ThemenGemeindeleben

Das biblische Gottesbild ist die Grundlage für gesundes Gemeindeleben

Welche Auswirkung hat unsere Vorstellung von Gott auf das Leben und die Gestalt der Gemeinde?

Problemstellung

Bewusst, oder unbewusst klassifizieren wir die Mitmenschen, die uns in verschiedenen Sphären des Alltags begegnen: im Beruf, beim Einkaufen, ob es Freunde unserer Kinder sind, Nachbarn oder Glaubensgeschwister. Mal sind es „Mimosen“, mal „Elefant im Porzellanladen“, sie haben „Haare auf den Zähnen“, sie können „Aalglatt“ sein oder „Igeln sich ein“. Obwohl dies alles, je nach Charakter der jeweiligen Person, nur äußere Darstellungsformen sind, wissen wir aus dem Zeugnis der Bibel, dass hinter diesen Eigenschaften ein kaputtes, verbogenes Wesen steht:

„Denn das Sinnen des menschlichen Herzens ist böse von seiner Jugend an“ (Gen 8,21b)

Dennoch gebrauchen wir diesen Mechanismus der Klassifizierung, um die Reaktionen unseres „Gegenüber“ vorauszuberechnen und unsere Haltung dementsprechend anzupassen.

Somit ist es nicht verwunderlich, dass wir ein exakt gleiches Verhaltensmuster auf unsere Beziehung zu Gott anwenden. Das heißt: Meine Vorstellung über Gott offenbart sich in meinem Christsein, in der Art, wie ich mich in der Gemeinde gebe, wie ich bete, rede, was ich verkündige etc. Es ist für mich (und jeden einzelnen Christen) also sehr wichtig eine von der Bibel her begründete Vorstellung über Gott zu haben.

„Wer ist Gott tatsächlich? Als was stellt er sich in der Bibel dar?“ Ich meine es nicht seine Eigenschaften betreffend, sondern sein Wesen. Denn Gottes Eigenschaften entspringen aus seinem Wesen und sind seinem Wesen untergeordnet. Das kann man in der Schlichtheit des Alltags folgendermaßen unterscheiden: Die Frage nach Gottes Wesen lautet: „Wer ist Gott?“ Also eine Frage der Personifizierung. Mit der Frage „Wie ist Gott?“ suche ich dagegen nach Beschreibungen über die Eigenschaften Gottes (barmherzig, heilig, allwissend, souverän etc.).

Der Untersuchungsrahmen

Interessanterweise bekommen wir die gesuchten Antworten bei dem Lieblingsschüler des Herrn Jesus, dem Apostel Johannes, denn es gibt genau genommen nur drei personifizierte „Gott ist …“ Aussagen. „Gott ist Geist“, Joh 4,23-24; „Gott ist Licht“, 1Joh 1,5-8; und „ Gott ist Liebe“, 1Joh 4,8-9. Die vierte Aussage: „Gott war Wort“, Joh 1,1-2; ist eine Aussage über Jesu Teilnahme an dem Schöpfungsakt (Kap. 1,14), die wiederholend in der Perfekt-Vergangenheitsform (4-mal) gemacht wurde und aus diesem Grund in die weiteren Überlegungen nicht einbezogen worden ist. Die sieben „Ich bin“-Worte des Herrn Jesus beziehen sich auf das Erlösungswerk und haben nicht den Anspruch der Wesensdarstellung des dreieinigen Gottes. Übrigens ist die erste „Gott ist …“ Aussage (Joh 4,23) von Jesus selbst im Gespräch am Jakobsbrunnen gemacht worden, der somit selbst die „Ich bin“-Worte in einen anderen Rahmen stellt.

Um die Tiefe, die Bedeutung einzelner Wesenszüge zu verstehen, muss man den Kontext der jeweiligen Aussagen (oder besser: die Darstellung des Wesenszuges) beachten, in dem sie gemacht werden.

1. Gott ist Geist

Es kommt die Stunde und ist jetzt, da die wahren Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden; denn auch der Vater sucht solche als Anbeter. Gott ist Geist, und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten. (Joh 4,23-24)

Eigentlich beginnt unser Bericht schon in Kap 4,1 und schildert uns das Gespräch des Herrn Jesus mit einer zwielichtigen Frau am Brunnen bei Sychar. Als Jesus ihr ihre Vergangenheit aus Gottes Perspektive zeigte (V. 18), stellte sie ihm eine, wahrscheinlich aus Verlegenheit etwas unlogische Frage: „Wo sollen wir anbeten?“ (V. 20). Sie meint damit, eine raumgebundene Auskunft zu bekommen, also den Ort, an dem sie Gott antreffen könnte. Dadurch offenbarte diese Frau bewusst oder unbewusst ihre eigene, aber auch jedes anderen Menschen Sehnsucht nach einer Kommunikation mit Gott. Dieses Bedürfnis ist stärker als allgemein angenommen. Wenn es nicht befriedigt wird, sind die Menschen um uns oft bereit, sich der okkulten Praktiken zu bedienen, wie es bei Saul (1Sam 28,7-8) der Fall war und wie es die derzeitige Entwicklung auf dem esoterisch-okkulten Markt dokumentiert.

Zurück zur Frage der Samariterin: „Wo sollen wir anbeten?“ „Wo ist Gott zu finden?“ „Gibt es eine räumliche Vorgabe?“ Jesus erklärte der Frau darauf, dass sie die Vorstellung der Heiden von einer territorialen Zuständigkeit eines Götzen aufgeben müsste. Gott unterliegt keiner räumlichen Bindung. Er ist allgegenwärtig! Auch Jona musste diese Lektion, zwar in einem anderen Unterrichtsraum, dem Bauch eines Fisches (Jona 1,3), erlernen. Zum anderen: Die Antwort, die Jesus der Samariterin gab, offenbart uns nicht nur Gottes Allgegenwart, sondern auch die Art, wie man Gott anbeten soll: nur in „Geist und Wahrheit“. Gott empfängt nur auf dieser „Wellenlänge“.

Es würde den Rahmen sprengen, wenn man sich jetzt die Frage stellen würde: „Wer hat den Geist empfangen, wann, in welchem Ausmaß, für wie lange usw.“ Für uns ist es im Moment wichtig festzustellen, dass nicht eine x-beliebige Methode zu einer Verbindung mit Gott führt, sondern nur eine von Gott vorgegebene. Die gilt ungeachtet unserer Abstammung, Wohnort, Überzeugung, Einkommen, Beruf, oder Engagement. Übrigens: dem Bibelwort zufolge, geht es nicht um irgendeine Verbindung mit Gott, sondern um die Anbetung. Es geht darum, dass wir Gott unsere Bewunderung und die Unterwerfung Ihm gegenüber wegen Seiner Eigenschaften und Taten kundtun. Letzteres geht nur „in Geist und Wahrheit“. Also nicht auf der Ebene des Verstandes, sondern auf einer Ebene, die unsren inwendigen Menschen, den immateriellen Teil, betrifft.

Biblisches_GottesbildSomit offenbart uns der Wesenszug „Gott ist Geist“ Gottes immaterielle Natur, die den uns bekannten Naturgesetzen nicht unterliegt. Er ist unsichtbar und kann nicht mit denen, dem Menschen zur Verfügung stehenden Methoden lokalisiert werden. Zum anderen zeigt Jesus der Frau am Jakobsbrunnen durch seine Antwort, dass Gott allgegenwärtig ist. Man braucht keine besonderen Orte aufzusuchen, um mit Gott in Verbindung zu sein.

Zum Schluss muss man aus der gegebenen Bibelstelle erkennen, dass Gott und auch der Mensch (nach dem Ebenbild Gottes) auf Kommunikation ausgelegt sind. Allerdings kann diese Kommunikation aus menschlicher Sicht nur auf einer Ebene, „im Geist“, stattfinden.

2. Gott ist Licht

Und dies ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: dass Gott Licht ist und gar keine Finsternis in ihm ist. Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis, lügen wir und tun nicht die Wahrheit. (1Joh 1,5)

Bekanntlich ist dieser Text an Christen gerichtet und behandelt das Thema „Christ und Sünde“. Er zeigt einerseits wie weit der Mensch von Gott entfernt ist, auch derjenige, der sich Christ nennt und doch in der Finsternis wandelt. Andererseits wird hier Gottes unerreichbare Reinheit, seine Heiligkeit, Gerechtigkeit, Allmacht, die nur ihm zueigen sind, der Reinheit der Menschen gegenübergestellt. Es ist so, als ob da zwei parallele Ebenen sind, die per Definition sich auch in der Unendlichkeit weder kreuzen noch berühren. Auf der einen ist Gott als Licht in seiner Heiligkeit (vgl. Offb 21,23; 22,5), und auf der anderen sind die Menschen und die Finsternis (Joh 3,19). Und diese Finsternis und Licht können sich eben nicht vertragen (Vgl. auch Jes 59,2).

Es währe eine wahre Katastrophe, wenn Gottes Wesen nur auf Geist (Allgegenwart, Kommunikation) und Licht (Heiligkeit, Gerechtigkeit, Allmacht, Souveränität) beschränkt währe. Gott und auch die Menschen würden vor dem Wunsch, miteinander Gemeinschaft haben zu wollen und nicht zu können, verschmachten, wenn …, wenn es da nicht noch einen Wesenszug Gottes gäbe:

3. Gott ist Liebe

Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt, denn Gott ist Liebe. Hierin ist die Liebe Gottes zu uns geoffenbart worden, dass Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben möchten. (1Joh 4,8-9)

Es ist bemerkenswert, dass Gottes Liebe in der Bibel fast ausschließlich, und nicht nur in diesem Abschnitt, mit der Erlösung der Menschen von den Sünden und deren Folgen in Verbindung gebracht wird. Liebe ist nie abstrakt, sondern wird durch Handlungen unter Beweiß gestellt. Auf Gott trifft es in besonderer Weise zu, denn er „sandte seinen Sohn zur Sühnung für unsere Sünden“ (1Joh 4,10)

Um den Wesenszug „Liebe“ richtig einschätzen zu können, müssen wir uns im Klaren sein, was das Wort Liebe (agapae) in der Bibel ausdrückt. In Phil 1,8, sowie in 1Thess 3,6 wird m.E. eine entscheidende Begleiterscheinung der Liebe erwähnt: die Sehnsucht nach Gemeinschaft. „… und uns die gute Botschaft brachte von eurem Glauben und euer agapae … und euch sehr verlangt uns zu sehen.“ Agapae ist folglich eine Beziehung, die eine Trennung nicht ertragen kann. Liebe lässt es sich was kosten, um die Trennung überwinden zu können. Es lohnt sich, die Bibel einmal unter dem Blickwinkel zu lesen, indem man überall, wo „Liebe“ vorkommt, „Sehnsucht nach Gemeinschaft“ einsetzt. Man bekommt einen tieferen Einblick in die Beweggründe für Gottes Handeln. Weil er Liebe ist, ist er barmherzig, gnädig, langmütig, geduldig,

Somit schließt sich der Kreis: Gott, als Geist, ein allgegenwärtiger, unsichtbarer Schöpfergott (Gen 1,2), ist auf die Gemeinschaft mit seinem Geschöpf, dem Menschen bedacht. Aber als Licht befindet er sich in einer anderen Dimension als die Finsternis der Menschen. Und es ist wahrhaft unser Glück, dass Gott auch Liebe ist, und ER uns aus diesem Grund mit einem größtdenkbaren Einsatz ungeachtet unseres Verdienstes aus der Finsternis herausgeholt hat.

Gottes Eigenschaften und deren Anwendung werden von Seinem Wesen bestimmt und gesteuert.

Zusammenfassung

Ich möchte jetzt, nach den gewonnenen Erkenntnissen, noch einmal die eingehende Frage stellen: „Wer ist Gott?“ Was ist bei Gott alles beherrschend: seine Souveränität oder seine Liebe? Sein Licht oder seine Allgegenwart? Kann man eine Rangliste seiner Eigenschaften aufstellen? Ich glaube nicht. Vielmehr bin ich überzeugt, dass ich damit ein unausgewogenes Gottesbild vermitteln würde. Wir sind aber dem Wort verpflichtet, in unserer Verkündigung ein ausgewogenes Gottesbild weiterzugeben. Anderenfalls können Irrlehren entstehen. Hier nur einige Beispiele:

  1. Z. B: wenn, „Gott ist Geist“ bzw. das „Verharren im Geist“, betont wird, weil man anders keine rechte Anbetung, ja sogar keine Kommunikation erleben könne. Leider sind derartige Ansichten eine zunehmende Realität unserer Tage. Man ist dabei immer weniger daran interessiert, was die Bibel sagt, weil die Informationen, die durch den Kanal „Geist“ übermittelt seien, als aktueller und wichtiger eingestuft werden. Die theologische Schieflage ist dadurch perfekt. Verschweigt oder relativiert man andererseits die Tatsache, dass Gott Geist ist, läuft man Gefahr, dass Gebet und Anbetung nur noch auf der Verstandesebene ablaufen, ja zu wohl formulierten Monologen mit frommem Inhalt degradieren. Die Gebetsversammlungen verlieren dadurch an Kraft und Saft.
  2. Gleichermaßen findet eine Fehlentwicklung im Wachstum der Gläubigen statt, wenn Gott als Licht, und seine darin ersichtliche Heiligkeit, Gerechtigkeit und Souveränität, überproportional in den Fordergrund gestellt werden. Es entsteht dann ein ängstliches, ja schwermütiges Christsein. Die Erfahrung zeigt, dass auf diesem Boden zuweilen auch Zweifel am eigenen Heil aufkommen und die Heilsgewissheit als Hochmut verstanden wird.
  3. Wenn Gott als Liebe fälschlicherweise mit einer „Schwamm-drüber-Theologie“ verbunden wird, und die Verantwortung des Menschen für sein Verhalten verschwiegen wird, kristallisiert sich sehr bald ein träges Wohlfühlbestreben statt Nachfolge heraus. Dann zählen plötzlich nicht mehr Gottes Vorstellungen über Recht und Unrecht, Erlaubtem und Unerlaubtem, sondern egozentrische subjektive Meinungen über die Liebe Gottes.

Wir sollten gerade in unserer Zeit Mut zu einer ausgewogenen Verkündigung aufbringen, und den auftretenden „Modeerscheinungen“ entgegenwirken. Jede dieser o. g. Folgen bringen in die Gemeinde (Ich meine dabei die lokale Gemeinde) viel Unruhe hinein. Denn es ist eine unbestrittene Tatsache, dass mein Verständnis über Gott und sein Wesen sich auf mein Verhalten zu Gott selbst, zu meinem Dienst in der Gemeinde, zu den Geschwistern in der Gemeinde, zu den Verantwortlichen usw. auswirkt.