ThemenGeschichte der Christen

500 Jahre Calvin

Johannes Calvin und die Bibel

2009 jährt sich zum 500sten Mal der Geburtstag des einflussreichen Reformators Johannes Calvin (1509-1564). Johannes Calvin und die Bibel Der im nordfranzösischen Noyon geborene Calvin studierte Jura in Paris und Orleans. Nachdem er sich für die Anliegen der Evange- lischen öffnete, intensivierte er seine theologischen Studien und begann sich öffentlich für eine Reform der katholischen Kirche zu engagieren. Infolge einer Verfolgungswelle der Protestanten in Frankreich verließ Calvin sein Heimatland und arbeite mit Gulliaume Fa- rel (1489-1565) an der Festigung der Reformation im schweizerischen Genf. Abgesehen von einem erzwungenen dreijährigen Aufenthalt in Straßburg blieb Calvin lebenslang in der Stadt an der Rhône und beeinflusste von hier aus die Reformation in der Schweiz, in Frankreich, in den Niederlanden, in Schottland und in anderen Regionen der Welt. Seine Theologie und seine Schriften prägten die theologische, wirtschaftliche und politische Entwicklung Europas bis in die Gegenwart hinein.1

Das literarische Werk Calvins2 lässt sich in zwei große Bereiche einteilen, in die dogmatischen Schriften (allen voran die Institutio) mit einigen polemischen Traktaten zu aktuellen kirchenpolitischen und theologischen Fragen und auf der anderen Seite in Kommentare und Predigten über fast alle biblischen Bücher. Dazu gehören auch mehrere Bände mit persönlich seelsorgerlichen und mit lehrmässigen Briefen, theologische Lehrbücher für Erwachsene und Kinder, Gesetzesentwürfe, Gemeindeordnungen und Glaubensbekenntnisse, die er zum Teil auch für andere Kirchen (z. B. in Frankreich) verfasste. Die zu seinen Lebzeiten verfassten und veröffentlichten Schriften Calvins belaufen sich auf über 100 Titel, darüberhinaus liegen uns ca. 2400 Predigten und 4271 Briefe Calvins vor. Seine veröffentlichten Schriften umfassen heute 59 Bände und 4 Bände mit bis dahin unveröffentlichten Predigten, die erst in diesem Jahrhundert herausgegeben worden sind.

Durch sein gesamtes Wirken hindurch arbeitete Calvin an den verschiedenen Auflagen und Erweiterungen seines systematischen Hauptwerks, der „institutio christianae religionis“. Die erste Auflage der Institutio von 1536 hat lediglich 6 Kapitel und ist in ihrem Aufbau an den Kleinen Katechismus Luthers angelehnt. In der Überarbeitung von 1539 kommen 11 Kapitel hinzu. In ihnen handelt Calvin die Erkenntnis Gottes, Buße, das Miteinander von Rechtfertigung und guten Werken, das Verhältnis von Altem und Neuem Testament, die Prädestination und die Vorsehung Gottes ab. Besonderen Wert legt Calvin nun auch auf die Heiligung des Christen.

„Wer zu Gott, dem Schöpfer, gelangen will, muss die Schrift zur Führerin und Lehrerin haben.“

In der Auflage von 1559 fügt Calvin erstmals Kapitelüberschriften in die nun auf vier Bände mit 80 Kapiteln angewachsene Institutio ein. Im ersten Buch finden sich Überlegungen zur Gottes- und Selbsterkenntnis, zum Schriftverständnis, der Schöpfung und der Vorsehung Gottes. Im zweiten Buch beschreibt Calvin unter dem Titel „über die Erkenntnis Gottes des Erlösers“ die Christologie und Soteriologie. Das dritte Buch ist überschrieben „Auf welche Weise wir die Gnade Christi empfangen, was für Früchte uns daraus erwachsen und was für Wirkungen sich daraus ergeben“ und umfasst die Lehre vom Heiligen Geist, von Glaube, Buße, Heiligung (vita christiana), Rechtfertigung, christlicher Freiheit, Gebet, Prädestination und Auferstehung. Den letzten Band schließlich widmet Calvin der Ekklesiologie.3

Wort und Geist

Ohne Zweifel steht die Bibel im Zentrum der Theologie Calvins.4 Noch in seinem Testament hebt Calvin hervor, dass er die ernsthafte Auslegung der Bibel als eine seiner wichtigsten Aufgaben betrachtete. „Ich stelle auch fest, dass ich versucht habe, in dem Maße der mir gegebenen Gnade, sein Wort rein zu lehren, sowohl in Predigt wie durch Schrift, und die Heilige Schrift treu auszulegen.“5 Mit seinem Hauptwerk, der Institutio, will Calvin helfen, „die Kandidaten der heiligen Theologie zur Lektüre des Wortes Gottes so vorzubereiten und zu unterrichten, dass sie leicht zu ihr Zugang haben und ohne Schwierigkeiten in ihr schrittweise vorankommen können.“6 In seiner Dogmatik gilt es „festzustellen, … was am meisten in der Schrift zu suchen, und auf welches Thema (scopus), das in ihr enthalten ist, zu beziehen ist.“

Die Grundlage für alle Aussagen über den christlichen Glauben findet Calvin in der Bibel. Mit Hinweis auf das erste Kapitel des Römerbriefs beginnt Calvin die Institutio mit der Erkenntnis des Schöpfers. Jeder Mensch könne anhand der Ordnung der Welt und des Kosmos die Existenz Gottes erkennen. Doch selbst die klügsten Philosophen verfielen, nach Calvin, immer wieder in Irrtümer und könnten aus eigener Kraft das Wesen und die Weisheit Gottes nicht erkennen. „Wer zu Gott, dem Schöpfer, gelangen will, muss die Schrift zur Führerin und Lehrerin haben.“ Um die Grenzen menschlicher Erkenntnis in der Wahrnehmung Gottes zu überbrücken, hat er sich in seinem Wort mitgeteilt, um denen, „die er in seine nähere und vertrautere Gemeinschaft ziehen wollte“, nicht nur die Erkenntnis des Schöpfers, sondern auch des Erlösers zu geben.7 Die ganze Menschheit ist von den Auswirkungen des Sündenfalls beeinflusst und deshalb in Glaubensdingen zu keinem freien Willen fähig.8 Zwar seien die rationalen Fähigkeiten des Menschen weitgehend erhalten geblieben, für die Gotteserkenntnis und damit für das Heil seien sie aber nicht ausreichend.9 Dem Menschen sei es möglich, sich durch Studieren und Nachdenken Kenntnisse der biblischen Sprachen, der Geographie Israels und der Geschichte anzueignen und damit den offensichtlichen Sinn biblischer Aussagen zu erschließen. Geistliche Wahrheiten über Gott, den Menschen und die Errettung könnten auf diese Weise jedoch nicht erlangt werden. Auch Jesus Christus als Gott und Erlöser könne man erst unter Einfluss des Heiligen Geistes erkennen (Mt 11,27; Joh 1,18; 1Kor 12,3).10

Die Bibel ist für Calvin direktes Wort Gottes und als solches eine himmlische Lehre. Ohne diese Offenbarung ist es nicht möglich, Gott oder Jesus Christus zu erkennen.

„Wenn es sich aber so verhalten soll, dass uns die wahre Religion erleuchte, muss der Anfang bei der himmlischen Lehre gemacht werden, und es kommt niemand auch nur zum geringsten Geschmack richtiger und heilsamer Lehre, wenn er nicht vorher ein Schüler der Schrift geworden ist.“11

Nach Calvin sind Bibel und Heiliger Geist untrennbar aneinander gebunden

Für Calvin ist die Bibel absolut glaubwürdig und irrtumslos, weil sie auf einen vollkommenen Gott zurückgeht.

„Die höchste Beglaubigung der Schrift wird von der Person Gottes als des Sprechers genommen.“12

Die schriftliche Form des Wortes Gottes war notwendig geworden, um dem Vergessen und den Irrtümern der Menschen entgegenzuwirken.13 Der Ausleger muss, nach Calvin, stets realisieren, dass er es in der Bibel mit dem Wort Gottes zu tun hat. Für dessen Verständnis ist er auf die Erleuchtung durch Gottes Gnade14 und das innere Zeugnis des Heiligen Geistes angewiesen.15 Nach Calvin sind Bibel und Heiliger Geist untrennbar aneinander gebunden. Die Schrift informiert über alles, was der Heilige Geist vermitteln will. Umgekehrt beglaubigt der Heilige Geist die Wahrheit der Heiligen Schrift und macht sie dem Leser verständlich. Mit dieser Feststellung wendet sich Calvin gegen die Spiritualisten seiner Zeit, die an eine unmittelbare Geistwirkung ohne die Schrift glaubten. Sie wollten auf das unmittelbare Reden des Heiligen Geistes durch Prophetien und innere Eindrücke hören. Den so empfangenen Botschaften Gottes schenkten sie absolutes Vertrauen, auch wenn sie eindeutigen biblischen Aussagen widersprachen.16

Ungewollt entwickelt Calvin Anfänge einer Literarkritik, die ursprüngliche Gedanken von späteren trennt

Unabhängig vom Reden des Heiligen Geistes wird die Bibel durch das Zeugnis der biblischen Autoren wie Jesaja und Mose beglaubigt, die als Zeugen der Offenbarung Gottes auftreten.17 Diese äußeren, menschlichen Informationen kann der Leser auch aufnehmen ohne vom Heiligen Geist geführt zu werden. Lebendig wird die Bibel aber nur in der konkreten Anrede an Hörer und Leser. Deshalb sind Demut und Bescheidenheit die richtigen Voraussetzungen, sich der Schrift zu nähern.

Eine weitere Voraussetzung für das richtige Verständnis der Bibel ist, nach Calvin, die Bereitschaft des Lesers, Gottes Forderungen Folge zu leisten. Es ist nicht möglich, die geistlichen Aussagen der Bibel allein über eine intellektuelle Auseinandersetzung oder über emotionales Angesprochensein zu erfassen.

„Alle rechte Gotteserkenntnis entsteht aus dem Gehorsam.“18

Verkündigung der Schrift

Für Calvin ist die Bibel als Ganzes Wort Gottes (verbum Dei), das an die Erzväter, Priester und Propheten erging. Das Neue Testament wird als Wort Christi und Lehre der Apostel verstanden. Die weniger klaren Stellen müssen durch die klaren und die weniger zentralen durch die zentralen Stellen ausgelegt werden. Bei der Suche nach den zentralen Stellen besteht allerdings immer die Gefahr eigener Interpretationen. So entwickelt Calvin ungewollt Anfänge einer Literarkritik, die ursprüngliche von späteren Gedanken trennen will.

Für die Glaubwürdigkeit und Wahrheit der Bibel brauchen wir keine äußere Autorität, denn „Gott ist in seinem Wort der einzige vollgültige Zeuge von sich selbst.“19 Die Schrift beglaubigt sich selbst.20 Darunter versteht Calvin einmal die offensichtlichen Zeichen (manifesta signa) dafür, dass Gott in der Bibel redet:

  1. die größere Eindrücklichkeit als bei den antiken Philosophen,
  2. die Wunder,
  3. die Weissagungen usw.21

Diese Beweise können allerdings nur als Stützen dienen, Gewissheit gibt es nur durch das „innere Zeugnis des Heiligen Geistes“ (testamonium spitus sancti internum), mittels dem der Glaubende aus sich selbst heraus weiß, dass die Bibel wahr ist.22

Die Predigt kommt aus der Heiligen Schrift und ist deshalb Rede Gottes und des Dieners am Wort (verbi divini minister). Die Verheißung der Sündenvergebung ist summa evangelii.23 Und das Evangelium als Verkündigung der Christusbotschaft ist der Kern der Reformation. Außerdem soll der Pastor den aktuellen Zuspruch der Gnade Gottes verkündigen, die Verheißungen Gottes weitergeben (promissio). Im Zuhörer wirkt zuerst das Wort den Glauben, dann wirkt der Heilige Geist zusammen mit dem Wort die Glaubensgewissheit. Zwar kann „der Glaube durch die äußeren Hilfsmittel [Sakramente] erzeugt und vermehrt“24 werden, aber „ohne die Erleuchtung des Heiligen Geistes bewirkt das Wort nichts.“25

Nach Calvin hat der Ausleger vor allem die Aufgabe, „die Meinung des Schriftstellers, den er zu erklären unternommen hat, aufzuschließen.“26 Es gehe also nicht darum, die biblischen Autoren kritisch zu untersuchen oder sie gar zu korrigieren, sondern ihre Texte so verständlich zu machen, dass der gegenwärtige Leser versteht, was der Verfasser damit sagen wollte. Dabei sollte der Theologe möglichst wenige eigene Gedanken und Interpretationen in die Auslegung einfließen lassen. Lediglich bei der Anwendung des erklärten Textes für die Lebenswelt der Zuhörer sei die Kreativität des Auslegers gefragt. Generell solle der Prediger den Bibeltext möglichst kurz und verständlich erklären. Dabei sind vor allem seine Kenntnisse der biblischen Sprachen (Hebräisch und Griechisch), der biblischen Kultur und Geographie wie der zugehörigen Parallelstellen gefragt. An Melanchton kritisiert Calvin dessen Konzen- tration auf theologisch wichtige Hauptthemen, die dazu führe, dass ganze Abschnitte übergangen würden und durchaus relevante biblische Aussagen nicht besprochen würden.

Das Verhältnis zwischen Altem und Neuem Testament

Unter Gesetz versteht Calvin die ganze Gestalt der Gottesverehrung, wie sie durch die Hand Mosis von Gott überliefert wurde

In seiner Beschäftigung mit der Bibel betont Calvin die Einheit von Altem und Neuem Testament, von Israel und Gemeinde. So sei auch die Erlösung des Sünders durch den Tod Jesu Christi von Anfang an geoffenbarter Plan Gottes gewesen, auch wenn das den Glaubenden des Alten Testament nicht immer bewusst gewesen sei.

„So zeigte sich Gott niemals dem Volk von altersher gewogen und gab ihnen niemals die Hoffnung auf Gnade ohne den Mittler. … Der selige und glückliche Zustand der Kirche sind immer auf die Person Christi gegründet gewesen.“27

Auch die alttestamentlichen Propheten sollten auf das Kommen Jesu vorbereiten.

„Gott wünschte, dass die Juden sich so in diese Prophetien versenkten, dass sie sich gewöhnten, die Augen auf Jesus Christus zu richten.“28

In den Bundesschlüssen Gottes sieht Calvin eine Kontinuität. Nach den Bundesschlüssen mit Adam und Noah folgt der Bundesschluss mit Abraham (1Mo 12,1ff.), der von Mose erneuert wird. Dieser Bund sei der gleiche wie auch im Neuen Testament.29

Auch geistliche Menschen benötigen die Geißel, „die sie wie einen faulen … Esel antreibt

In einem Überblick über die alttestamentliche Geschichte Israels bemerkt Calvin, dass „Gott “in den einzelnen Zeitaltern seine Kirche geleitet und regiert hat“, „in besonderer Weise gegen seine Kirche, die Gottes Haus ist.“30 Aus diesem Grund sei es durchaus angebracht, bestimmte alttestamentliche Aussagen und Gebote auf die Situation der Gemeinde anzuwenden. Unter Gesetz versteht Calvin nicht nur die Zehn Gebote, sondern „die ganze Gestalt der Gottesverehrung, wie sie durch die Hand Mosis von Gott überliefert wurde.“31

Nach Calvin solle das Gesetz Israel auf den kommenden Erlöser hinweisen. Die blutigen Opfer und Zeremonien an sich wären absurd, da sie nicht in der Lage seien Schuld zu neutralisieren. Sie hätten lediglich eine auf das Sterben Jesu hinweisende Funktion. Calvin unterscheidet zwischen drei Aspekten des Gesetzes: dem moralisch-sittlichen, dem zeremoniellen und dem rechtlichen Aspekt. Die beiden zuletzt genannten Funktionen des Gesetzes sind zeitgebunden und durch das Kommen Christi ein für alle Mal erfüllt. Das moralische Gesetz hingegen ist auch für Christen verpflichtend. Zum einen führt es dem Menschen seine Schuld vor Augen (usus elenchticus/ theologicus legis).32 Zum anderen schreckt das Gesetz den Menschen ab, seine bösen Vorhaben umzusetzen und trägt dadurch zur Erhaltung des gesellschaftlichen Friedens bei (usus politicus / civilis legis).33 Außerdem führt das Gesetz dem Christen den konkreten Willen Gottes für dessen alltägliches Handeln vor Augen. Denn auch geistliche Menschen sind noch der Trägheit des Fleisches unterworfen und benötigen die Geißel, die sie „wie einen faulen und langsamen Esel zur Arbeit antreibt.“34 Auch wenn das Gesetz den Gläubigen nicht mehr mit dem Tode bedroht, erfülle es nach wie vor eine Erziehungsaufgabe, „nicht nur zu einer äußeren Ehrbarkeit, sondern zu einer inneren geistlichen Gerechtigkeit.“35 Insofern habe das Gesetz nach wie vor Autorität, wie Calvin unter Hinweis auf Jesu Auslegung der alttestamentlichen Gebote in der Bergpredigt feststellt (Mt 5,17-48). So hebt Calvin bei seiner Auslegung des Schwurverbotes Jesu die Kontinuität zwischen der Offenbarung Gottes im Alten und im Neuen Testament hervor (Mt 5,33-37).

„Wir sehen, dass Gott von Anfang an so geredet hat, dass er nicht eine Silbe später ändern würde, soweit es die Summe der Lehre angeht. Er umfasst nämlich im Gesetz die Regel, vollkommen zu leben, danach zeigt er, was denn der Weg zum Leben sei, und führt das Volk unter Figuren zu Christus.“36

Damit wendet sich Calvin gegen Interpretationen der Täufer, die die Forderungen der Bergpredigt wörtlich verstehen. Calvin sieht beispielsweise im Verbot des Schwörens lediglich eine Ablehnung von missbräuchlichem Schwören.

„Wo aber ein gerechter Grund dazu zwingt [z.B. vor Gericht], erlaubt das Gesetz nicht nur zu schwören, sondern befiehlt es ausdrücklich.“37

Mit seiner Betonung der Einheit zwischen Altem und Neuem Testament wendet sich Calvin insbesondere gegen die Interpretation Servets und einiger Täufer, die eine strikte Trennung zwischen den Bundesschlüssen Gottes zogen.

Stellenweise konnte dabei der Eindruck entstehen, dass sich in den beiden Testamenten ein vollkommen anderer Gott zu Wort meldet. Manchmal führte die Ablehnung des alttestamentlichen Gesetzes auch zu Unmoral und enthusiastischer Schwärmerei, in deren Umfeld vorgeblich geistgeleitete Prophetien offensichtliche Irrlehren verbreiteten. Calvin hebt hervor, dass „der Bund mit allen Vätern sich so sehr in nichts in der Substanz und der Sache selbst von unserem unterscheidet, dass er ein- und derselbe ist. Die Darbringung dagegen ist verschieden.“38

Wunder gehören für Calvin zum Handeln eines übernatürlichen Gottes

Bereits im Alten Testament hofften die Menschen auf das ewige Leben bei Gott, wussten um die Glaubensgerechtigkeit und kannten das Zeichen der Taufe (Durchzug durchs Schilfmeer, 1Kor 10,1ff).39 Der von Gott mit Israel geschlossene Bund „war nicht nur durch irdische Dinge begrenzt, sondern enthielt die Zusage des geistlichen und ewigen Lebens.“40 Die Unterschiede zwischen den Testamenten beziehen sich nach Calvin stärker auf die Darstellung des Heilsweges Gottes, nicht so sehr auf seinen eigentlichen Inhalt:

  1. Die unsichtbaren Dinge werden im Alten Testament durch irdische Güter bildhaft dargestellt.
  2. Im Alten Testament finden sich nur indirekte Bilder für die Erlösung durch Jesus Christus.
  3. Die Testamente unterscheiden sich als Buchstabe und Geist (Gesetz und Evangelium).
  4. Das Alte Testament wird von Knechtschaft und Furcht, das Neue von Freiheit bestimmt.
  5. Im Alten Testament wurde nur ein Volk berufen, im Neuen alle Heiden.41

Die historische und sachliche Zuverlässigkeit der Bibel

Im Gegensatz zur gegenwärtigen Bibelkritik trennt Calvin nicht zwischen Wortlaut des Textes und historischem Ereignis. Für ihn sind alle biblischen Berichte so geschehen, wie sie überliefert wurden. In seiner Auslegung der Genesis wird deutlich, dass Adam und Eva für Calvin historische Personen waren, dass es sich bei der Sintflut um ein reales geschichtliches Ereignis handelt und dass der Turmbau in Babylon so stattfand, wie es in der Bibel zu lesen ist. Die absolute Zuverlässigkeit der Bibel bezog Calvin nicht nur auf die geistlichen und ethischen Inhalte, sondern wie selbstverständlich auch auf die historischen und geographischen Angaben. Wie selbstverständlich geht Calvin davon aus, dass der Bericht von der Sintflut auf ein reales historisches Ereignis zurückgeht. Allerdings gibt Calvin an, dass er nichts darüber sagen könne, wie so viele Tiere in der Arche Platz gehabt hätten, weil die damals bekannten Raummaße zu seiner Zeit nicht bekannt seien. Diese Details haben für Calvin nur eine geringe Bedeutung.

„Mir genügt, dass Gott (den ich ohne Widerspruch als den ersten Erbauer der Arche anerkenne) nicht verborgen gewesen ist, für welche Dinge aufnahmefähig der Raum gewesen ist, den er seinem Diener beschrieb. Wenn du die außerordentliche Macht Gottes aus dieser Geschichte ausschließt, wirst du sagen, dass bloße Fabeln erzählt werden.“ „Ich sage, dass diese ganze Erzählung Moses kalt und leer und lächerlich wäre, wenn sie nicht mit Wundern berichtet wäre.“42

Scheinbare Widersprüche im biblischen Bericht versucht Calvin stimmig zu lösen

Wunder gehören für Calvin folgerichtig zum Handeln eines übernatürlichen Gottes.

Ließen die biblischen Berichte für Calvin Fragen offen, suchte er nach einer verständlichen Erklärung, die im Einklang mit der wörtlichen Formulierung des Bibeltextes stand. So bemerkt Calvin zur Geburt von Kain und Abel (1Mo 4,1f): „Auch wenn Moses nicht ausdrückt, dass Kain und Abel Zwillinge gewesen sind, scheint es mir doch wahrscheinlich“. Es werde nämlich von zwei Geburten, aber nur von einem Beischlaf berichtet.43 Die Aussage, dass Adam nach der Zeugung Seths noch 800 Jahre gelebt habe, bezweifelt Calvin nicht. In diesem Zusammenhang bemerkt er lediglich, es sei zu bedenken, wieviele der Patriarchen gleichzeitig gelebt hätten:

„Denn durch sechs aufeinanderfolgende Zeitalter hindurch, als die Familie Seths schon zu einem großen Volk angewachsen war, konnte die Stimme Adams täglich widerhallen, um die Erinnerung an die Schöpfung, den Fall und die Strafe zu erneuern, die Hoffnung auf Heil, die nach der Züchtigung übriggeblieben war, zu bezeugen und die Gerichte Gottes zu zitieren, durch die alle erzogen würden.“44

Wunder akzeptiert Calvin ohne weiteres. Zeitliche Lücken im biblischen Bericht sind für ihn keine schwerwiegenden Probleme.

„Moses übergeht 13 Jahre des Lebens Abrahams [1Mo 16,18] mit Schweigen: Nicht, weil inzwischen nichts Erwähnenswertes geschah, sondern weil der Geist Gottes seinem Urteil überließ, welche Ereignisse am meisten zu wissen nötig waren.“45

Scheinbare Widersprüche im biblischen Bericht versucht Calvin stimmig zu lösen. Nach dem Tod Saras (1Mo 23) wird berichtet, dass Abraham mit 140 Ketura heiratete und mit ihr zahlreiche Kinder hatte.

Paulus aber erwähnt, dass Abraham bereits in seinem hundertsten Jahr zeugungsunfähig war (Röm 4,19).

„Es scheint sehr absurd zu sein, dass Abraham, der 38 Jahre vor dem Tod Saras als von abgestorbenem Leibe geschildert wird, nachdem diese schließlich tot ist, eine neue Gattin heimführt.“46

Calvin hält es für möglich, dass Gott Abraham nach seiner Unfruchtbarkeit zur Zeit der Ankündigung der Geburt seines Sohnes die Zeugungskraft für den Rest seines Lebens wiedergeschenkt habe. Auch hält er es für möglich, dass die Eheschließung mit Ketura noch zu Lebzeiten Saras stattgefunden haben könnte und nur aus stilistischen Gründen später wiedergegeben wird.

Bei Widersprüchen zwischen den Aussagen der Evangelisten und außerbiblischen Zeugnissen geht Calvin generell von der Zuverlässigkeit der biblischen Berichte aus, da sie auf Informationen Gottes zurückgehen. Die Differenz zwischen den Angaben des Lukas (Lk 2,1) und des Josephus (Ant 18,1) bezüglich des Zeitpunkts der Volkszählung des Quirinius und damit der Geburt Jesu führt Calvin auf einen Irrtum des jüdischen Historikers zurück.47

Die in den Evangelien gelegentlich vom hebräischen Original abweichenden Zitate (z. B. Mi 5,1/ Mt 2,6) erklärt Calvin mit der Absicht der Evangelisten, lediglich den Sinn der jeweiligen Aussage richtig wiederzugeben.48

Die Daten der Archäologie, Philosophie oder Naturwissenschaft allein können nach Calvin die Glaubwürdigkeit der Bibel allerdings nicht zweifelsfrei nachweisen. Letztlich macht der Heilige Geist dem Leser deutlich, dass in der Bibel keine fehlbaren, menschlichen Überlegungen, sondern zuverlässige Anweisungen Gottes zu finden sind.

„Weil die gottlosen Menschen meinen, die Religion bestehe aus Menschengedanken, so wünschen und verlangen sie, um den Schein törichter Leichtgläubigkeit zu meiden, vernünftige Beweise dafür, dass Mose und die Propheten in Gottes Auftrag geredet haben. Ich aber entgegne: das Zeugnis des Heiligen Geistes ist besser als alle Beweise. Denn wie Gott selbst in seinem Wort der einzige vollgültige Zeuge von sich selber ist, so wird auch dies Wort nicht eher im Menschenherzen Glauben finden, als bis es vom inneren Zeugnis des Heiligen Geistes versiegelt worden ist. Denn derselbe Geist, der durch den Mund der Propheten gesprochen hat, der muss in unser Herz dringen, um uns die Gewissheit zu schenken, dass sie treulich verkündet haben, was ihnen von Gott aufgetragen war.“49

Wunder als Handeln Gottes

Zwar kommt Wundern nach Calvin nur eine untergeordnete Bedeutung zu, rationale Bedenken oder Zweifel an den außergewöhnlichen Taten Jesu aber sind Calvin fremd. Bei seiner Auslegung von Mt 13,54 warnt Calvin vor dem Unglauben der Einwohner Nazareths: „Wo menschliche Mittel fehlen, wird uns die Kraft Gottes deutlich offenbar, auf dass er ein festes Lob erhalte.“50 Bei seiner Deutung der Auferweckung des Jünglings von Nain hebt Calvin die zeichenhafte Bedeutung des Wunders hervor. Die Leser sollen erkennen, „… dass dieser Jüngling, den Christus vom Tod auferweckte, ein Bild ist für das geistliche Leben, das er uns wiedergegeben hat.“51 Wer die Wunder in den Mittelpunkt stellt, gerät wie die Spiritualisten in die Gefahr, Gott und sein Heil zu vergessen. Es ist deutlich, „worauf die Wunder bezogen werden müssen, wenn es nicht freistehen soll, sie in verderbliche Verführung hineinzuziehen: nämlich dass sie dem Evangelium dienstbar sind.“ Zum Wort Gottes sind sie nur „Anhänge“.52

Das synoptische Problem

Die Allegorien sind nachdrücklich zurückzuweisen

Calvin veröffentlichte seine Auslegung der synoptischen Evangelien in Form einer kommentierten Harmonie (In Harmoniam ex mathaeo, Marco et Luca compositam Commentarii, 1555). Für Calvin stand dabei die Annahme im Hintergrund, dass die Schrift keine Irrtümer oder Widersprüche enthalten könne, da sie auf eine Offenbarung Gottes zurückgehe. Unterschiede in den synoptischen Berichten erklärt Calvin logisch stimmig zumeist als Ergänzungen oder als Berichte verschiedener Ereignisse. Das Evangelium ist eine „feierliche Verkündigung über den Sohn Gottes, der im Fleisch erschienen ist, um die verlorene Welt wiederherzustellen und die Menschen aus dem Tode ins Leben zurückzubringen.“53

Die vier Berichte von Geburt, Wirksamkeit, Tod und Auferstehung Christi umfassen „die gesamte Summe unseres Heils“. Die Evangelien zeigen den Anbruch des Reiches Gottes an und beleben die Erfüllung der prophetischen Verheißungen des Alten Testaments. Entgegen moderner Quellentheorie stellt Calvin fest, dass die Evangelisten ihre Schriften unabhängig voneinander verfasst haben. Guten Glaubens hätten sie niedergeschrieben an was sie sich erinnerten bzw. was sie aus zuverlässigen Quellen erfahren hätten. Selbstverständlich sind die Evangelien für Calvin von den in der Bibel genannten Autoren zur Zeit des Neuen Testaments abgefasst worden. Dabei standen sie allerdings unter der Inspiration des Geistes Gottes.

„Wie dies aber nicht zufällig geschah, sondern unter der Leitung der göttlichen Vorsehung, so gab ihnen der heilige Geist bei unterschiedlicher Schreibweise eine wunderbare Übereinstimmung ein …“54

Garant für die historische und sachliche Zuverlässigkeit der Evangelien ist dann auch nicht die persönliche Bekanntschaft zwischen Markus und dem Augenzeugen Petrus bzw. zwischen Lukas und Paulus, sondern die individuelle Führung der Autoren durch Gott.

„Darum müssen wir uns nicht ängstlich bemühen, da es für uns von geringer Bedeutung ist, wenn wir nur festhalten, dass er ein legitimer und von Gott eingesetzter Zeuge ist.“55

Probleme allegorischer Exegese

Gleichnisse wurden im 16. Jahrhundert zumeist allegorisch ausgelegt. Calvin hingegen setzte sich für eine wörtliche, historische Deutung ein. Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter sahen Zeitgenossen die symbolische Zusammenfassung der Heilsgeschichte. Das irdische Jerusalem wird zum himmlischen Jerusalem, der Überfallene wird zum Abbild des gefallenen Adam, der Samariter sei ein Bild für Christus, der durch Buße und Gnade (Wein und Öl) die Sünde vergibt. Der pflegende Gastwirt steht dann für die geistlich helfende Kirche. Calvin warnt vor einer solch assoziativen Exegese:

„Die Allegorie, die hier die Befürworter des freien Urteils ausformen, ist nichtiger, als dass sie einer Widerlegung bedürfte.“ „Der Schrift ist eine größere Ehrfurcht entgegenzubringen, als dass es erlaubt wäre ihren ursprünglichen Sinn in dieser Freizügigkeit umzuformen.“56

Gott nahm sich sechs Tage für die Schöpfung, „um seine Werke der Fassungskraft der Menschen anzupassen“

Allegorische Bibelauslegung steht immer in der Gefahr der Beliebigkeit oder der Willkür.

„Ich gestehe, dass die Schrift eine reiche und unerschöpfliche Quelle jeder Weisheit ist, aber ich leugne, dass ihre Fruchtbarkeit in mehreren Sinnen besteht, die jeder nach seinem Belieben erdichten kann. Wir wissen also, dass der wahre Sinn der Schrift derjenige ist, der ursprünglich und einfach ist: Ihn wollen wir ergreifen und mit den Zähnen festhalten.“57

Nur wenn in dem auszulegenden Text deutliche Hinweise auf eine übertragene Deutung zu finden sind, hält er eine allegorische Interpretation für angemessen. Gelegentlich greift Calvin aber auch auf eine allegorische Deutung zurück, wenn er beispielsweise bei der Auslegung alttestamentlicher Texte deren Relevanz für die Gemeinde hervorheben will. So sieht er im Auszug aus Ägypten (2Mo 7-14) einen Hinweis auf die Befreiung aus der geistlichen Gefangenschaft des Teufels.58

Eden allegorisch und symbolisch interpretieren, geht Calvin davon aus, dass es sich um einen realen geographischen Ort handelt. Das Paradies sei keineswegs, „wie einige träumen“, außerhalb der Welt gelegen.

„Die Allegorien … sind nachdrücklich zurückzuweisen. Diese hat der Satan mit böser List in die Kirche einzuführen gesucht, damit die Lehre der Schrift zweideutig sei und nichts Sicheres und Festes habe.“59

Eine philologisch – seelsorgerliche Exegese

Eindeutige Auslegungsgrundlage ist für Calvin allein der historische Wortsinn, den er auch mit einem Rückbezug auf den Grundtext zu erschließen sucht. Bei der Auslegung von 1Mose 22,2 setzt sich Calvin beispielsweise mit der möglichen hebräischen Ableitung des Namens Moriah auseinander. Den von Hieronymus genannten Zusammenhang mit der Wurzel rah (sehen) lehnt Calvin ab. „Aber diese Bedeutung lehnen alle der hebräischen Sprache Kundigen ab.“ Andere Vorschläge sind die Ableitung von jrh (lehren) oder jr‘ (fürchten). Calvin folgt der letztgenannten, „weil sie am wahrscheinlichsten ist“; da es sich bei Moriah um den Ort der Gottesverehrung handele.60

In seiner Bibelauslegung bleibt Calvin nicht bei dem bloßen Wortlaut stehen, sondern berücksichtigt ebenfalls die stilistischen Besonderheiten des Textes. Die Aufforderung Jesu: „Wenn dich dein rechtes Auge ärgert, reiß es aus und wirf es weg“ (Mt 5,29) interpretiert Calvin als Hyperbolik (übertreibende Rede):

„Christus meint jedoch nicht, der Körper müsse verstümmelt werden, damit wir Gott gehorchen, … sondern Christus lehrt in hyperbolischer Weise, dass wir alles beseitigen müssen, was uns hindert, Gott Gehorsam zu leisten …“61

Eine Personifizierung erkennt Calvin in Mt 2,18 (Zitat aus Jer 31,15), wo die längst verstorbene Rahel symbolisch für den Untergang des Stammes Benjamin steht („… Rahel beweint ihre Kinder …“).62

In seiner Offenbarung passt sich Gott den menschlichen Erkenntnismöglichkeiten an, stellt Calvin fest. So ist in der Schrift von Gottes Hand, Mund, Fuß die Rede, ohne dass der Leser daraus einen direkten Rückschluss auf das Aussehen Gottes ziehen sollte. Gott redet mit den Menschen kindlich wie eine Amme mit ihren Kindern.63 Dass Gott die Welt nicht in einem Augenblick, sondern in sechs Tagen geschaffen hat, liegt daran, dass Gott selbst „um seine Werke der Fassungskraft der Menschen anzupassen, sich sechs Tage nahm.“64 Unzweifelhaft ist für Calvin der Vorgang der in Genesis beschriebenen Schöpfung an sich. Calvin sucht lediglich nach einer plausiblen Begründung, warum sich der allmächtige Gott mit der Schaffung des Universums einschließlich der Erde sechs Tage Zeit gelassen hatte.

Für Calvin war die Bibel nicht nur das grundlegende theologische Lehrbuch, sondern auch Ausgangspunkt für alltägliche politische, wirtschaftliche und sittliche Fragen. Immer ist Calvin bemüht, praktische und lehrmäßige Schlussfolgerungen aus dem auszulegenden Text zu formulieren. Bei der Behandlung von 1.Mose 22 hebt Calvin hervor, dass unter allen Beweisen von Glauben und Gehorsam, die Abraham in seinem Leben abgegeben habe, „dennoch keine hervorragender ausgedacht werden kann als die Opferung seines Sohnes.“65 Abraham wird aufgefordert seine Gefühle als Vater und Ehemann in den Hintergrund zu stellen, um gänzlich Gott zu vertrauen. Die Antwort Abrahams „Hier bin ich“, ehe er Gottes Befehl gehört hat, ist beispielhaft:

„Und dies ist endlich wahre Unterwerfung, wenn wir zum Handeln bereit sind, ehe uns der Wille Gottes bekannt ist.“

Für den heutigen Leser dieser Geschichte ist Abraham ein Vorbild:

„Es bleibt übrig, dass jeder von uns sich diesem Beispiel anpasst.“66

Die Psalmen haben nach Calvin vor allem einen seelsorgerlichen Charakter. Sie sprechen den Menschen aller Zeiten und Kulturen aus dem Herzen, sodass der Prediger ihren Inhalt unmittelbar auf das Leben seiner Zuhörer beziehen kann.

Die Psalmen „pflege ich nicht ohne Grund eine Anatomie aller Teile der Seele zu nennen: Wo doch niemand einen Affekt in sich finden wird, dessen Bild nicht in diesem Spiegel aufleuchtet. Fürwahr, hier hat der Heilige Geist alle Schmerzen, Kümmernisse, Befürchtungen, Hoffnungen, Sorgen, Ängste … lebendig dargestellt.“67

Die Psalmen sollen den Leser in das Gebet, in die Begegnung mit Gott einstimmen. Dabei geht es vor allem darum, zum Lob Gottes anzuleiten,68 aber auch, sich seinem Willen unterzuordnen, selbst wenn dieser Leiden bedeutet.Abgesehen vom historischen Kontext der vermuteten Lebenssituation Davids sieht Calvin in jedem Psalmen allgemeingültige, theologische Aussagen. Die Quintessenz aus Psalm 32,10 beispielsweise lautet:

„es gebe kein anderes Hilfsmittel für unsere Übel, als dass wir, unter Gottes Hand gedemütigt, unser ganzes Heil nur auf sein Erbarmen gründen.“69

In mancherlei Hinsicht können die Aussagen Calvins zur Bibel auch den heutigen Umgang mit dem Wort Gottes befruchten und Anregungen zur eigenen hermeneutischen Reflektion liefern.


  1. Vgl. Michael Kotsch: 500 Jahre Calvin, Dillenburg, Christliche Verlagsgesellschaft 2009. 

  2. Zitiert aus: Calvini Opera quae supersunt omnia, ed. G.Baum, E. Kunitz, E.Reuss, Braunschweig u. Berlin 1859-1900, 58 Bde. (Reprint New York / Hildesheim 1964) (= CO) / Joannis Calvini Opera Selecta, ed. P. Barth, W. Niesel, D. Scheuner, München 1926-52, 5Bde. (= OS). 

  3. Vgl. Wilhelm Neuser: Dogma und Bekenntnis in der Reformation: Von Zwingli und Calvin bis zur Synode von Westminster, in: Handbuch der Dogmen und Theologiegeschichte, Bd. 2, Carl Andresen Hrsg., Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 1980, S. 240ff. 

  4. Zum Folgenden vgl. Henning Graf Reventlow: Epochen der Bibelauslegung, Band III, Renaissance, Reformation, Humanismus, München, C. H. Beck 1997, S. 118-140. 

  5. CO 20,299f. 

  6. CO I, 257. 

  7. Vgl. Inst. I,6,1. 

  8. Vgl. Inst. II,1-5. 

  9. Vgl. Inst. II,2,13. 

  10. Inst. II,6,1. 

  11. Inst. I,6,2. 

  12. Inst. I,7,4. 

  13. Vgl. Inst. I,6,3. 

  14. Vgl. Inst. II,2,21. 

  15. Vgl. Inst. I,7,4. 

  16. Vgl. Inst. I,9. 

  17. Vgl. Inst. I,7,5. 

  18. Inst. I,6,2. 

  19. Inst. I, 7,4; OS 3,70,2. 

  20. Inst. I 7,2 und 5; OS 3,67,6 und 70,18. 

  21. Inst. I,8; 7,4; OS 3,69,18. 

  22. Vgl. Peter Stuhlmacher: Vom Verstehen des Neuen Testaments. Eine Hermeneutik, Grundrisse zum Neuen Testament Bd.6, 2. Aufl., Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 1986, S.106ff. 

  23. Inst. IV 11,1; OS 5,196,24. 

  24. Inst. IV, 1,1; OS 5,1,12. 

  25. Inst. II,2,33; OS 4,44,9. 

  26. Römerbriefkommentar, CO X,403. 

  27. Inst. II,6,2. 

  28. Inst. II,6,4. 

  29. Genesiskommentar, CO 23,177; Inst. II,7,1. 

  30. CO 29,241. 

  31. Inst. II,7,1. 

  32. Vgl. Inst. II,7,6-9. 

  33. Vgl. Inst. II,7,10-11. 

  34. Inst. II,7,12. 

  35. Inst. II,8,6. 

  36. CO 38,688. 

  37. CO 45,182. 

  38. Inst. II,10,2. 

  39. Vgl. Inst. II,10. 

  40. Inst. II,10,23. 

  41. Vgl. Inst. II,11,1. 

  42. CO 23,123. 

  43. Vgl. CO 23,82. 

  44. Co 23,106. 

  45. CO 23,233. 

  46. CO 23,342. 

  47. Vgl. CO 45,71f. 

  48. Vgl. CO 45,84f. 

  49. Inst. I, 7,4. 

  50. CO 45,426. 

  51. CO 45, 239. 

  52. CO 45,830. 

  53. CO 45,2. 

  54. CO 73,3. 

  55. CO 73,3. 

  56. CO 45,614. 

  57. CO 50,237. 

  58. Vgl. Inst. II,8,15. 

  59. CO 23,37. 

  60. Vgl. CO 23,315. 

  61. CO 45,179f. 

  62. Vgl. CO 45,100. 

  63. Vgl. I,13,1. 

  64. CO 23,17. 

  65. CO 23,310. 

  66. CO 23,314. 

  67. CO 31,15. 

  68. Vgl. CO 31,19. 

  69. CO 31,323.