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Starb Jesus an einem Kreuz?

Nach der Lehre von Jehovas Zeugen ist Jesus nicht an einem Kreuz, sondern an einem Pfahl gestorben. Eine Diskussion hierüber wird den meisten als nicht so wichtig erscheinen; „Ein Lehrpunkt unter vielen“, werden Sie denken. „Ist es nicht viel wichtiger, sich über Jesus selbst zu unterhalten?“ Das ist es auch, und man könnte zur Tagesordnung übergehen, wenn mit dieser Frage nicht der Vorwurf verbunden wäre, das Kreuz sei ein heidnisches Symbol.

Im Wachtturm vom 15.11.92 heißt es:

„… in nichtchristlichen Religionen überall auf der Welt ist der Gebrauch des Kreuzes weit verbreitet.“

Weiter wird ausgeführt, daß auch die Azteken und andere südamerikanische Völker kreuzähnliche Symbole kannten. Man schreibt:

„Die Bibel zeigt, daß Jesus keineswegs an dem traditionellen Kreuz hingerichtet wurde, sondern vielmehr an einem einfachen Pfahl oder staurós. Dieses griechische Wort, das in Mt. 27:40 vorkommt, bezeichnet lediglich einen aufrechtstehenden Pfahl, wie er für ein Fundament verwendet wird. Somit stand das Kreuz nie für das wahre Christentum.“

An anderer Stelle heißt es, das Kreuz sei ein babylonisches Symbol; es sei auch als „crux ansata“ oft auf den Skulpturen und Malereien der Ägypter zu sehen und stelle einen Geschlechtskult dar. Auch andere Abscheulichkeiten werden mit dem Kreuz in Verbindung gebracht. So seien „auf einer Abbildung in einer der Höhlen auf Elephanta (10 km vor Bombay liegende Insel) über dem Kopf einer Gestalt, die Kinder mordet, ein Kreuz zu sehen.“ (Erwachet vom 22.09.84). Als weitere Beweisquellen werden verschiedene Lexika und geschichtliche Werke zitiert sowie verschiedenen Gelehrte, die das griechische Wort staurós ebenfalls mit Pfahl übersetzen.

Im Wachtturm-Buch „Unterredungen anhand der Schriften“ heißt es außerdem auf. S. 267:

„Im alten Israel weinten die untreuen Juden über den Tod des falschen Gottes Tammuz. Jehovas bezeichnete das, was sie taten, als eine ‚Abscheulichkeit‘ … Das Kreuz war das Symbol des Tammuz. Wer es in Ehren hält, ehrt dadurch Nimrod. … Wie muß Jehova … wohl die Verwendung des Kreuzes betrachten, das … in alter Zeit ein Symbol des Phalluskults war?“

Nach diesen Informationen wird jeder Zeuge Jehovas verständlicherweise einen Abscheu vor dem Kreuz haben und auch andere Menschen werden sich fragen, was es mit dem Kreuz auf sich hat. Richtig ist, daß Kreuze oder kreuzähnliche Symbole lange vor Christi Tod in zahlreichen anderen Kulturen zu finden waren. Welche Schlußfolgerungen sollen wir nun daraus ziehen? Bedient sich das Christentum eines heidnischen Symbols und kränkt und entehrt dadurch Gott?

Wie wurde nun das Kreuz zum Zeichen des Christentums? Alleine deshalb, weil Jesus daran starb!

Dabei ist es völlig unerheblich, ob es Ähnlichkeiten in irgendwelchen anderen Kulturen gibt. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: In den Mysterienkulten des Mithras gibt es kultische Mahlzeiten mit Brot und Wein; Jesus selbst störte dies offensichtlich nicht, als er unser Abendmahl einsetzte, und niemandem würde es wohl einfallen, das Abendmahl deshalb als heidnisch zu bezeichnen. Selbstverständlich schmückten auch die Anhänger heidnischer Religionen ihre Tempel mit Blumen, sollen wir deshalb darauf verzichten, Blumen in unsere Anbetungsstätten zu stellen? Nur nebenbei sei bemerkt, daß der Pfahl mit Sicherheit ein heidnisches Symbol ist, der jedem Bibelkenner von der heiligen Pfählen der Aschera bekannt ist.

Doch von den heutigen Zeugen Jehovas wird ja bestritten, daß das Hinrichtungswerkzeug, an dem Jesus starb, ein Kreuz gewesen sei. Das war nicht immer so Von ihren Anfängen bis zum Jahre 1936 schmückten Kreuz und Krone noch die Vorderseite des Wachtturms, also fast 60 Jahre lang. Doch dann gab es „helleres Licht“ und es hieß, man habe erkannt, daß das Kreuz ein heidnisches Symbol sei; im Erwachtet vom 22.09.84 schreibt man:

„Es erfordert Mut, sich von einer in grauer heidnischer Vorzeit wurzelnden und weitverbreiteten religiösen Tradition loszureißen. Die Neue Welt-Übersetzung der heiligen Schrift geht mit gutem Beispiel voran, indem sie das Wort staurós mit Marterpfahl und das Verb stauróo mit an den Pfahl bringen wiedergibt und nicht mit Kreuz bzw. kreuzigen. So haftet dem kostbaren Opfer unseres Herrn und Erlösers nichts Heidnisches an.“

Prüfen wir nun die Beweise. In den Lexika finden wir heute neben der Übersetzung Pfahl auch das Wort Kreuz. In ihrem Buch Unterredungen anhand der Schriften schreiben Jehovas Zeugen:

„Selbst bei den Römern scheint das Wort crux ursprünglich einen aufrechten Balken bezeichnet zu haben… Wurde ein solcher Balken bei der Hinrichtung des Sohnes Gottes verwendet? Es ist bemerkenswert, daß der dazu benutzte Gegenstand auch mit dem Wort xylon bezeichnet wird. Gemäß Langenscheids Großwörterbuch Griechisch-Deutsch bedeutet dieses Wort: ‚Holz; insb.: a) Stück Holz, Scheit. b) … ß) Baumstumpf, übh. Baum … 2 … b.) Stock, Knüttel, Prügel. c) Stange … g) … Marterholz.‘“

Das eigentlich Interessante an diesem Zitat ist, daß man einfach wegließ, was unter g) noch zu finden ist: nämlich die Bedeutung Kreuz!!!

Recht haben Jehovas Zeugen mit ihrer Meinung, das im Neuen Testament in den Berichten vom Tod Christi vorkommende Wort staurós sei ursprünglich nach dem klassischen Griechisch mit „Pfahl“ zu übersetzen gewesen; auch gibt es vereinzelt Gelehrte, die ebenfalls der Meinung sind, die zumeist gewählte Übersetzung „Kreuz“ sei nicht korrekt. Dies vor allen Dingen deshalb, weil sie den ursprünglichen Gebrauch des Wortes staurós im Sinn haben.

Welche Übersetzung ist nun korrekt? Wie wir es auch aus unserer eigenen Sprache kennen, machen Wörter Entwicklungen durch. Manche Worte verschwinden, so verwendet niemand mehr das alte Wort Base, sondern man sagt heute Cousine – andere Wörter erfahren einen Bedeutungswandel. Luther konnte in seiner Bibelübersetzungen ohne weiteres Weib schreiben, heute würde sich jede Frau beleidigt fühlen, wollte man sie so nennen. Ähnliches findet sich auch im Griechischen; so bedeutete das Wort pistis, das allgemein mit Glaube oder Treue übersetzt wird, ursprünglich Pfand. Wäre ein ähnlicher Bedeutungswandel auch bei staurós möglich, so daß die Hinrichtung Jesu an einem staurós die Hinrichtung an einem Kreuz wäre?

Hier wird uns ein Blick in die Literatur helfen. So schreibt Lucian von Samosata im 2 Jh. n. Chr. über das staurós:

„Die Menschen verfluchen Kadmos, weil er das ‚Tau‘ in das Alphabet eingeführt hat. Denn sie sagen, daß die Tyrannen seiner Gestalt folgend, und seine Form nachahmend, nach einen solchen Schema Hölzer zusammenfügten, um Menschen darauf zu befestigen“.

Kadmos war Phönizier. Das phönizische tau hat die Form „+“. Auch im Judentum war das Kreuz als Hinrichtungsinstrument bekannt. Im Mischnatraktat Sanhedrin 6,4 ist von einem „Balken, von dem ein (Quer-) Holz ausgeht“ die Rede.

Dies allein zeigt schon, daß die Kreuzigung als Hinrichtungsart damals bekannt war. Eine weitere Hilfe ist die Überlegung, nach welchem Recht die Aburteilung Jesu erfolgte. Pontius Pilatus verurteilte Jesus nach römischem Recht, das im ganzen Römischen Reich galt; logischerweise muß daher der römische Sprachgebrauch berücksichtigt werden: CRUX! Die Hinrichtungsart war also römisch, und staurós ist nur ein Übersetzungswort!. Die „crux“ als Hinrichtungsart haben die Römer vermutlich von den Karthagern übernommen.

Natürlich mag es im Laufe der Jahrhunderte einige Schriftsteller gegeben haben, die glaubten, Jesus sei an einem Pfahl hingerichtet worden, doch auf geschichtliche Tatsachen stützten sie sich hierbei nicht.

Neben den oben erwähnten Beispielen gibt es noch zahlreiche andere. Plautus (254-184 v. Chr.), römischer Lustspieldichter, zeigt einen zum Kreuztod Verurteil-ten, der den Querbalken durch die Stadt trägt. (Komödien, Bd 7). Dionysios von Halikarnass, griechischer Geschichtsschreiber (30 v. Chr. in Rom) erwähnt den Querbalken des römischen Kreuzes:

„… die Arme seit-lich ausgestreckt an einem Holz, das über Brust und Schultern bis zu den Handgelenken reichte …“.

Auch bei Seneca ist von der Form des Kreuzes die Rede (Dial. VII, Vom glückseligen Leben, Kapitel 19).

Bekannt ist auch eine Karikatur, das sog. Spottkruzifix vom Palatin in Rom. Durch diese Zeichnung mit der Unterschrift „Alexander betet seinen Gott an“ sollte offenbar ein Christ am römischen Kaiserhof verspottet werden.

Auch die archäologischen Beweise dafür, daß es eben kein Pfahl, sondern ein Kreuz war, an dem Jesus starb, sind eindeutig. Im Herculaneum bei Pompeji, das 79 nach Christus durch den Ausbruch des Vesuv verschüttet wurde und seit 200 Jahren allmählich ausgegraben wird, hatten Ausgräber in einem Privathaus einen hölzernen Altar mit Kreuz gefunden.

Doch ein Kreuz ist nicht nur als Hinrichtungsinstru-ment bekannt, sondern auch als Zeichen Jahwes. In Hes 9,4 heißt es über einen in Linnen gekleideten Mann, er solle ein „Kennzeichen an die Stirn der Män-ner anbringen, die seufzen und stöhnen über all die Abscheulichkeiten, die in seiner Mitte getan werden.“ (Neue-Welt-Übersetzung). Das hebräische Wort für Zeichen ist taw, der letzte Buchstabe des hebräischen Alphabets, der in der älteren Schrift die Form eines Kreuzes (X) hatte und noch in Qumran als Buchstabe für ein „T“ verwendet wurde!

In ihrer Literatur bringen Jehovas Zeugen das Kreuz jedoch mit falscher babylonischer Anbetung in Verbindung. Sie suggerieren, alle christlichen Kirchen verwendeten das Kreuz nicht nur, sondern verehrten es auch:

„Die Kirchen sagen, Bräuche wie die Verehrung des Kreuzes gehörten zur heiligen Tradition.“ (Wachtturm vom 01.05.89, S. 26).

Doch dies stimmt nicht, die allermeisten christlichen Gemeinschaften sehen im Kreuz nur das Symbol für den Kreuzestod Christi, sie verehren es nicht.

Selbstverständlich ist es richtig, daß das Kreuz selbst nicht verehrt werden darf. Das Kreuz selbst bietet uns keine Hilfe, sondern Jesus. Alles andere wäre Aberglaube. Das Kreuz ist lediglich ein Symbol dafür, daß wir Christen sind, so wie der Ehering ein Zeichen da-für ist, daß man verheiratet ist. Doch auch dies läßt man bei Jehovas Zeugen nicht gelten:

„Wie würdest du reagieren, wenn man deinen besten Freund aufgrund von Falschanklagen zu Tode brächte. Würdest du von dem Hinrichtungsinstrument ein Duplikat anfertigen lassen? Würdest du es in Ehren halten, oder würdest du es verabscheuen?“ (Unterredungen anhand der Schriften, S. 267)

Es gibt jedoch einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Tod Jesu und dem Tod eines jedes anderen Menschen. So fürchterlich und schmerzvoll der Tod Jesu auch war, er war keine Niederlage, sondern ein Sieg (Joh 19,30)! Mit seinem Tod hat Jesus den Teufel besiegt; er nahm die Sünden der Menschheit auf sich, die dadurch wieder einen Zugang zu Gott hatte. Der Teufel hatte verloren! Diesen Sieg Jesu am Kreuz verkünden Christen durch dieses Zeichen.

Rein historisch gesehen wäre wohl die Frage hinlänglich beantwortet, ob Jesus an einem Kreuz oder an einem Pfahl starb und ob das Kreuz ein heidnisches Symbol ist. Wer das Kreuz ablehnt, weil es angeblich heidnisch ist, tut dies nicht nur gegen eindeutige historische Beweise, er sollte sich auch bewußt sein, daß er das Siegeszeichen Jesu Christi ablehnt.

Die Wachtturmgesellschaft besteht jedoch – trotz ein-wandfreier Gegenbeweise – darauf, Jesus sei an einem Pfahl gestorben. Warum? Es geht ja nicht nur darum, daß man sich in der Übersetzung eines Wortes geirrt hat; das wäre verzeihlich und ist vielen passiert.

Als Folge dieser erwiesenen Falschübersetzung wurden jedoch alle Verwender des Kreuzes als Götzendiener gebrandmarkt und jeder Zeuge Jehovas hat eine innerliche Abscheu vor einem Kreuz.

Aber beharrt man auf dieser falschen Lehre, weil man sonst zugeben müßte, daß man das Zeichen Christi in den Schmutz gezogen hat?

Beharrt man auf dieser falschen Lehre, weil man gefragt würde, von wem denn dieses „hellere Licht“, das man ab 1936 verkündigte, eigentlich stammte?

In einem ähnlichen Zusammenhang mit einem anderen Lehrpunkt erklärt die Wachtturmgesellschaft:

„Nach einem Vergleich dieser Texte wird sich ein aufgeschlossener Mensch sagen, daß eine (solche) … Religionsgemeinschaft nicht die Wahrheit lehrt. Kann eine solche Religionsgemeinschaft die wahre sein und Jehova Gott, den Gott der Wahrheit, vertreten? Und wenn sie noch weitere Irrtümer lehrt?“

Beharrt man auf dieser falschen Lehre, weil man gefragt würde, wie eine Organisation, die sich Jehovas Organisation nennt, so etwas tun und lehren könne und vielleicht Zweifel kämen, ob diese Organisation überhaupt Jehovas Organisation ist?