ThemenGemeindeleben

Die Diakonie der frühen Christen als Herausforderung für die Gemeinde heute

Was wir von den ersten Christen in Sachen Nächstenliebe lernen können …

1. Nächstenliebe als Kennzeichen des neutestamentlichen Christen

Für Jesus steht die Nächstenliebe als wichtigstes Gebot gleichrangig neben der Gottesliebe (Mt 22,36ff.). Damit nimmt Jesus einen Grundsatz auf, der schon im Alten Testament konkrete Taten des Glaubens fordert, ohne die Frömmigkeit zur leeren Farce zu werden droht. Frauen, Fremde, Arme und andere Schutzbedürftige genießen die besondere Aufmerksamkeit Gottes.

Jesus fordert seine Jünger dazu auf, einander zu dienen (Mt 20,25f.; Lk 22,25ff.; Joh 13) so wie er ihnen gedient hat. Damit meint Jesus sowohl eine geistliche als auch eine materielle Zuwendung. In seinen Worten vom Endgericht wird die diakonische Tätigkeit (Hungernde speisen, Gefangene besuchen …) sogar zum Bewertungsmaßstab von Errettung und Verwerfung (Mt 25,40.45).

In der noch kaum organisierten Gemeinde werden schon bald verantwortliche Diakone eingesetzt, die sich um die Unterstützung der Bedürftigen kümmern sollten (Apg 6,1-6). Die Gemeinde versorgt Witwen und Waisen (Jak 1,27). Von Paulus werden mehrfach Christen wegen ihres praktischen Dienstes hervorgehoben (Röm 16,1f.; 1.Kor 16,15). Manche Christen scheinen auch eine besondere Gabe der Hilfeleistungen durch den Heiligen Geist erhalten zu haben (Röm 12,8; 1Kor 12,28). So werden im Neuen Testament sowohl die Verkündigung als auch die praktisch diakonische Hilfeleistung als Diakonie bezeichnet (z. B. Apg 20,24).

Alle Christen werden im Neuen Testament dazu aufgefordert, Arme zu unterstützen, Gastfreundschaft zu üben (Röm 12,13; 16,1f.; 1Petr 4,9; 3Joh) und ihren Glauben durch Taten der Liebe unter Beweis zu stellen (Jak 2,14ff.). Ihr vorbildliches Leben soll die Menschen ihrer Umgebung auf Gottes Liebe aufmerksam machen (1Petr 2,12).

2. Nächstenliebe als Zeichen glaubwürdigen Christseins

 „Wir aber helfen, wenn wir können, allen, die Mangel haben“, bekennt Justin in seiner Apologie um 150 n.Chr.

Jesu Vorleben vollkommener Nächstenliebe lässt die Menschen ahnen, was von ihnen allen gefordert ist. So beginnen viele zu verstehen, wie sie ihren Teil beitragen können, um der Not und dem Elend zu begegnen. Immer wieder fordern die Kirchenväter der ersten Jahrhunderte besitzende Christen dazu auf Bedürftigen aller Art persönlich zu helfen. Justin der Märtyrer erwähnt in diesem Zusammenhang Geld und Naturalien, die regelmäßig an die Armen weitergegeben wurden. Hippolyt erwähnt einen festen Besuchsdienst für Alte, Schwache und Kranke in seiner Gemeinde. Arbeitslose und Durchreisende werden versorgt, bis ihnen eine neue Tätigkeit vermittelt werden kann. „Wir aber helfen, wenn wir können, allen, die Mangel haben“, bekennt Justin in seiner Apologie um 150 n.Chr.

Tertullian berichtet, dass Christen „Straße für Straße in fremde und gerade die ärmsten Häuser eintreten, um die Brüder zu besuchen“.

„Tag und Nacht überall umherspähend, weder die Armen verachtend noch der reichen Person ansehend; sie sollen den Notleidenden erkennen und nicht von dem Anteil an der Gemeindekollekte ausschließen, die Vermögenden aber nötigen, zu guten Werken zurückzulegen.“

Gemeindeleiter werden in der frühen Kirche dazu aufgefordert nicht nur die Versorgung der Bedürftigen zu übernehmen, er soll den Waisen wie eine richtiger Vater werden: die elternlosen Jungfrauen soll er mit einem jungen Christen verheiraten und den Jungen eine Berufsausbildung ermöglichen. Geholfen wurde nicht nur eigenen Gemeindeangehörigen, sondern auch Christen aus anderen Kulturen und Ländern, so wie ungläubigen Zeitgenossen. Besonders erwähnt wird beispielsweise die tatkräftige Hilfe von Christen aus Karthago für verschleppte numidische Christen 253.

3. Sklavenfreikauf und Gefangenenbetreuung

Gefangene und Zwangsarbeiter in den römischen Bergwerken werden regelmäßig, selbst unter großen Entbehrungen, besucht, versorgt und wenn möglich freigekauft. Es sind Beispiele bekannt, wo Christen sich selbst im Austausch gegen einen unter der Sklaverei leidenden Bruder angeboten haben. Anderenorts sammelte die Gemeinde für den Freikauf gläubiger Sklaven oder reiche Gönner finanzierten die Transaktion. Das Engagement der Christen war dermaßen bekannt, dass auch zahlreiche Schwindler von der Unterstützung der Gefangenen und Sklaven profitierten.

Gefangene und Zwangsarbeiter in den römischen Bergwerken werden regelmäßig, selbst unter großen Entbehrungen, besucht, versorgt und wenn möglich freigekauft.

Der Einsiedler Antonius engagiert sich für die gefangenen Christen währende der letzten großen Verfolgung am Anfang des 4. Jahrhunderts. Die Soldaten lassen den alten Mann gewähren, sodass er den Christen praktisch helfen und sie trösten kann. Einmal begleitet er eine Gruppe gefangener Christen auf ihrem Weg nach Alexandrien. Monatelang kümmert er sich um sie und begleitet sie im Gefängnis und in den Gerichtssälen. Er bekommt Zugang zu den Zellen, teilt dort Brot aus und tröstet die leidenden Christen mit Gebet und Zuspruch. Besondere Fürsorge widmet Antonius den Kranken, Verwundeten und Verstümmelten. Vor Gericht tröstet er die Verurteilten und begleitet sie bis zur Hinrichtung. Die zur Zwangsarbeit verurteilten Christen besucht Antonius in den Bergwerken. Immer wieder übernimmt er die Arbeit für einen erschöpften Gefangenen bis die Aufseher ihn vertreiben. Nach dem Ende der Verfolgung erinnern sich viele an den selbstlosen Dienst des Antonius und bis zu seinem Tod wird er ein gefragter und glaubwürdiger Seelsorger, dessen Rat selbst von den Vornehmen und Reichen der Römischen Gesellschaft gesucht wird.

In demselben Jahr, in dem die Pest ganz Nordafrika heimsucht, durchziehen räuberische Horden die nubidischen Grenzgebiete. Die verunsicherten Überlebenden werden getötet oder als Sklaven verkauft, unter ihnen befinden sich auch zahlreiche Christen. Obwohl selbst schwer unter der Pest leidend lassen sich die Christen in Karthago von dem Leiden ihrer fernen Glaubensgeschwistern betreffen.

„Daher müssen wir jetzt die Gefangenschaft unserer Brüder als unsere eigene Gefangenschaft betrachten und den Schmerz der Gefährten für unseren eigenen Schmerz halten.“

Weiter schreibt Cyprian:

„So müssen wir in unseren gefangenen Brüdern Christus erblicken und ihn aus der Gefahr des Todes erlösen.“

Innerhalb kurzer Zeit sammelt die selbst finanziell ausgeblutete Gemeinde 100.000 Sesterzen, die sie zum Freikauf versklavter Christen in den Süden schicken. Tausende von Christen erlangen durch die Opferbereitschaft der Gemeinde wieder ihre Freiheit. Candidus, Bischof von Sergiopolis, kaufte auf einmal 12.000 Gefangene für 14.400 Solidi frei.

Nachdem die Verfolgung der Christen im Römischen Reich vorüber war, begann der Staat den kirchlichen Schutz der Armen und Verfolgten vor ihren Schuldnern zu akzeptieren. Dreißig Tage konnte ein flüchtiger Sklave oder ein verarmter Bauer den Schutz der Kirche genießen und auf ihre Kosten versorgt werden. Ging es um kleinere Summen, löste die Gemeinde in vielen Fällen die Schuld ein, sodass der Flüchtling frei seines Weges ziehen konnte. Zuerst galt nur der Kirchenraum selbst als Asyl. Weil es jedoch störend war, wenn zahlreiche Flüchtlinge am Altar schliefen oder in der Kirche aßen, tranken und sich unterhielten, wurden später die Nebengebäude der Kirche, die Wohnung des Gemeindeleiters und schließlich 30 Meter um die Gebäude herum zum Asylraum erklärt, in dem niemand Waffen tragen oder einen anderen Menschen verfolgen durfte. Verbrechern wurde natürlich der Schutz der Gemeinde entzogen und sie wurden ausgeliefert.

Für Ambrosius sind die Werke der Nächstenliebe wichtiger als ein angenehmes Leben oder wohlverdienter Wohlstand

Für Ambrosius sind die Werke der Nächstenliebe wichtiger als ein angenehmes Leben oder wohlverdienter Wohlstand:

„Weit nützlicher ist es, dem Herrn Seelen zu erhalten, als Gold aufzubewahren. Denn der die Apostel ohne Geld aussandte, hat auch ohne Gold die Kirche gesammelt. Gold Besitz die Gemeinde nicht, um es zu bewahren, sondern es zu spenden und in Nöten damit zu helfen. Würde der Herr uns nicht fragen: Warum hast du so viele durch Hunger sterben lassen? Warum sind so viele Gefangenen fortgeführt und nicht freigekauft? Warum wurden so viele durch den Feind getötet? Besser wäre es gewesen, dass du die lebendigen als die metallenen Gefäße bewahrt hättest. Was willst du antworten? Etwa: Ich fürchtete, es möchte dem Tempel Gottes an dem nötigen Schmuck fehlen? Würde er nicht erwidern: Das Opfer Gottes benötigt kein Gold, es gefällt auch nicht um des Goldes willen, da es nicht mit Gold erkauft ist … die lange Liste der Losgekauften ist edler als aller Glanz des Goldes.“

4. Krankenversorgung und Begräbnishilfe

In Krisenzeiten hob sich die praktizierte Nächstenliebe der Christen wohltuend vom Egoismus ihrer Umwelt ab.

In Krisenzeiten hob sich die praktizierte Nächstenliebe der Christen wohltuend vom Egoismus ihrer Umwelt ab. Ließen die Heiden selbst ihre noch lebenden Angehörigen bei der Pestepidemien von Alexandrien (259), von Kleinasien (312) und von Karthago im Stich oder warfen sie auf die Strassen, kümmerten sich die Christen unter Aufopferung ihres eigenen Lebens um die Kranken und Sterbenden. Dionysius berichtet:

„Die meisten unserer Brüder schonten aus übergroßer Nächsten- und Bruderliebe sich selbst nicht und hielten zusammen, besuchten unbesorgt von Ansteckung die Kranken, leisteten ihnen ausgezeichnete Dienste, pflegten sie in Christo und schieden so mit jenen aufs freudigste aus dem Leben, indem sie sich mit den Leiden der anderen erfüllten, die Krankheit von ihren Nächsten auf sich selbst lenkend und deren Schmerzen freiwillig auf sich nahmen. Und viele starben, nachdem sie andere in ihrer Krankheit gepflegt und gestärkt hatten, selbst den Tod jener auf sich übertragend.“

Selbst der gegen die Christen vorgehende Kaiser Julian bezeugt, dass „die gottlosen Galiläer außer ihren Armen auch die unsrigen ernähren, die unseren aber unserer eigenen Hilfe entbehren.“ Im Jahr 253 erfasst die Pest auch Karthago. Cyprian kritisiert die habgierigen Heiden, die ihre Pestkranken Angehörigen verlassen und die Häuser der Verstorbenen hemmungslos plündern. Die Christen seiner Gemeinde hingegen pflegen die Kranken und trösten die Sterbenden, ganz gleich ob es sich um Christen oder Heiden handelt. Um effektiver helfen zu können gründet Cyprian in Alexandrien ein durchorganisiertes Hilfswerk, in dem jeder einer spezialisierten Aufgabe nachgehen kann.

Im Jahr 370 gründet Basilius von Caesarea eine „neue Stadt, die Vorratskammer der Frömmigkeit“ in der Fremde, Arme und Leprakranke betreut werden.

Im Jahr 370 gründet Basilius von Caesarea eine „neue Stadt, die Vorratskammer der Frömmigkeit“ in der Fremde, Arme und Leprakranke betreut werden. Vor den Toren der Stadt lässt er ein Krankenhaus bauen. Um das Hauptgebäude herum entstehen Häuser für Fremde, Obdachlose, Kranke, Arme und Aussätzige. Basilius stellt auch Ärzte, Pfleger und Handwerker an, um den leidenden Menschen optimal helfen zu können. Er ist sich auch nicht zu schade selbst mit Hand anzulegen. Bewusst arbeitet er in der Pflege mit, tröstet Sterbende und Angehörige, predigt und nimmt sich zeit für die Seelsorge an den Menschen die Gott ihm anvertraut hat. Ohne eigenes Vermögen werden die Kosten für den Unterhalt der Anstalten von eingehenden Spenden gedeckt. Freunde erkennen die Notlage und gründen Häuser für Alte, psychisch Kranke, Behinderte und Vertriebene. Viele eifern ihm nach, sodass bald eine ganze Reihe ähnlicher Einrichtungen entstehen, die nicht mehr einer einzelnen Gemeinde unterstehen. Hieronymus eröffnet eine christliche Herberge in Bethlehem (386), Fabiola ein Krankenheus in Rom (390).

Chrysostomus lässt am Ende des 4. Jahrhunderts gleich mehrerer Hospitäler bauen. Er sieht die Not seiner Zeitgenossen und will vor allem „den Armen helfen, die halbnackt, verstümmelt auf den Strassen und Plätzen die Nächte verbringen müssen, obwohl sie vor Hunger und Kälte aufschreien.“ Durch seine Bemühungen werden dauerhaft 5000 Bedürftigen geholfen. Ständig ist er auf der Suche nach neuen Mitarbeitern für seine Einrichtungen.

Christen sind nicht auf die Anerkennung der Lebenden aus, sie kümmern sich auch um die Verstorbenen. Sie übten die in der Antike hochgeschätzte Begräbnispflicht, auch an Unbekannten.

5. Armenspeisungen und Obdachlosenasyle

Eusebius erwähnt, dass allein die römische Gemeinde um 250 rund 1500 Hilfsbedürftige versorgte. Schon bald werden eigene Sozialstationen eingerichtet, die der heidnischen Kaiser Julian (4. Jh.) nachahmt, um den Zulauf zu christlichen Gemeinden einzudämmen.

Wie zahlreiche Christen seiner Zeit erkennt Basilius die Verführungskraft von Geld und Besitz. So gibt er alles den Armen und zieht sich nach dem Vorbild Jesu mittellos in die Einöde zurück. Im Jahr 364 kommt er nach Cäsarea in Kappadozien, wo in dieser Zeit eine durch Trockenheit verursachte Hungersnot herrscht. Durch seine Predigten vermag er die Reichen zu überzeugen, durch Spenden das Überleben der Hungernden zu sichern. Basilius lässt in großen Töpfen Gemüse und Pökelfleisch kochen und verteilt es über ein ganzes Jahr hinweg an die Bedürftigen der Stadt. Während die Hungrigen essen steht er bei ihnen und predigt das Wort Gottes, sodass sich zahlreiche Menschen bekehren und versprechen als ernsthafte Christen zu leben. Basilius erkennt weitere soziale Defizite.

Ambrosius von Mailand legt sich im 4. Jahrhundert mit den Behörden mehrerer Städte an indem er fordert, bedürftige Fremde und Obdachlose nicht mehr wie bisher einfach auszuweisen, um den Bürgern den Anblick des Leides zu ersparen, sondern zu unterstützen.

Ambrosius von Mailand legt sich im 4. Jahrhundert mit den Behörden mehrerer Städte an indem er fordert, bedürftige Fremde und Obdachlose nicht mehr wie bisher einfach auszuweisen, um den Bürgern den Anblick des Leides zu ersparen, sondern zu unterstützen. Um sie zu erweichen redet er seinen Zeitgenossen heftig ins Gewissen:

„Die wilden Tier betrachten die Nahrung, welche die Erde bietet, als allen gemeinsam, sie sind auch hilfreich gegen ihresgleichen. Der Mensch aber will feindselig sein.“

In einer Hungersnot scheut Ambrosius nicht einmal davor zurück die heiligen Kirchengefäße zu verkaufen, um mit dem Erlös Nahrungsmittel für die Armen zu erstehen.

Severin kümmert sich um die Menschen, die auf dem Gebiet des heutigen Österreichs leben. Nachdem die Macht des Römischen Reiches zu bröckeln beginnt, stoßen immer mehr germanische Heere vor, denen die Bevölkerung schutzlos ausgeliefert ist. Severin zieht mit den Flüchtlingen, um sie zu trösten und zu ermutigen. Diejenigen, die noch etwas besitzen sind gerne bereit Severin einen Teil davon für seine Arbeit zu überlassen. Davon kauft er Brot und Kleidung, die er unter den Ärmsten verteilt. Gefangene begleitet er auf ihrem Weg und bemüht sich sie mit Geld auszulösen. Über seine Kontakte zu Christen in beiden Armeen versucht Severin die Offiziere zur Milde zu bewegen. Manchmal hat er auf diese Weise Erfolg, anderenorts verurteilt er die hartherzigen und rücksichtslosen Heerführer in öffentlichen Reden. Als zu allem Überfluss auch noch die Pest ausbricht, kümmert sich Severin um die zurückgelassenen Kranken. Er selbst will ein Zeichen für die Liebe Jesu in seiner Umwelt setzen und nimmt nichts für sich. Er kleidet sich selbst in ärmlich Lumpen und geht selbst im Winter barfuss.

Schon lange bevor Martin von Tours in der Mitte des 4. Jahrhunderts seinen Soldatenberuf an den Nagel hängt, um sich vollzeitlich den leidenden Menschen zu widmen, beginnt er Nackten Kleider zu beschaffen, Gefangene freizulassen und Hungernde zu speisen. Von seinem Sold behält er nur das Allernötigste für sich selbst, alles andere investiert er für diejenigen denen es wirklich schlecht geht. Schließlich kommt es zu der bekannt gewordenen Szene, in der ihn ein ärmlich bekleideter Mann mitten im Winter um Erbarmen bittet. Martin zückt sein Schwert, trennt seinen Soldatenmantel in zwei Stücke und überlässt dem Bittsteller eines davon.

Nachdem Konstantin der Große den christlichen Glauben anerkannte, übernahmen die gemeindlichen Armendienste immer mehr die Verantwortung der versagenden staatlichen Ordnung. Bischöfe werden in die kommunale Verwaltung einbezogen und die Diakone organisieren städtische Armenspeisungen. Die Kirche sieht ihre Verantwortung für die Bedürftigen, die vom Staat immer mehr vernachlässigt werden. Zwischenzeitlich werden für die Diakonie eigene Gebäude errichtet, beispielsweise Obdachlosenunterkünfte und Armenbäder.

6. Diakonisches Engagement der Mönche

Auch die sich nun verbreitenden Klöster wenden sie den Bedürftigen zu. In der Nachfolge Jesu wollen die Mönche sich ganz Gott und dem Dienst am Nächsten widmen. Hier werden Arme gespeist, Reisende aufgenommen, Waise versorgt, Kinder ausgebildet usw. Den Werken der Barmherzigkeit aus Mt 25,35f. fügten sie noch das Begräbnis der Toten bei.

Die frühchristlichen Mönche arbeiten hart, um sich selbst zu versorgen und den Notleidenden zu helfen.

Die frühchristlichen Mönche arbeiten hart, um sich selbst zu versorgen und den Notleidenden zu helfen. Sie flechten Körbe, nähen Säcke, vervielfältigen wertvolle Schriften, weben und bebauen ihre Äcker. Chrysostomus beschreibt sie folgendermaßen: „nachdem sie allen irdischen Gütern entsagt haben, gebrauchen sie die Arbeit des Körpers zur Ernährung der Dürftigen. Sie teilen den Tag zwischen Gebet und der Hände Arbeit. Sie beschämen uns alle, Arme und Reiche, wenn sie, die nichts haben als ihre Hände, doch Einkünfte für die Armen gewinnen.“

Schon Benedikt von Nursia weist seine Mönche an:

„Alle ankommenden Gäste sollen wie Christus aufgenommen werden; er wird ja einmal sprechen: Ich war Fremdling, und ihr habt mich aufgenommen. … Der Aufnahme der Armen und Pilger widme man ganz besondere, gewissenhafte Sorge, denn in ihrer Person wird Christus noch mehr aufgenommen. Die Sorge für die Gastwohnung werde einem Bruder übertragen, dessen Seele von Gottesfurcht beherrscht ist.“

Im „Weißen Kloster“ bei Achmim in Oberägypten finden 20.000 Menschen Zuflucht vor den nubischen Truppen, die das Land überfallen und plündern, wobei sie alle töten, die sich ihnen in den Weg stellen. Schenute öffnet die Tore seines Klosters, sodass jede Scheune und jeder freie Winkel der Gebäude von Flüchtlingen besetzt wird. Nachdem die eigenen Vorräte verzehrt sind, kaufen die Mönche Nahrungsmitten aus der Umgebung für wöchentlich 25.000 Kupferdrachmen. Kinder werden geboren, Ärzte kümmern sich um die Verletzten und als sich die Nubier schließlich zurückziehen schenkt Schenute noch jedem Flüchtling eine kleine Geldsumme für den Neuanfang. Noch Jahre später bemüht er sich verschleppte Gefangene loszukaufen:

„Wie kauften in denselben Jahren hundert Kriegsgefangene los, so dass ihnen nichts fehlte, jeden für 400.000 Kupferdrachmen, abgesehen von dem Geld, das wir für Kleider, Verpflegung und Fährlohn aufwandten, bis man sie in ihre Heimat brachte.“

Immer wieder ermahnen die Prediger dieser Zeit die Christen dem Leiden gegenüber nicht abzustumpfen, sondern sich im Blick auf die nahe Wiederkunft Jesu im aufopferungsvollen Engagement bei Hungersnöten, Flüchtlingselend, Armut und Krankheit einzusetzen (z. B. Basilius und Gregor von Nazianz). Mit Recht kann Augustinus in seiner Zeit sagen:

„Alle fliehen zur Kirche in jeglicher Bedrängnis und Trübsal.“

Dem Vorbild dieser Glaubenszeugen folgen Tausende von Christen, die ihrerseits Hungernde speisen, Obdachlosen Unterkunft geben, Leidende Trösten, Kranke pflegen, Gefangene freikaufen usw. Viele geben ihr wohl gesichertes Leben auf, schließen sich mit Gleichgesinnten zusammen und widmen sich mit ganzer Energie ihrer Aufgabe. Aus den religiös geprägten Kommunitäten entstehen immer mehr Klöster, die ihre Aufgabe in der Förderung der Frömmigkeit und der Unterstützung Bedürftiger sehen

7. Nächstenliebe als Almosen aus dem schlechten Gewissen der Christen in der Überflussgesellschaft

Vielfach drängt sich heute der Eindruck auf, die liebende Zuwendung zu den leidenden Menschen ist lediglich zu einer unangenehmen Pflicht verkommen, derer man sich am einfachsten durch eine kleine Spende entledigt, mit deren Hilfe Andere irgendwo Hungernde speisen und Verzweifelte trösten können. Diese Gaben können auch zu Ablösesummen verkommen, die es dem westeuropäischen Christen erlauben sich weiterhin ohne Gewissensbisse seines Luxus zu erfreuen. Mit den Hinweisen auf die Fürsorgepflicht des Staates, den „Tropfens auf dem heißen Stein“ bezüglich der materiellen Armut in den Ländern der „Dritten Welt“ und den chronischen Mangel an Zeit, bleiben die meisten Obdachlosen auf den Straßen, die Alleinerziehenden in den Wohnungen, die Arbeitslosen ohne Beschäftigung, die Straßenkinder ohne Liebe; ganz zu schweigen von den verfolgten und hungernden Christen weltweit, denen die bloße Betroffenheit westlicher Christen sicher wenig weiterhilft.

Auch wenn in Deutschland wenige Menschen hungern müssen, bleibt die Verantwortung für die leidenden Menschen in der Welt und sind die Möglichkeiten von christlichem Kinderhort, christlichem Hospiz, christlicher Schwangerschaftskonfliktberatung, Arbeitsvermittlung usw. bei weitem noch nicht ausgeschöpft, ganz zu schweigen vom Besuch vereinsamter Nachbarn, tätiger Nachbarschaftshilfe, kurz dem emotionalen und zeitlichen Einsatz für materiell und seelisch notleidende Menschen.

„Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her ihr gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben … Was ihr getan habt einem unter diesem meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,34ff.)

Literatur:

  • Erich Beyreuther: Geschichte der Diakonie und Inneren Mission in der Neuzeit, 2 Bände, Berlin 1962.
  • Herbert Krimm: Das diakonische Amt der Kirche, 2 Bände, Stuttgart 1953 / 1965.
  • Gerhard Uhlhorn: Die christliche Liebestätigkeit, 3 Bände, Stuttgart 1882-1890, Nachdruck Neukirchen 1959.
  • Heinz Vonhoff / Hans Joachim Hofmann: Samariter der Menschheit. Christliche Barmherzigkeit in Geschichte und Gegenwart, München 1977.