ThemenIslam und Christentum

Das heilige Buch des Islam

Eines der schillernsten Phänomene des Islam ist das zentrale und heilige Buch dieser Religion: der Koran. Er ist zum einen ein Buch, zum anderen aber auch ein Wunder, ein göttliches Zeichen. Neben dem berühmten schwarzen Stein in der Ka’aba in Mekka, der von jedem Pilger in Mekka berührt oder sogar geküsst sein will, ist der Koran das andere Element im Islam, das als sichtbares Zeichen auf übernatürliche Wurzeln zurückzuführen ist. Dies ist in keiner Weise mit dem Inspirationsverständnis der Bibel zu vergleichen.

Der Koran ist nicht deshalb göttlich, weil er inspiriert geschrieben wurde, sondern er existiert tatsächlich im Himmel. Mehr noch, er existiert schon seit Ewigkeiten bei Gott, er ist das Wort Gottes, dass durch Diktat an Mohammed dem Menschen mitgeteilt wurde.

1 Herkunft

Nach muslimischer Vorstellung geht der den Menschen geoffenbarte Koran auf ein im Himmel aufbewahrtes Urexemplar zurück, mit dem er bis in die Orthographie übereinstimmt. Die Sprache des Korans wird als schönstes Arabisch angesehen, von unübertrefflicher Harmonie und Vollkommenheit, eben Gottes Sprache. Das, was heute in arabischer Sprache als Koran vorliegt, ist also eine genaue Kopie des göttlichen Korans. Und auch die anderen heiligen Schriften, zu denen ein Muslim die fünf Bücher Mose (torat), die Psalmen (sabur) und die Evangelien (injil) zählt, sind Auszüge aus dem himmlischen Koran. Wann immer Gott etwas offenbarte, war es ein Teil des schon immer existierenden Korans. Deshalb stehen die heiligen Bücher nicht im Widerspruch zueinander, es sei denn, sie seien im Nachhinein verfälscht worden. Da der den Muslimen vorliegende Koran mit Sicherheit dem Original entspricht, bleibt nur noch die Möglichkeit, dass die anderen Schriften sich von ihren Quellen entfernt haben. Die gesamte Theologie um den Koran, die Auffassung vom göttlichen Urkoran im Himmel und der Abhängigkeit aller Offenbarung von diesem Buch, lässt gar keinen anderen Schluss zu, als dass Christen und Juden ihre Schriften verändert haben. An dieser Stelle führen Diskussionen um die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit von Texten nicht weiter, weil es der theologische Denkrahmen eines gelehrten Muslimen nicht erlaubt, die Glaubwürdigkeit der Bibel gegen die Aussagen des Koran festzuhalten. Alles, was ein Mensch von Gott wissen kann, ist im Koran enthalten. Er ist das Zentrum des islamischen Glaubens. Er ist die eine Quelle für ein Leben mit Gott, er ist die einzige Verbindung zwischen Mensch und Gott.

2 Aufbau

Der Aufbau des Korans ist einfach:

Er besteht aus 114 Suren mit ca. 6200 Versen. Die Suren sind unterschiedlich lang, zwischen 3 und 287 Versen. Der Koran beginnt mit einer Eröffnungssure, die sieben Verse lang ist. Dann folgen die restlichen 113 Suren, nach Länge geordnet, die längste zuerst.

Alle Suren beginnen mit dem bismallah, was bedeutet: im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen. Dieses bismallah [im Namen Allahs] wird von Muslimen als Einleitung jeder möglichen Aktivität gebraucht und klingt dabei so profan wie unser „Gott sei Dank“.

Eine Ausnahme ist Sure 9, die nicht mit bismallah beginnt, weshalb vermutet wird, dass sie zu Sure 8 gehört.

Der Inhalt des Korans ist nicht systematisch geordnet. Antworten auf Fragen zu bestimmten Themen müssen aus vielen verschiedenen Suren zusammengetragen werden. Es ist daher einfacher, seinen Aufbau nach der Zeit Mohammeds in Mekka und in Medina zu ordnen. Insgesamt ist die Tendenz, dass die mekkanischen Suren, also die früheren Offenbarungen, da kürzer, eher weiter hinten im Koran stehen. Chronologisch gesehen müsste man den Koran also von hinten nach vorne lesen.

3 Überlieferung und Zuverlässigkeit

Der Fastenmonat Ramadan ist der Monat, in dem Mohammed seine erste Offenbarung erhielt, und das Fasten soll daran erinnern. Der Vorgang der Offenbarung ist unklar. Sure 53,1-18 kann so gedeutet werden, dass Mohammed Gott sah. An anderer Stelle spricht er von einem Gesandten, den er gesehen hat, nach Sure 81. Möglicherweise hat sich Mohammed zuerst getäuscht, und kam nach und nach zu der Überzeugung, dass er Gott nicht gesehen haben könnte, sondern vielmehr seinen Gesandten, denn er schreibt später:

Und nicht kommt es einem Menschen zu, dass Allah mit ihm sprechen sollte, es sei denn in Offenbarung oder hinter einem Vorhang. [Sure 42,51].

Spätere muslimische Tradition geht davon aus, dass es der Engel Gabriel war, der Mohammed den Koran brachte. Andere Traditionen sprechen vom Heiligen Geist.

Anfangs predigte Mohammed vor allem den Monotheismus, die Predigt gegen die Götzen seiner Zeit, die sich auch gegen den Glauben an mehrere Götter richtete, wie ihn Mohammed bei den Juden und Christen sah. Mohammed warnt vor dem jüngsten Gericht und steht damit auch gegen altarabische Glaubensvorstellungen, die besagen, dass mit dem Tod die menschliche Existenz zu Ende sei.

Es wird überliefert, dass die einzelnen Teile des Korans von Zetteln, Steinen, Palmstängeln und den Herzen der Menschen zusammengetragen wurden

Mohammed konnte selbst nicht lesen. Er wird trotzdem augefordert, zu rezitieren. Das ist die Bedeutung von „Qur’an“: rezitiere! Ein Engel nimmt ihn dreimal so fest in die Arme, dass er es fast nicht aushalten kann. Dann ist er in der Lage, den Text zu lesen, den der Engel ihm zeigte.

Der Koran lag bei Mohammeds Tod nicht vollständig als schriftliche Offenbarung vor. Es wird überliefert, dass die einzelnen Teile des Korans von Zetteln, Steinen, Palmstängeln und den Herzen der Menschen zusammengetragen wurden. Mohammed selber hatte ihn wohl überhaupt nicht aufgeschrieben. Es ist heute nicht feststellbar, wie viel Suren zur Zeit Mohammeds schon existierten. Deutlich ist aber, dass die von islamischen Theologen postulierte Einzigartigkeit des Korans und die Auffassung, er sei so auch im Himmel vorhanden, unter diesen Umständen nur schwer aufrecht zu erhalten ist.

Salman Rushdi fragt: Wenn Mohammed Verse vom Satan empfing, ohne zu bemerken, dass es sich um den Satan handelt, dann fehlte ihm offensichtlich das Instrument, um Offenbarungen in Bezug auf ihre Herkunft zu prüfen

Es gibt Verse im Koran, die später revidiert wurden, deren Gültigkeit aufgehoben wurde. Dieses Problem wird schon im Koran selbst diskutiert, zum Beispiel in Sure 2, 142-150, anhand der Frage der Gebetsrichtung. Diese hatte Mohammed erst mit Jerusalem angegeben, später dann aber in Mekka geändert. Es gab wohl auch einen Vers, der die Steinigung der Ehebrecherin forderte, was auch von den meisten muslimischen Gelehrten heute noch angenommen wird. Der heutige Text des Korans erwähnt jedoch nur noch das Auspeitschen [Sure 24,2ff.]. Schließlich sind auch die sogenannten satanischen Verse zu nennen, in denen Mohammed von den mekkanischen weiblichen Gottheiten sagt, dass ihre Fürsprache erwünscht ist [früher an Stelle von Sure 53,20b]. Einen Tag später widerruft er diese Aussage und erklärt, dass sie ihm von Satan eingegeben wurde. Berühmt wurden diese Verse durch ein gleichnamiges Buch von Salman Rushdie, der für seine Überlegungen in diesem Buch von einem iranischen Gericht in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde. Rushdies Frage in seinem Roman war letztlich: Wenn Mohammed Verse vom Satan empfing, ohne zu bemerken, dass es sich um den Satan handelt, dann fehlte ihm offensichtlich das Instrument, um Offenbarungen in Bezug auf ihre Herkunft zu prüfen. Es wäre also auch denkbar, dass sich Mohammed auch in anderen Versen des Koran im Hinblick auf die Herkunft dieser Verse getäuscht hätte.

An zwei Versen im Koran wird deutlich, wie Muslime bis heute Veränderungen im Koran begründen:

Was wir auch an Versen aufheben oder in Vergessenheit bringen, wir bringen bessere oder gleiche dafür. Weißt du nicht, dass Allah über alle Dinge Macht hat? [Sure 2,106]

Und nicht entsandten wir vor dir einen Gesandten oder Propheten, dem nicht, wenn er etwas wünschte, der Satan in seinen Wunsch (Falsches) warf; aber Allah vernichtet des Satans Einstreuungen. Alsdann wird Allah seine Zeichen bestätigen; und Allah ist wissend und weise; Auf dass er des Satans Einstreuung zu einer Versuchung für jene mache, in deren Herzen Krankheit ist und deren Herzen verhärtet sind. Und siehe, die Sünder sind in tiefem Irrtum. [Sure 22,52-53]

Jeder Versuch, Widersprüche im Koran zu identifizieren und apologetisch zu nutzen, kann letztlich mit diesen Versen abgewehrt werden: Allah ist souverän genug, seine eigenen Aussagen zu „verbessern“. Die Implikation, nämlich dass es ja dann im Koran Verse von unterschiedlicher Qualität geben muss, wird entweder auf die unterschiedliche Gattung von Versen bezogen: Er ist es, der die Schrift auf dich herabgesandt hat. Darin gibt es (eindeutig) bestimmte Verse (w. Zeichen) – sie sind die Urschrift – und andere, mehrdeutige. [Sure 3,7a], oder auf den weiteren Gebrauch von „Vers“ (ayat) im Sinne von Zeichen, die Gott gibt, sowohl im Koran als auch außerhalb.

Es ist also festzuhalten:

Der Koran wurde nicht von Menschen geschrieben, sondern von Allah persönlich. Der Koran wurde nicht zu einer bestimmten Zeit geschrieben, sondern existierte schon immer bei Gott. Der Koran wurde nicht an einem bestimmten Ort geschrieben, sondern kam direkt vom Himmel, um auf Erden von einem Auserwählten Gottes gelesen, gelernt und aufgeschrieben zu werden. Der Koran ist vollkommen, nicht nur im Inhalt, sondern auch in Sprache und Stil. Der Koran hat sich nicht verändert. Die heute vorliegende Version geht zurück auf die Zeit Mohammeds selber und unterscheidet sich vom Original in keinem Buchstaben.

4 Inspiration

Muslime sind bereit, sich mit dem Koran zu beschäftigen, auch wenn sie nichts für sich und ihr Leben daraus lernen können

Die Worte, die Buchstaben, der Stil und die Intonation, sie alle gelten den Muslimen als heilige, als eine göttliche Sprache. Viele Muslime können Arabisch nicht verstehen. Da aber Arabisch die göttliche Sprache ist, lernen sie den Koran in dieser Sprache auswendig. Sie glauben, dass diese Worte und Kapitel eine bedeutende Schrift sind, weil sie von Gott kommen. Deshalb sind sie bereit, sich damit zu beschäftigen, auch wenn sie nichts für sich und ihr Leben daraus lernen können. Bei vielen Muslimen haben sich in der Folge dieser Auffassung abergläubische Praktiken entwickelt: Koranverse werden in Leder eingenäht und auf Wunden gelegt, oder Suren werden zum Schutz vor Attacken böser Geister rezitiert. Man traut den Versen des Koran übernatürliche Kraft zu, die auf magische Art und Weise freigesetzt werden kann. Ähnlich werden Verse häufig rezitiert, immer in Arabisch. Auch diese Rezitation entfaltet ihre Wirkung nicht etwa durch den Inhalt der Verse, sondern durch ihre innewohnende Kraft. Dies mag auch zu der Auffassung geführt haben, dass ein Nicht-Muslim drei Mal das islamische Glaubensbekenntnis in Arabisch zitieren muss, dann ist er unwiderbringlich Muslim geworden … selbst wenn er es nicht meint.

Kein Muslim zweifelt daran, dass der Koran direkt von Gott offenbart wurde und somit Gottes Wort in Reinform ist. Im Vergleich zur Bibel wird der Koran als besser inspiriert aufgefasst. Er wurde direkt von Gott geschrieben, während die Bibel von Menschen geschrieben wurde. Er kam direkt vom Himmel, während die Bibel erst nach und nach auf der Erde entstand. Der Koran ist deshalb auch fehlerlos, weil kein Mensch irgendwie mitwirken konnte. Die Bibel dagegen kann nach Auffassung der Muslime durchaus Fehler enthalten, die sich beim Schreiben oder Abschreiben einschlichen. Jeder Vergleich zwischen beiden Büchern endet deshalb zwangsläufig bei der Behauptung, die Bibel sei fehlerhaft. Daran ändern auch geschichtliche Fakten nichts: die ausgezeichnete Handschriftengrundlage der Heiligen Schrift, das Alter der vorliegenden Handschriften, die weitaus größere Nähe der Bibel zu geschichtlichen Ereignissen im Unterschied zum Koran. Ein Beitrag eines Muslimen in einem Internetforum verdeutlicht dies (www. deutsche-muslima.de, Abu Imran, 29.08.2001):

Jedoch möchte ich darauf hinweisen, dass es nicht unbedingt mein Stil ist, eine Rechtfertigung für meinen Glaubens aus christlichen Quellen vorzubringen. Gewiss kennen Sie sich mit ihren eigenen Quellen besser aus, das bezweifele ich nicht. Ich kann nur das bestätigen, was der Quran von sich in erster Linie gibt, und das ist das Faktum der Vorhersage aller Propheten durch die Vorangegangenen und die Ankündigung Muhammads durch Jesus, Friede sei mit ihm.

Da die alten Schriften in unseren Augen im Laufe der Zeit verändert und verdreht wurden, können wir nur das bestätigen, was mit dem Islam übereinstimmt. Alles, was dem Islam hingegen widerspricht, leugnen wir und lehnen es ab. Wenn jedoch kein Widerspruch zum Islam zu sehen ist, sind wir neutral, denn wir wissen nicht, ob es dann eine Unwahrheit oder eine Wahrheit von Gott ist. Wir lehnen also in so einem Fall weder ab noch akzeptieren wir. Wenn wir akzeptieren, akzeptieren wir vielleicht eine Lüge, und wenn wir ablehnen, lehnen wir vielleicht eine Wahrheit, ein Wort Gottes, ab.

Abu Imran, 31. Juli 2001:

„Ehrlich gesagt wollte ich einfach die Position von Christen zu diesen Fragen kennen lernen und wie sie in dieser Hinsicht argumentieren. Dass die Bibel verfälscht ist, ist so und so in meinem Glauben durch den Quran fest verankert, dafür brauche ich persönlich keine Belege aus der Bibel.“

Juden und Christen seien allerdings zu stolz, um zuzugeben, dass ihre Propheten ja auch schon Muslime waren

Widersprüche zwischen der „eigentlichen“ Bibel und dem Koran sind eigentlich nicht möglich, weil ja die Propheten, Abraham, Moses, Jesus und viele andere Muslime waren, die das Gleiche verkündigt hatten wie Mohammed: Es gibt nur einen Gott, dem man dienen darf. Der Islam ist mindestens so alt wie Abraham, aber endgültig offenbart erst durch Mohammed, den größten der Propheten. Judentum und Christentum sind Vorstufen zum Islam. Juden und Christen sind allerdings zu stolz, um zuzugeben, dass ihre Propheten ja auch schon Muslime waren. Die Propheten der Bibel haben sogar auf Mohammed hingewiesen, wenn sie davon sprachen, dass nach ihnen jemand kommen wird, der lehren und prophetisch reden wird. Auch aus diesem Grunde kann eine Abweichung des Koran von der Bibel nur bedeuten, dass die Bibel verfälscht ist.

Jede Diskussion, die Zweifel am Koran ausdrückt, wird deshalb sofort mit dem Hinweis auf die Göttlichkeit und Zuverlässigkeit des Koran abgebrochen

Nicht selten entsteht zwischen Christen und Muslimen Streit darüber, welches Buch nun „inspirierter“ sei: der Koran oder die Bibel. Die Zuverlässigkeit und Nähe zu Gott wird diskutiert, doch es kommt nicht zu einem Ergebnis. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe:

  1. Zum einen liegt es daran, dass man zwar den Koran kritisieren kann, nicht aber den Glauben an ihn. Jede Art von Kritik am Koran, an seinem Text oder an seiner Historizität (also Textkritik oder historische Kritik) ist ein Angriff auf den Glauben der Muslime. Deshalb ist ein Muslim überhaupt nicht bereit, den Koran durch kritische Untersuchung in den Schmutz ziehen zu lassen. Im Grunde ist sogar jede Kritik am Koran wie eine Kritik an Gott selbst. Wer also über oder gegen den Korandiskutieren möchte, der verhält sich in den Augen der Muslime wie ein Atheist, der Gott nicht respektiert. Anders gesagt: Gott und Koran bzw. Allah und Koran werden im Islam so sehr in eins gesehen, dass im Grunde nur ein Gottloser es wagen kann, etwas gegen den Koran zu sagen, geschweige denn zu tun. Jede Diskussion, die Zweifel am Koran ausdrückt, wird deshalb sofort mit dem Hinweis auf die Göttlichkeit und Zuverlässigkeit des Koran abgebrochen.
  2. Zum anderen liegt eine grundsätzlich unterschiedliche Auffassung von inspirierter Schrift vor. Die Bibel ist Gottes Wort, das die Offenbarung Gottes in Jesus Christus bezeugt. Der Koran ist die Offenbarung Gottes als solches. Er verweist nicht auf einen Mittler zwischen Gott und Menschen, oder einen Weg zu Gott, er ist der Mittler und der Weg: Wer tut, was der Koran sagt, der kommt zu Gott.
  3. Ein Beispiel für die Bedeutung der Göttlichkeit des Koran lässt sich an einem Internet-Eintrag im Forum der www.deutsche-muslima.de sehen (Safiya, 13. August 2001):

Ich glaube du hast dich noch nie mit dem Qur`an also mit dem Islam tiefer beschäftigt, denn er gibt keine Menschengedanken wieder. Auch ich bin ehemalige Protestantin und seit 11 Jahren überzeugte Muslimin, weil der Islam mir das gibt, was mir das Christentum nicht geben konnte: Anworten auf die vielen Fragen die ich hatte, inneren Frieden weil ich die Antworten nach dem Warum und Wieso gefunden habe.

Nie habe ich eine göttlichere Schrift als den Qur`an gelesen, und glaube mir, ich habe die Bibel mehrmals gelesen. Auch heute noch treffe ich mich mit Theologen aus verschiedenen Kirchengemeinden und wir diskutieren über beide Religionen. Bei jeder dieser Diskussionen gehe ich wieder mit dem Gefühl nach Hause das Richtige getan zu haben, denn in diesen Diskussionen zeigt sich stets, welche Religion die Antworten gibt, die einen Gläubigen befriedigt.

Aufgrund dieses unterschiedlichen Vorverständnisses reden Christen und Muslime oft aneinander vorbei, wenn sie über die Inspiration der Bibel reden.

Muslime versuchen des öfteren, historische Fehler in der Bibel nachzuweisen. Dadurch erscheint ihnen die Bibel weniger glaubwürdig als der Koran. Was Muslime dabei jedoch übersehen, ist der grundsätzliche Ansatz der Bibel, sich überhaupt mit der Geschichte des Menschen zu beschäftigen. Der Koran als „geschichtsloses“ Buch kann ja keine „Geschichtsfehler“ enthalten. Das gleiche Problem ergibt sich beim literarkritischen Ansatz. Da die Bibel Gottes Wort ist, aber von Menschen geschrieben, lassen sich kulturell und literarisch bedingte Stilformen in der Bibel identifizieren. So kann ein Wort zur Zeit des Alten Testamentes eine andere Bedeutung haben als es dann im Neuen Testament hat. Ähnlich verhält es sich in allen Sprachen (das deutsche Humor beispielsweise bedeutete ursprünglich Feuchtigkeit; heute denkt bei Humor niemand mehr an Feuchtigkeit, im Gegenteil, es kann sogar „trockenen“ Humor geben). Für den Muslim ist eine literarkritische Untersuchung des Koran aber nicht denkbar, weil ja kein Mensch, sondern Gott selbst der Autor ist. Wer also menschlichen Stil im Koran entdecken will, der ist schon ein „Ungläubiger“. Es verwundert deshalb nicht, dass selbst islamische Wissenschaftler, wenn sie denn rational und kritisch an den Text des Koran herangehen, aus der Glaubensgemeinschaft der Muslime ausgeschlossen werden. Wer einen Muslim nach „wissenschaftlicher“ Literatur über den Koran fragt, erhält denn auch fast immer „apologetische“ Literatur, nämlich Bücher von überzeugten Muslimen, die sich noch vor der Untersuchung des Koran die Verteidigung ihres Glaubens vorgenommen haben. Eine „objektive“ Diskussion ist unter solchen Umständen weder möglich noch sinnvoll.

5 Umgang mit dem Koran

Der Respekt eines Muslim vor dem Koran äußert sich in ganz konkreten Dingen:

  • der Koran wird niemals auf den Boden gelegt; er liegt normalerweise auf der höchsten Stelle im Zimmer, beispielsweise auf dem Schrank
  • der Koran ist meist in ein Tuch eingeschlagen
  • oft wird er als Zeichen der Hochachtung geküsst
  • niemals schreibt man etwas in den Koran hinein oder markiert Koranverse
  • Frauen dürfen während ihrer Menstruation den Koran nicht berühren
  • Koranverse dürfen nicht vernichtet werden; dem strengen Muslim ist es also nicht möglich, eine Zeitung ins Altpapier zu geben, in der Koranverse abgedruckt sind
  • viele Muslime akzeptieren auch heute nur den arabischen Koran. Oft lernen sie ihn komplett auswendig. So gibt es in nicht-arabischen Ländern Menschen, die den Koran auswendig in Arabisch aufsagen können, jedoch kein Arabisch verstehen

Im Gespräch mit Muslimen: Die Bibel nie tiefer als die eigene Hüfte tragen, auf keinen Fall auf den Boden legen, auch nicht auf eine Sitzfläche

Muslime sind befremdet, wenn sie sehen, wie „locker“ Christen mit der Bibel umgehen. Dahinter verbirgt sich jedoch ein unterschiedliches Verständnis, das auf die Entstehung beider Religionen zurückgeht. Trotzdem ist es ratsam, ein paar Dinge zu beachten, wenn man einen Muslimen besucht und dabei die Bibel mitnimmt:

  1. Die Bibel sollte sich nie tiefer als die eigene Hüfte befinden. Weder beim Tragen sollte man sie tiefer tragen, noch beim Ablegen tiefer legen. Sie wird also auf keinen Fall auf den Boden gelegt, und auch nicht auf eine Sitzfläche! Niemals dürfen die Füße die Bibel berühren. Es sollten auch keine anderen Bücher auf die Bibel gelegt werden. Für Christen im Westen sind das Kleinigkeiten ohne Bedeutung, für Muslime, vor allem, wenn sie im Orient aufgewachsen sind, sind es jedoch sehr symbolträchtige Handlungen, die ihnen vermitteln, dass wir die Bibel nicht als Gottes heiliges Wort ansehen.
  2. Wenn eine Bibel im Umgang mit Muslimen gebraucht wird, dann sollte diese möglichst ein durchgehender Text sein. Je nach Bildungsgrad können Fußnoten oder Parallestellenangaben als ein Versuch angesehen werden, den biblischen Text zu verändern.
  3. In einer solchen Bibel sollte niemals etwas mit Hand geschrieben oder markiert sein. Auch dies wird als Versuch verstanden, die Bibel zu verfälschen.
  4. Insgesamt ist es also ratsam, die Bibel nicht nur in Bezug auf ihren Inhalt mit äußerstem Respekt zu behandeln, sondern auch in Handhabung des Buches selbst.

6 Gottesbild und Schriftverständnis

Das heilige Buch der Muslime hat keinen direkten Bezug zu Raum und Zeit dieser Welt

Im Vergleich zwischen Bibel und Koran fällt vor allem das unterschiedliche Verständnis von Gottes Handeln in der Geschichte auf. Schon der jüdische Glaube ist nicht „vom Himmel gefallen“. Der Gott Israels ist ein Gott, der sich in der Geschichte, also in Raum und Zeit offenbart. Der Gott Israels fordert Abraham auf, seine Heimat zu verlassen, schenkt ihm Reichtum und begleitet ihn auf der Wanderschaft. Er schenkt dem uralten Abraham und seiner Frau einen Sohn, er segnet Israel in Ägypten und begleitet sie durch die Wüste in Form einer Wolke. Er donnert, er spricht, er tröstet, er straft. Seine Worte haben mit der politischen und persönlichen Situation von Menschen zu tun. Und Gott ist mitten drin. Er leidet an der Sünde der Menschen, er ist eifersüchtig, wenn Menschen andere Götter anbeten, er freut sich über Menschen, die ihm folgen. Gott steht nicht vor der Welt wie ein Kind vor dem Aquarium. Gottes Botschaften sind keine rätselhaften Zeichen am Horizont, quasi hinter dem Glas des Aquariums. Gott kommt in die Welt hinein. Er ist mitten unter uns. Und die Bibel bezeugt diesen Gott. Dabei ist sie nicht einfach nur ein Geschichtsbuch, sondern das Wort Gottes in menschlicher Gestalt. Die sprachliche Eigenart und Denkweise der verschiedenen Autoren lässt sich gut erkennen: So wie sich Gott in menschlicher Gestalt, in Jesus Christus offenbart, so offenbart er auch sein Wort in menschlicher Gestalt, in der Sprache, dem Stil und dem Denken von Menschen. Das Gottesbild hat also viel mit dem Verständnis von heiliger oder inspirierter Schrift zu tun. Das gilt auch für den Islam.

Das heilige Buch der Muslime hat keinen direkten Bezug zu Raum und Zeit dieser Welt, sondern gehört zu einer anderen Welt und wurde durch die Gnade Gottes für eine gewisse Zeit einem Menschen geöffnet und zum Lesen zur Verfügung gestellt: dieser Mensch hieß Mohammed.

Die Inhalte des Koran, die Mohammed zu lesen bekam, wurden nicht als Berichte von Ereignissen aus der Geschichte verfasst. Sie sind in diesem Sinne zeit- und geschichtslos. Zwar finden sich Kommentare und Anweisungen zu Situationen aus dem Leben Mohammeds. Doch wurden diese schon festgelegt, bevor es Mohammed gab. Und Allah entwarf das Buch so, dass es genau zu Mohammeds Leben passen würde.

Allah ist kein Mensch. Der Unterschied zwischen Allah und Mensch ist eine der wesentlichen Züge des monotheistischen Gottesverständnisses im Islam. Allah fühlt nicht wie ein Mensch, er wird weder erzürnt noch erfreut. Auf emotionaler Ebene bleibt er ein ferner Gott. Allahu Akbar – Allah ist größer! 68mal betet ein Muslim üblicherweise diese Aussage – jeden Tag. Und als Ausdruck dieses Bekenntnisses betet er täglich 102 mal Gepriesen sei mein Herr! Auf jede Frage nach Gott, auf jede Frage nach dem Schicksal, nach Leid, nach der Zukunft, nach dem Leben überhaupt erfolgt diese Antwort: Allah ist größer. Er ist größer als unsere kleinen Probleme, er ist größer als unsere Gedanken und Systeme, er ist größer als unsere Macht und unsere Möglichkeiten, er ist größer als unser Wollen und Planen.

Auch in der Bibel wird die Souveränität Gottes betont. Doch Gott gebraucht seine Freiheit, um sich an die Menschen zu binden, einen Bund mit ihnen zu machen. Eine solche Bindung ist für Allah unmöglich. Er gibt seine Freiheit nicht auf. Entweder folgt der Mensch seinen Anweisungen, oder er kommt um. Für Allah bedeutet beides nichts. Nirgendwo im Koran ist von der „Liebe“ Allahs die Rede. Seine Barmherzigkeit und Gnade geschehen in souveräner Freiheit, niemand kann sie einfordern oder sich darauf verlassen. Man kann sich nur unterwerfen und auf Gnade hoffen.

Nirgendwo im Koran ist von der „Liebe“ Allahs die Rede

Genau so wirkt auch der Koran. Er fordert Unterwerfung. Er hat keine Nähe zum Menschen, er bleibt eine distanzierte Schrift, die man entweder genau befolgt, oder an der man scheitert. Er ist kein Liebesbrief Gottes, kein Werben um den Menschen, kein Zeugnis eines Gottes, der darum kämpft, dass Menschen den richtigen Weg gehen. Der Koran entfaltet seine Wirkung nicht dadurch, dass er die Liebe Allahs in Wort und vor allem Tat bezeugt, sondern darin, dass er Unterwerfung fordert. Für viele Muslime kommt die magische Wirkung der Worte, wie oben erwähnt, hinzu. Deshalb hat ein Koranvers, der auf Fahrzeuge, Bilder oder ähnliches geschrieben ist, einen anderen Zweck als Verse, die Christen sich an die Wand hängen oder auswendig lernen: Die Koranverse sollen schützen, Kraft entfalten, wirken. Die Verse der Bibel sollen Gott bezeugen, ihn verherrlichen, ihn den Menschen lieb machen und so eine Beziehung zwischen Gott und Mensch herstellen.

Christen kennen auch ein Wort Gottes, dass schon ewig existierte, wie der Koran, und das auf die Erde kam. Doch dieses Wort, so betont der Evangelist Johannes ausdrücklich, wurde nicht Papier und Buchstabe, sondern Fleisch (Joh 1,1.14). Dieses Wort wurde Jesus Christus. Deshalb verehren Christen nicht die Bibel, sondern Jesus Christus. Die Bibel, das Wort Gottes, ist nur ein Mittel zum Zweck: nämlich uns mit Jesus Christus bekannt zu machen.

Dieser Unterschied zum Verständnis eines Muslim drückt sich sehr deutlich aus, wenn man die Bibel eines Christen betrachtet, der regelmäßig darin liest: Oft sind bestimmte Worte unterstrichen oder markiert, Parallelstellen oder Erklärungen dazugeschrieben. Für einen Muslim bedeutet das, dass Christen die Bibel nicht genug verehren, und meinen, sie müssten sie ergänzen. Ein Christ versteht dies so, dass Gott ihm durch die Bibel Christus nahegebracht hat, und deshalb macht er sich in der Bibel Notizen oder Markierungen, um nicht zu vergessen, was er durch Gottes Geist verstanden hat.

Viel naheliegender ist es, den Koran mit Jesus Christus zu vergleichen

Für die Diskussion über die Bibel und den Koran hat das vielfache Konsequenzen:

  1. Das Zentrum des christlichen Glaubens ist nicht ein Buch, sondern eine Person: Jesus Christus. Der Koran vermittelt zwischen Allah und Mensch, er ist die sachlich-kühle Vermittlung eines Gottes, der vom Menschen emotional weit entfernt ist. Im christlichen Glauben ist Jesus Christus der Mittler zwischen Gott und Mensch. Gott kommt dem Menschen als Mensch nahe. Er gibt seine Distanz auf, und zwar so weit, dass er sich an das Kreuz nageln lässt. Für den Muslimen ist dies ein unerhörter Gedanke, selbst wenn es sich nach ihrer Auffassung bei Jesus nur um einen Propheten handelt. Dass aber Gott selbst die Grenze zwischen Gott und Mensch so verwischen könnte, das geht an den monotheistischen Kern des islamischen Glaubens, mithin an die Wurzel.
  2. Wenn um Koran und Bibel diskutiert wird, werden eigentlich zwei sehr unterschiedliche Dinge miteinander verglichen. Viel naheliegender ist es, den Koran mit Jesus Christus zu vergleichen. Joh 1,1-3 bietet dazu einen guten Einstieg, weil dieser Text auf den gleichen Ursprung Jesu hinweist, den der Koran für sich behauptet: Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Das Wort wurde nach der Bibel jedoch Fleisch, nämlich Jesus Christus, und nicht einfach nur eine Kopie in Buchform. Deshalb ist die Antwort auf die Frage, welche Schrift inspirierter ist, nicht ein Streit über Handschriften, sondern das Zeugnis von Jesus Christus.
  3. Angesichts des unterschiedlichen Umgangs mit Geschichte, des geschichtsbezogenen Gottes in der Bibel und des geschichtslosen Allahs im Koran, ist es sinnvoll, im Zeugnis von Jesus Christus vor allem von Geschichte zu sprechen: erzählen, wie Jesus lebte, was er tat und was er lehrte. Letztlich ist das ja auch der Weg, auf dem die Jünger Jesu ihn kennen lernten. Und sie brauchten dafür drei Jahre. Warum sollte das bei einem Muslimen schneller passieren? Als die Jünger erlebten, dass Jesus einen Sturm stillt, fragten sie erstaunt: Wer ist denn dieser, dass selbst Wind und Wellen ihm gehorchen? Nun, sie wussten natürlich, wer Jesus war, wo er herkam, was er tat. Die Frage bezieht sich nicht auf das Leben Jesu als solches, sondern darauf, dass nur Gott einen Sturm stillen kann. Es kann eigentlich nicht durch einen Menschen geschehen. Ist Jesus Christus ein Mensch? In den Erzählungen von Jesus Christus besteht die Chance, dass ein Muslim ihn als Gottes Sohn erkennt. Und dass er versteht, dass es bei Jesus um mehr geht, als um die Erfüllung einer fest definierten Anzahl von Geboten. Dazu kommen die Erzählungen aus unserem eigenen Leben, das Erklären von Gebetserhörungen, das Berichten von Führungen Gottes, von Hilfe und Trost. Erzählen gehört zu einer sehr grundsätzlichen Kommunikationsform in orientalischen Ländern. Es wird den Muslimen nicht fremd vorkommen.

Es geht um das Zeugnis von dem lebendigen Gott, nicht nur um den Austausch von Argumenten

Es ist deutlich geworden, dass die Diskussion um die Göttlichkeit von Koran oder Bibel nicht einfach als sachlicher Austausch von Argumenten geführt werden kann. Es geht um mehr: um das Zeugnis eines Gottes, der lebendig ist, und zwar jetzt und hier. Der Gott der Bibel ist ein Gott, der handelt, der liebt, der führt, der Ziele anstrebt, der hilft und vor Sünde bewahrt, der sich freut, wenn wir ans Ziel kommen, der trauert, wenn wir ihn links liegen lassen. Und der sich in der Heiligen Schrift, der Bibel, offenbart. Ein Gespräch über den Koran oder die Bibel muss deshalb immer auch dieses Zeugnis von diesem lebendigen Gott sein. Gott informiert nicht, er stellt sich vor.