Als ich auf der Suche nach Literatur in der Fachbereichsbibliothek „Geschichte der Medizin“ erzählte, dass ich in einer Arbeit einen Vergleich zwischen Christus und Asklepios erstellen wollte, erlebte ich sinngemäß folgende Reaktion:
„Na, so ein Thema dürften Sie aber nicht in konservativen Kreisen ansprechen“. In den Worten des Bibliothekars war der Gedanke enthalten, dass bei einem Vergleich unweigerlich eine Abhängigkeit des Christus von Asklepios oder zumindest ein gleicher antiker legendarischer Hintergrund für die Heilungen von Asklepios und Christus besteht.
Diese Arbeit soll nun der Frage nachgehen, inwieweit beide Personen tatsächlich vergleichbar sind.
1 Legende, Entstehung und Ausbreitung des Asklepioskultes
Es gibt durch die ganze griechische und römische Literatur hindurch zahlreiche Verweise auf Asklepioslegenden.
Demnach sei Asklepios der Sohn des Gottes Apollon mit Arsinoe oder Koronis gewesen. Er erlernt die Heilkunst beim Zentaurier Chiron und entwickelt eine derartige Kunstfertigkeit, dass er nicht nur unheilbar Kranke gesund macht, sondern sogar Tote auferweckt. Da Zeus nun fürchtet, dass sein Enkel Asklepios diese Fähigkeit den Menschen weitergibt, tötet er ihn durch einen Blitz. Durch diesen Tod wird nun Asklepios zum Gott erhoben und heilt auf wunderbare Weise Menschen, die sich mit ihren Krankheiten an ihn wenden. Seine beiden Söhne Machaon und Podalisius, die von ihm in derselben Kunst gelehrt worden sind, werden große Ärzte und geben die Heilkunst an ihre Nachfolger, die Asklepiaden, weiter. Auch die Mitglieder seiner Familie werden als Heilgottheiten verehrt. Das gilt sowohl für seine beiden Söhne als auch für seine Frau Hygieia (Gesundheit) und seine Töchter Akeso (Heilung), Iatro (Verarztung) und Panakeia (Allesheilung).
Erste Belege aus dem 8. Jahrhundert vor Christus bei Homer lokalisieren Asklepios als „unvergleichlichen Arzt“ in Trikka, Thessalien. Neuerdings glaubt man, er wäre wie Homer ursprünglich ein thessalischer Stammesfürst gewesen. Von ihm leiten sich dann die Asklepiaden als „familiär-zünftisch organisierte Ärztegemeinschaften Griechenlands“ in einer genealogisch direkten Linie ab. Eine größere Popularität und Verbreitung des Asklepioskultes geht seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. von Griechenland aus, und zwar von der Stadt Epidaurus. Der Kult hat Filialen in anderen griechischen Städten wie z.B. Korinth und Athen, später dann in Kos und Pergamon. Am Anfang des 3. Jahrhunderts wird Asklepios, angeblich auf Grund einer Pest, in Rom eingeführt. Der Kult breitet sich von da an über den ganzen Mittelmeerraum aus.
2 Historizität
An dieser Stelle müssen zwei Fragen gestellt werden: (1) Hat Asklepios tatsächlich gelebt, und wenn ja, wer oder was war er, (2) und hat Asklepios nach seinem Tod als Heilgott weiter gewirkt, bzw. welchen Stellenwert haben die Heilungsberichte, die sich auf Asklepios beziehen?
Asklepios ist auf jeden Fall eine legendäre Persönlichkeit. Es gibt eine Vielzahl von Erzählungen, die einerseits deutlich legendären Charakter haben und andererseits sehr widersprüchlich sind. Wenn man aber bedenkt, dass Asklepios bereits bei Homer als Vater von Machaon und Podalisius, Ärzten im Trojanischen Krieg, erwähnt wird, ohne dass er bereits als Gott bezeichnet wird, und dass sich die Ärzteschule auf Kos auf ihn als ihren medizinischen Vorreiter bezieht, ist es durchaus vorstellbar, dass eine historische Person, der Arzt Asklepios, existiert hat.
Es ist durchaus vorstellbar, dass eine historische Person, der Arzt Asklepios, existiert hat
Für die Frage der Heiltätigkeit des Gottes Asklepios gibt es mehrere Erklärungsversuche, die aber alle mehr oder weniger spekulativ bleiben. Dennoch ist auffällig, wieviel deutlich ärztliche Heilmethodik übrigbleibt, wenn man den Wunderrahmen weglässt. Auf Kos wurden zahlreiche medizinische Instrumente und sogar Reste einer Apotheke gefunden. Das Asklepeion dort war außerdem eng mit der Ärzteschule verbunden. Es liegt also nahe, dass hier auch eine medizinische Behandlung geschah. Ebenso deuten Funde und Abbildungen aus Pergamon darauf hin, dass medizinische Behandlungen vorgenommen wurden. Auch der Mediziner und Asklepiosanhänger Galen, der von dem hippokratischen Prinzip der Selbstheilung des Körpers überzeugt war, lebte in Kos.
Doch die Wunderheilungen des Asklepios können nicht allein auf ärztliche Maßnahmen zurückgeführt werden. Allein die Tatsache, dass ein Asklepioskult und nicht nur eine Asklepiosmedizin über mehr als ein Jahrtausend überlebt hat, legt es nahe, dass gewisse übernatürliche Heilungserfolge aufzuweisen waren. Beweisen kann man aber weder, dass keine Wunder stattgefunden haben, noch dass sie stattgefunden haben.
3 Vergleich der griechischen und römischen Quellen über Asklepios mit den Berichten über Jesus im NT
3.1 Entwicklung des Asklepiosbildes
Wenn man die unterschiedlichen Belege vergleicht, wird deutlich, dass kein einheitliches Bild von Asklepios besteht.
Dagegen kann man eine Entwicklung seines Bildes in drei Phasen erkennen. Die erste Phase findet sich in den Asklepioslegenden und beschreibt Asklepios als Arzt mit göttlichem Ursprung und göttlich gewirkter Heilkraft. Er wird als Mensch beschrieben, der durch seine Kenntnis die Heilkunst begründet und somit der Vorreiter in der Medizin ist.
Die zweite Phase bezeichnet Asklepios als Heilgott, der bereits in der himmlischen Welt ist und die Menschen in seinen Heiligtümern im Traum und manchmal in der Realität aufsucht, um sie zu heilen. Eine kultische Verehrung des Asklepios und die Inanspruchnahme seiner Heilfähigkeiten beginnt im 5. Jahrhundert und geht mindestens bis ins zweite nachchristliche Jahrhundert, wo unter der Förderung des Kaisers Hadrian das Asklepeion in Pergamon seine Blütezeit erlebt.
Innerhalb der Asklepiosverehrung ist eine Entwicklung zu einer dritten Phase zu erkennen. Die Betonung der heilenden Funktion des Asklepios bleibt zwar immer bestehen, aber die Verehrung eines „funktionierenden“ Heilgottes tritt gegenüber der Verehrung eines fast persönlichen Gottes etwas mehr in den Hintergrund. Aber auch der spätere Asklepiuskult in Pergamon ist deutlich von diesem Wandel geprägt: Die Votivtafeln zeigen, dass das Asklepeion von der politischen und kulturellen Oberschicht besucht wird, die es nicht nur der Heilung wegen aufsuchen, sondern Antworten auf ihre Lebensfragen erwarten.
Parallel dazu lässt sich eine Veränderung des Heilungsmodus erkennen. Während in den epidaurischen Inschriften (4. Jahrhundert v. Chr.) Asklepios fast ausschließlich sofort und direkt heilt, heilt er nun meist durch Anweisungen von mehr oder weniger medizinisch einsichtigen Behandlungen und Kuren, die oft Glauben, Gehorsam und Geduld verlangen; sofortige Wunderheilungen fehlen in den Texten aber fast völlig. Dagegen steht nun der Kultus viel mehr im Vordergrund.
3.2 Heilungs- und Wunderberichte in den Tempelinschriften am Beispiel des Asklepeions in Epidaurus
Das Asklepeion in Epidaurus ist für die Bewertung des Asklepioskultes und gerade auch für einen Vergleich von Asklepios und Christus in Bezug auf die Wundertätigkeit von sehr großer Bedeutung. Zum einen fand die regelrechte Asklepiosverehrung hier bereits vom 6. Jahrhundert an ihren Ausgangspunkt und zum anderen ist hier die älteste und größte Sammlung an Wunderberichten zu finden. Sie zeigen in beispielhafter Weise die Asklepiosfrömmigkeit in der zweiten Phase der Verehrung.
3.2.1 Die Wunder des Asklepios
Seine Wirksamkeit ist in den meisten Fällen an das Asklepeion gebunden
Ein wichtiges Kennzeichen der Wunder des Asklepios ist die Tatsache, dass seine Wirksamkeit in den meisten Fällen an das Asklepeion, das Tempelheiligtum, gebunden ist. Ein weiteres wesentliches Kennzeichen ist die Inkubation – der „Heilschlaf“ im Tempel. In den weitaus meisten Fällen erfolgt die Heilung durch Asklepios im Traum während des Heilschlafes. Auch die wenigen Wunder, die sich nicht auf Heilungen beziehen, geschehen zumindest im Asklepeion oder auch dort im Traum. Die Probleme, mit denen die Menschen zu Asklepios kommen sind vielerlei Art, aber zumeist Leiden, die einer körperlichen Heilung bedürfen. Sehr häufig sind Blindheit, körperliche Gebrechen, wie Lähmung oder Gicht, bzw. Hautausschlag, Abszess, Geschwür u.ä., Parasiten oder Fremdkörper im Körper und Kinderlosigkeit. Es gibt aber auch äußerliche Verletzungen, Stummheit, Epilepsie, Haarlosigkeit, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit, Läuse und den Biss einer Giftspinne. Daneben bewirkt Asklepios aber auch Leiden an Menschen, die sich ihm gegenüber übel verhalten, die er aber bis auf einen Fall nach einer „Buße“ wieder heilt.
Asklepios heilt in den meisten Fällen durch quasi medizinische Behandlungen. So operiert er regelrecht, wobei die Methoden in einigen Fällen etwas fragwürdig erscheinen (z.B. Abschneiden des Kopfes und Aufhängen des Körpers, um Flüssigkeit herauslaufen zu lassen); er verabreicht Medizin oder Salben, verabreicht Massagen und lässt Fremdkörper erbrechen oder natürlich ausscheiden. Manche Behandlungen werden in symbolischer Weise am Kranken vollzogen. Gelähmte Finger werden gestreckt, die Krücke eines Gelähmten zerbrochen, ein blindes Auge geöffnet, die stumme Zunge berührt, ein Malzeichen auf der Stirn mit einer Binde abgezogen und bei Epilepsie mit dem Ring des Asklepios auf die Körperöffnungen (Mund, Nasenlöcher und Ohren) gedrückt. Wenige Male heilen auch die Symboltiere des Asklepios durch symbolische Handlungen. Beim Aufwachen sind die entsprechenden Krankheiten geheilt. In einigen Fällen sind die Auswirkungen der Behandlung in der Realität sichtbar: Das Malzeichen ist auf der Binde, Fremdkörper, die im Körper waren, sind nun außerhalb des Körpers zu sehen, der Boden ist voller Blut oder Erbrochenen.
Im Allgemeinen sind die Behandlungen des Asklepios medizinisch einsichtig und nachvollziehbar
Im Allgemeinen sind die Behandlungen des Asklepios medizinisch einsichtig und nachvollziehbar. Es gibt aber auch einige abstruse Methoden oder Erlebnisse. So träumt z.B. eine Frau mit Bandwurm im Tempel in Trozen, dass die Söhne des Asklepios ihr den Kopf abschneiden, aber nicht in der Lage sind, ihn wieder aufzusetzen. Sie schicken nach ihrem Vater in Epidaurus. Am nächsten Morgen sieht der Priester die Frau mit abgetrennte Kopf. In der nächsten Nacht träumt die Frau, dass Asklepios kommt, den Kopf aufsetzt, den Bauch aufschlitzt, um ihr den Bandwurm zu entnehmen, und ihn wieder zunäht. In einem anderen Beispiel soll ein Gelähmter im Traum auf einer Leiter hoch auf den Tempel steigen. Als er zu ängstlich ist, weiter hoch zu steigen, und zurückkehrt, ist Asklepios zuerst ärgerlich, lacht dann aber über den Feigling – er wird dennoch geheilt und wagt es am nächsten Tag.
Gerade durch diese äußerst wunderbaren Berichte soll Asklepios gerühmt werden, aber nur sehr selten ist eine „missionarische“ Intention zu erkennen: Zweimal wird ein Zweifler durch die Heilung von Asklepios überzeugt und einmal ein Spötter durch Strafe und Heilung „bekehrt“. Wenn auch die „Bekehrung“ von Zweiflern nicht im Vordergrund steht, so wird doch Glaube, Vertrauen und Gehorsam gegenüber Asklepios verlangt.
Opfergaben sind für den Asklepioskult wichtig. Es werden vorhergehende Opfer erwähnt, Opfer werden vom Kranken verlangt, und wenn versprochene Opfer nicht geleistet werden, wird die Heilung so lange zurückgenommen, bis sie dann doch nachträglich gegeben werden.
3.2.2 Vergleich mit den Wundern von Christus
Die eigentliche Bestimmung und Haupttätigkeit von Jesus ist die Predigt des Reiches Gottes und der Ruf in die Nachfolge
Zunächst muss betont werden, dass sich ein Vergleich zwischen Christus und Asklepios nicht auf die gleichen Grundvoraussetzungen stützen kann. Asklepios ist ein Heilgott, ein zum Gott heroisierter Arzt, dessen Menschsein nur noch aus Sagen bekannt ist. Jesus Christus dagegen ist während seiner Wundertätigkeit ganz Mensch, wenn auch mit göttlichem Wesen. Asklepios muss im Normalfall in einem seiner Kultorte aufgesucht werden, wohingegen Jesus als Wanderprediger herumreist und innerhalb dieser Tätigkeit Wunder vollbringt. Asklepios ist in fast allen Fällen nur im Traum zu erleben, Jesus heilt in der realen Welt den Bedürftigen im wachen Zustand und von Angesicht zu Angesicht. Seine eigentliche Bestimmung und Haupttätigkeit ist die Predigt des Reiches Gottes und der Ruf in die Nachfolge, während die Funktion des Asklepios es ist, Wunder zu tun, vor allem zu heilen.
Es gibt aber auch Übereinstimmungen. Zum einen in der Tatsache, dass beide Wunder vollbracht haben und der überwiegende Teil dieser Wunder Heilungen sind, und zum anderen in der Art dieser Wunder: Es sind „Alltagsleiden“, mit denen sich jedermann identifizieren kann. Der Zweck sowohl der Evangelien als auch der Wunderberichte im Asklepeion ist es, den Wundertäter zu verherrlichen (auch bei Jesus wird z.B. häufig betont, wie schwer die Umstände für die Heilungen sind, vgl. 5,14,21-26)1 und in gewisser Weise, Glauben zu wecken. Das Zielpublikum sind nicht Theologen oder Philosophen, sondern ist das Volk. Wenn die Asklepiosberichte „Erzählungen aus dem Volk und für das Volk“ sind, so gilt dies auch für die Evangelien. Somit besteht auf der Textoberfläche eine sehr ähnliche Intention; wenn wir uns aber diese Intention genauer ansehen, werden wir merken, dass sie dennoch grundsätzliche Unterschiede aufweist.
Von Jesus sind in den Evangelien deutlich weniger Wunderberichte überliefert. Es gibt nur 16 Krankenheilungen, die ausführlicher beschrieben werden (4-19), einige allgemeine Verweise auf Jesu Heilungstätigkeit (1-3,20), fünf Dämonenaustreibungen (30-34), bei den drei explizit Krankheitserscheinungen nennen (Stummheit, 31; Blindheit und Stummheit, 32; Epilepsie, 33), drei Totenauferweckungen (35-37) und acht bzw. neun (wenn man die Verklärung mitrechnet) Wunder, die nichts mit Heilungen zu tun haben (21-29). Bei den letztgenannten Wundern (Fischzüge, Speisungen, Macht über Naturgewalten, verdorrter Feigenbaum und das Weinwunder) gibt es inhaltlich keine Übereinstimmungen mit den Asklepioswundern,2 auch Dämonenaustreibungen und Totenauferweckungen werden in den Asklepiostempelinschriften nicht erwähnt. Aber bei den Heilungen gibt es Vergleichsmomente.
Wie bei Asklepios sind bei Jesus Blindheit (16-19) und Gebrechen wie Lähmungen oder Gicht (2,7, 10-13) am häufigsten. Es kommen aber auch Verletzungen (6), Taubheit (15) und Epilepsie (2 – wenn man „mondsüchtig“ damit identifizieren kann) vor, und der Aussatz in den Evangelien entspricht in etwa Krankheiten, wie Abszess oder Geschwüre bei Asklepios. Die einzige Krankheit, die bei Asklepios nicht ausdrücklich erwähnt wird, ist Fieber (4). Leiden, wie Kinderlosigkeit und Fremdkörper im Menschen, die bei Asklepios häufig vorkommen, sind bei Jesus nicht erwähnt. Es zeigt sich, dass bei den eigentlichen Krankheiten eine große Übereinstimmung besteht, während bei den übrigen Leiden und Wundern, die nichts mit körperlicher Versehrtheit zu tun haben, praktisch keine Ähnlichkeiten zu finden sind.
Ein deutlicher Unterschied zwischen Christus und Asklepios ist in den Heilungsvorgängen für die Leiden zu erkennen. Während Asklepios das Heilungswunder meist durch eine quasi medizinische Behandlung wirkt, heilt Jesus durch die Berührung seiner Hand oder durch sein Wort und Willen. Er ergreift die Hand des Betroffenen (4), legt seine Hand auf (1,13,18), berührt das verletzte Körperteil (6,16,17) und gebraucht dabei auch symbolische Handlungen:
Jesus heilt durch die Berührung seiner Hand oder durch sein Wort und seinen Willen
Er legt beim Taubstummen seinen Finger auf die Augen und benetzt die Zunge mit Speichel (17), benetzt die Augen des Blinden mit Speichel und legt die Hände auf (18) oder legt einen Brei aus Staub und Speichel auf die Augen eines Blinden (19). An einigen Stellen heilt Jesus, ohne dass irgendeine Tätigkeit erwähnt wird (8-10), wobei an zwei Stellen sein Wille zu heilen betont wird (8+9), und häufig heilt er durch sein Wort (8,13,15,17,25,28) oder gibt den Befehl, das versehrte Körperteil zu bewegen, wobei es dann gleichzeitig geheilt ist (11,12,14). Die Heilungsmacht seines Wortes und Willens gilt auch für die Dämonenaustreibungen und Totenauferweckungen und ebenso für die übrigen Wunder: Er befiehlt beim Weinwunder, das Wasser als Wein zu behandeln, und es wird Wein; er gebietet den Sturm, still zu werden; er befiehlt, die Netze auszuwerfen, und viele Fische werden gefangen; er bricht das Brot, und es vermehrt sich; und er geht einfach auf dem Wasser. Dass die Person Christi für die Wunder grundlegend ist und nicht irgendeine Tätigkeit, bestätigen auch die Belege, in denen Menschen Jesus (2) oder seine Kleider (3,5) berühren und gesund werden.
Hier zeigt sich nun der grundlegende Unterschied zwischen Christus und Asklepios. Die Funktion des Asklepios ist in erster Linie die eines Heilgottes, dessen besonderes Wesen darin besteht, dass er „funktioniert“; das heißt, er zeichnet sich durch durchgängige und wunderbare Heilungserfolge aus. Die Betonung bei Jesus Christus liegt nicht auf seiner erfolgreichen Heiltätigkeit, sondern auf seiner Person selbst. Seine Funktion ist nicht, ein Heiler und Wundertäter, sondern Gottes Sohn und Messias zu sein. Und diese Funktion wird nun durch Heilungen und andere Wunder bestätigt und autorisiert. Deswegen wird seine Autorität über Krankheiten in Wort und Wille so stark betont.
Zwei charakteristische Merkmale der Wundererzählungen in den Evangelien bestätigen dies Ergebnis im Besonderen:
Die Betonung des Glaubens und der Reaktion auf die Wunder. Es ist außerordentlich auffallend, wie häufig in den Worten Jesus oder in der Erzählung Glaube als Grundlage für die Heilungen angesprochen wird. Jesus fragt direkt (16) oder indirekt („willst du gesund werden“, 14; „was soll ich tun“, 17) vor der Heilung nach Glauben, Glaube wird als Voraussetzung für die Heilung genannt (5,10,16,17), ein Glaubensschritt wird gefordert (Gehen zum Teich und Abwaschen des Breis, 19), wir lesen von Aussagen der Kranken, die Glauben zeigen („du kannst es“ u.ä. 8,10,18), ein Blinder lässt sich vom Volk nicht abhalten, Jesus aufzusuchen (17) und Jesus anerkennt den stellvertretenden Glauben der Freunde eines Gelähmten (11). Das Gleiche ist bei den Wundern ohne Heilungscharakter zu beobachten.
Jesus betont die Kraft des Glaubens (28), kritisiert den Kleinglauben der Jünger (25,26), beim Weinwunder wird explizit das Ziel, Glauben zu wecken, genannt (29), und dieses Ziel wird erreicht: Glaube entsteht oder wächst (10,26,29).
Bei Jesus steht nicht der Glaube an einen Wunderheiler im Mittelpunkt, sondern der Glaube an ihn als Sohn Gottes und Messias
Aus dem Kontext dieser Wundererzählungen wird deutlich, dass es hier nicht um den Glauben an einen Wunderheiler geht, sondern dass der Glaube an Jesus als Sohn Gottes und Messias im Mittelpunkt steht und er als solcher angenommen werden möchte. Das zeigt sich gerade durch die Reaktionen auf die Wunder. Neben Glauben entsteht Freude über die „herrlichen Taten“ (13); Lob Gottes (11,17,29), aber auch Verwunderung über Jesus (15,19,25), Erschrecken (26, 27), Sündenerkenntnis (21), Erkennen von Jesus (22), bis hin zur Anbetung (26) und Ehrfurcht (21,25). Außerdem haben einige Wunder die Funktion von theologischen Zeichen: Er korrigiert das falsche Sabbatverständnis der Schriftgelehrten und autorisiert diesen Anspruch durch Wunder (7,12,13,14), und er legitimiert in derselben Art seine Autorität, Sünden zu vergeben (11).
Schließlich zeigt auch der Kontext einiger Berichte in besonderer Weise die messianische Funktion Jesu. Heilungen haben prophetischen Hintergrund, die sich auf den Messias beziehen (1), Dämonen bekennen Jesus als „Heiligen Gottes“ oder „Sohn Gottes“ (1,30,34), und bei der Verklärung zeigen die übernatürlich weißen Kleider und die himmlische Stimme das göttliche Wesen und die Autorität von Christus (27). Dagegen gibt es bei Asklepios keine Hinweise auf ein religiöses Erlebnis der „Bekehrung“ in dem Sinne, dass es Auswirkungen auf das spätere Leben der Geheilten gehabt hätte.
Die Funktion der Wunder, Jesu messianischen Anspruch zu legitimieren, erklärt auch, warum bei den Wundern, die keine Heilungen darstellen, praktisch keine Übereinstimmungen mit den Wundern des Asklepios bestehen. Während Asklepios sich in erster Linie dadurch auszeichnet, dass er in der Lage ist, die Probleme der Menschen erfolgreich zu lösen (zerbrochener Krug, verlorene Dinge, Hilfe bei Geldgeschäften), sollen Jesu Wunder Zeichen sein und seinen Anspruch herausstellen: Er ist Herr über Krankheiten, Dämonen und Tod, aber auch über Naturgewalten (25,26), er stellt sich als das „lebendige Brot Gottes“ dar (Brotvermehrung, 23, 24), befähigt dazu, „Menschenfischer“ zu sein (Fischfang, 21,22) und verkündet Gericht über Jerusalem (verdorrte Feigenbaum, 28), das ihn abgelehnt hat. Einzig das Weinwunder (29) könnte in die Ausrichtung der Asklepioswunder passen.
3.3 Das Asklepiosbild in den literarischen Zeugnissen
3.3.1 Berichte über Asklepios
Durchgängig wird Asklepios aus medizinischer Sicht als Leit- und Vorbild der Ärzte beschrieben. Er ist der perfekte Arzt und Vorreiter der Ärzte, der hippokratische Eid wird u.a. auf ihn geleistet und er ist derjenige, der die Heilkunst weitergibt. Später wird er sogar als Gründer der medizinischen Wissenschaft bezeichnet. Neben der Ausübung der Heilkunst wird er auch als Vorbild für die ärztliche Ethik des Hippokrates erwähnt. Er zeigt Mitleid mit und Hingabe an die Kranken, nimmt den Tod infolge des Zorn von Zeus in Kauf, um den Menschen zu helfen.
Asklepius wurde nicht nur als Gott verehrt, sondern sowohl philosophisch hinterfragt, als auch gedeutet. Schon Heraklit versuchte, Übernatürliches bezüglich Asklepios natürlich zu deuten, als er den tödlichen Blitz des Zeus als ein „brennendes Fieber“ identifizierte, an dem Asklepios starb. Auch Cicero stellte den göttlichen Anspruch des Asklepios in Frage und behauptet, dass er lediglich als Mensch von Menschen vergöttlicht wurde und dass medizinische Behandlung nicht in Träumen erfolgen können.
Eine philosophische Rezeption sieht völlig von der medizinischen und religiösen Funktion des Asklepios ab und benutzt seinen Namen für philosphische Zwiegespräche. Viele Beispiele dafür sind im „Corpus Hermeticus“ und im „Lateinischen Asklepius“ zu finden.
Der Übergang vom „Heilgott“ zu so etwas wie einem persönlichen Gott, d.h. von der zweiten zur dritten Phase der Asklepiosverehrung, ist nicht an einem Datum festzumachen. Ab dem 2. Jahrhundert n.Chr. häufen sich jedoch Aussagen, die den göttlichen Anspruch hervorheben. So wird behauptet, dass der Blitz des Zeus dazu diente, Asklepios zum Gott zu erheben und er vom Sterblichen zum Unsterblichen wurde. Mit einer apologetischen Intention gegen die Christen sagt Julianus sogar aus, dass Asklepios von Gott selbst her komme.
Asklepios wird als Sonne und Spender der Gesundheit bezeichnet
Asklepios wird als Sonne und Spender der Gesundheit bezeichnet; er ist der Führer und Regent des Universums, der sotêr und Wächter der Sterblichen, Vater und Schöpfer von allem, sein Thron ist im Universum; er erhält die Naturordnung, indem er das Universum davor bewahrt, krank oder alt zu werden, und er wird ewig bestehen: Wie eine Schlage ihre Haut ablegt, so verjüngen sich Sonne und Asklepios immer wieder. Julianus stellt sogar eine Parallele zur christlichen Vater-Sohn Beziehung dar: Die Sonne hat Asklepios in die Welt gesetzt; schon vor Weltbeginn ist er an der Seite der Sonne.
Asklepios ist vollkommen weise und gerecht, heilt nicht des Geldes (oder der Opfergaben) wegen, sondern weil er ein Wohltäter der Menschheit ist, und auch die Opfergaben haben „pädagogischen Wert“: Sie sind nur dafür da, damit die Menschen Dankbarkeit erweisen können und die Wohltat nicht zu schnell vergessen. Die Liebe des Asklepios zu den Menschen zeigt sich darin, dass er sich für sie erniedrigt: So küsst er z. B. aus Liebe für die Menschheit einen verletzten Fuß und schafft damit Heilung. Er sorgt nicht nur für die hohen Stände, sondern heilt auch Arme. Julianus zeichnet in diesem Zusammenhang wieder eine deutlich Parallele zu Jesus Christus: Asklepios kommt von Gott, besucht die Erde, erscheint in Epidaurus in Form eines Menschen und reicht der ganzen Welt seine ausgestreckte Hand. Er erhebt die sündigen Seelen und die kranken Körper.
3.3.2 Auseinandersetzung mit dem Christentum
Asklepios war als „Konkurrenz“ für Christus eine Herausforderung an die Apologie, der sich die Kirchenväter stellen mussten
Wenn man die Auseinandersetzung der Kirchenväter mit Asklepios betrachtet, kann man erkennen, dass zu dieser Zeit der Wandel des Asklepiosbildes vollzogen war. Asklepios war als „Konkurrenz“ für Christus eine Herausforderung an die Apologie, der sich die Kirchenväter stellen mussten.
Die Historizität des Asklepios steht in keinem Beleg zur Debatte, niemand stellt in Frage, dass Asklepios gelebt hat, nur die Frage seiner Göttlichkeit wird thematisiert. So wird sowohl seinem göttlichen Wesen, seiner göttlichen Heilkunst, seiner göttlichen Hingabe als auch seiner Ähnlichkeit zu Christus widersprochen.
Die Göttlichkeit des Asklepios wird durch die Tatsache widerlegt, dass er durch einen Blitz getötet wurde und er somit nur ein Sterblicher war, und Eusebius widerspricht dem Anspruch, Asklepius sei Sonne und Spender der Gesundheit. Viele stellen außerdem in Abrede, dass seine Heilkunst göttlichen Ursprungs ist, dass er Tote auferwecken konnte, wenn er nicht einmal selbst dem Tod entkommen konnte und dass er aus reiner Güte geheilt hat: Er hat seine Heilkunst für Geld verkauft und ist deswegen zur Strafe getötet worden.
Ähnlichkeiten mit Jesus werden entweder geleugnet – Jesus ist als Gott und Mensch geboren, Asklepios aber starb, der Tod Jesu durch Verschwörung von Menschen hat keine Gemeinsamkeit mit dem Tod des Asklepios durch einen Blitz, Asklepios konnte keine Dämonen austreiben, Asklepios ist kein Erlöser – oder als Imitationen Satans erklärt.
Dagegen wird nur selten eine Parallelität zwischen Jesus und Asklepios als Argumentationshilfe für den christlichen Glauben verwendet. Justin zeigt an einigen Stellen, dass die Heiden bei Asklepios an ähnliche Wunder und Fähigkeiten (Heilungen, Totenauferweckungen, Himmelfahrt) glauben, wie sie Jesus getan hat, und will ihnen gegenüber damit Argumente gegen das Christentum entkräften.
3.3.3 Vergleich mit Christus
Parallelen zu Asklepios als Vorreiter der medizinischen Fachleute oder Entdecker von Heilmethoden bzw. Heiltherapien und -kuren sind im Neuen Testament nicht zu finden. Auch seine Nachfolger erwarten von Christus nie Heilung in erster Linie. So rät Paulus dem Timotheus gegen sein Magenleiden und häufige Krankheit nicht, Rat bei Christus zu suchen, sondern Wein statt nur Wasser zu trinken (1Tim 5,23); kranke Christen werden wie selbstverständlich bei Paulus erwähnt (2Tim 4,20); er selbst hat ein Augenleiden (Gal 6,11) und vielleicht noch schwerere Leiden (vgl. seine Schwachheit und den „Pfahl im Fleisch“, 2Kor 12,5-10). Wenn die Jünger Jesu in seinem Namen Kranke heilen, ob zu Lebzeiten Jesu (Mk 13,14ff. par.) oder in der frühen Christenheit (allgemein: Mk 16,18; Petrus: Apg 3,1ff.; Paulus: 14,8), so besteht dieselbe Intention wie bei Christus, nämlich die Bestätigung der Verkündigung des messianischen Gottesreiches. Auch innerhalb der Gemeinde geschehen Heilungswunder, aber die Geistesgabe der Krankenheilung (1Kor 12,9) oder die Autorität dazu (Jak 5,14) ist eine unter vielen und steht nie im Vordergrund, wie es dagegen bei Asklepios der Fall ist. Hinweise auf medizinische Behandlungen oder Kuren sind in den neutestamentlichen Belegen gar nicht zu finden.
Mit Jesu Zukunftsvorhersagung (z. B. Lk 13,33-35; Mk 13,2) verhält es sich so wie mit seinen Wundern: Sie dienen nicht dazu, ihn als außergewöhnlichen (Gott-) Menschen darzustellen , sondern sind Zeichen seiner messianischen Funktion. Sie geschehen auch nicht, um Menschen oder Städten zu helfen, sondern um Gericht anzukündigen über die, die seine Predigt des Reiches Gottes ablehnen. Dieselbe Betonung liegt vor, wenn Jesus als „Weisheitslehrer“ auftritt (z. B. die „Bergpredigt“ oder andere Lehrreden an seine Jünger). Seine Intention ist es nicht in erster Linie, Menschen zu helfen, besser mit ihrem Leben zurechtzukommen, sondern das Wesen des Reiches Gottes zu verkündigen.
Die Absicht von Jesus ist es nicht in erster Linie, Menschen zu helfen, besser mit ihrem Leben zurechtzukommen, sondern ihnen das Reich Gottes zu verkündigen
Interessanter ist ein Vergleich auf der religiösen Ebene. Hier finden wir Vergleichsmomente bezüglich des Ursprungs der Göttlichkeit, des göttlichen Wesens, des „moralischen“ Wesens und der persönlichen Verehrung durch Menschen. Asklepios und Christus sind beide durch das Zusammenwirken von Gott und Mensch gezeugt worden. Ein deutlicher Unterschied in der Herkunft beider Personen zeigt sich, wenn wir das Gottesbild betrachten. Jesus ist der inkarnierte Sohn des einen Gottes mit der konkreten Intention, die Welt durch Gott zu erlösen, wohingegen Asklepios einer von vielen Halbgöttern ist, der durch die oft recht freizügige sexuelle Aktivität der Götterwelt entstanden ist. Daher werden für die Begründung der Gottwerdung von Asklepios seine medizinischen Verdienste oder seine Tugend genannt, die Inkarnation allein reicht nicht aus. Für beide ist der Tod ein bedeutender Punkt für ihre Funktion. Für Asklepios ist er aber zunächst einmal eine Strafe von Zeus, er wird dann zum Gott erhoben und beginnt seine eigentliche heil(ungs)schaffende Tätigkeit. Christus war dagegen von Anfang an bei Gott und er war Gott, bevor er inkarniert wurde. Sein Tod ist bereits das Ziel seiner Mission auf Erden, durch die Auferstehung bestätigt Gott seine messianische Autorität, und mit der Himmelfahrt ist er wieder als Gott beim Vater (Jo 1,1-5; Rö 1,1-4; 1Kor 15; Hebr 1,1- 4; Off 1,4-8.17f. u.v.a.).
Wenn Asklepios als „Schöpfer von allem“, als „Sonne und Spender der Gesundheit“, als „Führer und Regent des Universums“, als „sôtêr und Wächter der Sterblichen“ und als „Erhalter der Naturordnung“ bezeichnet wird, dann werden ähnliche Eigenschaften genannt, wie sie der eine christliche Gott und Jesus Christus hat. Aber sie werden in anderer Weise verstanden.
Ähnlichkeit zeigt sich auch im Wesen der Gerechtigkeit, Gnade und Hingabe zwischen Asklepios und Christus. Asklepios wird als Wohltäter der Menschen beschrieben. Er beweist seine Liebe zum Menschen, indem er sich für sie einsetzt und ihnen hilft, und das, ohne einen Unterschied zwischen arm und reich zu machen. Ebenso erscheint auch Jesus in den Evangelien. Es gibt aber wesentliche Unterschiede: Die Liebe des Asklepios ist ausschließlich anthropozentrisch und innerweltlich orientiert, die Liebe Jesus hat einen Blick über das äußerliche Wohl des Menschen hinaus. Asklepios ist nur am äußerlichen Wohlergehen des Menschen, in der philosophischen Rezeption allenfalls noch an der Frage der rechten Lebensführung interessiert. Jesus dagegen sorgt für das ewige Heil des Menschen, ohne damit diesseitige Probleme auszuschließen. Die größte Freude im Himmel ist nicht die Gesundheit eines Menschen, sondern sein Zurückfinden zu Gott (Lk 15,7.10.32).
Die ganze Problematik der Sünde und somit der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen kommt bei Asklepios nicht vor.
Die ganze Problematik der Sünde und somit der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen kommt bei Asklepios nicht vor
Das gerade aber ist der einzige Grund für die Inkarnation Gottes in Jesus (Joh 3,16; Rö 6,23). So hat auch die Bezeichnung sôtêr, die immer wieder und besonders gern von Aristides für Asklepios verwendet wird, eine andere Bedeutung als „Erlöser“ für Christus. Bei Asklepios ist die ganz normale griechische Bedeutung von „Helfer“ und „Retter aus Nöten“ gemeint.
Auch was die Themen „Reinheit“ und „Opfer“ angeht, kann man Parallelen ausmachen. Für das Asklepeion in Pergamon gab es Reinheitsvorschriften, die Enthaltung von Geschlechtsverkehr und Speisevorschriften enthielten, ebenso wie genauere Vorschriften über die Opfergaben. Jesus verlangte weder äußerliche Reinheit – er ließ sich von der blutflüssigen Frau berühren und heilte sie (Mk 5,25-34), und ebenso berührte er einen Aussätzigen (Mk 1,41) – noch Opfergaben als Voraussetzung für oder Konsequenz aus seinen Heilungen. Man kann aber eine Ähnlichkeit darin sehen, dass er die Reinheit von der Verunreinigung der Sünde durch die Vergebung als Voraussetzung für das Reich Gottes (Mt 6,12; Mt 15,18-20; Lk 24,47; Joh 8,24) und die Nachfolge als „Opfergabe“ verlangt (Mk 8,34 par).
Hier zeigt sich wieder, dass Jesu Orientierung im Gegensatz zu Asklepios über das hier und heute hinaus auf die Ewigkeit gerichtet ist.
4 Ergebnis
Wenn man Christus und Asklepios vergleicht, so kann man sowohl in den Heilungen der früheren Phase des Asklepioskults als auch in der späteren Phase eine ganze Reihe von Parallelen zu Jesus Christus ausmachen. Wenn man jedoch gerade das Gottesverständnis und die Intention der Wunder genauer betrachtet, treten grundlegende Unterschiede zu Tage.
Asklepios kann man in beiden Phasen der Verehrung nicht als sôtêr im neutestamentlichen Sinne, sondern allenfalls als theios anêr bezeichnen: Ein halb göttlicher, halb menschlicher Heros, der als Patron der Ärzte und wegen seiner Verdienste für die Medizin und für die Menschen deifiziert und für seine großen Heilungserfolge verehrt wurde. Und auch Christus ist in seiner primären Funktion nicht als medicus zu charakterisieren: Die Heilungen sind nur ein Teil seiner messianischen Verkündigung, seine Funktion ist die eines Erlösers.
Die Wunder Jesu in den Evangelien
Krankenheilungen
1. Heilungen am Abend: Mt 8,16f; Mk 1,32-34; Lk 4,40f
2. Heilungen am See: Mt 4,23-25 & 12,15f; Mk 3,7-12; Lk 6,17- 19
3. Krankenheilungen am Westufer: Mt 14,34-36; Mk 6,53-56
4. Heilung der Schwiegermutter des Petrus: Mt 8,14f; Mk 1,29- 31; Lk 4,38f
5. (Auferweckung der Tochter des Jairus und) Heilung der blutflüssigen Frau: Mt 9,18-26; Mk 5,21-43; Lk 8,40-56
6. Abgeschlagene Ohr des Knecht des Hohenpriester: Mt 26, 51; Mk 14,47; Lk 22,50; Joh 18,10
7. Heilung eines Wassersüchtigen: Lk 14,1-6
8. Heilung des Aussätzigen: Mt 8,1-4; Mk 1,40-45; Lk 5,12-16
9. Heilung der zehn Aussätzigen: Lk 17,11-19
10. Heilung Diener des Hauptmann von Kapernaum: Mt 8,5-13; Lk 7,1-10; Joh 4,46-54
11. Heilung des Gelähmten: Mt 9,1-8; Mk 2,1-12; Lk 5,17-26; Joh 5,1-9a
12. Heilung der verdorrten Hand am Sabbat: Mt 12,9-14; Mk 3,1-6; Lk 6,6-11
13. Heilung einer verkrüppelten Frau am Sabbat: Lk 13,10-17
14. Heilung des Lahmen am Teich Bethesda: Joh 5,2-47
15. Heilung eines Taubstummen: Mk 7,31-37
16. Heilung zweier Blinder: Mt 9,27-31; Mk 10,46-52; Lk 18, 35-43
17. Heilung zweier Blinder: Mt 20,29-34; Mk 10,46-52; Lk 18, 35-43
18. Heilung eines Blinden von Betseida: Mk 8, 22-26
19. Heilung des Blindgeborenen am Sabbat: Joh 9,1-41
20. Heilungssummarien: Mt 9,35; 15,29-31
Sonstige Wunder
21. Fischzug des Petrus bei der Berufung: Mt 4,18-22; Mk 1,16- 20; Lk 5,1-11
22. Wunderbarer Fischzug: (Lk 5,1- 11); Joh 21,1-11
23. Speisung der 5000: Mt 14,13- 21; Mk 6,32-44; Lk 9,10b-17; Joh 6,1-15
24. Speisung der 4000: Mt 15,32- 39; Mk 81,10
25. Stillung des Sturmes: Mt 8,23- 27; Mk 4,35-41; Lk 8,22-25
26. Jesus wandelt auf dem See: Mt 14,22-33; Mk 6,45-52; Joh 6, 16-21
27. Verklärung: Mt 17,1-9; Mk 9,2- 10; Joh 12,28-30
28. Verdorrter Feigenbaum: Mt 21, 18-22; Mk 11,12-26; Lk 17,6
29. Weinwunder: Hochzeit zu Kana: Joh 2,1-11
Dämonenaustreibungen
30. Heilung des Besessenen in der Synagoge: Mk 1,23-28; Lk 4, 33-37
31. Heilung eines stummen Besessenen: Mt 9,32-34
32. Heilung eines blinden und stummen Besessenen: Mt 12, 22-24; Mk 3,22; Lk 11,14-15
33. Heilung eines bessenenen Knaben: Mt 17, 14-21; Mk 9,14-29; Lk 9,37-43a
34. Austreibung beim Bessenenen von Gadera: Mt 8,28-34; Mk 5,1-20; Lk 8,26-39
Totenauferweckung
35. Auferweckung des Jüngling von Nain: Lk 7,11-17
36. Auferweckung der Tochter des Jairus (und Heilung der blutflüssigen Frau): Mt 9,18-26; Mk 5,21-43; Lk 8,40-56
37. Auferweckung des Lazarus: Joh 11,1-44
Die Nummerierung bezieht sich auf meine eigene Bezeichnung der Wunder, die im Anhang einzusehen ist. Dies geschieht, damit die gleichen Bibelstellenverweise nicht immer wieder vollständig genannt werden müssen. ↩
Allenfalls eine Ähnlichkeit gibt es bei den Asklepioswundern bzgl. verlorener Dinge (24,46) und der Geldmünze, die Petrus auf Jesus Geheiß hin in einem gefangenen Fisch findet (Mt 17,27). ↩