ThemenPredigten und Bibelarbeiten

Trilogien im Judasbrief

Eine thematische Untersuchung des Judasbriefes.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, biblische Bücher oder Briefe zu studieren. In der Regel wird die „Vers-für-Vers“-Methode bevorzugt. Doch Stichwörter, Themen oder Abschnitte, die im Text zu finden sind, bringen den Inhalt ebenfalls näher und können für die Auslegung und für die Anwendung nützlich sein.

Die folgenden Gedankensplitter sollen anregen, sich mit diesem kurzen aber inhaltsreichen Brief weiter zu beschäftigen. Um einen Zugang zur Schönheit dieses Briefes zu öffnen, habe ich Impulse zur Auslegung und zur Anwendung ineinander verwoben. Der Kirchenvater Origenes sagt treffend über den Brief des Judas:

„Wenige Zeilen, aber reich an kräftigen Worten der göttlichen Gnade“.

Judas scheint ein Liebhaber der Trilogie zu sein. Er verwendet Dreiklänge, die aus einzelnen Wörtern oder ganzen Sätzen bestehen, um geistliche Wahrheiten zu vermitteln. Die einzelnen Trilogien folgen nicht unbedingt der Abfolge des Briefes. Mancher wird andere Dreiergruppen finden, vielleicht auch eine nicht so nachvollziehen können. Dennoch sollten wir die verschiedenen Töne hören, die der Geist Gottes in diesem Brief erklingen lässt.

1. Trilogie: Judas – Jesus – Jakobus (Vers 1a)

Der erste Vers beinhaltet drei Eigennamen, die durchaus in einem engen Verhältnis zueinander stehen. Wir gehen davon aus, dass Judas, der Verfasser, ein leiblicher Bruder von Jakobus gewesen ist und beide Halbbrüder von Jesus Christus waren. Sie hatten noch zwei weitere Brüder: Simon und Joseph. Diese vier Brüder glaubten erst nach Auferstehung und Himmelfahrt an Jesus Christus, vorher nicht (Jo 7,5; Mt 12,46-50; Apg 1,14; 1Kor 9,5). Judas und Jakobus verbindet nun allerdings nicht nur die leibliche Verwandtschaft, sondern auch eine geistliche Bruderschaft.

Jakobus ist also in zweifacher Hinsicht „Bruder“. Und weil beide, Judas und Jakobus, eine vertikale Beziehung zu Jesus hatten, konnten sie auch eine neue horizontale Beziehung zueinander haben. Die vertikale Ebene wird deutlich, indem Judas sich als Knecht (doulos) von Jesus Christus bezeichnet. Judas will ein Mensch sein, der mit Leib und Leben, mit seiner ganzen Kraft und Leistungsfähigkeit einem anderen gehört, nämlich Jesus „dem gesalbten König, Priester und Prophet“ (Christos). Judas will als Sklave Jesus dienen und als Bruder seinen Brüdern. Dienst für Jesus und Dienst an den Brüdern ist immer auch damit verbunden, dass das Leben ein Lobpreis von seiner herrlichen Gnade ist. Schließlich bedeutet Judas übersetzt: Lobpreis. So beginnt der Brief mit „Lobpreis“ und endet mit der gewaltigen Aussage:

„… dem alleinigen Gott … sei Herrlichkeit, Majestät, Macht und Gewalt … Amen.“ (Vers 25).

Diese Trilogie stellt uns deutlich die persönliche Frage nach unserer Beziehung zu Gott und unserem Bruder.

2. Trilogie: Berufen – Geliebt – Bewahrt (Vers 1b)

Nun werden die Empfänger des Briefes beschrieben: Die erste Wendung „berufen“ bezieht sich auf die Vergangenheit. Die zweite Wendung „geliebt“ auf die Gegenwart und die dritte Wendung „bewahrt“ betrifft die Zukunft. Gott ist der Rufer. Menschen sind die, die gerufen bzw. berufen (klêtos) werden und diesem Ruf entweder folgen oder ihn ablehnen. Der Ruf Gottes ist eine herzliche Einladung zu seinem großen (Hochzeits-)Fest. Der Eingeladene ist erwünscht und willkommen.

Das Motiv für diese Einladung ist Gottes bedingungslose Liebe (agapê). Diese Liebe zeigt sich in der Vergangenheit, indem Gott seinen Sohn am Kreuz dahingab. Beachten wir die Formulierung „… geliebt in Gott“. Es heißt nicht: „… geliebt von Gott“. Durch diese Formulierung kommt die höchste Beziehungsart Gottes zu seinen Kindern zum Ausdruck. Die Steigerung „… dem Vater“ macht zusätzlich deutlich, dass dies die beste Vaterschaft ist, die überhaupt möglich ist.

Gott zum Vater zu haben ist das Größte, was sich ein Mensch wünschen kann

Nämlich Gott zum Vater zu haben ist das Größte, was sich ein Mensch wünschen kann. Diese göttliche Vater-Liebe erfährt der Glaubende täglich. Sie bewältigt seine Vergangenheit, befreit ihn für die Gegenwart und lenkt seine Schritte in eine gesegnete Zukunft.

Die dritte Wendung heißt „bewahren“ (tereô). Das berufene, geliebte Kind des Vater-Gottes erlebt seine besondere Fürsorge und erfährt sie auch im Blick auf die Ewigkeit. Es wird beschenkt mit Schutz und Sicherheit, und es wird ihm ein Platz bei dem großen Fest reserviert, das einmal im Himmel stattfinden wird. Der Garant dieser Trilogie ist kein anderer als Jesus Christus selbst.

3. Trilogie: Barmherzigkeit – Liebe – Friede (Vers 2)

Barmherzigkeit (ekleos), Liebe (agapê) und Friede (eirênê) sind mehr als nur antike Grußformeln. Barmherzigkeit ist eines der großartigsten Wörter der Bibel. In fast allen Fällen bezieht es sich auf Gott und sein Handeln. Ohne Gottes Barmherzigkeit ist menschliche Barmherzigkeit überhaupt nicht möglich. Das Vaterherz Gottes ist voller Erbarmen und wird in seiner unbeschreiblichen Liebe und im Geschenk eines bleibenden Seelen-Friedens spürbar. Sehr deutlich stellt Jesus Christus uns diese Wahrheiten im Gleichnis vom barmherzigen Samariter vor Augen. Die Aussagen dieser Trilogie gelten trotz der Ermahnungen, die Judas den Briefempfängern mitteilen wird.

4. Trilogie: Geliebte – Geliebte – Geliebte (Vers 3.17.20)

Der kurze Brief gliedert sich praktisch in drei Abschnitte. Sie werden jeweils mit der besonderen Anrede „Geliebte“ (agapê) eingeläutet. In den Versen 3,17 und 20 finden wir diese Redewendung. Judas benutzt diese Anrede, weil er selbst die Quelle der Liebe kennt. Wie ein Strom ergießt sich diese Gottesliebe über seine Glaubensgeschwister. Aus einem ehrlichen Herzen heraus spricht Judas die Empfänger so an, obwohl er sie in seinem Schreiben auch ermahnen muss. Wir fragen zu Recht: Waren die Empfänger überhaupt „liebenswert“? Wie würden sie auf den Brief reagieren? Generell gefragt: Wie empfinden Zuhörer biblische Verkündigung?

5. Trilogie: Schreiben – Ermahnen – Kämpfen (Vers 3)

Diese Trilogie ergibt sich aus dem Zusammenhang. Ursprünglich hatte Judas vor, eine Abhandlung in Soteriologie zu verfassen. Er wurde aber durch den Heiligen Geist veranlasst, sein Konzept zu ändern. Auch Verkündiger der biblischen Botschaft müssen immer wieder bereit sein, sich in allen Vorbereitungen für Predigten, Andachten etc. vom Heiligen Geist leiten zu lassen. Das bedeutet: Nicht nur „Lieblingsthemen“ dürfen den Predigtinhalt bestimmen. Judas sah sich genötigt, seinen Blickwinkel auf etwas ganz Anderes zu lenken. Er musste eine Schrift über den Kampf für den Glauben verfassen, um die damalige Not zu wenden.

Judas musste sein Konzept ändern und eine Schrift über den Kampf für den Glauben verfassen, um die damalige Not zu wenden

In schriftlicher Form wurde diese Apologetik durch die Inspiration des Heiligen Geistes festgehalten. Der Brief wurde geschrieben (graphô) mit dem Zweck, die Christen-Empfänger zu ermahnen (parakaleô), für das Fundament des Christentums zu kämpfen (ep-agonizomai ; Vorkommen des Wortes nur hier). Das Fundament ist der „den Heiligen einmal überlieferten Glaube“.

Dieser Glaube gehört zum festen Bestandteil der neutestamentlichen Apostellehre. Er muss die Gedankenwelt der Glaubenden beherrschen und in Hände und Füße gehen. Ja, es lohnt sich tatsächlich, für fundamentale Glaubenswahrheiten zu kämpfen – durch Wort und Schrift. Auch in unserer Zeit brauchen wir Männer und Frauen, die bereit sind, ihre Begabungen für diese Trilogie: „Schreiben, ermahnen, kämpfen“ treu einzusetzen.

6. Trilogie: Gottlosigkeit – Schamlosigkeit – Leugnung der Person Christi (Vers 4)

Dreifach werden die Menschen beschrieben, vor denen Judas warnt. Diese Leute bringen die Gemeinde in Gefahr. Sie vergiften die Gemeinde und verderben sie von innen heraus. Das eigentliche Problem liegt in der Frage: Wie kommt man zur Gemeinde? Jedenfalls haben jene, „etliche Menschen“, sowohl Männer und Frauen den Zugang zur Gemeinde nicht biblisch-rechtmäßig erworben. Es sind „Un-Heilige“ und „Schein-Heilige“ im Gegensatz zu den Heiligen. Es sind „Un-Gläubige“ und „Schein-Gläubige“ im Gegensatz zu den Gläubigen. Judas sagt, dass sie sich heimlich eingeschlichen (paraeisdyô) haben. Sie sind sozusagen durch ein „Hintertürchen“ hineingekommen. Die Erkennungs-Merkmale dieser Einzelnen oder auch der Gruppe sind nicht so leicht durchschaubar. Es sind Charakterzüge, die erst nach und nach sichtbar bzw. hörbar werden. Es handelt sich zum einen um Gottlosigkeit (asebês). Dabei geht es hier um „Unförmigkeit gegen die Verehrung Gottes“, also mangelnde Gottesfurcht. Sicher haben sie anerkannt, dass es Gott gibt, aber abgelehnt, dass er einen Anspruch auf ihr Leben hat. Schamlosigkeit (aselgeia) wird weiter genannt und meint Ausschweifung und Zügellosigkeit. Keine Zügel anerkennen zu wollen, ist ein gefährliches Unterfangen und bringt schnell zu Fall, besonders im moralischen Bereich. Als drittes beschreibt Judas diese Leute als solche, die Jesus Christus verleugnen. Es hatte sich anscheinend ein immer verschwommeneres „Jesus-Bild“ unter den Menschen und auch unter den Christen verbreitet. Bis in unsere Zeit hinein merken wir, dass diese Trilogie mehr und mehr das Erscheinungsbild vieler Gemeinden prägt: Gottlosigkeit – mangelnde Ehrfurcht gegenüber Gott, Schamlosigkeit – mangelnde Liebe zum Nächsten und Leugnung der Person Christi – mangelnde Kenntnis von Person und Werk unseres Herrn.

7. Trilogie: Das Volk in der Wüste – die Engel, die ihren Zustand nicht bewahrten – die Leute von Sodom und Gomorra (Verse 5-7)

Judas erinnert seine Zuhörer an drei Begebenheiten aus dem Alten Testament. Erlerntes muss wiederholt werden. Das gilt auch für biblische Wahrheiten. Die genannten Kurzinhalte der drei Geschehnisse folgen jedoch nicht ihrem chronologischen Ablauf. Zuerst wird auf die Wüstenwanderung hingewiesen (4Mo 13/14; Hebr 3,16-19; 1Kor 10, 5-10). Anschließend wird die Engelwelt erwähnt. Entweder bezieht sich dieser Sachverhalt auf den ursprünglichen Fall Satans mit seinen Engeln oder auf 1Mo 6. Drittens weist Judas auf die Vernichtung von Sodom und Gomorra hin (1Mo 19). In allen drei historischen Fällen geht es um wirklichen Untergang.

Wir dürfen uns in der Verkündigung nicht scheuen, auch über das Gericht Gottes zu sprechen

Judas verwendet diese Triologie, um den Ernst der Situation deutlich zu machen und vor dem daraus resultierenden Gericht zu warnen. Wir dürfen uns in der Verkündigung heute nicht scheuen, auch über das Gericht Gottes zu sprechen so wie es uns die Schreiber der Bibel immer wieder vorgemacht haben.

8. Trilogie: Fleisch beflecken – Herrschaft verachten – Herrlichkeiten lästern (Vers 8)

Judas unterstreicht jetzt noch einmal das Charakteristische an diesen Männern und Frauen. Sie sind Träumer – Fantasten (en-upniazomai). Die Verse 4 bis 8 scheinen einen inneren Zusammenhang darzustellen:

  • Gottlose – das Volk – die Herrschaft verachten (Führerschaft: Mose/Aaron)
  • Ausschweifende – Sodom und Gomorra – das Fleisch beflecken (Sexuelle Ebene)
  • Verleugner – Engel – die Herrlichkeiten lästern (Gegenwart der Trinität).

9. Trilogie: Michael – Teufel – Mose (Verse 9-10)

Die Verführer wissen scheinbar viel über den übersinnlichen Bereich, dennoch ist ihre Vernunft so geworden wie bei unvernünftigen Tieren

Ein weiteres Beispiel wird von Judas benutzt, um die Gefährlichkeit dieser Menschen aufzuzeigen. Sie scheuen sich nicht, mit Lästerungen gegenüber der unsichtbaren Welt (Gott, Satan, Engelwelt) um sich zu werfen. Ihr ganzes Verhalten steht im Kontrast zu dem Verhalten des Erzengels Michael. Diese Verführer wissen scheinbar viel über den übersinnlichen Bereich, dennoch ist ihre Vernunft so geworden wie bei unvernünftigen Tieren.

Anstatt zu begreifen, was über ihnen ist, Gott, Satan und Engelwelt, verstehen sie nur, was unter ihnen ist, die Tiere. Je fleischlicher ein Mensch ist, desto mehr wird er zum Tier werden. Je geistlicher ein Mensch ist, desto mehr wird er das Wesen Gottes offenbaren.

10. Trilogie: Kain – Bileam – Korah (Vers 11)

Wiederum verwendet Judas drei bekannte Persönlichkeiten des Alten Testamentes, die in die Geschichte als Negativ-Vorbilder eingegangen sind. Gerade im gottesdienstlichen Leben der Gemeinde wird sich zeigen, dass die Eindringlinge die Gemeinde von innen heraus verderben werden. Deswegen das „Wehe ihnen“. Der Weg Kains (1Mo 4; 1Jh 3,12; Hebr 11,4) begann mit falscher Anbetung und endete in der Ermordung seines Bruders Abel aus Eifersucht. Bileam (4 Mo 22; 25,1f; 31,16; Off 2,14;) wurde wegen seiner Habsucht zum falschen Propheten. Die Rotte Korach (4Mo 16) begehrte in ihrer Selbstsucht das Priestertum, das ihnen nicht zustand. Immer dann, wenn das gottesdienstliche Leben einer Gemeinde von falscher Anbetung, falscher Prophetie und von falsch verstandenem „allgemeinen Priestertum“ durchzogen wird, wird diese Gemeinde verderben. Darum gilt es Obacht zu geben.

11. Trilogie: Meer – Land – Himmel (Verse 12-13)

In diesen Versen finden wir eine herausragende Schönheit des Briefes. Judas verwendet gleich sechs Illustrationen aus der Natur. Je zwei Beispiele vom Meer, vom Land und vom Himmel. „Klippen“ (diese Übersetzung von „spilas“ passt besser in den Zusammenhang als Schandflecken) und „wilde Meereswogen“ sind aus dem Bereich des Meeres genommen. „Sich selbst weiden“ und „spätherbstliche Bäume“ gehören zum Land. „Wolken ohne Wasser“ und „Irrsterne“ sind Bestandteile des Himmels. Mit diesen Vergleichen macht Judas sehr deutlich, wie das Verhalten der eingeschlichenen Menschen innerhalb der Gemeinde ist. Bei den Liebesmahlen (agapê), die sich wahrscheinlich an das Brotbrechen anschlossen, waren diese Leute wie „Klippen“. Äußere Teilnahme an dem gottesdienstlichen Leben der Gemeinde sagt noch nichts über den inneren Zustand aus. Klippen sind oft unter der Wasseroberfläche verborgen und eine ernstzunehmende Gefahr für Schiffe und Boote. Wie viel Kritiksucht, Verletzungen und Beleidigungen werden oft während des gemeinsamen Essens betrieben. Klatsch und Tratsch über Gemeindeglieder und Älteste bei Gemeindefesten (Liebesmahlen) sind wie Klippen, die schon manches Gemeindeschiff zum Kentern gebracht haben. Viele Gemeindespaltungen entstehen nicht am runden Tisch sondern am Kaffeetisch. Gemeinden brauchen Orientierungshilfen, um die verborgenen Klippen zu finden. Wo sind Männer und Frauen in unseren Gemeinden, die Gott mit der Fähigkeit begabt hat, die Geister (die Gesinnung der Menschen) zu beurteilen?

„Sich selbst weiden“ ist aus dem Hirtenleben entlehnt und erinnert an Hes 34. Dort beklagt der Prophet die katastrophale Situation der falschen Hirten Israels, die nur an sich denken und die Herde verkommen lassen. Anscheinend waren solche „Hirten“ auch in der Gemeinde. Die Liebesmahle waren für sie „fette“ Weide, und anstatt den Schafen Nahrung und Pflege zu geben, wurden die Schafe ausgenutzt und verdorben. Dem gegenüber steht das vollkommene Vorbild unseres Herrn Jesus, der in seiner Hirtenliebe und Hirtentreue sogar bereit war, sein Leben für seine Schafe zu lassen. Er liebt, er pflegt und er sorgt für seine Herde, selbst wenn die menschlichen Hirten versagen. Möge der Oberhirte Jesus Christus seiner Gemeinde treue und hingebungsvolle Männer geben, die wirkliche geistliche Hirten sind und bleiben.

„Wolken ohne Wasser“, die vom Wind fortgetrieben werden, sind für den Landwirt, der dringend Regen braucht, eine große Enttäuschung. Der Regen gibt Erfrischung und Wachstum.

Christen ohne geistliches Leben sind unbeständig und werden umhergetrieben von jedem Wind der Lehre

Wasser stillt den Durst und reinigt. Christen ohne geistliches Leben sind unbeständig und werden umhergetrieben von jedem Wind der Lehre (Eph 4,14). Das Reden und Leben ist nicht so wie bei Mose, von dem es in 5Mo 32,2 heißt:

„Es träufelt wie Regen meine Lehre, es fließt wie Tau meine Rede, wie Regenschauer auf das Gras und wie Regengüsse auf das Kraut!“

Wie viele leere Worte werden während der Predigt und während der Liebesmahle gesprochen. Das steht fest: Viele leere Worte enthalten viele leere Lehre. Nur die Liebe zur Autorität der Bibel als dem Wort Gottes und das Erfülltsein mit dem Heiligen Geist bringen Wolken mit Wasser hervor. Alles andere wird leere Wolken erzeugen. Jeder Christ muss persönlich getroffen sein, wenn der Herr Jesus zu ihm spricht:

„Wer an mich glaubt, wie die Schrift gesagt hat, aus dessen Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ (Jo 7,38).

Der nächste Vergleich ist wieder aus dem Landleben entnommen: „Spätherbstliche Bäume“. Man stelle sich die Frage: „Welchen Zweck haben Obstbäume?“ Sie haben nur einen Zweck, nämlich Frucht zu tragen. Sie sind keine Zierbäume und sie werden nicht in erster Linie als Brennholz oder Bauholz genutzt. Die Axt droht, wenn keine Frucht da ist (siehe auch Lk 13). Die persönliche Frage bleibt: Welche Frucht trägt mein Leben? Ist mein Christsein nur eine äußere Zierde? Die spätherbstlichen Bäume werden nicht nur als fruchtlos beschrieben, sondern weit schlimmer noch, sie sind schon zweimal erstorben! Ein Obstbaum kann das eine Jahr unfruchtbar sein und im darauf folgenden Jahr wieder Frucht tragen. Dies war jedoch in diesem Beispiel nicht der Fall. Der Baum war tot. Abgestorbene Bäume können nie mehr Frucht tragen. Das bedeutet, dass der Baum nicht nur abgehauen wird, sondern seine Wurzeln werden ausgegraben. Solche Bäume erwartet ein Platz im Feuer. Der Obstbauer untersucht an der Wurzel, weshalb der Baum unfruchtbar geworden ist und will wissen, welche Krankheit den Baum befallen hatte, damit er Vorsorge für seine anderen Obstbäume treffen kann. Christen ohne geistliche Frucht kranken an ihren geistlichen Wurzeln. Hier kann nur noch der Baumbesitzer helfen, Jesus Christus.

„Wilde Meereswogen“ sind ein Bild für Menschen, die nichts anderes sind als „Schaumschläger“

„Wilde Meereswogen“ sind ein Bild für Menschen, die nichts anderes sind als „Schaumschläger“.

Nichts Dauerhaftes und Beständiges ist in ihrem Leben zu finden und sie brüsten sich noch mit ihren eigenen Schändlichkeiten und meinen, sie seien die „Gemeinde-Macher.“ Hier gilt das Urteil aus Jes 57,20:

„Die Gesetzlosen sind wie das aufgewühlte Meer; denn es kann nicht ruhig sein; und seine Wellen wühlen Schlamm und Kot auf.“

Der letzte Vergleich in diesem Zusammenhang sind die „Irrsterne“. Sie sind die Betrüger am Nachthimmel. Sie leuchten auf, und plötzlich lösen sie sich in der Finsternis auf. Sie geben dem Seefahrer und dem Wanderer Fehlorientierung und weisen ihnen Irrwege. Menschen mit charismatischer Ausstrahlung haben unzählige andere Menschen in ihren Bann gezogen und oft schon in die Irre geführt. Das Urteil Gottes wird sie treffen. Dem gegenüber gilt es, als Christen wirkliche und wahrhaftige „Himmelslichter“ inmitten einer verdrehten und verkehrten Generation zu sein und ständig zu scheinen (Phil 2,15). Im Besonderen jedoch sind auch die Hirten-Lehrer in den Gemeinden aufgefordert, durch biblische Unterweisung Orientierung zu geben. Dan 12,3:

„Und die Verständigen werden leuchten wie der Glanz der Himmelsfeste, und die, welche die Vielen zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne, immer und ewiglich.“

12. Trilogie: Gottlose – Murrende – Unzufriedene (Vers 15f)

Um den ganzen Ernst seiner Zurechtweisung deutlich zu machen, erinnert Judas seine Leser an einen einzigartigen Mann, Henoch. Von ihm sagt die Heilige Schrift, dass er der erste war, der mit Gott wandelte. „Er hielt mit Gott gleichen Schritt“, so drückt es treffend Ernst Modersohn aus. Er war ein einziges, helles Licht in der Dunkelheit der Gottlosigkeit ( asebeia ) seiner Zeit. Immer dann, wenn Menschen anfangen „Gott nicht mehr Gott sein zu lassen“ werden sie aufbegehren und mit ihrem Schicksal hadern – leider auch wiedergeborene Christen. Im Telegrammstil hängt Judas die drei weiteren Charakterzüge dieser Leute an:

13. Trilogie: nach ihren Lüsten wandeln – stolze Worte reden – Personen bewundern (V. 16)

Alles wirkliche Sein wird überspielt mit falschem Schein. Sie leben nach Lust und Laune, halten großspuriges Geschwätz und kriechen vor Menschen, um ihre Machtposition zu sichern. Doch das Gericht des heiligen Gottes wird sie treffen, und er wird recht beurteilen und verurteilen.

14. Trilogie: erbauen – beten – erwarten (Vers 20)

Noch einmal greift Judas den gravierenden Unterschied zwischen Echt und Unecht auf. Da sind die, die den Geist nicht haben und die, die im Geist beten. Die „seelischen“ Menschen (psychikos) führen ein scheinheiliges, oberflächliches Leben. Ihr Glaube kommt nicht aus einem erneuerten und aufrichtigen Herzen. Sie vernachlässigen bewusst „geistliche“ Dinge. Sie wünschen sich emotionale Erfahrungen. Doch all diese Ausprägungen und Einstellungen waren und sind eine Beleidigung Gottes. Dem werden „echte“ Christen gegenübergestellt. Sie, die „Geliebten“, sind anders. Judas ermuntert mit drei Partizipien: erbauend, betend, erwartend.

Das erste hat mit Bauen zu tun, denn es heißt: „sich selbst zu erbauen (ep-oikodomeô) auf den allerheiligsten Glauben“. Denn ein echtes und tragfähiges Fundament kann nur das der Apostel und Propheten sein (Eph 2,19-22) angelehnt an den Eckstein, der Jesus Christus heißt. Die Gemeinde muss hier ihre Grundlage haben. Von diesem soliden Fundament aus wächst der ganze Bau zu einem heiligen Tempel. Die „Geliebten“ sind lebendige Steine, die sich trotz allen zwischenmenschlichen Problemen ineinanderfügen können und dürfen. Das ist Vorrecht und Gnade zugleich. Dennoch ist die Gemeinde ein Bauplatz und kein „Schauplatz“. Das meint, Gemeindebau ist nicht Beschaulichkeit oder Spielerei oder gar ein falsches Ausruhen, sondern Gemeindebau ist harte Arbeit. Einsatz ist gefordert. Da geht es um das Miteinander und nicht um das Nebeneinander oder sogar Gegeneinander. Jedenfalls sollen die Glaubenden nicht trennen (apo-di-orizô) und zerreißen wie die „seelischen“ Menschen es tun, sondern aufbauen, und so wird das ganze Baugefüge geistlich zusammenwachsen.

Das zweite ist „Beten im Heiligen Geist“. Das bedeutet nicht, dass der Heilige Geist uns einfach von der Aufgabe zu beten entbindet und alles alleine tut.

Beten im Heiligen Geist bedeutet nicht, dass der Heilige Geist uns von der Aufgabe zu beten entbindet und alles alleine tut

Im Gegenteil, er weckt in uns die Fähigkeit zum richtigen Beten. Er schenkt uns ein Verlangen zum Beten. Er gibt uns nicht in erster Linie die Worte oder eine besondere Sprache, sondern er führt uns in das Innere unserer Herzen und dort entdecken wir unsere Schwachheit, unsere Unzulänglichkeit, unsere Lauheit und unsere Unbeständigkeit. Dort werden unsere Sünden und Ungerechtigkeiten aufgedeckt. Dort sehen wir unsere Charakterschwächen, unseren Egoismus und unsere Ohnmacht. Das führt entweder zu Entschuldigungen oder zur biblischen Buße. Buße beinhaltet nicht nur Abkehr und Umkehr sondern auch Reinigung. Daneben entdecken wir aber auch den Wunsch, unsere Liebe zu Gott, dem Vater, auszudrücken. Wir empfinden auch eine Sehnsucht nach wahrer Anbetung im Geist und in der Wahrheit (Jo 4,23).

Den dritten Aspekt den Judas hier anspricht ist: „Erwarten“ (pros-dechomai). Judas erwähnt in seinem Brief immer wieder, dass das Gericht Gottes kommen wird. Er ermuntert aber die Christen auf ihren Herrn zu warten. Nicht mit Furcht und Zittern, sondern mit Freude und Dankbarkeit. Mit erhobenem Haupt dürfen Christen auf den Tag der Erlösung warten (Lk 21,28). Diese drei wichtigen Elemente sind sowohl im persönlichen Glaubensleben als auch für eine biblisch funktionierende Gemeinde nötig.

15. Trilogie: vor aller Zeit – jetzt – in Ewigkeit (Vers 25b)

Der Brief schließt mit einem Lobpreis, der sich durch Jesus Christus an den alleinigen Gott, unseren Heiland, richtet. Seine unbeschreibliche Größe und Macht, seine Majestät und Gewalt werden gerade darin sichtbar, dass er wirkt. Gott ist ein tätiger Gott, der ohne Aufhören am Werk ist. So darf uns ganz neu deutlich werden, dass trotz der Gefahren und Nöte in unserem persönlichen Glaubensleben und in der Gemeinde der allmächtige Gott über Raum und Zeit steht. Das gibt Mut und Gelassenheit in die Zukunft zu schauen, denn er ist bereits dort.