur noch eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit. Deshalb wird ein Physiker, wenn er den Begriff des Wunders definieren soll, nicht mehr von einer „Durchbrechung der Naturgesetze“ sprechen, sondern eher davon, dass ein aus dem Rahmen alltäglichen Verlaufes auffällig heraustretender Vorgang verwirklicht ist.5

Weil sich die moderne Physik die Welt nicht mehr als ein geschlossenes System, sondern als ein nach allen Seiten offenes vorstellt, sind Wunder durchaus denkbar. Ein Eingreifen jenseitiger Mächte in unser Diesseits muss für möglich gehalten werden. Wer also die Auferweckung von Jesus aus naturwissenschaftlichen Gründen ablehnt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht auf der Höhe der Zeit zu sein. Es ist kein Zufall, dass der schon erwähnte Physiker Jordan einem seiner Bücher mit dem Titel Der Naturwissenschaftler vor der religiösen Frage den Untertitel gibt: Abbruch einer Mauer.

Die moderne Naturwissenschaft hindert nicht am Glauben, sie führt eher hin

Die verzerrte naturwissenschaftliche Erkenntnis bis Anfang unseres Jahrhunderts schien eine Mauer zwischen Wissenschaft und Religion aufzurichten. „Als Wissenschaftler kann man nicht an Gott und Wunder glauben“, hieß es lange Zeit. Heute ist diese Mauer abgerissen. Immer mehr Wissenschaftler, vor allem in den USA, sind wieder religiöse Menschen. Die moderne Naturwissenschaft hindert nicht am Glauben, sie führt eher hin.

3. Kritik aus biblischer Sicht

Die Überschrift ist natürlich nicht so zu verstehen, als ob die Bibel selbst Kritik an der Auferstehung von Christus übe. Vielmehr ist gemeint, dass Theologen die biblischen Berichte der Auferstehungs­ereig­nisse kritisch beurteilen und hinterfragen.

3.1 Unterschiede der Auferstehungsberichte

Dem aufmerksamen Bibelleser entgeht nicht, dass die Darstellungen der Ereignisse des Oster­morgens teilweise erhebliche Differenzen aufweisen. Es ist schwierig, sie zu harmonisieren. Doch was der Laie als Hindernis für seinen Glauben betrachten mag, ist für den Historiker ein Hinweis auf die Echtheit. Wären nämlich alle Auferstehungs­berichte gleich, so müsste der Geschichtswissenschaftler annehmen, dass irgendein Redaktor eingegriffen und alle Unterschiede eingeebnet hat. Die bestehenden Differenzen sind für den Historiker gerade ein Beleg dafür, dass die Auferstehungsberichte unversehrt weitergegeben wurden. Es liegt in der Natur von Augenzeugenberichten, dass sie nicht völlig gleich sind, weil jeder aus einem etwas anderen Blickwinkel beobachtet. Wenn ein Verkehrsunfall von vier Zeugen beobachtet wird und diese vier vor Gericht identische Aussagen machen würden, müsste der Richter annehmen, dass sich die Zeugen abgesprochen haben.

Die ersten Christen hatten eine so große Achtung vor den Osterberichten, dass sie nicht wagten, die Unterschiede, die natürlich auch sie bemerkten, einfach einzuebnen.

3.2 Verzweiflungstat der Jünger

Es wird immer wieder behauptet, die Jünger hätten aus Verzweiflung, dass ihr Meister nicht mehr da sei, das Märchen der Auferstehung in die Welt gesetzt. Sie hatten ja gehofft, Jesus sei der im AT verheißene Messias und mit ihm breche nun die Gottesherrschaft an. Doch diese Hoffnung schien am Kreuz gescheitert zu sein. Um nun nicht vor aller Welt als die Dummen dazustehen, hätten sie das größte Täuschungsmanöver der Weltgeschichte in Szene gesetzt.

Aus folgenden Gründen ist diese These unwahrscheinlich:

a) Das NT zeigt uns die Jünger nach Ostern als völlig verwandelte Menschen. Während Petrus wenige Wochen vorher noch Jesus verleugnet hatte, tritt er an Pfingsten als gewaltiger Prediger vor das Volk und hat auch keine Angst, mit den jüdischen Theologen zu diskutieren. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Jünger eine solche Veränderung in ihrem Leben selbst inszeniert haben.

b) Von einigen Jüngern wissen wir mit Sicherheit, dass sie den Märtyrertod gestorben sind. Wer aber ist bereit, für etwas zu leiden und zu sterben, von dem er selbst weiß, dass es ein Irrtum ist? Dieses Argument entkräftet die Betrugshypothese entscheidend.

Die Osterberichte zeigen, dass die Jünger anfangs überhaupt nicht an die Auferweckung von Jesus glaubten

c) Die ersten Zeugen der Auferstehung waren Frauen. Frauen aber galten im Altertum als unglaubwürdige Zeu­­gen. Hätten die Jünger also einen Betrug glaubhaft inszenieren wollen, hätten sie mit Sicherheit sich selbst – oder zumindest irgendwelche anderen Männer – als erste Zeugen eingesetzt.

d) Die Osterberichte zeigen, dass die Jünger anfangs überhaupt nicht an die Auferweckung von Jesus glaubten. Sie erschien ihnen unmöglich (vgl. Lk 24,11). Sie waren vielmehr bereit zu glauben, ein Geist sei ihnen erschienen (vgl. Lk 24,37) oder dass der Leichnam von Jesus gestohlen worden sei (vgl. Joh 20,15). Sie dachten also offensichtlich gar nicht daran, das Märchen der Auferstehung in die Welt zu setzen.

3.3 Visionenhypothese

Eine unter Theologen beliebte Hypothese, den Auferstehungsglauben der Jünger zu erklären, ist die Visionenhypothese. Sie besagt, die Jünger hätten keine realen Begegnungen mit dem auferstandenen Jesus gehabt, sondern ihn nur in Visionen erlebt. Diese Visionen seien als eine seelische Kettenreaktion zu erklären. Die Jünger hätten aufgrund eines starken Wunsches, Jesus wieder bei sich zu haben, ihn plötzlich in Visionen gesehen, und diese Visionen hätten sich nun auf alle Anhänger von Jesus ausgebreitet.

Dazu ist aus biblischer Sicht zu sagen:

a) Es gibt einige zeitlich und geographisch weit auseinanderliegende Erschei­nungen von Jesus. Jesus zeigte sich nach Angaben des NT sowohl in Jerusalem als auch auf dem Weg in das Dorf Emmaus wie auch am See Genezareth. Außerdem sehen ihn die Jünger auf dem Ölberg zum Himmel auffahren. Schließlich spricht 1Kor 15 davon, dass er sich zu verschiedenen Zeiten einmal über 500 Personen, ein anderes Mal seinem Bruder Jakobus und Jahre später auch noch dem Saulus zeigte. Dies spricht klar gegen jede Art von Massenhysterie.

b) Als bei einer Begegnung des Auferstandenen mit seinen Jüngern diese glauben, einen Geist zu sehen, fordert Jesus sie auf, ihn anzufassen. Seht meine Hände und meine Füße, ich bin’s selber. Fasst mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, dass ich sie habe. (Lk 24,39) Als sie dann immer noch nicht glauben, beginnt er – als Beweis seines körperlichen Daseins – zu essen (vgl. Lk 24,41ff.).

c) Das NT zeigt klar, dass die Jünger nach dem Tod von Jesus total enttäuscht waren. Manche gingen sogar wieder in ihren alten Beruf zurück. Eine Vision vom auferstandenen Jesus oder eine kollektive Einbildung hätte auf keinen Fall so viel Kraft besessen, alle Jünger wieder zu entschiedenen Jesus-Nachfolgern zu machen.

3.4 Scheintodhypothese

Die Tatsache, dass Jesus nach seiner Kreuzigung offensichtlich manchen Menschen begegnet ist, wird von anderen Kritikern des Aufer­stehungs­glaubens damit erklärt, dass Jesus gar nicht wirklich tot war. Er sei als Ohnmächtiger vom Kreuz herab­genommen und ins Grab gelegt worden. Dort sei er wieder zu Bewusstsein gekommen und habe weitergelebt. Manche geben gar vor, zu wissen, wo er sein weiteres Leben zubrachte: Jesus sei nach Indien ausgewandert und dort schließlich gestorben.

Diese phantasievolle Hypothese ist leicht zu entkräften. Bedenkt man, dass die Zeugen für den wirklichen Tod von Jesus ja keineswegs nur aus dem Jüngerkreis stammten, sondern die römischen Soldaten und auch die jüdische Obrigkeit die Kreuzigungsszene überwachten und genau kontrollierten, ob die Gekreuzigten auch wirklich gestorben waren (vgl. Joh 19,31ff.), dann ist es höchst unwahrscheinlich, dass Jesus nur scheintot war.

3.5 Erscheinungen von Jesus nur vor seinen Jüngern

Immer wieder ist gesagt worden, wäre Jesus als der Auferstandene den jüdischen Pharisäern und dem römischen Statthalter Pontius Pilatus erschienen, dann brauchten wir heute an der Wirklichkeit seiner Auferweckung nicht mehr zu zweifeln. Denn dann hätten wir ja aus dem Munde der Gegner ein Zeugnis seiner Auferstehung, das natürlich viel schwerer wiegt als ein Zeugnis aus dem Munde seiner Jünger.

Jesus ist nach seiner Auferstehung keineswegs nur seinen Jüngern erschienen

Das Studium des NT zeigt uns jedoch, dass Jesus keineswegs nur seinen Jüngern erschienen ist. Saulus etwa war ein Gegner von Jesus. Er hielt das Christentum für eine Irrlehre. Daher verfolgte er die Christen und brachte sie ins Gefängnis. Später ist dieser Saulus, der nun Paulus heißt, ein glühender Jesus-Nachfolger. Er nimmt Verfolgungen, Gefängnisaufenthalte und Mordanschläge auf sich. Hätte er dies getan, ohne von der Realität des Christus überzeugt zu sein? – Jakobus, der Bruder von Jesus, glaubte ebenfalls nicht an ihn (vgl. Joh 7,5). Er hielt Jesus für einen Verrückten (vgl. Mk 3,21). Diesem Mann begegnet Jesus ebenfalls nach seiner Auferstehung (vgl. 1 Kor 15,7). Jakobus wird später der führende Kopf der Jerusalemer Christengemeinde.

Außerdem sollte man bedenken, dass die Jesus-Jünger nach seinem Tod eigentlich keine Jünger mehr waren. Als Enttäuschte hatten sie sich von Jesus abgewandt und waren wieder in ihre alten Verhältnisse zurückgegangen. Auch sie mussten von der Auferstehung ihres Herrn zunächst mühsam überzeugt werden.

Schließlich ist zu fragen, ob eine Jesus-Erscheinung vor Pilatus und den Pharisäern diese wirklich zum Glauben geführt hätte. Jesus sagt einmal im Blick auf Menschen, die nicht nach Gottes Geboten leben: Auch wenn ein Toter auferstünde und den Lebenden Gottes Willen mitteilte, würden sie nicht hören (vgl. Lk 16,31). Er will damit sagen: Wer eine Vorentscheidung gegen Gott gefällt hat, der lässt sich auch durch außerordentliche Ereignisse nicht so leicht davon abbringen.

3.6 Bestreitung des leeren Grabes

Christen glauben nicht an das leere Grab, wie ihnen manchmal von Kritikern vorgeworfen wird. Sie glauben an den auferstandenen Jesus! Wenn dieser aber auferstanden ist, muss das Grab leer gewesen sein. Im übrigen wird das leere Grab ja nicht einmal von den Gegnern bestritten. Matthäus 28,11-15 zeigt eindrücklich, dass auch die jüdischen Schriftgelehrten am leeren Grab nicht vorbeikamen. Allerdings interpretieren sie das leere Grab anders: Sie behaupten, der Leichnam von Jesus sei gestohlen worden. Diese Diebstahlhypothese hat sich im übrigen bis heute gehalten.

4. Ist die Auferstehung von Jesus Christus beweisbar?

Historische Ereignisse lassen sich nicht im naturwissenschaftlichen oder mathematischen Sinn beweisen. Sie sind ja nicht wiederholbar. Es gibt für sie nur mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit. So kann man etwa die Kaiserkrönung Napoleons im Jahre 1804 nicht im naturwissenschaftlichen Sinn beweisen. Niemand von uns war dabei und hat ein Video gedreht, das wir uns heute ansehen könnten (und selbst das könnte noch gefälscht sein). Die Kaiserkrönung Napoleons ist deshalb nur höchst wahrscheinlich geschehen, weil mehrere Augenzeugen sie aufgeschrieben haben und wir heute diese Quellen besitzen und sie als glaubwürdig betrachten.

Wer eine Vorentscheidung gegen Gott gefällt hat, lässt sich auch durch außerordentliche Ereignisse nicht davon abbringen

Ähnliches gilt für die Aufer­stehung von Jesus. Auch für sie gibt es glaubwürdige Quellen, die die Aufer­stehung wahrscheinlich machen. Sicher­lich unterscheidet sich diese Auf­er­stehung von der Kaiser­krönung Napo­leons dadurch, dass sie ein analogieloses Geschehen ist. Kaiser wurden viele gekrönt. Auferweckungen sind sehr selten. Doch wer an Gott glaubt, für den ist Auferstehung kein Problem. Allerdings können wir die Auferstehung von Jesus niemandem zwingend beweisen. Wer jedoch aufrichtig und unter weitgehender Ausschaltung von Vorurteilen (z.B. es gibt keinen Gott) die Auferstehungsberichte der Evangelien studiert, wird gerade auf dem Hintergrund der modernen Physik eher zum Glauben neigen.

5. Wer glaubt, erfährt den Auferstandenen

Als Jesus dem eingangs erwähnten Jünger Thomas erschien, tadelt er dessen Unglauben. Thomas wollte Beweise für die Auferweckung von Jesus. Er wollte ihn sehen und fühlen, also mit seinen Sinnen erleben. Er erhielt diese Beweise auch ausnahmsweise, indem er dem Auferstandenen begegnen durfte. Doch Jesus stellt klar, dass dies nicht die Regel ist. Vielmehr gilt: Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben. (Joh 20,29) Wer an den auferstandenen Jesus glaubt, wer sich ihm anvertraut, der erfährt seine Realität. Er erfährt Begegnungen mit Jesus. Nicht in dem Sinne, dass er die Gestalt von Jesus sieht oder seine Stimme hört. Das mag als Ausnahme je und dann auch vorkommen, wie uns die Kirchengeschichte zeigt. Ich spreche hier von Begegnungen mit Jesus durch sein Wort, die Bibel, und durch den Heiligen Geist. Denn der Heilige Geist ist der Stellvertreter von Jesus auf Erden. Wer an den für die Schuld der Welt gekreuzigten und auferstandenen Sohn Gottes glaubt, der empfängt den Heiligen Geist und tritt durch ihn in eine lebenslange Verbindung mit dem auferstandenen Jesus. Fortan ist für ihn das Wort von Jesus Christus Realiät: Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt. (Mt 28,20)


  1. Kerygma und Mythos, Band 1, S. 48 

  2. Jesus Christus und die Mythologie, 12 

  3. Schöpfung und Geheimnis, 157 

  4. Schöpfung und Geheimnis, 155 

  5. ebd., 156