ThemenSchöpfungsglaube

Vom Umgang mit ungelösten Fragen

Praxistipp: „Schöpfung/Evolution“

Vor einigen Jahren veröffentlichten wir einen Diskussionsbeitrag zum Thema „Die naturwissenschaftliche Forschung bei Wort und Wissen 1996 – eine Bilanz“. Darin haben wir zum einen überblicksmäßig zusammengestellt, wo wir Pluspunkte und gute Argumentationsmöglichkeiten in der kritischen Auseinandersetzung mit der Evolutionslehre, der Historischen Geologie und der Urknallkosmologie sehen. Zum anderen haben wir auch eine Reihe von Gebieten genannt, in denen es in der Schöpfungslehre ungelöste Fragen gibt, die zum Teil schwerwiegend sind. Ein Großteil dieser Fragen hängt mit der Erd- und Kosmosgeschichte zusammen und betrifft zum Beispiel die Datierungen oder die Frage der Geschwindigkeit geologischer Prozesse. Man muss sich vor Augen halten, dass der in der Geologie allgemein vorausgesetzte Zeitrahmen von ca. 4,5 Milliarden Jahren Erdgeschichte in biblischer Perspektive in die Größenordnung von ca. 10.000 Jahren „übersetzt“ werden muss.

Scheinbares Alter?

Da zahlreiche scheinbar zeitraubende geologische Phänomene (z. B. die Plattentektonik) mit der Überlieferung von Fossilien und folglich mit dem Tod in der Schöpfung gekoppelt sind, können sie nicht mit dem Argument eines „scheinbaren Alters“ als Folge des Schöpfungshandelns in die Schöpfungswoche verlegt werden. Damit ist folgendes gemeint: In manchen Fällen mag man argumentieren können, dass eine fertige Schöpfung den Anschein eines Alters erweckt, das gar nicht existiert. Beispielsweise sah der geschaffene Adam wohl wie ein Erwachsener aus. Auch Gesteine oder Erscheinungen im Weltall könnten einen Altersanschein erwecken.

Diese Argumentation ist aber zum Beispiel dann nicht möglich, wenn die betreffenden Phänomene mit Fossilien gekoppelt sind (z. B. Sedimentgesteine, die Fossilien bergen). Denn Fossilien (Überreste von Lebewesen) zeigen Tod in der Schöpfung; der Tod aber hat in der Schöpfungswoche keinen Platz, sondern ist Folge der Sünde des Menschen (vgl. Röm 5,12ff.; Röm 8,19ff.; 1Mo 1,29f.). Die Altersangaben von Gesteinen, die Fossilien enthalten, können daher nicht durch „scheinbare Alter“ aufgrund des Schöpfungshandelns Gottes erklärt werden. Die Kritik der hohen Alter muss anders begründet werden.

Davon abgesehen ist die Argumentation mit einem scheinbaren Alter dann fragwürdig, wenn sie darauf hinausläuft, dass Gott den forschenden Menschen „an der Nase herumführen“ würde. Daraus würde ein fragwürdiges Gottesbild resultieren, und Wissenschaft wäre in solchen Fällen unmöglich.

Wenn man den Kenntnisstand in der Schöpfungslehre (weltweit betrachtet) zur Kenntnis nimmt, kommt man um das Eingeständnis nicht herum, dass wesentliche Fragen ungeklärt sind. Zwar kann mit Recht darauf hingewiesen werden, dass Makroevolution sehr unwahrscheinlich ist, doch die Schwächen eines Modells sind nicht automatisch Bausteine für eine Alternative; das gilt insbesondere in den Geo- und Astro-Wissenschaften. Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, wie mit den ungelösten Fragen unter Beibehaltung der Bibel als maßgeblicher Offenbarungsquelle umgegangen werden kann.

Bibelauslegung anpassen?

Das Wort Gottes hat Vorrang vor dem Wissen des Menschen

Unter dem Druck der scheinbar überwältigenden Last der Indizien für eine alte Erde und einen Evolutionskosmos wurde und wird nicht selten versucht, biblische Aussagen dem modernen Weltbild anzupassen. So wurde etwa schon behauptet, der Evolutionsgedanke finde sich im Schöpfungsbericht (G. Lanzenberger)1 oder die moderne Naturwissenschaft sei als Offenbarung Gottes neben die Bibel zu stellen (H. Ross).2 Bei näherem Betrachten erweist sich ein solches Vorgehen als Anpassung der Bibelauslegung an heutige naturkundliche und -historische Vorstellungen oder als ein Hinein lesen heutiger Theorien in die biblischen Texte.3 Da ein solcher Weg die Bibeltexte zurechtbiegt, ist er für die Studiengemeinschaft Wort und Wissen nicht gangbar. Er würde bedeuten, die Vorrangstellung des Wortes Gottes vor dem Wissen des Menschen aufzugeben. Diese Konsequenz aus den (scheinbar?) vorhandenen Widersprüchen zwischen der Bibel und Naturwissenschaft scheidet aus. Wie können wir stattdessen mit dieser Situation umgehen?

1. Spannungen zwischen Bibel und Wissenschaft stehen lassen.

Fakten, die widersprüchlich zu biblischen Aussagen zu sein scheinen, sollen weder totgeschwiegen noch beschönigt werden. Es ist nicht nötig, der biblischen Wahrheit durch Beschönigungen „nachzuhelfen“; ja, wir dürfen das auch nicht tun. Wenn wir als Christen zu zahlreichen Fragen keine Antworten wissen, ist das zwar oft schmerzlich, doch sind wir dafür nicht verantwortlich (mindestens wenn wir tun, was in unserer Macht liegt und unserer Beauftragung entspricht). Es liegt nicht in unserer Verantwortung, wenn Menschen mit dem Hinweis auf Widersprüche den christlichen Glauben ablehnen. Die damit verbundenen Anfechtungen – für Christen ist das kein Fremdwort! – gilt es auszuhalten. Unsere Verantwortung ist es, Zeugnis von Jesus Christus gemäß der Bibel zu geben und im Sinne von 1Pt 3,15 und Kol 4,6 soweit es uns möglich ist, Rede und Antwort auf kritische Fragen zu stehen.

2. Keine oberflächlichen Lösungen.

Es wäre unglaubwürdig, durch oberflächliche Kritik mit willkürlich herausgegriffenen Einzelbefunden eine ungelöste Frage klären zu wollen

Es wäre unglaubwürdig, durch oberflächliche Kritik mit willkürlich herausgegriffenen Einzelbefunden eine ungelöste Frage klären zu wollen. Beispielsweise werden häufig unpassende Datierungen angeführt, um Datierungsmethoden generell ad absurdum zu führen. Ein solches Vorgehen geht an der komplexen Situation in den Geowissenschaften vorbei. Zwar sind die Altersangaben hinterfragbar, doch muss dies systematisch und unter Beachtung des gesamten Kenntnisstandes erfolgen. Das erfordert heutzutage für jede einzelne Datierungsmethode eine nicht zu unterschätzende Mammutaufgabe.4

3. Theorien sind keine ehernen Tatsachen.

Wenn Forscher behaupten, ihre Vorstellungen zur Erdgeschichte seien naturwissenschaftlich begründet, so ist das Grund genug, sie als vorläufig und revidierbar anzusehen. Denn naturwissenschaftliche, d. h. auf Empirie (Erfahrung) beruhende Theorien können jederzeit durch neue Daten in Frage gestellt werden. Wo das nicht mehr erlaubt oder gewünscht ist, wird Wissenschaft zur Ideologie.

4. Unsere Kenntnis über die tatsächlichen Daten in den Naturwissenschaften ist grundsätzlich sehr begrenzt.

Von der Erdgeschichte besitzen wir nur Momentaufnahmen. Außerdem sind wir mangels anderer Möglichkeiten darauf angewiesen, heutige Vorgänge in die Vergangenheit zu „verlängern“. Ob damit die tatsächlichen Abläufe erfasst werden, kann bezweifelt werden. Wird beispielsweise im Zusammenhang mit der Sintflut (und auch mit dem Sündenfall!) ein besonderes Eingreifen Gottes angenommen, können nicht alle Ereignisse mit heute ablaufenden Prozessen verstanden werden. Allerdings bedeutet eine solche Annahme an den betreffenden Stellen (nicht generell!) eine Schranke für wissenschaftliches Arbeiten; das muss eingeräumt werden, und das werden Andersdenkende anstößig finden (genauso wie sie den Schöpfungsgedanken ablehnen, weil auch „Schöpfung“ eine Grenze für Wissenschaft bedeutet). Für die Schöpfungsforschung heißt das dennoch: Forschen, soweit es geht, aber mit dem Wissen um mögliche Grenzen, die das Handeln Gottes setzt, und in der damit verbundenen Demut.

5. Die Kenntnisse und die Anzahl der Schöpfungsforscher sind begrenzt.

Lehrbuchwissen vermittelt in der Regel kaum Angriffspunkte für Kritik, da Problematisches dort zu kurz kommt

Es hat sich immer wieder gezeigt, dass durch ein tieferes Eindringen in die Materie Schwachstellen von Theorien offengelegt werden können, die zuvor festgefügt und kaum angreifbar erschienen. Das Lehrbuchwissen vermittelt in der Regel kaum Angriffspunkte für Kritik, da Problematisches dort zu kurz kommt. Es ist daher notwendig, die Primärliteratur aufzuarbeiten, was sehr zeitaufwendig ist. Aber auch in der Primärliteratur werden nicht unbedingt die Rohdaten, sondern bereits gedeutete und evtl. ausgewählte Daten präsentiert (und zwar nicht aus bösem Willen, sondern weil man sich auf einen bestimmten Deutungsrahmen verständigt hat, der nicht mehr zur Disposition gestellt wird). Das heißt aber: Es wäre vielfach notwendig, in eigenen Labors und durch eigene Feldstudien Primärdaten selber zu gewinnen. Wichtig wäre es z.B., selber Datierungen systematisch durchführen zu können. Doch dafür fehlen bei weitem die finanziellen und personellen Möglichkeiten.

6. Den Spieß umdrehen.

Ungelöste Fragen der Schöpfungslehre sind keine Argumente für Evolution. Die Auflistung von Problemen der Schöpfungsforschung könnte von den grundlegenden ungelösten Fragen der Evolutionsforschung ablenken. Um hier keinen einseitigen Eindruck aufkommen zu lassen, ist es notwendig, auch bei der konkurrierenden evolutionären Ursprungsvorstellung auf deren Probleme hinzuweisen.

Paulus sagt im 1. Kapitel des Römerbriefes (Verse 19ff.), dass man an den Werken der Schöpfung Gottes Macht und Größe deutlich erkennen kann. In der Tat gibt es dazu aus vielen Wissensgebieten unzählige Hinweise, auch in der von Sünde und Tod gezeichneten Schöpfung, die den Menschen oft nach dem „Warum?“ fragen lässt.

Die Bibel sagt aber nichts Vergleichbares, wenn es um die Erdgeschichte geht, im Gegenteil: Manche ihrer Aussagen stellen die Begrenztheit menschlichen Wissens in den Vordergrund. So fragt Gott den mit seinem Geschick hadernden Hiob:

„Wo warst du, als ich die Erde baute? Sprich es aus, wenn du Bescheid weißt“ (Hiob 38,4).

Und durch den Propheten Jeremia spricht der Herr:

„So wenig der Himmel droben ausgemessen und die Grundfesten der Erde drunten ausgespäht werden können, so wenig will ich auch die gesamte Nachkommenschaft Israels verwerfen wegen alles dessen, was sie begangen haben“ (Jer 31,37).

Unter diesen Vorbehalten geschieht Schöpfungsforschung und dürfen auch manche ihrer ungelösten Fragen gesehen werden.


  1. so z. B.: G. Lanzenberger, Schöpfung ist Evolution. Karlsruhe 1988; vgl. dazu die Buchbesprechung in W+W-Info Nr. 11, Dez. 1990. 

  2. H. Ross, Creation and Time, Colorado Springs, 1994. 

  3. M. van Bebber & P. S. Taylor, Creation and Time. A report on the Progressive Creationist Book by Hugh Ross. Meza, Arizona, 1994. 

  4. Ein Beispiel zeigt die Aufsatzfolge von Uwe Zerbst über die Radiokarbon- und Baumringmethode in Studium Integrale Journal (Ausgaben 1/98-2/99).