ThemenIslam und Christentum

Mit Muslimen über die Bibel reden

Muslime haben ihre eigene Sicht der Bibel. Grundsätzlich ist für sie der Koran der Maßstab zur Beurteilung der Bibel. Viele Muslime kritisieren die Bibel und scheuen sich, die Bibel zu lesen. Andere haben Achtung vor der Bibel als einem „heiligen Buch“. Manche sind neugierig und wollen den Inhalt der Bibel kennenlernen.

Wie Muslime die Bibel sehen

Im Islam wird der Koran zum Maßstab für die früheren „göttlichen Bücher“ (Blätter Abrahams, Thorah des Mose, Psalter Davids, Evangelium Jesu) genommen.

Muslime gehen deshalb davon aus, dass Form und der Stil der früheren göttlichen Bücher dem Koran entsprechen müssten: sie müssten durchgängig Anrede Gottes an den Gesandten sein; sie müssten frühere Ereignisse nicht einfach berichten, sondern durch ein „Gedenke …“ in den Anredestil einbetten; sie dürften keine apostolischen Briefe und keine vier Evangelien enthalten; sie müssten – wie der Koran – in erster Linie göttliche Belehrungen, Mahnungen und Gebote enthalten.

Der Koran wird auch zum Maßstab für den Inhalt der früheren Bücher gemacht. Nichts darf dem Koran inhaltlich widersprechen. Es darf keine Gottessohnschaft Jesu und der Auserwählten geben (vgl. Sure 5, 116-120; 3,59; 9,30; 43,59), keine Dreieinigkeit Gottes (vgl. Sure 4, 171; 5,73), keine Kreuzigung Jesu (vgl. Sure 4,157) und damit auch keine Erlösung durch Jesus Christus.

Muslime halten die „früheren Schriften“ für verdorben

Sie berufen sich dabei auf den Koran. Schon Muhammed warf den „Schriftbesitzern“ (vor allem Juden und Christen) vor, sie „verheimlichen“ bzw. „unterschlagen“ gewisse Passagen in ihren Schriften (vgl. Suren 2, 140.146.159; 3,71; 5,15; 6,91). Sie „verdrehen den Wortlaut der Schrift, damit ihr meint, es stamme aus der Schrift…“ (vgl. Sure 3,78). Vielleicht stand dahinter zunächst nur der Vorwurf, dass Juden und Christen bei der Rezitation ihrer heiligen Texte Veränderungen vornahmen. Sure 2, 79 wirft aber vor, dass von Menschen geschriebene Texte als von Gott stammend ausgegeben werden. Damit lügen die Schriftbesitzer (Sure 6,24; 9,77), heucheln (9,77) und belügen Gott (11,18; 16,116).

Der Koran wirft den Schriftbesitzern vor, dass sie die Menschen vom „Weg Gottes“ abhalten (11,19), dass sie von der Religion Abrahams abweichen (2, 135ff.; 3, 65ff.), dass sie sich verkehrterweise für Söhne Gottes halten (5,18), eigene, schwere Gesetze gemacht haben (10,59; 16,116) und im Blick auf die Gesandten Gottes ungläubig sind (4,150f.).

Was wurde weggelassen und hinzugefügt?

Im Gespräch mit Muslimen können wir immer wieder hören, dass Bibeltexte, die vom Kommen eines „arabischen Propheten“ gesprochen hatten, weggelassen oder verändert worden seien, um nicht die Prophetenschaft Muhammeds anerkennen zu müssen. In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, dass in Joh.14 und 16 ursprünglich nicht der Tröster (griech. „paraklätos“), sondern Muhammed („der Gepriesene“, griech. „parüklätos“) angekündigt worden sei.

Ebenso seien Bibel-Texte, die vom muslimischen Basisbekenntnis zur Einheit Gottes abweichen, später hinzugefügt worden. Geschulte Muslime stützen ihre Argumente heute mit – meist unverstandenen – Thesen der neuzeitlichen, westlichen historisch-kritischen Wissenschaft (deren Anwendung auf den Koran man freilich ablehnt). Als Beispiel für ein „unverdorbenes Evangelium“ wird heute oft das „Barnabas-Evangelium“ genannt, welches nachweislich eine muslimische Fälschung aus dem späten Mittelalter ist.

Wer hat die Schriften verdorben?

Der Koran polemisiert in erster Linie gegen die Juden. Die Kritik an den „Schriftbesitzern“ kann aber leicht auf die Christen des 1. Jahrhunderts ausgedehnt werden. In der heutigen Polemik gilt vor allem Paulus als der Verderber des „ursprünglich Jesus geoffenbarten Evangeliums“. Er habe aus dem „wahren (muslimischen) Jesus“ den „gekreuzigten Gottessohn“ gemacht. Er habe aus dem „Jesus-Islam“ das kirchliche Christentum gemacht.

Wie gehen wir damit um?

Viele dieser Angriffe können leicht entkräftet werden. Im Gespräch mit Muslimen sollten wir aber der Versuchung widerstehen, unsererseits den Koran anzugreifen. Unser Ziel sollte sein, Jesus Christus als das „lebendige und unveränderliche Wort Gottes“ zu bezeugen. Zwar sollten wir Argumentationen nicht ausweichen, aber in erster Linie benötigen wir im Gespräch mit Muslimen das Vertrauen in die Wirksamkeit der Bibel, da der lebendige Gott hinter seinem Wort steht.

Das Besondere an der Bibel

Wir müssen Muslimen klarmachen, dass sich die Bibel nicht mit dem Koran vergleichen lässt, dass sie ihre eigene Geschichte, ihre eigene Prägung und ihren eigenen Inhalt hat.

Die Bibel ist eine Sammlung von 66 sehr verschiedenen Schriften, eigentlich eine kleine Bibliothek. Sie wurde von vielen Menschen über einen Zeitraum von mehr als 1000 Jahren geschrieben. Sie ist überaus vielfältig und enthält geschichtliche Berichte, Chroniken, Lieder, Gebete, Predigten, Briefe und Weissagungen. Sie ist ein sehr lebendiges und in vielen Teilen spannendes Buch (was man vom Koran, der auf einen einzigen Menschen und einen kurzen Zeitraum von 22 Jahren zurückgeht, nicht sagen kann).

Auf die Bibel ist Verlass

Die Bibel enthält vor allem Berichte über das Handeln Gottes. Sie ist im wesentlichen klar und verständlich (während der Koran als Reimprosa viele unklare Anspielungen enthält). Sie ist hinterfragbar, erforschbar und hat sich als sehr zuverlässig erwiesen.

Die Bibel ist in ihren Ursprachen Hebräisch, Aramäisch und Griechisch sowie in vielen Übersetzungen über große Zeiträume hinweg sehr gewissenhaft und treu durch immer neues Abschreiben überliefert worden. Bedenkt man die großen Zeiträume, dann sind die eingeschlichenen Abweichungen sehr gering.

Gott erweist sich als treu

Die Bibel ist das „Buch der Treue Gottes“ (während im Koran der unverfügbare Wille Gottes im Zentrum steht). Sie enthält viele Verheißungen und Erfüllungen (was man vom Koran nicht sagen kann). Sie ist das Buch der Bundesschlüsse Gottes, weshalb wir sie in die beiden wichtigsten Testamente einteilen.

Wir sind dankbar dafür, dass im Neuen Testament nicht nur ein Evangelium aufgenommen worden ist, sondern vier. Sie sind vier sich ergänzende Zeugnisse vom Leben, Sterben und Auferstehen Jesu. Die Evangelien sind keine „Offenbarungen an Jesus“ (analog dem Koran an Muhammed), sondern Zeugnisse der Apostel über Jesus und seine Worte. „Jesus in Person“ ist das Evangelium (die gute Nachricht).

Die Bibel ist ein sehr ehrliches Buch. Sie nennt die Sünde beim Namen, auch bei den Auserwählten Gottes. Ihr Inhalt ist das Heilshandeln Gottes in Gericht und Gnade, das Ringen Gottes um den Menschen, um ihn zu retten und zu heilen (während es im Koran um Anweisungen an den Menschen geht, den „rechten Weg“ zu gehen).

Die Bibel ist lebendig

Die Bibel ist Gottes Wort an uns Menschen, aber sie ist kein Gesetzbuch. Unsere Bindung geschieht an Jesus Christus als das „lebendige Wort Gottes“ im Heiligen Geist. Der Heilige Geist macht die Bibel lebendig und führt durch das Wort der Schrift zu Jesus Christus. An der Bibel wird die Dreifaltigkeit Gottes deutlich!

Freude an der Bibel

Der Vergleich mit dem Koran wird unsere Liebe zur Bibel neu wecken. Wir werden uns im Gespräch mit Muslimen der Bibel nicht schämen, sondern sie gern zitieren, ihre Geschichten erzählen und sie Muslimen zum Lesen anbieten. Dafür ist es gut, viele Kernbibelstellen auswendig zu wissen und wichtige Berichte sofort zu finden. Drei biblische Bücher empfehle ich Muslimen zum „Einstieg“ in die Bibel: Das „Buch der Anfänge“ (1. Mose bzw. Genesis), weil es viele Themen enthält, die Muslimen aus dem Koran (wenn auch in entstellter Weise) bekannt sind; das Buch der Psalmen, weil viele Psalmen in ihrer sprachlichen Gestalt und Wortwahl an Korantexte erinnern, und schließlich das Lukas-Evangelium als das Evangelium, welches die Liebe Gottes zu den Verlorenen besonders betont.