ThemenHeilsgeschichte

Heilsgeschichte in der Kritik

Leider ist heilsgeschichtliche Schrift­auslegung kein anerkanntes Allge­meingut unter Christen und christlichen Bibelauslegern. Von unterschied­lichen Seiten her wird bestritten, dass heilsgeschichtliches Denken sachgerecht sei. Außerdem gibt es solche, die zwar nicht grundsätzlich die Wirklichkeit einer biblischen Heilsgeschichte bestreiten, weil sie zumindest den theologischen Unter­schied zwischen altem und neuem Bund, zwischen vor und nach Christus betonen. Doch diese sehr eingeschränkte Sicht­weise erfasst nur einen kleinen Teil dessen, was biblische Heilsgeschichte ausmacht.

Folgende Hauptströmungen der Kri­tik an „Heilsgeschichte“, wie sie in diesem Buch vorgestellt wird, lassen sich beob­achten: 1. Die eine Kritik kommt von der Seite der neuzeitlichen, (oftmals bibelkriti­schen) Hermeneutik her, unterteilt a.) in Kritik an der Autorität und Normativität der Endgestalt der Bibel und b.) in Ableh­nung des Ablaufes der biblischen Ge­schichte, die als Fiktion angesehen wird. 2. Die andere Hauptströmung der Kritik kommt von der Seite der Föderaltheologie her, die sich mitunter sehr heftig gegen ein Heilsgeschichtsverständnis wendet, das verschiedene Epochen der Heilsgeschich­te identifiziert, zwi­schen Israel und Ge­meinde unterscheidet und insbesondere die endgeschichtlichen Aussagen der Bibel zu Gemeinde, Israel und Welt wörtlich ernst nimmt.

1. Wie die Autorität der Bibel untergraben und ausgehöhlt wird

Das Schrift- und Ka­nonverständnis, das wir in diesem Buch voraus­setzen und das vielen unterschiedlichen heilsgeschichtlichen Modellen zu Grunde liegt, ist ein Dorn im Auge vieler Vertreter der einen oder ande­ren Variante neuzeitlicher Bibelauslegung. In dem wegweisenden Artikel von Armin Wenz mit dem Titel „Die Wahrheitsfrage im Spannungsfeld von Schriftautorität und neuzeitlicher Hermeneutik“1

wird kurz und bündig dargestellt, auf welche wesent­lichen Aspekte diese Art von Kritik abzielt.

Pointiert beginnt sein Aufsatz mit der herausfordernden Gegenüberstellung von zwei gegensätz­lichen und sich gegenseitig ausschließen­den Auffassungen. Zum einen ist da die neuprotestantische Auffassung. Sie leugnet das reformatorische Prinzip, dass die Schrift klar ist und deshalb eine Schriftstel­le durch die andere erklärt werden kann.2

Sie leugnet auch, dass die altprotestantische Inspirationsleh­re dem reformatorischen Schrift­prinzip entspricht.3

Stattdessen behauptet sie, dass die neuzeit­liche historisch-kritische Bibel­auslegung eine passende Ergän­zung und Präzisierung des reformatorischen Schriftprinzips sei, die dieses vor dem „Irrweg“ der Verbal­inspirationslehre bewahre.4

Wenz nun aber macht unmissver­ständlich deutlich, dass dieses unter Bibel­kritikern populäre Urteil, in der Fortset­zung des reformatorischen Schriftprinzips zu stehen, überhaupt nicht sachgerecht ist und an der Wahrheit vollkommen vorbei geht. Er betont, dass in diesen beiden ent­gegengesetzten Positionen zwei unter­schiedliche Wahrheits- und Schriftver­ständnisse aufeinander prallen, die in keiner Weise kompatibel sind.

2. Wie die Heilsgeschichte zu Fabeln und existentiellen Wahrheiten verflüchtigt wird

Gemäß der Strategie „Kenne deinen Gegner“ kommen wir zu einer weiteren Infragestellung der von uns als Autoren ver­tretenen Schrifthaltung. Sie basiert auf der Kritik an der Autorität der Schrift im eben genannten Sinn. Daraus wird nun die Konsequenz gezogen, dass die Bibel im Sinne einer tatsächlich fortlaufenden Ge­schichte des Heils zwischen Gott und den Menschen gelesen werden darf. Häufig wird dies durch Ergeb­nisse der neuzeitlichen Bibelaus­legung begründet. Das Hauptar­gument lautet: Die Traditionen, die hinter der Endgestalt des Bi­beltextes stehen, haben ganz unterschiedliche Entstehungs­zeiten und Ursprünge. Sie wur­den i.d.R. erst nachträglich von Redakteuren gesammelt, bearbeitet und subjektiv zusammengestellt und haben nicht unbedingt etwas mit historischer Wirklichkeit zu tun. Was wir in der Bibel an vermeintlichen chronologischen Abläu­fen vorfinden, sind im Grunde nur theolo­gisch gefärbte Geschichtskonstruktionen, Fiktionen, Erfindungen.

Ursprünglich und historisch seien da­her überhaupt keine fortschreitenden, heilsgeschichtlichen Abläufe vorhanden gewesen. Das heilsgeschichtliche Panora­ma, das man durchaus oberflächlich in der Bibel wahrnehmen könne, sei letztlich nur die Erfindung und das kreative Konstrukt von menschlichen „Redakteuren“, es sei jedoch nicht das Abbild der tatsächlichen, historischen Wirklichkeit früherer Ereig­nisse. Deshalb müsse man auf differenziertes heilsgeschichtliches Denken – einmal abgesehen von der christologischen Wende und der damit verknüpften Zuordnung von altem und neuem Bund – beim Auslegen der Bi­bel verzichten.

Vergleichbares formuliert Heinrich Ott in seinem Lexikon-Artikel zur Heilsge­schichte:

„Die Anschauung von einer H[eilsge­schichte] scheint sich zwar beim unbe­fangenen Vernehmen der biblischen Zeugnisse unmittelbar aufzudrängen. Indes wird sie, sobald wir bewusst von einem inspirationsgläubigen Bibli­zismus abrücken, problematisch“.5

Ott sieht die Gefahr, dass durch ein Kon­zept von Heilsgeschichte „eine dem Wesen des Glaubens widersprechende Objektivie­rung des Glaubensinhaltes“ stattfinden könne.6

Glaube sei doch ein „Akt gegen­wärtiger Existenz“, nicht fassbar im „Sche­ma eines Nacheinander entfaltet“.7

Immer­hin räumt Ott auch ein, dass Heilsge­schichte als Idee von Theologen auch nicht gänzlich als erledigt abgetan werden dürfe.

„Denn sie [die Heilsgeschichte] scheint sich (…) aus den biblischen Texten nun doch unabweisbar aufzudrängen. Dabei spielt das Offenbarungsverständnis des Exegeten eine ausschlaggebende Rolle.“8

Zugleich übt er Kritik an einem extrem individualistischen Denken, „das den Glauben ausschließlich als ei­nen Akt des einzelnen vor Gott versteht“ und von daher begründet Heils­geschichte meint ablehnen zu müssen (wie es z. B. Rudolf Bultmann tut).9

Otts Artikel und sein ambivalentes Hin und Her im Nein und Ja im Blick auf Heilsgeschichte zeigt eindrücklich, dass Kritik an einem bi­blischen Verständnis von fortschreitender Heilsgeschichte gar nicht wirklich plausi­bel ist. Die Gefahren, die er und andere wittern, sind im Grunde nicht gegeben, da die Bibel doch selbst Glaubensakt und Heilsgeschichte komplementär, d.h. sich gegenseitig ergänzend versteht als zwei Seiten einer Münze.

Bei Bultmann wird Heilsgeschichte zum Mythos

Eine ähnliche, doch im Detail noch et­was anders gelagerte Kritik an der Ge­schichtlichkeit des Glaubens bzw. an der biblischen Heilsgeschichte äußerte auch – stellvertretend für viele andere nach ihm – Rudolf Bultmann. Bult­mann betont, dass im Neuen Testament nur von einer Geschichtsmy­thologie die Rede sei:

„[G]erade die Ereignisse und Personen, die die Heilsgeschichte konstituieren, sind im Sinne des NT nicht geschichtliche, sondern mythische Phäno­mene.“10

Heilsgeschichte wird bei ihm zum Mythos, hinter dem theologische Ideen stehen, die in mythologische Ge­schichten eingekleidet wurden. Biblische Aussagen wie die darin geschil­derte Heilsgeschichtskonzep­tion müssen daher „entmythologisiert“ (d.h. ihrer mythischen Schale entkleidet) werden, um den theologischen Kern frei zu legen. Geschichte hat grundsätzlich für ihn (und für viele seiner Nachfolger) ein Ende gefunden.11

In seiner Habilitationsschrift Zukunft und Verheißung12 hat Gerhard Sauter re­präsentativ für andere Kritiker vor und nach ihm die Dimension der Zeit bzw. die der Geschichte ins Spiel gebracht. Er ur­teilt hinsichtlich einer biblischen Eschato­logie – in Fortführung der existentialisti­schen Gedanken von Rudolf Bultmann, Ernst Fuchs und Anderen:

„Als verdächtig gilt aber vor allem ein ‚heilsgeschichtlicher Aufriss‘ mit seinem Zug zur banalen Line­arität der Geschichte und insbesondere zu ‚einer Art von futurischem Historis­mus‘.“13

Diese Kritik orientiert sich vor al­lem an folgender Vorstellung:

„Vergangenheit und Zukunft sind dem­nach keine Werte auf einer neutralen Skala der Zeit, sondern Bestimmungen der Existenz: Macht der Gebundenheit und Möglichkeit zur Freiheit.“14

Sauter will hervorheben, dass die Welt stets unter der Verheißung Gottes gestan­den habe und stehe, so dass stets eine „Gleichzeitigkeit“ zu behaupten sei, und zwar gegen eine sukzessiv-lineare Ge­schichtsrekonstruktion im Sinne von Vor­her – Nachher – Noch-Bevorstehend.15

Biblisches Denken sei nicht (nur?) auf ei­ne lineare Zeitbestimmung16

hin orien­tiert, sondern – wie im Fall des ewigen Le­bens – auf eine Qualität im gegenwärtig diesseitigen Leben bezogen. Aspekte einer sog. präsentischen Eschatologie, also ei­ner Endzeitvorstellung, die stets nur sub­jektiv und gegenwärtig ist, klingen an.17

Ein inhaltlich fassbarer endgeschicht­licher Zukunftsablauf wird damit zurück­gewiesen und abgelehnt. Es gehe dabei für die Kirche nur sehr unbestimmbar um das eher allgemein zu verstehende „Prinzip Hoffnung“ oder um die Qualität eines ewi­gen Lebens. Periodische Zeitläufe in der Zukunft werden abgelehnt bzw. exis­tentialisiert, d. h. als „Moral von der Ge­schichte“ auf die Existenz des Menschen heute gedeutet.

Gerhard Ebeling ist sich ebenfalls durchaus bewusst, dass „die traditionelle Dogmatik (…) einen heilsgeschichtlichen Aufriss [hat], der sich von der Schöpfung über den Fall und das Versöhnungswerk Christus zur Endvollendung hin erstreckt.“18

Normalerweise wurde und werde eben heilsgeschichtlich gedacht im Bereich der Dogmatik. Doch er schränkt diese Fest­stellung sogleich wieder ein, wenn er schreibt:

„Dieser dogmatische Normalauf­bau ist heute aus verschiedenen Gründen fraglich geworden.“19

Bei dieser Infragestellung bzw. Relati­vierung der Heilsgeschichte im biblischen Sinn geht es mehr oder weniger darum, ob und ggf. wie man das biblische Heilsge­schichtsverständnis mit neuzeitlichen phi­losophischen Geschichts- und Zeitvorstel­lungen behaupten oder durchhalten kann. Die Lösung, die nicht wenige Theologen anbieten, liegt nicht unbedingt in den Aus­sagen der biblischen Autoren begründet, sondern ergibt sich von neuzeitlichen Interpretationsansätzen her, die der bib­lischen Aussageintention als normativ vor­geordnet werden. Jeder, der auch nur in Ansätzen ein differenziertes Verständnis von biblischer Heilsgeschichte vertritt, wird sich mit dieser umfassenden und ge­nerellen Kritik an biblischer Geschichte und Heilsgeschichte auseinandersetzen müssen.

Neuzeitliche Interpretations-ansätze werden der biblischen Aussage-intention vorgeordnet

Solche (und ähnlich lauten­de) Auffassungen, wie oben skizziert, haben nachfolgende Generatio­nen von Bibelauslegern nachhaltig ge­prägt oder sie zumindest heilsgeschichtli­chem Denken gegenüber ziemlich misstrauisch werden lassen. Vor allem der Vorwurf, Heilsgeschichte würde nur von „inspirationsgläubigen Biblizisten“ ver­treten, hat die Beschäfti­gung mit der biblisch offenbarten Heilsgeschichte ins negative Licht gerückt. Nicht wenige fragen, was es denn nach solch einer heftigen Kritik an heilsge­schichtlicher Bibelausle­gung noch mit ihr auf sich haben könne und ob die Beschäftigung mit ihr der Bibel gegenüber wirklich sachgerecht sein könne.

3. Was gegen eine heilsgeschichtliche „Haushaltungslehre“ vorgebracht wird

Ein besonders Modell von Heilsgeschichte ist unter dem Begriff Dispensationalismus oder Haushaltungslehre bekannt gewor­den. Manchmal nerven solche Begriffe, weil sie von vielen nicht unmittelbar ver­standen werden. Die griechischen, lateini­schen oder auch englischen Ursprünge solcher Worte sind kaum mehr vertraut, der Sinn solcher Worte damit nicht unmittelbar zugänglich. Machen wir uns also zunächst klar, was der Begriff Dispensationalismus meint, und wenden uns dann den Gegnern dieses Konzepts zu.

3.1 Epochen der Heilsgeschichte – „Nein danke“ oder „Ja bitte“?!?

Der Dispensationalismus als theologische Schulrichtung, die im ersten Drittel des 19. Jahrunderts entstanden ist, kommt von dem lateinischen Wort dispensatio bzw. dem englischen Begriff dispensation her. Der Begriff Dispensation wird von den griechischen Begriffen oikonomia (Eph 1,10; 3,9; 1Tim 1,4) und aion (1Kor 10,11; Eph 1,21) abgeleitet, die beide im Neuen Testament ver­wendet werden. Das Wort dispensatio kann demnach als ein bibli­scher Begriff verstanden. Im Deutschen gibt es kei­ne entsprechenden Be­grifflichkeit, die sich durchgesetzt hätte, außer vielleicht „Heil­sökonomie“, die Lehre von den Zeitaltern oder die „Haushaltungen Gottes“20

Trotzdem spricht nichts dagegen, auch im Deutschen von einer „Dispensationenleh­re“ zu sprechen oder eben von „Heilsöko­nomien“ bzw. von der „gottgewollten Ab­folge von [heilsgeschichtlichen] Epo­chen“21.

Diese Heilsökonomien werden als Etappen verstanden, in denen Gott auf ei­ne bestimmte Art und Weise mit den je unterschiedlich verantwortlichen Men­schen Umgang pflegte. Diese Etappen oder Epochen sind mit unterschied­lichen Offenbarungen verknüpft, die je im Laufe der fortschreitenden Offenbarung gegeben wurden. Bei der Auslegung der Bibel tragen diese Heilsökonomien oder Dispensationen Schlüsselfunktionen. Denn das, was in einer Ökonomie für den Menschen gültig ist in seiner Verantwor­tung vor Gott, das muss noch nicht zwangsläufig auch in einer anderen Öko­nomie gültig gewesen sein.

Der Dispensationalismus will eine von der biblischen Offenbarung direkt vorgezeichnete und von dort her abgeleitete heilsgeschichtliche Einteilung der gesamten Bibel in von Gott eingerichtete, zeitlich aufeinander folgende, manchmal sich überschneidende Perioden darstellen

Der Dispensationalismus als Fremd­wort will daher eine von der biblischen Of­fenbarung direkt vorge­zeichnete und von dort her abgeleitete heilsge­schichtliche Einteilung der gesamten Bibel in von Gott eingerichtete, zeitlich aufeinander fol­gende, manchmal sich überschneidende Perio­den (Dispensationen, Epochen, Ökonomien) darstellen. Innerhalb dieser Perioden oder Dispensationen hat der Mensch eine (von der Bibel her ableitbare und erkennbare) Verantwortung vor Gott. Diese Verantwor­tung des Menschen vor Gott, die auch be­stimmt, wie er zu leben hat, welche Zusa­gen von Gott ihm jeweils gelten und welche nicht, variiert, sie ist nicht zu jeder Zeit qualitativ und vom Inhalt her gleich. Manches überschneidet sich inhaltlich von Epoche zu Epoche in ihrer heilsgeschicht­lichen Abfolge.

Diese Lehre von den unterschiedlichen Epochen der Heilsgeschichte hat aller­dings entschiedene Gegner. Unter denen, die eine bibeltreue Schrifthal­tung und die Unterordnung un­ter die Bibel als göttlicher Autorität befür­worten, gibt es solche, die diese heils­geschichtliche Sicht in der Auslegung der Bibel rigoros ablehnen. Diese Gegner fin­den wir zahlenmäßig häufig v.a. im Lager der reformierten Bundestheologie (Werk- und Gnadenbund), gelegentlich auch un­ter traditionell lutherischen Theologen, die von der Auslegungsmethode „Gesetz und Evangelium“ auf die gesamte Bibel bezo­gen geprägt sind.22

Jene reformiert-bundestheologische Schulrichtung lehnt – im Blick auf die unterschiedlichen heilsge­schichtlichen Modelle, die es gibt – vor al­lem den Dispensationalismus ab. Die Gründe dafür liegen in der eigenen bundestheologischen Theologie begrün­det.

3.2 Zur Bundestheologie

Zum einen sei darauf hingewiesen, dass die Bundestheologie nicht jede Art von heilsgeschichtlichem Denken ablehnt, sondern primär nur die heilgeschichtliche Konzeption des Dispensationalismus (bzw. ähnliche Vorstellungen aus anderen Frömmigkeitsrichtungen, wie die Ben­gels). Die Bundestheologie vertritt ein Mu­ster zur Auslegung der Bibel, das ebenfalls – jedenfalls rudimentär – „Schriftinhalte untereinander heilsgeschichtlich“ auf­fasst.23

Die Gegner der Heilsgeschichte finden wir häufig im Lager der reformierten Bundestheologie

Zum anderen geht die Bundestheologie als „theologi­sches System“24 normalerweise davon aus, dass die gesamte Bibel in zwei (bzw. in drei) Bündnisse einzuteilen und von da­her auszulegen sei. Der eine Bund sei der Werksbund, der andere der Gnadenbund. Die Bundestheologie ist also eine Theolo­gie, die primär aus dem Bündnis der Wer­ke und dem der Gnade besteht, zwei Kateg­orien, die das Verste­hen der gesamten Bi­bel regieren. Man geht davon aus, dass der Werksbund zwischen Adam und Gott be­stand, der Adam Leben verhieß, sofern er gehorsam geblieben wäre, Strafe und Tod aber vorhersagte, wenn er von Gottes Ge­bot abfallen würde. Da Adam sündigte, konnte der Werksbund nicht mehr beste­hen bleiben. Ein neuer Bund wurde nach dem Sündenfall eingerichtet, nämlich der der Gnade.25

Unter einigen reformierten Bundestheologen wird sogar noch ein drit­ter Bund angenommen, der „Bund der Versöhnung“ (covenant of redemption). Dieser Bund sei in der Ewigkeit geschlos­sen worden zwischen Gott und seinem Sohn bzw. zwischen Gott und seinen Er­wählten, die in Christus ihr Haupt und ih­ren Erlöser haben. Dieser Bund bilde dann die Grundlage für den Gnadenbund.26

3.3 Zum geschichtlichen Werden der Bundestheologie

Die Bundestheologie ist eine theologische Schule, die in der Zeit nach der Reforma­tion ausgebildet wurde. Möglicherweise gehen Einzelaspekte des Bundesgedan­kens auf Ulrich Zwingli zurück, der sie in der Auseinandersetzung mit dem Täufer­tum ansatzweise ent­wickelt haben dürfte.27

Doch dieser Bundesge­danke ist nicht iden­tisch mit der viel spä­teren Bundestheologie. Calvin sprach ebenfalls von dem Bund zwi­schen Gott und seinen Leuten, doch kann das auch noch nicht als Föderal- oder Bundestheologie bezeichnet werden. Dar­in sind sich die Experten, die sich mit der Entstehung der reformierten Tradition be­schäftigen, ziemlich einig.

Die nächsten Zeugen für ein sich her­ausschälendes Denken in bundes- bzw. in föderal-theologischen Gedanken finden wir etwa Ende des 16. Jahrhunderts unter solchen vor, die den strikten Erwählungs­glauben der Reformatoren ablehnten, z. B. bei Andreas Hyperius (1511-1564), Kas­par Olevianus (1536-1587) oder Rafael Eglinus (1559-1622). Der britische Puri­taner William Ames (1576-1633) sprach bereits vom „Bund der Werke“. Er war ein Lehrer von Johannes Cocceius (1603- 1669). Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Grundideen der „Bundestheologie“ noch nicht weit verbreitet und vor allem über­haupt nicht einheitlich und systematisch strukturiert ausgearbeitet, sondern ent­hielten lediglich Grundgedanken, die erst später zur Bundestheologie im heute be­kannten Sinn ausgebaut wurden. Die Föderaltheologie ist damit rund 180 Jah­re älter als der Dispensationalismus, aber nur unwesentlich älter als die klassischen Vorläufer des Dispensationalismus als ei­ner Variante heilsgeschichtlichen Den­kens.

Die Föderaltheologie ist kaum älter als die Vorläufer des Dispensationalismus

In den klassischen reformatorischen Bekenntnistexten der reformierten und der lutherischen Reformation finden wir noch nichts, bei dem dieses Grundkonzept der Bundestheologie thematisiert worden wäre, jedenfalls nicht vor dem Bekenntnis von Westminster aus dem Jahre 1647. Und auch dort lag das bundestheologische Gedankengut noch längst nicht so ausge­reift entwickelt vor, wie manche behaup­ten und glauben wollen. So lesen wir bei­spielsweise in diesem Bekenntnis in Kap. VII, Sektion VI:

„Es gibt deshalb nicht zwei Gnadenbünde, die sich in der Sub­stanz unterscheiden, sondern nur einen einzigen, der sich in unterschiedlichen Di­spensationen zeigt.“

Noch die ersten Überlegungen zur Ausbildung der theolo­gischen Schule, die Bundestheologie ge­nannt wird, kann also den Gnadenbund unter verschiedenen Epochen in der Ge­schichte verwirklicht sehen.

Cocceius – von Melanchthon beein­flusst – veröffentlichte 1648 sein Werk, in dem er zwischen dem foedus naturale (Na­turbund) vor dem Sündenfall und dem foe­dus gratiae (Gnadenbund) nach dem Sün­denfall unterschied. Er vermochte mit diesem zweigliedrigen Grundschema eine Art des heilsgeschichtlichen Kontinuums in fünf Etappen zu schaffen, in denen sich von der Schöpfung bis zu Christus hin das Heil Gottes vollziehen konnte, und zwar als Gnade. Mit der Arbeit des Cocceius und parallel dazu mit dem internationalen Einfluss des Westminster Bekennt­nisses, in dem die beiden Bünd­nisse noch eher als generelle Abteilungen der Absichten Gottes verstanden wurden, konnte sich allmählich das theologisch re­flektierte Konzept der „zwei Bündnisse“ gegenüber (!) der herkömmlichen calvini­stisch-reformierten Tradition behaupten, auch gegen Infragestellung aus anderen reformierten Richtungen. Herman Wit­sius (1636-1708), Francis Turretin, John Cotton und andere verbreiteten die Ideen des „Gnadenbundes“ in Nordamerika, wobei die Vorstellungen und Konzeptio­nen im Detail sehr unterschiedlich und noch längst nicht einheitlich gewesen sind. Später verbreiteten Charles und A. A. Hodge die Gedanken der Bundestheologie über Princeton ins ganze Land.

Die Bundestheologie – darin sind sich die meisten Forscher zur Föderaltheologie einig – begann demnach als eine Reaktion in Opposition zu einem weit verbreiteten, sehr strikten, die doppelte Erwählung zum Heil und zur Verdammnis bevorzugenden Calvinismus. Trotzdem – obwohl nicht ge­nuin reformiert – wurde diese theologi­sche Richtung mehrheitlich zum heutzu­tage bevorzugten „Transportmittel“ dessen, was man landläufig Calvinismus nennt. Grundlage für die Föderal- oder Bundestheologie waren sicherlich be­stimmte Konzepte und Ideen der Reforma­toren (ohne dass diese das bundestheolo­gische Schema lehrten oder vertraten). Von diesen Impulsen der Reformatoren herkommend entwickelten dann u.a. Coc­ceius, Witsius oder die Verfasser des Westminster Bekenntnisses die Gedanken stringent weiter. Dabei muss betont wer­den, dass diese ersten Überlegungen zu ei­ner strukturiert formulierten Bundestheo­logie im 17. Jahrhundert mit der aktuell in vielen Varianten vertretenen Bundestheologie nicht gleichgesetzt wer­den darf, da sie im Laufe der Zeit unterschiedliche Modifikationen durchlebt hat und gegenwärtig in einer breiten Vielfalt vorzufinden ist.

Diese Einsichten in das Werden der Bundestheologie tragen zumindest dazu bei, das Vorurteil gegen den Dispensatio­nalismus zu entkräften, der Dispensatio­nalismus sei eine neue Lehre, die erst im 19. Jahrhundert aufgekommen sei und deshalb keine Rechtgläubigkeit für sich beanspruchen könne. Doch was sehen wir bei genauerem Hinschauen?

Die Bundestheologie begann als Reaktion auf einen sehr strikten Calvinismus der doppelten Erwählung zum Heil und zur Verdammnis

Die Bundestheologie ist selbst eine relativ neue Lehre, die kaum vor Poirets heilsge­schichtlich-dispensationalistischen Sche­ma aus dem Jahre 1687 entwickelt wurde. Und Poiret gilt als einer der Vorläufer der dispensationalistischen Konzeption, die dann ab etwa 1830 von John Nelson Darby entfaltet wurde. Somit ist zumin­dest so viel klar, dass weder die Grundge­danken einer schematisierten Bundesthe­ologie, noch die eines systematisierten Dispensationalismus ein hohes Alter oder eine altehrwürdige orthodoxe Verbreitung für sich beanspruchen können. Sie sitzen in dieser Hinsicht im selben Boot.

Die Rechtgläubigkeit und Schriftge­mäßheit einer Lehre ergibt sich nicht aus dem Alter oder dem ersten Erscheinen die­ser Lehre. Dann hätten die Katholiken in mancher Hinsicht die Argumente in Lehr­fragen auf ihrer Seite. Das Wann der Er­kenntnis einer christlichen Lehre, öffent­lich auf Konzilien, im gottesdienstlichen Rahmen oder in der Gemeinde, ist überhaupt nicht essentiell oder gar ein Beleg für ihre Richtigkeit. Das gilt für die Bundestheologie genauso wie für den Dispensationalismus. Viele zentra­le christliche Lehren sind erst später nach der apostolischen Zeit in der Kirchenge­schichte als Erkenntnisse des Schriftstudi­ums entdeckt und ausformuliert worden. Andere wiederum wurden erst nach Jahr­hunderten der Vergessenheit wiederent­deckt, weil sie mitunter schon unmittelbar nach dem Tod der Apostel vergessen wor­den waren (vgl. den Brief des Paulus an die Römer mit dem Barnabasbrief aus Rom an andere Gläubige nur wenige Jahrzehnte nach Paulus. Inhaltlich, v. a. im Blick auf das Heilsverständnis, liegen zwischen beiden Briefen Wel­ten).

Dennoch können später ent­deckte Einsichten klare und un­umstößliche Wahrheiten des of­fenbarten Wortes Gottes aus­drücken und sind oftmals her­vorragende Wiedergaben der biblischen Apostellehre (Apg 2,42; 2Tim 2,2). Vergleiche bei­spielsweise das mehr als 300 Jahre andauernde ernsthafte Ringen in der Schriftauslegung bis zur Klarheit, dass der christliche Gott sich als Geheimnis „Drei in Eins“ offenbart hat (Vater, Sohn, Heili­ger Geist), obwohl dies schon von Anfang an in der Schrift vorlag, aber noch nicht sofort von der Gemeinde in allem ergriffen werden konnte. Oder man betrachte die Rechtfertigung allein aus Glauben im lu­therisch-reformatorischen Sinn als Reso­nanz der biblisch-paulinischen Lehre. Jahrhunderte lang war diese Wahrheit ver­gessen gewesen, vieles im Detail sogar so noch nie „erfasst“ worden, bis sie 1520 das Licht der Öffentlichkeit erblickte. Dennoch wollen Aussa­gen solcher Art be­tonen, dass sie zentral in der biblischen Of­fenbarung verwurzelt sind, gegründet auf der Lehre der Apostel.

Der Heilige Geist führt in alle Wahr­heit. Doch dauert es gelegentlich etwas länger, bis die Kinder Gottes alle Facetten dieser Wahrheit begreifen und ausspre­chen können. Wichtig ist, ob das, was Christen bekennen und als Wahrheit aus­sagen, im Wort Gottes der Bibel gegründet ist, nicht jedoch in erster Linie, wie alt eine Lehre ist.

Natürlich ist die Beobachtung der Bundestheologie, dass es so etwas wie bei­spielsweise einen Gnadenbund in der Schrift zu finden gibt, nicht grundsätzlich falsch. Doch eine Systematisierung der beiden Bünde vor und nach dem Sün­denfall, wie sie die Hauptströ­mung der heute gängigen Bun­destheologie behauptet und als leitende Auslegungsregel zur Heiligen Schrift voraussetzt, ist nicht so leicht und gewiss nicht ohne Probleme aus der Bibel ab­leitbar. Jedenfalls nicht mit mehr Berechtigung als die heilsgeschichtliche Betrachtung der Bibel im Dispensatio­nalismus.

Auch später entdeckte Einsichten können klare und unumstößliche Wahrheiten des offenbarten Wortes Gottes ausdrücken

Die Bibel kennt viele Bündnisse zwi­schen Gott und Menschen, doch einen Werks- oder einen Gnadenbund nach dem Konzept der Bundestheologie kennt die Bibel nicht ausdrücklich. Das bedeutet nicht, dass dieses Konzept deshalb nicht auch irgendwie nützliche Überlegungen enthält. Der Schriftbeweis wäre aber zu führen, um zu begründen, wie diese de­duktiv geschlussfolgerte Begrifflichkeit und die dahinterstehende Theologie bib­lisch gerechtfertigt werden könnten.

3.4 Zu den Auslegungsregeln der Bundestheologie

Gehen wir noch einen Schritt weiter. Ein wichtiger Aspekt der bundestheologischen Auslegung der Bibel ist die Regel, dass man prophetische Texte der Bibel nicht wörtlich, also nicht nach dem Wortsinn auslegen dürfe, sondern im übertragenen Sinn, also eher figurativ, metaphorisch, al­legorisch oder typologisch.28

Daraus er­gibt sich bei der Betrachtung des Alten Te­staments, dass es oft zu einer Gleich­setzung von Israel mit der neutestament­lichen Gemeinde kommt, obwohl dies vom Text her ursprünglich gar nicht beabsich­tigt gewesen ist. Die Debatte dreht sich al­so darum, wie „wörtlich“ die Bibel durch­gängig und konsequent gemäß dem biblisch-refor­matorischen Literalsinn­-Verständnis ausgelegt wer­den darf und wo ggf. Grenzen liegen (Gattungen, Genres usw.). Auch die sog. apokalyptischen Texte der Bibel stehen zur Debatte, inwiefern sie unter Berücksichti­gung ihrer bildhaften Sprache trotzdem im Blick auf die Ereignisabläufe, von denen sie sprechen, wörtlich ausgelegt werden dürfen, oder ob sie einer anderen Regel des Verstehens unterliegen.29

Deutlich zeigen sich auch die Folgen dieser Debatte in der Tatsache, dass die alt­testamentlichen Verheißungen an Israel beinahe vollständig als in der Gemeinde von Jesus „geistlich“ erfüllt angesehen werden und damit eine eigentliche oder zusätzliche wörtliche Erfüllung für Israel nicht erwartet wird. Ein Teil der Bundes­theologen behauptet zwar nicht die völlige Erfüllung der alttestamentlichen Verheißungen an Israel in der Kirche, sieht aber in der Kirche die geistlichen Anfänge dieser Erfüllung, die sich „auf der neuen Erde und im neuen Himmel“ – einem zusammenfassenden Synonym für den „Himmel“ – endgültig erfüllen werden, also im Zustand der Ewigkeit, da die Mehrheit der Bundesthe­ologen ein wörtliches tausendjähriges Reich usw. nicht erwartet.

Das Alte Testament wird durchgängig von den theologischen Vorstellungen des Neuen her interpretiert

Insgesamt wird ausdrücklich betont, dass die Idee des Gnadenbundes bei der Auslegung der Bibel alle Stellen bestim­men soll. Daraus sollen dann Konsequen­zen für andere Bereiche der christlichen Lehre bzw. des moralischen Lebens gezo­gen werden. Das bedeutet konkret, dass das Alte Testa­ment durchgängig von den theologischen Vorstellungen des Neuen her interpretiert wird. So wird das Neue Testa­ment in das Alte hineingele­sen und zwar so, als stünden dort die glei­chen Konzepte, Inhalte und Offenba­rungen wie im Neuen. Die progressive, fortschreitende Offenbarung Gottes, von der wir an anderer Stelle sprachen, wird damit ignoriert. Auf diese Weise wird im Grunde eine künstlich konstruierte und vorurteilsbehaftete Exegese betrieben, die unterschiedliche Bibeltexte uminterpre­tiert und in sie eigentlich nicht vorhandene Gedanken hineinliest.

Dass die reformierte Bundestheologie mit ihren genannten Auslegungsregeln wirklich eine angemessene Kritik oder we­nigstens eine Korrektur am heilsge­schichtlich-dispensationalistischen Bibelverständnis sein kann, muss an dieser Stelle ernsthaft in Frage gestellt werden. Wir werden diese Kritik aber dennoch als mögliches Korrektiv im Auge behalten, wenn es positiv darum ge­hen wird, eine eigene, der Bibel ange­messene heilsgeschichtliche Sicht zu prä­sentieren.

4. Zusammenfassung der Kritik an der Heilsgeschichte

Wir haben es mit unterschiedlichen Vor­aussetzungen zu tun, wie die Bibel ausge­legt und verstanden werden soll. Selbst un­ter denen, die sich gemeinsam der Autorität und Norm der Heiligen Schrift als dem Wort Gottes vorbehaltlos unter­stellen, gibt es unterschiedliche Ansätze, wie die Bibel nach ihrem offenbarten Selbstverständnis auszulegen ist. Diese Beobachtung ist sicherlich bedauerlich. Daher sollte bei allen Diskrepanzen in die­sen Fragen das brüderliche Ringen um Wahrheit im Vordergrund stehen, jeden­falls auf keinen Fall die Herabwürdigung der Glaubensgeschwister, die auf gleicher Grundlage stehen und um Wahrheit in De­tailfragen der biblischen Offenbarung rin­gen.

Wir haben kurz beleuchtet, wie die Kri­tik an heilsgeschichtlicher Theologie ent­weder aus einer eher liberalen, historisch- kritisch orientierten, teilweise philoso­phisch geprägten Richtung kommen kann oder – gegenüber dem heilsgeschicht­ lichen Dispensatio­nalismus – aus ei­ner eher konfessionell reformiert-bundes­theologischen Richtung. Nicht jede Infragestellung eines heilsgeschichtlichen Schriftverständnisses im Allgemeinen bzw. der des Dispensationalismus im Be­sonderen geschieht daher unter gleichen Vorzeichen. Auch Mischformen dieser kri­tischen Sichtweisen kommen vor, bei der konfessionalistische und historisch-kriti­sche Vorurteile eine Allianz eingehen. Eine Diskussion zwischen Personen, die unter­schiedliche Ansätze der Schriftauslegung vertreten, muss sich also zunächst einmal über ihre eigenen Voraussetzungen klar werden, um in einem Gespräch gegenseiti­ges Verstehen erreichen zu können.

Bei allen Diskrepanzen in diesen Fragen soll das brüderliche Ringen um Wahrheit im Vordergrund stehen, jedenfalls auf keinen Fall die Herabwürdigung der Glaubensgeschwister, die auf gleicher Grundlage stehen und um Wahrheit in Detailfragen der biblischen Offenbarung ringen

Trotz aller historischen, theologischen und/oder historisch-kritischen Bedenken, halten wir in Übereinstimmung mit dem biblischen Selbstverständnis fest, dass die Lektüre und die Beobachtung des kanoni­schen Bibeltextes voraussetzt, dass es „Heilsgeschichte“ aufgrund des Redens, Handelns und Ergreifens Gottes tatsäch­lich gab, gibt und geben wird. Heilsge­schichtliches Denken ist zum Verstehen der Bibel sowie zum Verstehen des offen­barten Handelns und Redens Gottes in der Geschichte gegeben. Wir halten daher an der heilsgeschichtlichen Bibelauslegung als biblisch verwurzelt und sachgerecht fest, weil die Gründe, die gegen sie vorge­bracht werden, nicht wirklich schlüssig sind.


Buch_Heilsgeschichte_verstehen2008 gab die Christliche Ver­lagsgesellschaft Dillenburg ein Werk zweier Dozenten der Freien Theologischen Hochschule in Gießen heraus, das sich mit grundlegenden Fragen der Heilsgeschichte auseinandersetzt: „Heilsgeschichte verstehen. Warum man heilsgeschichtlich denken sollte, wenn man die Bibel nicht miss­verstehen will.“ Siehe dazu unsere Rezension in „Bibel und Gemeinde“ 1/09 S. 35f. Wir drucken mit freundlicher Genehmigung des Verlags Teile eines Kapitels daraus ab, das sich mit der Kritik an Heilsgeschichte befasst. Diese Texte (S. 131-145) wurden von Bert­hold Schwarz verfasst und werden hier leicht gekürzt wiedergegeben. d. Red.


  1. A. Wenz: „Die Wahrheitsfrage im Spannungsfeld von Schriftautorität und neuzeitlicher Her­meneutik“, in: Lutherische Beiträge 1/2006, S. 33-55. 

  2. Ebd., S. 33. Der Repräsentant dieser bibelkritischen Hermeneutik – einer von viele – ist Jörg Lauster in seiner Habilitationsschrift Prinzip und Methode. Die Transformation des protestan­tischen Schriftprinzips durch die historische Kritik von Schleiermacher bis zur Gegenwart, HUTh 46, Tübingen 2004. 

  3. J. Lauster: Prinzip und Methode (2004), S. 18. 

  4. A. Wenz, Wahrheitsfrage (2006), S. 33 

  5. H. Ott: Art. „Heilsgeschichte“, in: RGG3III(1959), Sp. 188. 

  6. Ebd. 

  7. Ebd., Sp. 188-189. 

  8. Ebd., Sp. 189. 

  9. Ebd. 

  10. Rudolf Bultmann: „Rez. von: Wendland, H. D. Geschichtsauffassung und Geschichts­bewußtsein im Neuen Testament“, in: ThLZ 64 (1939), S. 254 (S. 252-256). Später ähnliche Gedanken bei Bultmann: „Heilsgeschichte und Geschichte“, in: ThLZ 11 (1948), Sp. 659-666 oder ders.: „Neues Testament und Mythologie“, in: Kerygma und Mythos, 1960, S. 17ff. 

  11. So formulierte es auch der Bultmann-Schüler und Neutestamentler Ernst Fuchs: „Christus als Ende der Geschichte“, in: EvTh 1948/49, S. 447-461. Fuchs kritisiert damit die heilsgeschicht­liche Theologie Oscar Cullmanns mit seiner Anschauung von „Christus als Mitte der Zeit“. 

  12. Gerhard Sauter: Zukunft und Verheißung. Das Problem der Zukunft in der gegenwärtigen theo­logischen Diskussion, Zürich/ Stuttgart 1965. 

  13. Ebd., S. 163. Vgl. umfassend die Diskussion im Buch auf den Seiten S. 149-184; vgl. auch S. 253-255. 

  14. Ebd., S. 255. 

  15. G. Sauter, Zukunft und Verheißung (1965), S. 170-177. Diese Kritik ist u.a. auch gerichtet ge­gen Oscar Cullmann, Christus und die Zeit. Die urchristliche Zeit- und Geschichtsauffassung, 3. Aufl. Zürich 1962. 

  16. Die Kritik am Begriff „linear“ im Blick auf die Geschichte richtet sich gegen ein Zeitverständ­nis, das „Zeit als fortlaufende Linie“ begreifen will. Dieser Zeitbegriff dürfe jedenfalls nicht als der theologische Zeitbegriff angesehen werden. 

  17. Vgl. dazu u.a. G. Ebeling: „Zeit und Wort“, in: ders.: Wort und Glaube, Bd. 2: Beiträge zur Fun­damentaltheologie und zur Lehre von Gott, Tübingen 1969, S. 127. 

  18. G. Ebeling: „Der Grund christlicher Theologie“, in: ders.: Wort und Glaube, Bd. 2: Beiträge zur Fundamentaltheologie und zur Lehre von Gott, Tübingen 1969, S. 84. So ähnlich betont es auch G. Sauter: „Es kann als erwiesen gelten, dass die (…) Merkmale überlieferten heilsge­schichtlichen Denkens der Zukunft – nämlich lineares Schema der Zeit, Unumkehrbarkeit und Unwiederholbarkeit des Geschehensverlaufs zwischen Schöpfung und Vollendung – den Charakter des abendländischen Geschichtsbewusstseins wesenhaft begründet und geprägt hat“, a.a.O., S. 184. 

  19. Ebd., 85. Vgl. auch G. Ebeling: Zeit und Wort, in: ders.: Wort und Glaube, Bd. 2: Beiträge zur Fundamentaltheologie und zur Lehre von Gott, Tübingen 1969, S. 121-137. 

  20. Herkunft dieses Ausdrucks aus der deutschsprachigen Brüderbewegung. 

  21. H. Ott: Art. „Heilsgeschichte“ (1959), Sp. 188. 

  22. Im Deutschen wird gewöhnlich von der (nachreformatorischen) „Föderaltheologie“ gespro­chen, siehe z. B. G. Schrenk: Gottesreich und Bund im älteren Protestantismus (1922); E. Graf v. Korff: Die Anfänge der Foederaltheologie, Bonn 1908; vgl. auch G. Weth: Die Heilsgeschichte (1931). Siehe auch J.F. Gerhard Goeters: Art. „Föderaltheologie“, in: TRE 11 (1983), S. 246- 252. 

  23. Otto Weber: Grundlagen der Dogmatik, Bd. I, 6., unver. Aufl. Neukirchen-Vluyn 1983, S. 287. 

  24. Ebd., S. 340 

  25. P. Jacob: Art. „Bund“. IV. Föderaltheologie, dogmengeschichtlich, in: RGG3 1 (1986), Sp. 1518-1520. 

  26. Ebd. 

  27. Ebd., Sp. 1519. 

  28. C. C. Ryrie: Dispensationalism (1995), S. 85. 

  29. Siehe dazu die gründlichen Gedanken bei H. Stadelmann: Evangelikales Schriftverständnis (2005), S. 219-236.