Fünfunddreißig Jahre lang hatte Ehud Netzer „mit Flavius Josephus in der Hand“ nach dem Grab des Tyrannen gesucht. Der jüdische Geschichtsschreiber berichtet in seinen beiden Büchern „Jüdische Altertümer“ und „Der jüdische Krieg“ über die Beerdigung des Königs, der noch auf dem Sterbebett den Befehl gegeben hatte, seinen Sohn Antipater hinzurichten. Drei Jahre zuvor hatte Herodes seine beiden Söhne Alexander und Aristobul wegen Verschwörung gegen ihren Vater erdrosseln lassen, wie Josephus erzählt. Das war das gleiche Jahr, in dem auch die Kinder in Bethlehem auf Herodes’ Befehl hin umgebracht wurden, wie wir vom Evangelisten Matthäus wissen.
Josephus berichtet nun, wie Herodes auf Befehl seines Sohnes Archelaus mit verschwenderischer Pracht zu Grabe getragen wurde. Er wurde auf ein goldenes Tragbett gelegt, das mit vielen kostbaren Edelsteinen verziert war. Selbst der Leichnam war mit dem Königspurpur bekleidet. In seine rechte Hand hatte man das Szepter gegeben und auf seinem Kopf das Königsdiadem und darüber die goldene Krone befestigt.
Dem Leichenzug folgten nach den überlebenden Söhnen des Königs und den Verwandten auch eine Abteilung Germanen und eine von Galliern in voller Kriegsausrüstung. Vom Winterpalast des Herodes in Jericho aus bewegte sich der lange Leichenzug über Jerusalem und Bethlehem bis zum Herodion wo der König seinem Befehl gemäß beigesetzt wurde. Heute wissen wir, dass der Zug über eine eigens für die Beisetzungsfeierlichkeiten angelegte Rampe und eine große Treppe bis zum Grabmal auf halber Höhe des Berges zu seinem Ziel gelangte.
Herodes hatte das Herodion 12 Kilometer südlich von Jerusalem in 12-jähriger Arbeit von 24-12 v.Chr. errichten lassen. Die Historiker rätseln bis heute, warum Herodes diese riesige Anlage in der Wüste überhaupt errichten ließ.
Der Zweck und die Lage des Komplexes lässt sich weder strategisch noch aus praktischen Notwendigkeiten erklären.
Über einen vorhandenen Hügel hatte Herodes einen 60 Meter hohen Bergkegel aufschütten lassen, auf den er eine runde Festung setzte, die von Jerusalem aus zu erkennen war. Das 758 Meter über dem Meeresspiegel liegende Plateau selbst bot einen Blick bis nach Bethlehem.
Für solch eine Anlage gibt es keine Vorbilder. Die Burg hatte sieben Stockwerke, einen Wohnpalast mit beheizbarem Bad, einen Garten, auch ein Mausoleum und vier bewohnbare Türme. Doch das war wohl nur der Rückzugsort für Notfälle.
Der eigentliche weiträumige Palastkomplex befand sich am Fuß des Berges. Herodes ließ zahlreiche Gebäude, Ställe und Lagerräume errichten. Dazu ein eigenes Stadion und ein künstliches Wasserbassin mit Insel, das vermutlich für erfrischende Badevergnügen und Wasserspiele genutzt wurde. Das Wasser dazu wurde durch einen Kanal aus Jerusalem herangeführt.
Eine 300 Meter lange und 30 Meter breite Rampe liegt unterhalb des künstlich aufgeworfenen Kegelhügels, etwas abseits von der palastartigen Unterstadt. An ihrem Ende fanden sich die Fundamente eines großen Gebäudes, unter dem die Wissenschaftler lange das Grab vermuteten. Doch auch wiederholte systematische Grabungen blieben erfolglos.
Im August des vorigen Jahres wurde die Ausgrabung auf den Hang der Festung ausgeweitet. „Da wussten wir noch gar nicht, wie nah wir der eigentlichen Stätte schon waren“, berichtete Professor Netzer, der bereits bei den ersten Ausgrabungen am Herodion 1972 dabei war.
„Noch im Eingang zu einer Höhle stießen wir auf Bruchstücke, deren interessante Ornamente auch sofort unser Aufsehen weckten.“
Geübte Archäologenaugen erkennen Hammerspuren an den Bruchstücken, die die Rekonstruktion eines etwa 2,5 Meter langen, aus rotem Sandstein gemeißelten Steinsarkophags erlauben, der an den Seiten mit Rosetten verziert ist.
„Schöner und größer als alles, was wir bislang aus dieser Periode kannten.“
Nicht zu übersehen ist auch die Ähnlichkeit mit Steinsärgen, die im Königsgrab in Jerusalem entdeckt wurden. In ihm wurden andere Mitglieder der herodianischen Königsfamilie beigesetzt. Ehud Netzer kommt zu dem Schluss:
„So konnte sich in jener Zeit kein normaler Jude beerdigen lassen. Das war ein Königsgrab.“
Dazu kommt das massive, etwa einen Meter hohe Steinpodest, dessen Quader an einem anderen Ort so maßgerecht hergestellt wurden, dass sie sich bis auf zwei Millimeter genau aneinanderschmiegen. „Mörtel oder Verputz war da nicht mehr nötig“, meint Roi Porat, einer der Mitarbeiter von Prof. Netzer, und zeigt, dass die Plattform, auf der der Sarkophag einmal stand, etwa die Fläche von zehn mal zehn Metern abdeckte.
Auch wenn keine Inschriften gefunden wurden, sind die Indizien für das Herodesgrab doch deutlich genug. Selbst die Zertrümmerung des Sarkophags weist darauf hin. „Grabräuber hätten den Sargdeckel zertrümmert und wären nach dem Raub von Grabbeigaben schnell wieder verschwunden. Hier hat jemand mit großer Wut zugeschlagen“, erklärt Netzer und vermutet, dass das Grabmal während der Zeit des jüdischen Aufstands gegen die Römer Anfang der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Christus zerstört wurde. Die Führung der jüdischen Freiheitskämpfer, denen Herodes als römischer Handlanger verhasst war, hatte im Herodion ihren Sitz genommen.
Das Herodion wurde im Jahr 71 n.Chr. von der X. Römischen Legion (Fretensis) unter dem Kommando von Lucilius Bassus auf ihrem Marsch gegen Masada eingenommen und zerstört.1
Quellen: Wikipedia (Herodium), Norbert Jessen in „WELT ONLINE“ vom 8.5.2007, Flavius Josephus „Geschichte des jüdischen Krieges“ I,33,9 und „Jüdische Altertümer“ XVII,8,3; Focus Nr. 20/2007 S. 176-178; Johannes Gerloff, Jerusalem: „Das Ende eine langen Suche“ KEP E-Mail vom 9.5.2007. ↩