ThemenWort- und Themenstudien

Paulus und seine Mitarbeiter

Fehler und Erfolge in der Teamarbeit

Seit 26 Jahren bin ich1 mit meiner Frau Pam verheiratet. Sie ist meine Freundin, meine Vertraute und Partnerin im Dienst. Sie hat die Schulbildung unserer drei Kinder selbstständig zu Hause bewältigt2 und sie zu ehrlichen, hingegebenen Gläubigen erzogen, die mit uns aktiv in der Gründung neuer Gemeinden mitarbeiten. Auch wenn sie nicht als Lehrerin begabt ist, unterrichtet sie die Frauen und begleitet mich zu unseren evangelistischen Bibelstunden, manchmal an bis zu fünf Abenden pro Woche. Ihre praktische Anwesenheit bedeutet mir sehr viel. Nach einem solchen Hauskreis halten wir des öfteren in einem Café an, um uns über unsere Eindrücke bezüglich der Reaktion eines bestimmten Paares auf das Evangelium auszutauschen. Ich habe niemals eine Freundschaft mit irgend jemand anderem gehabt, die der Beziehung zu meiner Frau gleich käme. Es gibt nur sehr wenige Ehepaare, die in einem ähnlichem Maß gleichgesinnt sind; wir sind ein großartiges Team.

Nichts desto Trotz müssen wir von Zeit zu Zeit kämpfen, um unsere gute Arbeitsgemeinschaft aufrecht zu halten. Ich möchte zum Beispiel jederzeit Leute zum Essen einladen; meine Frau denkt, dass unser Leben ohnehin arbeitsintensiv genug ist und plädiert dafür, dass eine Einladung pro Woche genug ist. Sie fordert mich auf, jemand anders um seine Meinung dazu zu fragen. Ich weiß, dass die einzigen Frauen, die mich unterstützen würden selbst bedrängt und ausgepowert sind, was nur das Argument meiner Frau unterstützen würde … Wahre Partnerschaft ist nicht einfach und funktioniert nicht automatisch. Sie verlangt große Anstrengungen, emotionalen Einsatz und Demut. Partnerschaften sind schmerzhaft, weil sie uns daran erinnern, wie schwer es ist mit uns auszukommen.

1 Die geforderten Investitionen für gute Partnerschaften

Ich bin etwas zurückhaltend, wenn es darum geht, das Thema der Teamarbeit anzusprechen, da ich nicht immer Erfolg in diesem Gebiet zu verzeichnen habe – aber natürlich war es auch bei Paulus nicht anders. In ihrem Bemühen um Teamarbeit haben viele Christen Enttäuschungen erfahren, weil sie mit unrealistischen Erwartungen an diese Frage herangingen. Darum ist Paulus‘ Erfahrung in diesem Bereich sowohl informativ als auch ermutigend.

Person Jahre der Verbundenheit Jahre am gleichen Ort Dauerhafte physische Anwesenheit
Titus 25 13 50 %
Timotheus 19 9 50 %
Lukas 18 6,5 30 %
Aristarchus 11-17 6,5 30 %
Aquila & Priscilla 17 4 25 %
Tychikus 14 4 25 %
Trophimus 14 2 15 %
Markus 20 2,5 10 %
 Erastus 16 2 1

1.1 Die Analyse von Paulus‘ Partnerschaften

1.1.1 Die Zeitspanne tatsächlicher Zusammenarbeit

Die meisten Bibelausleger sind sich dessen bewusst, das Paulus fast nie alleine unterwegs war, sondern die meiste Zeit mit anderen Männern zusammengearbeitet hat. Aber nur wenige haben sich tatsächlich Gedanken gemacht, wie er denn praktisch mit anderen zusammengearbeitet hat.

Es mag überraschend sein, dass Paulus mit insgesamt 41 reisenden Mitarbeitern gearbeitet hat. Jedoch haben nur 15 dieser Mitreisenden über einen bedeutenden Zeitraum mit ihm zusammengearbeitet, und nur 10 hielten bis zu seinem Tod einen nennenswerten Kontakt aufrecht.3 Diese 10 Freunde arbeiteten mit Paulus über einen Mindestzeitraum von 14 Jahren bis zu max. 25 Jahren zusammen.4

Auch wenn manchen diese Fakten im Großen und Ganzen bekannt sind, wissen doch wenige wie viel Zeit Paulus denn nun tatsächlich mit jedem dieser Mitarbeiter zusammen war. Die obenstehende Tabelle 1 soll helfen eine realistischere Sicht von Paulus Beziehungen zu den Langzeit-Partnerschaften im Rahmen seines gesamten Dienstes zu vermitteln. Die Jahre des Dienstes in dieser Liste entstammen Hoehners Chronologie.5 Die Zeit des Dienstes für jeden Arbeiter ist eine generelle Schätzung und ist nicht als exakte Größe zu bewerten. Ebenso ist die prozentuale Zeit der körperlichen Gegenwart eine gerundete Nennung. Lukas und Aristarchus sind in dieser Liste der gemeinsamen Zeit mit Paulus ganz oben angesiedelt, aber sie haben deswegen nicht notwendigerweise Pionierarbeit betrieben. Die meiste Zeit die sie zusammen mit Paulus verbrachten, war während ihres gemeinsamen Gefängnisaufenthaltes.

2 Anzahl der Partner zu einer bestimmten Zeit

Es gibt einen weiteren Aspekt der oft übersehen wird. Nur selten hatte Paulus mehr als zwei dieser Männer zur gleichen Zeit bei sich. Die Tabelle 2 zeigt einen Überblick über die Zahl der Mitarbeiter, die Paulus zu einer bestimmten Phase seiner Missionsarbeit bei sich hatte. In den Fällen, wo Paulus nicht im Sinne einer Pionierarbeit tätig war, oder wenn er sich für einen ungewöhnlichen langen Zeitraum in einer Stadt niederließ, ist der Ort in Klammern angegeben.

Im Durchschnitt waren zur gleichen Zeit zwei Partner bei Paulus, aber oft hatte er auch nur einen Mitarbeiter um sich. Auffallenderweise sind die von Paulus am meisten favorisierten Mitarbeiter, Timotheus und Titus, selten mit ihm als Trio zusammen gewesen. Die drei können nur einige wenige Male für insgesamt ein paar Monate gemeinsam ausgemacht werden. Demnach bestand auf lange Sicht keine Notwendigkeit die unterschiedlichen Persönlichkeiten zusammenzuschmieden.

2.1 Anwendung auf heutige Teamarbeit

Was können wir aus diesen Tatsachen schlussfolgern? Das Konzept mit einer Anzahl von Ehepaaren, die über einen längeren Zeitraum in einer Stadt an der gleichen Arbeit sind, entspricht nicht genau der Situation in der Paulus war. Es ist nicht unbiblisch die Zahl der Mitarbeiter und die Dauer der gemeinsamen Zeit zu variieren. Zugegeben, das Beispiel von Paulus muss mit einigen Anmerkungen zur Kenntnis genommen werden. Man sollte sich daran erinnern, dass es sich im damaligen Kontext um vollzeitlich reisende Arbeiter, und nicht um örtliche Gemeindeleiter handelte.

Anzahl der Personen mit Paulus  Zusammensein mit Paulus (Monate) Namen
2 3 Markus
1 14 Barnabas,
1 7 Barnabas
1 1 Silas, Barnabas (Antiochien)
2 2 Silas, Timotheus
3 4 Silas, Timotheus, Lukas
 2 5 Silas, Timotheus
2 1 Aquila, Priscilla
4 18 Silas, Timotheus, Priscilla, Aquila
2 6 Timotheus, Titus (?) (Antiochien)
13 (an- und abwesend) 3,5 Jahre (Ephesus)
8-11 1 (Reise nach Jerusalem)
10 (an- und abwesend) 2 Jahre (Gefangenschaft in Rom)
1 6 Timotheus (Ephesus)
1 12 Timotheus (Ephesus)
1 2 Jahre (?) Titus (Spanien ?)
5 (an- und abwesend) 4 Timotheus, Tychikus, Artemas, Apollos, Zenas (Kleinasien, Griechenland)
3 (an- und abwesend) 12 Titus, Erastus (?), Trophimus (?) (Nikopolis)
8 (an- und abwesend) 6 (Gefangenschaft in Rom)

Teamarbeit wird kompliziert, wenn es sich um verheiratete Teammitglieder handelt. Bei drei Ehepaaren käme man zum Beispiel auf sechs Mitarbeiter. Über einen kürzeren Zeitraum mag dies gut funktionieren, aber auf die Länge kann es zu Schwierigkeiten kommen. Die Männer mögen sich vielleicht ganz gut ergänzen, aber mit den Frauen und Kindern erhöht sich die Zahl der personalen Beziehungen drastisch. Ehen werden durchaus verschieden gestaltet und die Erziehung der Kinder kann von Familie zu Familie ebenfalls sehr unterschiedlich sein. Diese Faktoren können oft zu unerwünschten Spannungen innerhalb des Teams führen. Mehr noch: Durch unsere Heirat haben wir bereits einen „Mitarbeiter“ und wir sind zur Genüge mit der Anpassung an unseren Ehepartner beschäftigt. Wenn unsere Kinder heranwachsen, werden sie in zunehmendem Maße ebenfalls zu Mitarbeitern. Es scheint möglich, dass die Rolle, die eine Familie in der Frage der Teambildung spielen kann bisher zu wenig beachtet wurde.

Im Licht der paulinischen Arbeitsweise mag es für viele die beste Lösung sein, in einer eher lockeren Form, zeitweise geographisch getrennt, zusammen zu arbeiten. Sie würden sich dann in regelmäßigen Abständen in ihren jeweiligen Fachgebieten unterstützen und sich für spezielle Projekte zusammenschließen.

Das Gesagte soll uns nicht von Teamarbeit abschrecken, aber etwas Realismus in das ganze Thema bringen. Paulus‘ Team bestand üblicherweise aus ein bis zwei anderen, die über einen langen Zeitraum betrachtet aber nicht ständig bei ihm anwesend waren. Darüber hinaus waren es im Regelfall jüngere, unverheiratete Gläubige, die sich durch seinen Dienst bekehrt hatten und die dementsprechend auch nur seine Art, bestimmte Dinge zu tun, kannten.

3 Gemeinschaftlichkeit innerhalb Paulus‘ Mannschaft

3.1 Paulus‘ Beispiel für örtliche Leiter

Die Mitarbeiter des Paulus waren meist jüngere unverheiratete Gläubige

Es gibt eine weitere Facette der Teamarbeit, die betrachtet werden muss. Wie hat Paulus konkret mit seinen Mitarbeitern gearbeitet, wenn er mit ihnen zusammen war? Offensichtlich hat er in den Gemeinden, die er gründete, immer eine Leiterschaft aus mehreren Personen eingesetzt. Er tat das sowohl am Anfang, als auch am Ende seines Dienstes (Apg 14,23; 20,17; Tit 1,5). Einige versuchen diese Tatsache zu leugnen, indem sie behaupten, dass es einen Ältesten für jede kleine Hausgemeinde gab. Und da es in einer Stadt viele Hausgemeinden gab, kommt man somit auf eine Mehrzahl von Ältesten in jeder StaDt.6 Dieses Argument ist aber von Grund auf spekulativ und von dem Wunsch getrieben den eher traditionellen Weg zu befürworten, der einen Mann als Haupt der Gemeinde vorsieht. Paulus hat sehr deutlich eine Mehrzahl von Ältesten in jeder Gemeinde vertreten.7

Aber hat er in seinem eigenen Gemeindegründungsteam nach der gleichen Methode gearbeitet? Dies ist ein komplizierter Sachverhalt, da er als Apostel mit einer besonderen Autorität ausgestattet war, um neue Arbeiten unter den Heiden zu beginnen. Er war der „Chef“. Und doch hat er in seinem Mitarbeiterkreis fast nie die Rangordnung betont, sondern vielmehr alle als ihm gleichberechtigt behandelt. Er setzte ein Beispiel dafür, wie Leiterschaft aus mehreren Personen funktionieren sollte.

3.2 Titel verdeutlichten Pluralität

Im Mitarbeiterkreis hat Paulus fast nie die Rangordnung betont

Erstens reservierte Paulus niemals einen Titel für sich allein.8 Es gab keinen Versuch sich von seinen Mitarbeitern zu unterscheiden, wie es manche heute tun, wenn sie weitere, qualifizierende Begriffe, wie „Senior-“ oder „Assistenz-“ gebrauchen, um zwischen Pastoren zu unterscheiden. Manchmal wird dargelegt, dass eine bestimmte Person der Pastor ist, während andere Leiter der gleichen Gemeinde als Älteste, oder Diakone bezeichnet werden. Im Gegensatz zu unserem modernen Gebrauch von Titeln, gebrauchte Paulus Bezeichnungen, die zeigten, dass seine Partner in der Arbeit von gleichem Wert waren (1Thess 2,6; 3,2). Sogar die Bezeichnung Apostel wurde mit seinen Arbeitern in dem Sinne geteilt, dass alle Botschafter waren. Er war besonders berufen, aber machte dies nicht zum Thema, indem er sich als Senior-Apostel bezeichnet hätte.

3.3 Entscheidungen reflektierten Konsens

Zweitens gebrauchte er die erste Person Plural um Übereinkunft zu zeigen (1Thess 2,18; 23,1-4).9 Es gab keine Unterscheidung zwischen seinem Willen („Darum, als auch ich es nicht länger aushalten konnte, sandte ich ihn …“, 1Thess 3,5), und dem seiner Mitarbeiter („Deshalb, da wir es nicht länger aushalten konnten, … und wir sandten Timotheus …“, 1Thess 3,1-2). Er schrieb seinen Partnern dieselben Gefühle, dieselbe Logik, und dieselbe Produktivität im Werk zu. Tatsächlich schickte er mit Timotheus, einen Jungbekehrten von gerade mal zwei Jahren und einen Arbeiter von nur wenigen Monaten, um die Thessalonicher zu ermutigen der Opposition zu widerstehen. Gleichzeitig verließ er sich auf Timotheus‘ Beobachtungen vor Ort, um zu aktuellen Themen in der Gemeinde in Thessalonich Stellung zu beziehen. Das kann sicher als ein Umgang unter Gleichen bezeichnet werden.

Drittens musste Paulus selten die Entscheidung seiner Mitarbeiter revidieren. In Apg 21,10-14 wird Paulus‘ Alter, Erfahrung und besondere Beauftragung der Vorzug gegeben. Letztlich sorgten seine Partner dafür, dass Paulus‘ Überzeugungen den Vorrang erhielten. Auf der anderen Seite gibt es Fälle, wo Paulus der gegensätzlichen Meinung seiner Mitarbeiter den Vorzug gab (1Kor 16,12). Paulus und Apollos stimmten bezüglich der Notwendigkeit einer Reise nach Korinth überein, waren aber bezüglich des Zeitpunktes unterschiedlicher Meinung. Offensichtlich wurde Paulus durch die Logik Apollos‘ und seiner Auffassung in dieser Angelegenheit überzeugt.10

3.4 Eine ausgewogene Anwendung von gemeinschaftlicher Leiterschaft

Paulus konnte die Meinung eines Mitarbeiters höher achten als die eigene

Diese Abschnitte zeigen, dass obwohl Paulus eine besondere Autorität hatte, er auf der Basis von gemeinschaftlicher Leiterschaft handelte, indem er den Konsens suchte. Nichts desto Trotz wurde ihm als dem älteren und erfahreneren Teammitglied, natürlicher- und richtigerweise der Vorrang in dem Entscheidungsfindungs-Prozess gegeben. Dies ist ein entscheidende Feinheit in der gemeinschaftlichen Leiterschaft. Allzu oft geht die Tendenz in das eine oder andere Extrem. Einige wünschen den Mann, der es auf den Punkt bringen kann, den Macher und Visionär als Haupt des Teams. Solch ein Mann mag es fordern als „Chef vom Dienst“ mit klar beschriebenen Autoritätsgrenzen anerkannt zu sein. Auf Basis seiner Gaben, seiner Ausbildung und seiner Geschäftstüchtigkeit erwartet er Respekt. Offen gesagt handelt es sich in solchen Fällen jedoch oft um einen schwachen Mann, der unfähig ist sich irgend einem Anderen unterzuordnen.

Viele Absolventen meiner Generation waren von dem Konzept der gemeinschaftlichen Leiterschaft angezogen, bis sie in einer gemeindlichen Leiterschaft eingespannt waren. Sie fühlten sich von den Ältesten zurückgehalten. Ihre Ideen und ihre Ausbildung wurden nicht angemessen geschätzt. So schlossen sie, dass gemeinschaftliche Leiterschaft eine unpraktische Sache wäre. Das wahre Problem ist, dass die wenigsten von uns warten möchten, um respektiert zu werden. Wir sind nicht gewillt, über Jahre hin einen guten Ruf zu entwickeln und Autorität auf Basis eines erprobten Charakters zu kultivieren. Wir bevorzugen Autorität auf Basis einer Position, einer Gabe oder Ausbildung.

Viele Absolventen haben Probleme, Ehrerbietung gegenüber Ältesten auszudrücken

Auf der anderen Seite wollen einige absolute Gleichheit, trotz Verschiedenheit in Alter und Erfahrung. Sie geben dem, der über Jahre seine Fähigkeit und seinen Charakter unter Beweis gestellt hat, nur ungern den Vorzug. Durch jeden, der die Gabe der Führung hat, fühlen sie sich eingeschüchtert und sind eifersüchtig, wenn ein anderer im Team besondere Beachtung erfährt.

Die meisten Leiter sollten beide Extreme vermeiden. Es kann Gleichheit geben und zur gleichen Zeit Ehrerbietung denen gegenüber ausgedrückt werden, die erfahrener sind. Der einzige Grund warum dieses Arrangement nicht funktionieren sollte, liegt oft an der mangelnden Demut und geistlichen Reife.

4 Uneinigkeit in der Teamarbeit

4.1 Der Konflikt zwischen Barnabas und Paulus

Es mag ganz nett sein sich vorzustellen, dass das Vorgehen von Paulus in Leiterschaft und Partnerschaft für Konflikte immun wäre. Doch wer die Bibel studiert, weiß dass dies nicht der Fall ist. Tatsächlich gibt es den entmutigenden Fall einer unversöhnlichen Meinungsverschiedenheit zwischen Paulus und Barnabas (Apg 15,36-40). Viele nehmen an, dass sich Paulus in der Trennung des ersten Missionsteams geirrt hatte. Er erscheint einigermaßen unflexibel und wenig vergebungsbereit. Immerhin waren anderthalb Jahre vergangen, seit Markus sie verlassen hatte. Außerdem scheint Paulus seinen Fehler später indirekt zuzugeben, als er sich positiv über Markus und seinen Beitrag äußert (2Tim 4,11). Da der moderne Mensch eine starke und wachsende Antipathie gegenüber Intoleranz pflegt, wird Paulus als der Böswillige gesehen.

Lukas würde mit dieser Bewertung seine Schwierigkeiten haben. Die Worte die er in Apg 13,13 gebrauchte, „er verließ sie“ und 15,38, „er hatte sie verlassen“ werden fast immer in einem negativen, auf Untreue bezogenen Sinn verwanDt. In der Septuaginta ist der eine Begriff beinahe ein terminus technicus für religiösen Abfall.11 Gemäß der von Lukas verwandten Terminologie war Markus‘ Verhalten kein kleinerer Fehler. Außerdem wurde Paulus, nachdem sich das Team trennte, von den Brüdern der Gnade Gottes anbefohlen (Apg 15,40). Im Rest der Apostelgeschichte betonte Lukas die Leistung von Paulus. All das weist darauf hin, dass Lukas in Paulus‘ Hartnäckigkeit gegenüber Barnabas keinen Schuldhinweis sah.

Es ist hilfreich sich daran zu erinnern, dass Paulus erst kurz zuvor Petrus wegen seinem Rückzug von der Tischgemeinschaft mit den Heidenchristen zurechtgewiesen hatte. Dass Barnabas mit Petrus in diese Sache verwickelt war, war für Paulus ohne Zweifel ein beachtlicher Grund zur Sorge.12 Auch sollte nicht übersehen werden, dass Markus der Cousin von Barnabas war. Würde Paulus die Objektivität von Barnabas bei der Verteidigung seines Verwandten nicht natürlicherweise in Frage stellen?13 Paulus betrachtete den Fehler von Markus als so ernsthaft, dass anderthalb Jahre nicht ausreichten um ihm zu beweisen, dass er ein veränderter Mann war.

4.2 Einheit um jeden Preis?

Paulus sah den Fehler von Markus als so ernst an, dass ihm anderthalb Jahre kein ausreichender Beweis für die Veränderung lieferten

Es gibt Zeiten, wo die Einheit im Team wegen der eigenen Überzeugungen – sogar in nicht lehrmäßigen Punkten – aufgegeben werden muss. Es ist möglich, aus christlicher Einheit einen Götzen zu machen. Paulus‘ Entscheidung sich von Barnabas zu trennen (nachdem sie sieben Jahre zusammengearbeitet hatten) ist ein warnendes Signal, dass der Preis für die Einheit manchmal zu teuer ist. Paulus trennte sich, obwohl er weiterhin Barnabas als respektierten Kollegen in Christus betrachtete. Die eigenen Partner müssen nicht notwendigerweise als fleischlich oder häretisch betrachtet werden, um sich von einer Mission, einer Schule, oder einer Gemeinde trennen zu können. Paulus trennte sich von Barnabas über eine Grundsatzfrage und war doch in der Lage ihn als Bruder in Christus zu betrachten.

Spurgeon sagte, als er sich von der Baptisten-Union trennte, „Mitschuld am Irrtum wird den besten Männern die Kraft nehmen, irgendeinen erfolgreichen Protest dagegen zu erheben.“14 Wer zu lange wartet bevor er sich trennt, kann seine moralische Stärke schwächen.15

5 Schlussfolgerungen

Paulus‘ Beispiel verweist auf folgende Prinzipien der Teamarbeit in einer Pionier-Situation:

Auch die beiden favorisierten Mitarbeiter waren selten mit Paulus als festem Trio zusammen

  1. Er arbeitete selten mit mehr als ein bis zwei anderen zusammen;
  2. auch wenn er zwei favorisierte Mitarbeiter hatte, waren die beiden selten mit Paulus als einem festen Trio zusammen;
  3. oftmals war eine geographische Distanz zwischen Paulus und seinen verschiedenen Mitarbeitern;
  4. seine Arbeitsbeziehung mit anderen lehrte gemeinschaftliche Leiterschaft und Konsens; und
  5. er erlaubte dem Prinzip der Einheit nicht alle Unterschiede in der Überzeugung zu verschlucken.

Nachdem wir Paulus‘ Prinzipien über Teamarbeit hauptsächlich aus einem Kontext von ledigen Männern abgeleitet haben, ist es möglich, dass wir ungewollt übersehen, inwiefern Ehe und Familie helfen können, einen Arbeiter in seiner wichtigsten Teamarbeit zu unterstützen. Meine Frau ergänzt meine Gaben und ist in jedem Aspekt des Werkes an meiner Seite. Dass sie unsere Kinder zu einem Christus hingegebenen Leben erzieht, gibt meinem Lehren Autorität. Aber dann haben auch meine Kinder als Teammitglieder an der Arbeit Anteil. Tifferas respektvolle und engagierte Art mit Efrain zu reden, war der bestimmende Faktor, dass er unsere Einladung zur Teilnahme an einem evangelistischen Bibelkreis annahm. Cabes heilsamer Einfluss und praktische Anwendung der Schrift ermutigte zwei Burschen im Teenageralter, Alejandro und Emanuel (und ihre Eltern), an Christus zu glauben. Tamin, die jüngste, geht mit uns mit, um die kleinen Kinder zu beschäftigen, während wir evangelistische Gespräche mit Menschen wie Efrain und seiner Frau Leti haben.

Vielleicht werden die Fähigkeiten zur Teamarbeit am besten im eigenen Heim entwickelt (1Tim 3,4-5).


Dies ist der dritte Artikel einer vierteiligen Serie über Paulus und seine Begleiter.


  1. Bard Pillette: Paul and his fellow workers: Paul’s success and failure in teamwork (in: The Emmaus Journal, Vol. 6, Nr. 1, Sommer 1997, Seite 119-128); Übersetzung: Uwe Brinkmann, München The Emmaus Journal ist eine halbjährlich erscheinende Fachzeitschrift die (z.T. fortlaufende) Artikel zur biblischen Exegese, dogmatischen Themen, neuerer Kirchengeschichte, sowie praktischen Themen aus Gemeinde- und Missionsarbeit, als auch ausführliche Buchbesprechungen herausgibt. Sie wird von der Fakultät und den Absolventen des Emmaus Bible College in Iowa (USA) herausgegeben und steht von daher der sogenannten Brüderbewegung nahe. 

  2. Engl.: „She has home schooled our three children …“; d. h. die Ausbildung der Kinder erfolgt zu Hause. Eine in der amerikanischen Kultur durchaus übliche Alternative zur Schulausbildung an öffentlichen Schulen. 

  3. Die fünf, welche möglicherweise als „Mittelzeit-Reisebrüder“ betrachtet werden sollten sind Apollos, Barnabas, Epaphras, Philemon, und Silas. Die zehn „Langzeit-Reisebrüder“ würden demnach die nachfolgend genannten sein: Aquila (mit Priscilla), Aristarchus, Erastus, Lukas, Markus, Timotheus, Titus, Trophimus und Tychikus. Die restlichen 26 sollten als „Kurzzeit-Reisebrüder“ bezeichnet werden. 

  4. Titus mag als der angesehen werden der die längste Arbeitsbeziehung zu Paulus hatte, die von 43-68 n.Chr. dauerte. Trophimus war mit Paulus mindestens von 53-67 n.Chr. verbunden. 

  5. Harald Hoehner: Chronology of the Apostolic Age (Th. D. diss., Dallas Theological Seminary, 1965). 

  6. Vincent P. Branick, The House in the Writings of Paul, Zacchaeus Studies: New Testament (Wilmington, Delaware: Michael Glazier, 1989), Seite 22-27, 78-96. Floyd V. Filson, The Significance of the Early House Churches, Journal of Biblical Literature 58 (1939), Seite 111-112. Abraham J. Malherbe, Social Aspects of Early Christianity, zweite erweiterte Auflage (Philadelphia: Fortress Press, 1983), Seite 70. 

  7. Alexander Strauch, Biblical Eldership: An Urgent Call to restore Biblical Church Leadership, überarbeitet und erweitert (Littleton, Colorado: Lewis & Roth Publishers, 1995), Seite 35-50, 101-117. Dt. Ausgabe: A. Strauch: Biblische Ältestenschaft – ein Aufruf zu schriftgemäßer Gemeindeleitung (Ried im Innkreis: Gemeinde & Mission, 1998). 

  8. Die einzige Ausnahme ist sein Gebrauch des Begriffes „Baumeister“ (1Kor 3,10). Er gebraucht auch die Begriffe „Lehrer“ und „Prediger“ für sich allein (1Tim 2,7; 2Tim 1,11), schließt aber andere ein, wenn er die Verbform verwendet (1Tim 4,11; 2Tim 4,2). 

  9. William Frederick Lofthouse, ‚I‘ and ‚We‘ in the Pauline Letters, Expository Times 64, (May 1953), Seite 241. Lofthouse glaubt nicht, dass Paulus ein briefliches „Wir“ gebraucht, wie es einige vorgeschlagen haben. In gleicher Weise argumentiert Raymond F. Collins, Paul, As Seen Through His Own Eyes. A Reflection on the First Letter to the Thessalonians, Louvain Studies 8, (April 1981), Seite 352-53. A.T. Hanson, The Pioneer Ministry (London: SCM; Philadelphia: Westminster Press, 1961), Seite 48. Hanson betrachtet das „Wir“ in 1Thess 3,1-2 als brieflich. I. Howard Marshall, 1 & 2 Thessalonians, NCBC (Grand Rapids: Eerdmans, 1983), Seite 90. Marshall folgt Lofthouse und schlägt vor, dass das „Wir“ bedeutet, dass Silas, Thimotheus und Paulus ihre Entscheidungen gemeinsam trafen. 

  10. Bengt Holmberg, Paul and Power (Philadelphia: Fortress Press, 1978), Seite 45.67. Wenn Paulus die Motive und die Loyalität von Apollos angezweifelt hätte, würde er ihn wahrscheinlich nicht zurückgesandt haben. Offensichtlich war er überzeugt, dass Apollos mit seiner Einschätzung der Situation übereinstimmte (1Kor 3,1-9) und für sich selbst die „Apollos-Partei“ nicht tolerieren würde. Es ist möglich, dass Apollos das Gefühl hatte, es sei das beste, dass er nicht gehen solle, um keine weitere Spaltungen zu stimulieren, und Paulus‘ Versicherung ohne Nutzen wäre. Harris stimmt dem nicht zu. Er interpretiert die Verwerfung der paulinischen Empfehlung durch Apollos, als Beweis einer vollständigen Unabhängigkeit von Paulus. Rendel Harris, Who sent Apollos to Corinth? Expositor 2 (January-Juli), 1916), Seite 175-83. 

  11. H. Schlier, afistçmi, apostasia, dichostasia, in: Theological Dictionary of the New Testament, ed. Gerhard Kittel, trans. and ed. Geoffry W. Bromiley (Grand Rapids: Wm. B. Eerdmans Publishing Company, 1964), Band 1, Seite 512-514. Dt. Ausgabe: Gerhard Kittel, Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Erster bis neunter Band. Unveränderter Nachdruck der 1933 erschi e nen Ausgabe (Stuttgart: Kohlhammer, 1957) Bände (Köln: Vandenhoeck & Rupprecht). W. Bauder, afistçmi in: The New International Dictionary of New Testament Theology, ed. Colin Brown (Grand Rapids: Zondervan Publishing House, 1975), Band 1, Seite 606-8. Von diesem Wort sind die Wörter abgeleitet, die mit Revolutionär, Deserteur, politischer Rebell, Rebellion und Abfall übersetzt werden. 

  12. R. Bauckham, Barnabas in Galatians, Journal for the Study of the New Testament 2 (1979), Seite 61-70. 

  13. Ernst Haenchen, The Acts of the Apostles, übersetzt von Bernard Noeble und Gerald Shinn (Philadelphia: The Westminster Press, 1971), Seite 474. Haenchen vermutet fälschlicherweise, dass Lukas die Beziehung von Barnabas zu Markus nicht offenbarte, um ihn von dem „Verdacht der Vetternwirtschaft“ zu schützen. Nichts desto Trotz kreuzte ohne Zweifel der Gedanke an Vetternwirtschaft Paulus Gedanken. 

  14. C.H. Spurgeon, Notes, in: The Sword and Trowel (October 1888); reprinted in: The ‚Down Grade‘ Controversy, Seite 66. 

  15. Warren Bennis, Why Leaders Can’t Lead (San Francisco: Jossey-Bass Publishers, 1989), Seite 127. Bennis, der mit der Frage kämpfte, die Präsidentschaft der Universität von Cincinnati aufzugeben, sagte, „Anstatt zurückzutreten, begründen wir uns selbst, dass sich die Organisation vom Schlechten zum Schlimmeren entwickeln könnte, wenn wir zurückgetreten sind. Dies mag die größtmögliche, verführerische Rationalisierung von allen sein. Zwischenzeitlich sind wir immer tiefer in den Verfahrensweisen, denen wir uns leise widersetzen, verstrickt, die ein Herauswinden immer schwieriger werden lassen“.