Noch nicht alle Christen haben gemerkt, dass wir in der so genannten Postmoderne angekommen sind. Für unsere Beobachtung ist besonders das Aufkommen einer neuen Religiosität von Interesse. Es wird nicht mehr lange als schick gelten, einen gemäßigten Atheismus zu pflegen. Viele Menschen sind längst wieder religiös und pflegen dabei einen Glauben, der zwar himmelweit vom biblischen Glauben entfernt ist, aber kein Problem damit hat, christliche Begriffe und Inhalte aufzunehmen. Man kann Jesus verehren und hat kein Problem, zugleich andere Religionen zu bewundern.
Lesen Sie eine erweiterte Fassung dieses Artikels mit zahlreichen Literaturangaben.
Nun scheint es auch so, dass in vielen Kirchen eine neue Generation Pfarrer herangewachsen ist. Sie sind keine kämpfenden Bultmann-Schüler oder Befreiungstheologen, sondern Leute, die das Religiöse auf christlicher Ebene pflegen wollen. Wenn sie davon sprechen, dass sie missionieren oder evangelisieren wollen, dann geht es vielen von ihnen eigentlich darum, dass der religiöse Zeitgenosse eine Heimat für die Ausübung seiner Religion in einer christlichen Kirche findet. Oft hört man hier eine Sprache, die dem evangelikal geübten Ohr gut klingt und entdeckt das ganz „andere Evangelium“ erst bei genauerem Hinschauen.
Man kann Jesus verehren und hat kein Problem, zugleich andere Religionen zu bewundern.
Interessanterweise ist es ein Theologe des 19. Jahrhunderts, der zum Verständnis dieser Entwicklungen eine Menge beitragen kann wie kein anderer. Er hat in seinem System die moderne Theologie und die moderne Religiosität vorweggenommen und mitgeprägt. Darum kann die Beschäftigung mit seiner Theologie auch eine Schneise schlagen helfen, sich im Dschungel der christlich geprägten Religion zurecht zu finden. Man beginnt zu verstehen, welche Rolle Jesus in dieser Religion spielen soll, warum man einerseits kein Problem mit der Vermischung der Religionen hat und andererseits doch christlich bleiben will. Dabei büßt die Heilige Schrift jede Autorität ein. Es wird klar, warum der Gott dieser Religion so unpersönlich erscheint und warum diese Religion keine Kraft zur Kritik der modernen Naturwissenschaft und Technik besitzt.
Schleiermachers theologisches System ist ein Versuch, ein neues Fundament für die theologische Wissenschaft zu legen.
Der Theologe heißt Friedrich Daniel Schleiermacher und sein theologisches System ist genial. Man kann Schleiermachers Theologie nur mit der Kenntnis seines Systems verstehen.1 Er formt die ganze christliche Dogmatik nach seinem Ansatz. Dabei schafft er der Religion und damit der Theologie eine sturmfreie Zone: Die Auseinandersetzung mit Wissenschaft und Philosophie sei nur beschränkt Aufgabe der Theologie. Ihr eigentlicher Bereich sei das Innere des Menschen im Hinblick auf seine religiösen Gefühle. Man kann sagen:
„Schleiermachers theologisches System bringt eine völlige Umgestaltung der traditionellen Dogmatik. Es ist ein Versuch, ein neues Fundament für die theologische Wissenschaft zu legen.
Aus diesem Grunde beginnt man auch erst seit Schleiermacher die Theologie als Wissenschaft zu betrachten, die den profanen Wissenschaften völlig gleichwertig ist.“ (Hägglund 1990, S.281).
Schleiermacher beruft sich deswegen kaum auf Dogmen- oder Theologiegeschichte. Er erklärt sie wohl und zeigt innerhalb seines Systems die Grundlage einzelner Dogmen auf, sucht für seine Überzeugungen aber keine Autoritäten. Trotzdem kann man feststellen, dass er viele philosophische Gedanken seiner Zeit verarbeitet hat: Kants Erkenntnistheorie, Fichtes Individualphilosophie, Schellings Naturphilosophie, Spinozzas Monismus, Herrnhutische Mystik, Romantik Schlegels, alles findet seinen Platz. Dabei bleibt Schleiermacher aber originär. Er kopiert kein System, sondern baut ein eigenes. Faszinierend wird das überall dort, wo es ihm gelingt, die hergebrachte Theologie plausibel darin unterzubringen. Theologiegeschichtlich betrachtet gab es nur wenige Theologen, die sich ausdrücklich auf ihn beriefen, aber viele, die direkt oder indirekt von ihm beeinflusst sind. Bis heute finden sich viele seiner Gedanken in der modernen evangelischen Theologie.
1 Leben und Werk Friedrich Daniel E. Schleiermachers
Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher wird am 21. November 1768 in Breslau geboren. Sein Vater war reformierter Militärprediger. Da er durch die Herrnhuter Brüdergemeine beeinflusst war, die von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700-1760) gegründet worden war, schickte er auch seinen Sohn auf Schulen der Herrnhuter Gemeinschaft. Schleiermacher war in Gnadenfrei, Niesky und Barby. Er distanziert sich aber von den Herrnhutern, wodurch es zum Streit mit seinem Vater kommt, geht nach Halle und studiert zwei Jahre Theologie.
Wie damals für angehende Pfarrer nicht unüblich, macht er 1790-1793 seine ersten Erfahrungen als Hauslehrer in Dohna (Westpreußen). Ab 1794 ist er Hilfsprediger in Landsberg (Warthe), hatte aber das ganze Pfarramt zu verwalten. Ab 1796 wird er Hilfsprediger am Charité-Krankenhaus in Berlin. In Berlin ist er mit Henriette Herz und Friedrich Schlegel befreundet und kommt in den Einfluss der Romantiker. Er verliebt sich in die Ehefrau (Eleonore) des Pfarrers Grunow, die seine Liebe erwidert, aber ihrem Mann treu bleibt.
Von November 1798 bis März 1799 entsteht sein Werk Reden über die Religion: an die Gebildeten unter ihren Verächtern. Obwohl das Buch erst anonym erscheint, wird der Name des Verfassers bald bekannt und das Werk kontrovers diskutiert. Man kritisiert besonders seinen pantheistischen und spinozistischen Zug.
1800 folgt mit den Monologen ein erstes philosophisch-ethisches Werk, das die Reden ergänzt, 1801 eine erste Sammlung von Predigten. Die unglückliche Liebe zu Eleonore Grunow ist der Auslöser für sein Verlassen Berlins.
1802 geht er als Hofprediger nach Stolpe in Hinterpommern, wo er sich mit der Übersetzung der Werke Platos beschäftigt und zwei unvorgreifliche Gutachten in Sachen des protestantischen Kirchenwesens verfasst. Außerdem grenzt er sich in Grundlinien einer Kritik der bisherigen Sittenlehre (1803) von Imanuel Kant (1724-1804) und Johann Gottlieb Fichte (1762- 1814) ab.
1804 wird Schleiermacher als Universitätsprediger und Professor für Theologie nach Halle berufen. Hier verfasst er die Weihnachtsfeier (1805), eine Art Christologie in Gesprächsform. Seine Reden erscheinen 1806 in der zweiten von ihm überarbeiteten Auflage (3. Aufl. 1821 mit eigenen Erläuterungen; 4. Aufl. 1831).
Als die Universität in Halle von Napoleon geschlossen wird, geht er 1807 wieder nach Berlin. (Die Beziehung zu E. Grunow hatte er 1805 abgebrochen). Hier erscheint seine erste exegetische Arbeit Über den sogenannten ersten Brief des Paulos an den Timotheos. 1809 heiratet er die Witwe seines Freundes Eberhard von Willich, der früh verstorben war und drei Kinder hinterließ. Im gleichen Jahr wird Schleiermacher Prediger an der Dreifaltigkeitskirche und ist Mitbegründer der neuen Friedrich-Wilhelms-Universität, wo er ab 1810 als Professor für Theologie lehrte. 1811 erscheint seine Kurze Darstellung des theologischen Studiums und 1821/22 die zwei Bände seiner Dogmatik Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche. 1829 werden seine berühmten Sendschreiben an Lücke gedruckt, in denen er seine Dogmatik erklärt, die er 1830/31 in der zweiten Auflage gründlich überarbeitet, aber inhaltlich unverändert, herausgibt.
Bis zu seinem Tod am 12. Februar 1834 ist Friedrich Schleiermacher in vielfältiger Weise tätig. An der Friedrich-Wilhelms-Universität liest er sowohl philosophische als auch – bis auf das Alte Testament – alle theologischen Disziplinen. Er unterrichtet Dialektik, Ethik, Pädagogik, Ästhetik, Psychologie, Philosophiegeschichte, Politik. An der Dreifaltigkeitskirche hat er den Konfirmandenunterricht zu erteilen und predigt regelmäßig vor den Gebildeten der Stadt.
Schleiermacher predigt regelmäßig vor den Gebildeten der Stadt.
Kirchenpolitisch mühte er sich um die Einigung der lutherischen und reformierten Landeskirchen, die dann 1817 eine Union bilden, wenn auch keine vollständige.
Seine Gesammelten Werke, die kurz nach seinem Tod herausgebracht werden, umfassen 11 Bände zur Theologie, 10 Bände Predigten und 9 Bände zur Philosophie. Neben den genannten Werken sind dort vor allem der handschriftliche Nachlass und Vorlesungs-Mitschriften editiert.
2 Der Religionsbegriff
Religion, das ist für Schleiermacher kein System von Lehrsätzen über Gott und die Welt, keine Sammlung moralischer Grundsätze, die allen Menschen gelehrt werden sollen und auf deren Einhaltung die Kirche zu achten hätte. Religion, das ist vielmehr, dass das Unendliche, Göttliche, die Gottheit, das Universum einen Eindruck im Menschen hinterlässt. Sie ist das tiefe Gefühl davon, dass da mehr ist, als was der Mensch mit seinem Verstand erfassen kann oder in seinen Taten zum Ausdruck bringt.
„Ihr Wesen ist weder Denken noch Handeln, sondern Anschauung und Gefühl“ (ÜdR 50).
Auch in seiner evangelischen Dogmatik geht es Schleiermacher zuerst um das fromme Gemüt und seine Zustände
Auch in seiner evangelischen Dogmatik Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche hat Schleiermacher erst in zweiter Linie Interesse an den Lehrsätzen.
Zuerst geht es ihm um das fromme Gemüt und seine Zustände. Die frommen Erregungen stehen im Mittelpunkt der Betrachtung, die Lehrsätze sind Ausdruck des religiösen Gefühls und sollen so untersucht werden, dass man nach dem Gefühl hinter ihnen fragt (Gl §§ 3-4).
„Die Frömmigkeit an sich ist weder ein Wissen noch ein Thun, sondern eine Neigung und Bestimmtheit des Gefühls“ (Leitsatz, § 8). „Das gemeinsame aller frommen Erregungen, also das Wesen der Frömmigkeit ist dieses, dass wir uns unserer selbst als schlechthin abhängig bewusst sind, das heißt, dass wir uns abhängig fühlen von Gott“ (Leitsatz, § 9).
Religion ist also ein bestimmter, im Menschen hervorgerufener Zustand, ein „Selbstbewusstsein“, das sich, wenn es nicht gehindert wird, zu immer „höherem Bewusstsein“ entwickelt. In diesem Sinn ist auch der Begriff „Gefühl“ zu verstehen2 Schleiermacher meint ein bestimmtes Selbstbewusstsein, dessen einziger Inhalt ist, dass es sich von Gott abhängig weiß. Nicht jedes Gefühl ist deshalb gleich frommes Gefühl. Es muss auf bestimmte Weise hervorgerufen sein und erhält dadurch eine quasi inhaltliche Bestimmung. Die fromme Gefühlsregung kommt bei der „Anschauung des Universums“ zustande. Dieser Begriff „ist die allgemeinste und höchste Formel der Religion“ (ÜdR 55). Vom Universum selbst wird das Gefühl ausgelöst und bestimmt. Erst wenn es sich „auf die Allheit des Handelns und auf dessen höchste Einheit“ bezieht, wenn „es vornehmlich die Beziehung jedes Erkenntniskreises auf das Ganze und auf die höchste Einheit des Erkennens ausdrückt, und sich also auf die höchste und allgemeinste Ordnung und Zusammenstimmung bezieht“ (Gl § 8,3), erst dann ist es das fromme Abhängigkeitsgefühl und gehört der Religion an.
„Ja, wer nicht eigene Wunder sieht auf seinem Standpunkt zur Betrachtung der Welt, in wessen Innern nicht eigene Offenbarungen aufsteigen, wenn seine Seele sich sehnt, die Schönheit der Welt einzusaugen und von ihrem Geiste durchdrungen zu werden; wer nicht hier und da mit der lebendigsten Überzeugung fühlt, dass ein göttlicher Geist ihn treibt und dass er aus heiliger Eingebung redet und handelt; wer sich nicht wenigstens – denn dies ist in der Tat der geringste Grad – seiner Gefühle als unmittelbarer Einwirkungen des Universums bewusst ist, und etwas Eignes in ihnen kennt, was nicht nachgebildet sein kann, sondern ihren reinen Ursprung aus seinem Innersten verbürgt, der hat keine Religion“ (ÜdR 120).
Schleiermacher will so der Religion ihr eigenes Gebiet geben und sie damit von Denken und Handeln, von Metaphysik und Moral, unabhängig machen. Mit den Begriffen „Metaphysik“ und „Moral“ wendet sich Schleiermacher auch gegen den Religionsbegriff Kants, der nach der von ihm betriebenen Auflösung der Metaphysik, Religion an der Moral festmacht. Er wehrt sich gegen jede Vermischung, die nur zu tiefgreifenden Missverständnissen führt und die Religion selbst Angriffen und schließlich der Verachtung preisgibt. Wenn nämlich die Wissenschaft irgendein religiöses Wissen angreift oder schließlich widerlegt oder wenn moralisches Handeln anders als durch Religion erreicht werden kann, erwiese sich die Religion als überflüssig und wäre überholt. Zwar beschäftigt sich die Religion genauso wie die Metaphysik und die Moral mit dem Universum, aber ihr Ziel kann es nicht sein, „ewige Wahrheiten“ auszusprechen oder einen „Kodex von Gesetzen“ abzuleiten, sondern nur nachzufühlen, zu „ahnden“, anzuschauen (ÜdR 43). Ewige Wahrheiten überlässt sie der Metaphysik und Gesetzeskodexe der Sittenlehre. Vermischung ist weder sinnvoll noch eigentlich möglich (ÜdR 45).
„Praxis ist Kunst, Spekulation ist Wissenschaft, Religion ist Sinn und Geschmack fürs Unendliche“ (ÜdR 52-53).
„Religion ist Sinn und Geschmack fürs Unendliche.”
Dieser Sinn und Geschmack für das Unendliche findet seinen Ausdruck notwendig in den vorhandenen Religionen. Schleiermacher will die vorhandenen Religionen zwar kritisieren, soweit sie das spezifisch Religiöse überschreiten. Aber er will nicht jegliche Religion oder Religionsgemeinschaft aufheben. Schleiermachers Religionsbegriff ist betont offen. Sein System hat für jede religiöse Äußerung Platz. In den Reden über die Religion widmet er seine letzte Rede ausdrücklich den Religionen.
„Soviel sieht jeder leicht, dass niemand die Religion ganz haben kann; denn der Mensch ist endlich und die Religion ist unendlich“ (ÜdR 240).
Wenn „Ihr sie [die Religionen] an ihrer Quelle und ihren ursprünglichen Bestandteilen nach untersucht, so werdet ihr finden, dass alle die toten Schlacken einst glühende Ergießungen des inneren Feuers waren, das in allen Religionen mehr oder minder enthalten ist von dem wahren Wesen derselben, wie ich Euch dargestellt habe; dass jede eine von den besonderen Gestalten war, welche die ewige und unendliche Religion unter endlichen und beschränkten Wesen notwendig annehmen musste.“ (ÜdR 248)
Die Verschiedenheit der Religionen kommt nach Schleiermacher durch den jeweils besonderen Eindruck zustande, den das Universum beim Einzelnen hinterlässt.
Die Verschiedenheit der Religionen kommt nach Schleiermacher durch den jeweils besonderen Eindruck zustande, den das Universum beim Einzelnen hinterlässt. Welcher Eindruck das ist, ist abhängig von der Individualität der Person und ihrer Entwicklung, aber auch von der Kultur und den zeitgeschichtlichen Umständen, in denen er lebt. Die besondere Anschauung des Universums wird dann willkürlich zum leitenden Prinzip erhoben (ÜdR 259-260). So haben alle Religionen ein eigenes inneres Prinzip (ÜdR 241-242), innerhalb dem sie auch versuchen, bei Menschen einen Sinn für das Unendliche zu wecken. Ein so Erweckter sieht das Universum innerhalb dieses herrschenden Prinzips und gehört deshalb zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft. „Ob er in einer von ihnen [den positiven Religionen] wohnen oder eine eigne erbauen werde, das hängt lediglich davon ab, welche Anschauung des Universums ihn zuerst mit rechter Lebhaftigkeit ergreift“ (ÜdR 262).
Bereits hier lassen sich Kennzeichen einer Religiosität nachzeichnen, die Schleiermacher gepflegt hat und dem modernen Religiösen in Fleisch und Blut übergangen sind. Dazu gehört die Trennung von Religion und denkerischer Vernunft. Auch Hochgebildete sind in der Lage, an die heilende Kraft von Halbedelsteinen zu glauben und auf dem Jahrmarkt entsprechende Kettchen zu kaufen, wie unvernünftig so ein Glaube auch sein mag. Je unvernünftiger etwas ist, desto anziehender scheint es zu sein. Und selbst für die evangelikale Frömmigkeit erscheint es suspekt, dass Gott sich mit seinem Wort an die Vernunft richtet und sie erleuchten will. Ein Wirken des Heiligen Geistes durch Kraft und Stoß oder Gefühl wird vielfach seinem argumentativen Reden vorgeordnet. Bibelwissen und die Beschäftigung mit theologischen Lehrfragen wird Spezialisten überlassen und fristet in der Gemeinde ein Schattendasein.
Die zweite Beobachtung ist, wie stark alles Religiöse in den Bereich des Selbstbewusstseins verlagert ist. Wie der Mensch sein Verhältnis zu Gott empfindet, erhält mehr Gewicht als die Rede von den Tatsachen in Raum und Zeit, die Gott geschaffen hat. Die eigene Erfahrung und die eigene Gefühlswelt erscheint als der Ort des Handelns Gottes. Eden, Morija, Sinai, Golgatha werden sekundär und müssen erst im Menschen eine Erfahrung auslösen.
Und hier hat drittens der religiöse Pluralismus seinen Ausgangspunkt. Ob einer in einer vorhandenen Gemeinde wohnt oder seine eigene erbaut, hängt vielfach davon ab, was ihn „mit rechter Lebhaftigkeit ergreift“. Das gleiche gilt für die Entscheidung in Lehrfragen. Nicht ein Ringen und Suchen nach der Wahrheit Gottes bestimmt die Gemeinden, sondern die Pflege des eigenen Pfündleins, von dem man ergriffen ist.
3 Das Christentum als „Wendepunkt“
Das Besondere der christlichen Anschauung sieht Schleiermacher in einem „allgemeinen Entgegenstreben(s) alles Endlichen gegen die Einheit des Ganzen“. Das Christentum hat dabei die Auffassung, dass das „selbstsüchtige(n) Streben(s) der individuellen Natur […] sich überall losreißt aus dem Zusammenhange mit dem Ganzen“ und dass die Gottheit „immer erhabenere Mittler“ sendet, in denen Gottheit und Menschheit „immer inniger vereinigt“ sind, damit „von ihnen die Menschen lernen mögen das ewige Wesen erkennen“ (ÜdR 291-293). In diesem Sinn interpretiert die christliche Religion die Geschichte als Kampf der Gegensätze zwischen völliger Vereinigung mit dem Universum und Losgelöstsein von demselben.
Schleiermacher selbst versteht sich als christlicher Theologe und auch betont als evangelischer Theologe. Weil sich seine Kritiker und Interpreten fast nur mit seinem Religionsbegriff befassten, aber kaum mit seinen christlichen Aussagen, erwog er die beiden Teile seiner Glaubenslehre umzustellen und die allgemeinen Lehrsätze den besonderen evangelischen Lehren nachzuordnen (siehe dazu Gl § 78). Aber er fragt bei allen christlichen Lehrsätzen, wo sie ihren Sitz im frommen Selbstbewusstsein des Christen haben. Denn die Lehrsätze können nur im Bewusstsein hervorgerufen sein und nicht schon in der Gottheit selbst liegen. Alle Lehrsätze müssen sich auf das Bewusstsein direkt zurückführen lassen oder müssen eine Kombination solcher direkten Lehrsätze sein. Andernfalls sind sie spekulativ und haben in der Glaubenslehre keinen Platz (Gl § 4).
So gesehen versteht er die Dogmatik als Teil der Historischen Theologie (Gl § 1). Die Heilige Schrift ist deswegen zwar das „erste Glied dieser ganzen Reihe“ von Büchern aus der „Productivität der Kirche“ (Gl § 147,1), aber „die Ursprünglichkeit der Productivität kommt jedem Zeitalter zu, seitdem der Geist ausgegossen ist auf alles Fleisch“ (Gl § 147,2). Darum ist festzuhalten, dass es ein „Missverständnis“ ist, „als ob eine Lehre deshalb zum Christenthum gehöre, weil sie in der Schrift enthalten ist, da sie doch vielmehr nur deshalb natürlich in der Schrift enthalten ist, weil sie zum Christenthum gehört“ (Gl § 148 Zus.). Die Bibel ist Ausdruck eines christlich frommen Selbstbewusstseins und nicht ihr Urspung.
„Nicht der hat Religion, der an eine heilige Schrift glaubt, sondern der, welcher keiner bedarf und wohl selbst eine machen könnte“ (ÜdR 122).
Schleiermacher: „Nicht der hat Religion, der an eine heilige Schrift glaubt, sondern der, welcher keiner bedarf und wohl selbst eine machen könnte.”
Jesus Christus ist aber für Schleiermacher der „erhabene Urheber des Herrlichsten …, was es bis jetzt gibt in der Religion“ (ÜdR 301). Er ist der „Anfänger eines zur Verbreitung über das ganze menschliche Geschlecht bestimmten neuen Lebens dadurch von allen andern Menschen unterschieden, dass das ihm einwohnende Gottesbewusstsein ein wahres Sein Gottes in ihm war“ (Gl § 116, Leitsatz). Jesus ist damit das herausragende Beispiel für das vollkommene Abhängigkeitsbewusstsein von Gott. Seine Erlösertätigkeit liegt darin, den Menschen dieses Bewusstsein zu vermitteln. In jedem Menschen ist nämlich das Abhängigkeitsgefühl gehemmt, worin letztlich auch die Sünde des Menschen besteht (siehe besonders Gl §§ 78+84).3 Erlösung kommt nun dadurch zustande, dass derjenige mit dem größeren Abhängigkeitsbewusstsein dem anderen mit dem niedrigeren von seinem Zustand „mitteilt“.
Erlösung kommt nach Schleiermacher dadurch zustande, dass der mit dem größeren Abhängigkeitsbewusstsein dem anderen mit dem niedrigeren von seinem Zustand mitteilt.
„So kann auch seinerseits das Christenthum, wenngleich alle Erlösung auf Christum als ihren Ursprung zurükführend, doch auch der untergeordneten von Christo abgeleiteten erlösenden Einwirkungen jedes Einzelnen auf die Andern nicht entbehren. Daher würde das auszeichnende, was in dieser Hinsicht Christo zugeschrieben wird, wieder verschwinden, wenn es nicht darin bestände, dass in ihm selbst keine Hemmung gesezt, und wie er selbst als der einzige anerkannt wird, der keiner Erlösung bedarf …“ (Gl § 18,3).
Weil aber das Christentum in dieser Beziehung herausragend ist, also als einzige Religion einen Nicht-Erlösungsbedürftigen anzubieten hat, ist es ein „Wendepunkt … für das ganze menschliche Geschlecht“. Christlich ist ein Abhängigkeitsgefühl immer dann, wenn es das „Bild des Erlösers“ in sich trägt (Gl § 18,4). Glaube an Christus heißt in diesem Zusammenhang einerseits, seine eigene Erlösungsbedürftigkeit, also ein gehemmtes Abhängigkeitsgefühl, zu erkennen, und andererseits das vollkommene Abhängigkeitsgefühl Christi als Motivation zur Stärkung des eigenen anzuerkennen (Gl § 21). Allerdings will Schleiermacher diese Motivation nicht im Vorbild Christi oder in seiner Lehre allein begründet sehen, sondern er erwartet, dass „die Förderung des höheren Lebens […] sei die zur eigenen That gewordene That des Erlösers“ (Gl § 121,2).
Wie sich in Christus die göttliche und die menschliche Natur vereinigt haben und so die Person Christi gebildet wurde, so ist „die erlösende Thätigkeit Christi […] nur die Fortsetzung der personbildenden Thätigkeit der göttlichen Natur in Christo. Mit dem Werden der Person Christi hat diese zeitlich begonnen, und wirkt seitdem durch die menschliche Natur Christi als ihr ursprüngliches und unmittelbarstes Organ auf alle im natürlichen Sinn schon persongewordene menschliche Natur, nach der Maaßgabe wie sie sich in geistige Berührung mit der göttlichen Natur bringen lässt, fort, um sie mit Ertödtung der früheren Persönlichkeit in die Gemeinschaft des Lebens Christi aufzunehmen und so zu Personen im Sinn des höheren Lebens, d. h. zu selbständigen Organen der göttlichen Natur in Christo, zu bilden“ (Gl § 121,3).
Von Christus selbst geht ein „Impuls“ aus, durch den auch der heutige Mensch zu einer Person mit höherem Bewusstsein umgestaltet werden kann. Dieser Impuls ist letztlich nichts anderes als die Anschauung des Universums, aber eben aus christlicher Perspektive.
An dieser Stelle erkennen wir die Grundlagen für die eigenartige Haltung, einerseits jeden evangelischen Pastor, Bischof oder Kirchenvorstand auf Bibel und Bekenntnis zu vereidigen und andererseits die Autorität von Bibel und Bekenntnis praktisch ständig zu verneinen. Wenn sie eben Ausdruck der „Productivität“ der Kirche sind, dann stehen neue Produkte praktisch gleichwertig daneben. Dabei lässt man sich wohl von der Bibel inspirieren, aber das Ergebnis solcher Inspiration kann dann dem Geist der Heiligen Schrift völlig widersprechen. Die Bibel spiegelt christliche Lehre wider, aber sie darf nicht göttliche Autorität haben, christliche Lehre ein für allemal festzulegen.
Zweitens wird die eigentümliche Stellung Jesu in der modernen christlichen Religiosität deutlich. Er ist einerseits Vorbild in seiner tiefen Gottesbeziehung, andererseits ist er mehr als Vorbild, nämlich Impuls, der das Hingezogensein zu Gott fördert. In diesem Sinne ist Christus auch heute durchaus lebendig, selbst wenn man davon ausgeht, dass er im Grab geblieben sei.
4 Das Universum als Selbstoffenbarung der Gottheit
„Universum“ das ist neben „Anschauung“ und „Gefühl“ ein Zentralbegriff für Schleiermachers System, wie es in den Reden über die Religion zum Ausdruck kommt. Obwohl dieser Begriff in der Glaubenslehre vermieden wird und durch das „Eine“ ersetzt ist, liegt er auch ihr zugrunde. Glaubenslehre und den Reden betont. So auch im Vorwort zur 3ten Auflage der Reden, die im gleichen Jahr wie die Glaubenslehre erscheint. Der Begriff „Universum“ ist schillernd. Einerseits umfasst „Universum“ die gesamte erlebbare Wirklichkeit, also die Natur mit ihrer Gesetzmäßigkeit, die Menschheit und ihre Geschichte. Andererseits nimmt „Universum“ selbst göttliche Züge an. Es ist dann beinahe das Unendliche selbst und mit der Gottheit gleichzusetzen.
Das “Universum” nimmt bei Schleiermacher selbst göttliche Züge an.
Das Universum ist jedenfalls die Erscheinung des „Unendlichen im Endlichen“. Dabei ist zu beachten, dass nie einzelne Teile des Universums mit der Gottheit gleichgesetzt werden, sondern nur das „Eine“, das alles umfasst. Die Einzeldinge gelten als verschiedene Erscheinungen des Universums. Das „Eine“ ist als eine Art Prinzip hinter den Dingen zu verstehen (Gl § 8,3).
Das Abhängigkeitsgefühl wird nach Schleiermachers Ansicht vom Universum ausgelöst. Für den Menschen steht zuerst die Naturerfahrung im Vordergrund, über die aber ein Zugang zum Universum und damit zur Gottheit geschaffen wird (ÜdR 66).
Wie die Verbindung zwischen jedem Gegenstand und dem menschlichen Bewusstsein über ein „Gefühl“ oder Zustand des Bewusstseins zustande kommt, so auch die Verbindung zwischen Universum und Mensch. Dabei kommt es darauf an, die Natur nicht als kalten Mechanismus zu begreifen. Das würde das Bewusstsein Gottes eher rauben. Vielmehr ist die Erkenntnis des Einenden in der Natur nötig und damit der Zugang zum Universum geschaffen (Gl § 40,2).
Es kommt zu einer Art Wechselbeziehung zwischen dem Menschen, der durch die Anschauung des Universums das Gefühl der Abhängigkeit erhält und dem Universum, dass sich Gott gleich „seine Betrachter und Bewunderer“ selbst „bildet“ (ÜdR 143).
„Anschauen will sie [die Religion] das Universum, in seinen Darstellungen und Handlungen will sie es andächtig belauschen, von seinen unmittelbaren Einflüssen will sie sich in kindlicher Passivität ergreifen und erfüllen lassen“ (ÜdR 50).
„Schaut außer Euch auf irgend einen Teil, auf irgend ein Element der Welt und fasst es auf in seinem Wesen, aber sucht auch alles zusammen, was es ist, nicht nur in sich, sondern in Euch, in diesem und jenen und überall, wiederholt Euren Weg vom Umkreise zum Mittelpunkt immer öfter und in weiteren Entfernungen: Das Endliche werdet Ihr bald verlieren und das Universum gefunden haben.“ (ÜdR 166).
Bei aller Betrachtung der Natur geht es nicht um Naturbetrachtung als solche, sondern darum, über die Natur den Weg zum Unendlichen zu finden, zum Universum und damit zu Gott. Wer also die Natur, die Menschen, die Geschichte oder irgendeinen Teil der Welt betrachtet und dabei ergriffen wird, so dass er einen tieferen Zusammenhang in allem sehen kann, ein einendes Prinzip, das von Gott herrührt, wer schließlich sich selbst als einen Teil dieses Ganzen begreift, der entwickelt auch das religiöse Gefühl. Dabei ist nicht erheblich, welchen Teil des Universums er betrachtet. Das Ganze kann er als endlicher Mensch doch nicht anschauen. Es kommt nur darauf an, dass dieses Anschauen als Ergebnis das Abhängigkeitsgefühl oder speziell das christlich fromme Selbstbewusstsein hervorbringt. Wenn das geschieht, dann kann sogar gesagt werden, dass die „Gesammtheit alles endlichen Seins“ im menschlichen Bewusstsein zu finden ist.
Worin besteht nun dieses Eine? Ist es als Idee gedacht oder als Wesenheit? Wenn Schleiermacher hier unklar bleibt, ist das Teil seines Systems. In bezug auf die Religion insgesamt, hat Schleiermacher die Vorstellung von einem persönlichen Gott aufgegeben, in bezug auf die christliche Religion kann diese Vorstellung als Ausdruck einer positiven Religion bestehen bleiben (zB. Gl § 15). Wer „den Geist des Universums“ „personifiziert“, der erhält einen Gott (ÜdR 129) und das „Abhängigkeitsgefühl“ setzt „ein höchstes Wesen“ (Gl § 39). Ebenfalls mit Blick auf eine persönliche Gottesvorstellung kann Schleiermacher sagen: „Gott ist nicht alles in der Religion, sondern eins, und das Universum ist mehr“ (ÜdR 132-133). Die Religion benötigt keine Gottesvorstellung, kann aber eine haben. Der Ursprung und das Ziel aller Religion ist aber eigentlich das Universum.
„… ob er [der Mensch] zu seiner Anschauung einen Gott hat, das hängt ab von der Richtung seiner Phantasie. In der Religion wird das Universum angeschaut, es wird gesetzt als ursprünglich handelnd auf den Menschen“ (ÜdR 128-129).
„Ob der Mensch einen Gott hat, hängt ab von der Richtung seiner Phantasie”. Wer „den Geist des Universums” „personifiziert”, der erhält einen Gott.
Der Offenbarung Gottes als Universum steht nicht entgegen, dass es die Bibel als Schriftoffenbarung gibt. Sie ist für Schleiermacher nur indirekt Offenbarung. Direkt sind alle Schriften Ausdruck des frommen Selbstbewusstseins. Weil das fromme Selbstbewusstsein aber durch das Universum selbst belebt wird und dann eventuell eine heilige Schrift hervorbringt, kann sie auch als Offenbarung angesehen werden.
In gewisser Weise nimmt für Schleiermacher das Neue Testament eine Sonderstellung ein. Hier wird dem Menschen das höchste Bewusstsein Jesu dargestellt und dieses Bewusstsein bewirkt auch eine Hebung des Bewusstseins des Christen. Wenn aber Christen mit allem auf ihren Erlöser Christus angewiesen sind, dann brauchen sie auch die Heilige Schrift, allerdings so, dass sie auch hier Christus selbst hinter den Aussagen der Frommen der damaligen Zeit finden wollen und einen „unmittelbaren Eindruk“ suchen.
„Sofern aber die neutestamentische Schrift nicht sowol Zeugniß Anderer ist, sondern vielmehr uns den unmittelbaren Eindruk ersezen soll, den viele von den Zuhörern der Apostel noch gehabt hatten: so thut sie es nur, inwiefern sie Reden und Thaten Jesu mit ihrer Wirkung zugleich oder Wirkungen Christi mit ihrem Zurükgehen auf ihn zugleich uns aufbewahrt, und also ein Theil der Geschichte ist, durch deren Kenntnis wir allerdings uns allein den Mangel des unmittelbaren Eindruks ersezen können“ (Gl § 148,1).
Allerdings geht Schleiermacher auch hier davon aus, dass nicht die heiligen Schriften den Glauben begründen können, sondern dass er schon vorhanden sein muss, wenn er durch die Schriften verbessert werden soll. Ein Glaube, der auf die Heilige Schrift gegründet ist, ist für Schleiermacher kein Glaube im Sinne seines Systems und ist auch nicht mit dem Glauben der Apostel gleichzusetzen (Gl § 148,2). Was aber nichts anderes heißen soll, als dass wahrer Glaube das Abhängigkeitsgefühl oder christlich frommes Selbstbewusstsein ist, das durch die Wirkung des Universums hervorgerufen wurde. Damit gilt wiederum, dass das Universum die Selbstoffenbarung der Gottheit darstellt.
Auch hier lassen sich wieder Kennzeichen moderner Religion erkennen. Dazu gehört, dass der Gott, von dem überall geredet wird, eigenartig blutleer erscheint. In der modernen Religion ist Gott nicht wirklich Person. Darum kann man auch mit seinem Zorn nichts anfangen, damit aber auch nichts mit seiner Liebe. Wo von ihr die Rede ist, meint man meist die Erwartung an Gott, er solle dafür sorgen, dass es dem Menschen gut gehe. Darum ist es auch kein Problem alles, was zum Gutgehen des Menschen beiträgt, zu vergotten. Was hilft kann nicht schlecht sein, sondern muss von Gott sein. Und wenn man es anbeten muss, damit es hilft, ist auch das kein Problem und wird nicht als Gegnerschaft gegen den wahren Gott begriffen. So etwas wie Gegnerschaft scheint es gar nicht zu geben. Dazu müsste Gott eben als Person begriffen werden. Die Bibel ist auch nicht autoritatives Reden des wahren Gottes, sondern steht ganz in der Linie anderer Mittel zum Gutgehen des Menschen. Wenn das Lesen der Bibel angenehm ist, mich beruhigt oder mir irgendwie hilft, erscheint sie gut.
Der moderne Glaube ist ein Selbstbewusstsein und kein Vertrauen zum wahren Gott.
Angebliche Widersprüche in der Bibel sind dann aber kein Problem mehr, wenn sie nicht mehr als Reden des einen wahren Gottes angesehen wird. Nur eine in sich widersprüchliche Person Gott wäre ein Problem. Schließlich erwartet man auch nicht, dass der Glaube sich auf Aussagen dieser Person stützt, sondern hält solchen Glauben, der Tatsachen braucht für einen schwachen Kinderglauben. Der moderne Glaube ist eben ein Selbstbewusstsein und kein Vertrauen zum wahren Gott.
5 Der Mensch
5.1 Der Mensch als Teil und Gegenüber des Universums
Einerseits betont Schleiermacher, dass der Mensch Teil des Universums ist, aber gleichzeitig erscheint er als sein Gegenüber. Teil des Universums ist er, insofern er selbst zum Objekt der Anschauung wird und so das fromme Selbstbewusstsein steigert. Gegenüber ist er, insofern das Universum im Menschen das fromme Selbstbewusstsein hervorbringen soll und selbst dann noch, wenn sich der Mensch mit dem Universum vereinen soll.
Der Mensch ist selbst Teil des Universums und als solcher ist er Abdruck des Unendlichen im Endlichen. „Sie [die Religion] will im Menschen nicht weniger als in allem andern Einzelnen und Endlichen das Unendliche sehen, dessen Abdruck, dessen Darstellung“ (ÜdR 51). Hier kann Schleiermacher vom Universum geradezu als Schöpfer des Menschen reden. Der Mensch ist „fürs Universum und durch dasselbe organisiert“ (ÜdR 269). Die ewige Gottheit bildet sich also in der Menschheit ab. Dieses Denken geht so weit, dass er von der „ewigen Menschheit“ sprechen kann, ohne sie mit der Gottheit letztlich identifizieren zu wollen.
Der Mensch findet unter den angegebenen Voraussetzungen die Gottheit auch in sich selbst. Es gibt kein wahres Innen oder Außen. Der allgegenwärtige Gott ist in ihm, wie außer ihm. Und so wäre „es eine Täuschung, das Unendliche grade außerhalb des Endlichen […] zu suchen“ (ÜdR 146). Darum kann Schleiermacher auch für eine mystische Selbstversenkung eintreten. Sein ganzes System trägt bis in die Wortwahl hinein mystische Züge.4
Von hier aus ist die Behauptung einer prinzipiellen Fähigkeit des Menschen, sich mit der Welt und dem Universum zu vereinen naheliegend. So weiß Schleiermacher, dass „was sich aus der Seele eines Menschen entwikkeln soll, dazu muß der Keim schon ursprünglich in ihr gelegen haben“ (Gl § 15,3). „Der Mensch wird mit der religiösen Anlage geboren wie mit jeder andern“ (ÜdR 144). Den Keim und Anfang des Abhängigkeitsgefühls sieht er als ursprünglich gegeben. Mit Blick auf die christliche Religion gilt: „Es giebt keinen eigentlichen Monotheimus ohne die Fähigkeit sich im Selbstbewusstsein mit der ganzen Welt zu einen“ (Gl § 15,2). Dann „wohnt“ die Gottheit in einem „Teil der Seele“, „offenbart“ sich mit „unmittelbaren Wirkungen“, „beschaut“ sich dort selbst und „erbaut“ sich dort „ihr Allerheiligstes“, um „sich darin durch die unerschöpflichste Mannigfaltigkeit der Formen in ihrem ganzen Reichtum [zu] verherrlichen“ (ÜdR 269).
5.2 Der Mensch als ein Erlösungsbedürftiger
Bei diesen Voraussetzungen überrascht es nicht, dass Sünde und Gnade bei Schleiermacher nicht mehr in dem Gegensatz von Tod und Leben stehen, sondern letztlich ein weniger oder mehr des Gefühls der Abhängigkeit von Gott bedeuten. Was die ursprüngliche Vollkommenheit des Menschen vor dem Sündenfall gewesen sein soll, fasst Schleiermacher in der Zusammengehörigkeit von Leib und Seele, Vernunft und Natur, Einzelnem und Gattung, niederem und höherem Selbstbewusstsein (Gl § 74). In all diesen Bereichen kann zwar von mehr oder weniger Nähe gesprochen werden und die Vollkommenheit liegt in der größten Nähe. Aber es geht prinzipiell nur um Abstufungen. Der „Gegensaz zwischen der eignen Unfähigkeit und der durch die Erlösung mitgetheilten Fähigkeit das fromme Bewusstsein zu verwirklichen“ ist „nur ein relativer“ (Gl § 33 Leitsatz). Die biblischen Darstellungen einer ursprünglichen Vollkommenheit des Menschen dürfen als „mythisch“ angesehen werden (Gl § 33 ). Einen Menschen ohne Tod, der erst nach dem Sündenfall sterben muss, kann er sich nicht denken (Gl § 76,3).
Sünde ist für Schleiermacher nur „eine Störung der Natur”.
Schleiermacher vermeidet es, von der Sünde im Sinne einer bestimmten Tatsünde zu sprechen.5 Das „Bewusstsein der Sünde“ ist vielmehr Gegenstand seiner Betrachtung. Das Bewusstsein der Sünde besteht dann darin, dass der Mensch einen Gegensatz spürt zwischen dem wachsenden Gottesbewusstsein und dem, was dieses Bewusstsein hemmt oder hindert (Gl § 86). Sünde ist das „Widerstreben unserer sinnlichen Erregungen das Bewusstsein Gottes mit in sich aufzunehmen“ (Gl § 80). Sie ist aber nur „eine Störung der Natur“ und hebt die beschriebene relative Vollkommenheit des Menschen nicht wirklich auf. Wie die Vollkommenheit des Menschen nur gestört ist, so sieht Schleiermacher diese Störung aber von Anfang an gesetzt. Das Abhängigkeitsgefühl besteht immer in dem Gegensatz zwischen Lust und Unlust (Gl § 79). Damit ist auch die Sünde schon immer im Menschen. Zwar empfindet der Mensch, das Böse komme von außen (Gl 55,3), wirklich aber sind „alle Erscheinungen einer einzelnen Seele aus ihrer persönlichen Eigenthümlichkeit und aus den Einflüssen des gemeinsamen Lebens zu verstehen“ (Gl § 58,2). Das Böse hat „nur in der menschlichen Natur selbst seinen Siz“ (Gl § 58,3). Das hat für Schleiermacher aber die konsequente Folge, dass auch nicht „die Erlösung als solche von Gott geordnet“ ist (Gl § 110, Leitsatz). Es ist damit eigentlich der Mensch selbst, der seine Erlösung schafft, wenn er sie auch in seinem Bewusstsein ganz dem Erlöser zuschreibt (Gl § 80 + 112, Leitsätze). Das ergibt ein Bild vom Menschen, indem sowohl Vollkommenheit als auch Sündhaftigkeit gleich ursprünglich sind. Es gibt nur verschiedene Abstufungen, als Entwicklungsstufen in ihrem Verhältnis. Damit wird der eigentliche Gegensatz zwischen Gut und Böse aufgehoben.
In Schleiermachers Bild vom Menschen sind Vollkommenheit und Sündhaftigkeit gleich ursprünglich.
Auch der moderne Religiöse erwartet eine Gottheit nicht wirklich außerhalb seiner selbst. Selbstversenkung oder auch alle Formen von Ekstase erscheinen ihm den Weg zum göttlichen in ihm selbst zu öffnen. Dass Sünde im Sinne einer vollkommenen Verlorenheit und Gottferne, ja als Feindschaft gegen Gott, in diesem Denken keinen Platz hat, ist naheliegend. Es gibt nur noch ein mehr oder weniger an Hingezogensein zu Gott. Dass einer gerettet ist, der andere aber auf ewig verloren, diese biblische Wahrheit mag keiner hören und wird auch kaum noch gesagt. Dass einer Gott näher ist als der andere, das darf verkündigt werden und für größere Gottesnähe geworben werden. Hier gibt es dann auch einen Wettstreit der Wege, wie man zu größerer Gottesnähe gelangt.
6 Würdigung
6.1 Die Mitbegründung der Modernen Theologie
Schleiermachers Einfluss auf die moderne Theologie darzustellen würde wiederum den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen. Es dürfte auch schwierig, wenn nicht unmöglich sein, heutige Prinzipien der Theologie direkt als Einfluss Schleiermachers nachzuweisen. Man kann aber sagen, dass bei ihm eine Entwicklung vorgezeichnet ist, an deren Ende wir stehen. Es sollen nur einige Stichworte genannt werden, die mindestens mittelbar für unser Thema von Belang sind.
- Die Theologie findet ihre Grundlage in der Anthropologie. Der Mensch und seine Bewusstseinszustände werden zum Gegenstand und Maßstab der Theologie. Sie wendet sich selten Gott selbst zu, wie er sich in der Heiligen Schrift offenbart. Die eigentliche Religion liegt im Menschen. Eine Theologie der existentiellen Betroffenheit als Begegnung mit Gott zum Beispiel liegt genauso nahe wie eine frei schwebende Spiritualität, die zwar als von Jesus inspiriert gilt, weil sie sich christlicher Sprache und Symbole bedient, aber den Christus des Neuen Testamentes kaum kennt.
- Bibel und Bekenntnis haben keine bindende Kraft für die Theologie. Wenn der Mensch sich selbst als eine Offenbarung Gottes ansieht, dann sind insofern auch die Zeugnisse früherer Christen Offenbarung Gottes. Allerdings hat das aktuelle Erleben immer den Vorrang. Die Bibel kann höchstens gleichrangig sein, aber nie bindend.
- Ewige Kontinuität bestimmt die Schöpfung. Der gleichmäßige Ablauf der heute feststellbaren Naturgesetzlichkeit steht über der Souveränität Gottes über seine Schöpfung. Damit ist auch jeder Konflikt mit der Evolutionstheorie umgangen.
- Das Böse steht nur im relativen Gegensatz zu Gott. Monistische Tendenzen werden zum bestimmenden Prinzip.
- Die Christologie geht im Naturzusammenhang auf. Christus ist nicht mehr fleischgewordener Gott, sondern höchstens besonderer Mensch, und das teilweise auch nur als Phantasie seiner Nachfolger. Ein Bruch im System Schleiermachers entsteht, wenn man nach der geschöpflichen Wirklichkeit fragt
- Die Religionen, die christliche eingeschlossen, sind Ausdruck der allgemeinen Religiosität des Menschen. Damit meinen alle Religionen eigentlich den gleichen Gott. Ein „Dialog der Religionen“ ist naheliegend. Synkretismus stellt kein Problem dar.
6.2 Die Verneinung von Schöpfung und Geschichte
Schleiermachers System ist solange plausibel, wie es nur auf die Bewusstseinszustände des Menschen baut. Ein Bruch im System entsteht, wenn man nach der geschöpflichen Wirklichkeit fragt. Schleiermacher hat sich wie die Moderne nach ihm von der Verkündigung Gottes als Schöpfer verabschiedet. Er rechnet nicht mit einem persönlichen Gott, der in der Geschichte gewirkt hat und wirkt. Hier muss die christliche Verkündigung wieder neu einsetzen und Gott als den Schöpfer verkündigen und seine großen Taten erzählen. Gott kann als Person nicht durch philosophische Gedanken über ihn begriffen werden, sondern hat sich durch sein Handeln in der Geschichte offenbart. Die gewissermaßen harte Wirklichkeit muss zum Prüfstand der menschlichen Religiosität werden. Diese harte Wirklichkeit ist aber die von Gott gesetzte Schöpfung und Geschichte, die schließlich im Kommen Jesu ihren Höhepunkt fand. Das hat Gott getan und dazu muss der Mensch Stellung beziehen. Das kann er aber richtig nur in dem Glauben an Jesus, wie ihn die Bibel vorstellt.
In Schleiermachers System gibt es für meinen Eindruck einen entscheidenden Punkt der Inkonsequenz und der liegt in seiner Christologie. Wenn für seine Erlösungslehre wichtig ist, dass Christus ohne Sünde war, dann behauptet er damit einen Zustand des Guten ohne das Böse, den er sonst ablehnt. Meint Schleiermacher eigentlich, dass es den sündlosen Christus als historische Person gab oder existiert er nur als menschliche Phantasie? Bei Jesus den Höhepunkt einer Aufwärtsentwicklung zu behaupten, ist zwar aus seiner Annahme einer ewigen Schöpfung und einer bruchlosen Kontinuität zwischen Endlichem und Unendlichem ableitbar, aber doch völlig willkürlich. Und warum sollte es danach wieder abwärts gegangen sein? In Schleiermachers System des ewigen Naturzusammenhangs dürfte es konsequenterweise keinen sündlosen Jesus als historische Person geben. Ist er aber als Sündloser nur wieder Bewusstseinsinhalt und ohne zeitliche Wirklichkeit, dann kann er uns auch nicht erlösen, sondern nur wir müssten uns selbst durch unsere Phantasie erlösen. Durch diese Inkonsequenz wird Gottes wunderbare Weisheit in der Menschwerdung Jesu (Das Wort wurde Fleisch, aber ohne Sünde.) noch deutlicher und wir erkennen einen weiteren Ansatz für die Verkündigung heute.
Wer immer Jesus für einen besonderen Menschen hält – und das tun bei uns viele –, der muss sich Rechenschaft ablegen, warum dieser Jesus aus Fleisch und Blut so besonders war. Jesus wie Mahatma Gandhi oder Martin Luther King zu verehren, macht im Zusammenhang seiner Lehre keinen Sinn. In letzter Konsequenz muss er sich entweder von Jesus trennen oder aber anerkennen, dass mit Jesus Gott selber sündloser Mensch wurde und jeder Teil seiner Lehre göttliche Autorität besitzt
6.3 Der Abschied von biblisch-reformatorischer Theologie
Nimmt man das dreifache solus als Eckpunkte reformatorischer Theologie, so kann festgehalten werden, dass Schleiermacher und die moderne Religiosität von allen Abschied genommen hat. Diese Tatsachen sind ihr aber erneut zu verkündigen.
Für das sola scriptura bedeutet das, dass Bibel und Bekenntnisse keinen bindenden Charakter besitzen. Wenn die Heilige Schrift Wert darauf legt, die Souveränität Gottes gegenüber der Schöpfung festzuhalten, so sieht Schleiermacher die ewige Einheit zwischen Gott und Welt gegeben.
Tod und Auferstehung Jesu haben für Schleiermacher keine Bedeutung für die Erlösung.
Sieht die Heilige Schrift die Erlösung innerhalb der Schöpfung geschehen, als raum-zeitliche Tatsachen gewirkt durch einen leiblichen Jesus Christus, so wird Schleiermachers System sofort unschlüssig, wenn die Erlösertätigkeit Christi an Geschehnisse innerhalb der Schöpfung gebunden wird. Darum hat auch Tod und Auferstehung Jesu für Schleiermacher keine Bedeutung für die Erlösung. Ihm geht es nur um Bewusstseinszustände. Beschreibt die Heilige Schrift die völlige Verlorenheit der Schöpfung durch die Sünde als Feindschaft gegen Gott und sieht eine Erlösung der Schöpfung zur Erneuerung der Gemeinschaft mit Gott als notwendig an, so ist für Schleiermacher Sünde und Erlösung immer nur ein relativer Unterschied in einem ewigen mehr oder weniger an Gottesbewusstsein. Schließlich gilt die Erlösung mittelbar der ganzen Schöpfung, während Schleiermacher letztlich eine Erlösung von der Schöpfung als Ziel ansieht.
Bei Schleiermacher ist Christus eigentlich und vor allem Bewusstseinsinhalt der Christen.
Das solus Christus ist schon aufgegeben, wenn Schleiermacher seinen Religionsbegriff darlegt, denn Christus hat nur für das Christentum Bedeutung. Obwohl Schleiermacher mit Hinblick auf das Christentum betont, jedes Abhängigkeitsgefühl müsse mit Beziehung auf Christus da sein, bleibt doch das christliche selbst auswechselbar. Christus soll als Teil des Universums das Abhängigkeitsgefühl hervorrufen und so entsteht für das Abhängigkeitsgefühl eine Beziehung auf Christus. Doch selbst das ist nur mittelbar, denn letztlich führt auch hier das wachsende Selbstbewusstsein über Christus hinaus zu dem Einen hinter allem. Christus ist nur Modell für die Vereinigung von Göttlichem und Menschlichem. Er ist nicht einmaliger Schöpfungsmittler, der der Schöpfung nach dem Fall ihre Würde bei Gott zurückgibt und zugleich als Erlöser die Hoffnung für die Schöpfung auf ewige Gemeinschaft mit Gott ist. Bei Schleiermacher ist Christus nur Bewusstseinsinhalt der Christen und insofern ein anzustrebendes Ideal der Christen. Auch die eigentliche Erlösung soll der Mensch selbst vollbringen mit der Steigerung seines Gottesbewusstseins. Dagegen ist zu sagen, dass Gott Jesus Christus als den Eckstein gesetzt hat. Er hat die Rettung der völlig verlorenen Menschheit gewirkt, der Mensch kann sie nur empfangen.
Nach Schleiermacher ist der Glaube ein Zustand des Bewusstseins und stützt sich nicht auf Tatsachen
Schließlich hat das sola fide praktisch keine Bedeutung mehr, denn es geht Schleiermacher nicht mehr wie den Reformatoren darum, dass sich der Glaube auf Tatsachen stützt, die Gott innerhalb der Schöpfung gesetzt hat, sondern Glaube ist ein Zustand des Bewusstseins, ein mehr oder weniger starkes Abhängigkeitsgefühl. Das höhere Bewusstsein hat zwar noch strukturell Ähnlichkeit mit dem reformatorischen Glaubensbegriff, es gilt aber schon das Ziel selbst und nicht mehr als Mittel zur Rettung aufgrund des Sterbens und Auferstehens Jesu Christi. Trillhaas stellt fest:
„Der Glaube an diese Tatsachen ist kein selbständiger, zu den ursprünglichen Elementen des Glaubens an Christum gehöriger“.
Wer also ein historisches Geschehen von Tod und Auferstehung Jesu annimmt, kann das wohl tun. Beides sind aber für Schleiermacher keine wirklich unverzichtbaren Bestandteile christlichen Glaubens.
Auch hier ist wieder neu das eigentliche Wesen des Glaubens zu verkündigen als das Vertrauen auf die Person und das Wort des wahren Gottes. Gott hat Christus als den Weg, die Wahrheit und das Leben in die Welt gesandt. Christus ist nicht Impuls eines Glaubens als Selbstbewusstsein, sondern selber der Gegenstand des Glaubens.
Es kann hier nur ein kleiner Ausschnitt dieses Systems dargestellt werden. R. Herrmann schreibt: „S[chleiermacher] hat in einzigartiger Weise ein Gesamtsystem der Theologie entworfen“. RGG3 V,1432. Eine ausführlichere Fassung dieses Artikels kann beim Autor bestellt werden. ↩
Eingehendere Betrachtung zum Thema „Gefühl“ bei W. Schultz, „Schleiermachers Theorie des Gefühls“. ZThK 53(1956): 81ff. ↩
„Die Sünde wird vielmehr als etwas Ursprüngliches im Menschen betrachtet, die dadurch gegeben ist, dass das Abhängigkeitsgefühl noch nicht vollkommen ist.“ B. Hägglund. Geschichte der Theologie. 2. Aufl. München: Kaiser, 1990, S. 278. Siehe unten Punkt 5.2. ↩
Das gilt auch, wenn Schleiermacher das Wort „mystisch“ wegen seiner Mehrdeutigkeit lieber nicht benutzen will. Der Sache nach stimmt er ihm zu: „… bleibt man aber bei der ursprünglichen Bedeutung desselben stehn, so ist nichts dagegen einzuwenden“ (Gl § 121,4). ↩
Auch in den Paragraphen 95 und 96 unter der Überschrift „Von der wirklichen Sünde“ bleibt die Sünde irgendwie unwirklich. Schleiermacher betont vielmehr, dass die Verbindung zu Gott nie ganz abgerissen sein kann, auch wenn die Sünde das geistige Leben „verringert“ oder es in seiner normalen Entwicklung auf das fromme Selbstbewusstsein hin aufhält (Gl § 96,4). ↩