ThemenGlaube und Wissen(schaft)

Das erste Leben: Was weiß die Wissenschaft wirklich?

Wer gegen die Ideen der Evolutiontheorie argumentieren will, der sollte es mit guten Argumenten tun. Ansonsten wird die Position der Christen, die an der Wahrheit des Schöpfungsberichtes festhalten, geschwächt. Es ist darum wichtig treffend und aktuell für die „Schöpfung“ zu argumentieren. In dieser Folge einer Reihe von Beiträgen geht es um die Entstehung des ersten Lebens.

Es dürfte kaum ein Teilgebiet der Evolutionsforschung geben, in dem die Einschätzungen der Fachleute und die von ihnen publizierte Primärliteratur auf der einen Seite und populäre Darstellungen in Schulbüchern, Museen und Fernsehen auf der anderen Seite so weit auseinanderklaffen wie in der Frage nach der Entstehung von Leben aus nichtlebenden Stoffen (= Abiogenese). So kann man etwa im renommierten Oberstufenlehrbuch Biologie Linder über die angenommene Abiogenese lesen:

„Nachprüfbare Hinweise auf die Entstehung von Lebewesen stammen vor allem aus Experimenten unter Bedingungen der Uratmosphäre, Erkenntnissen der Molekularbiologie, Erkenntnissen über Strukturen und Stoffwechsel von Bakterien, Archaebakterien und Blaualgen. Alle diese aus ganz verschiedenen Gebieten stammenden Hinweise machen eine abiotische Entstehung der Lebewesen wahrscheinlich.“

Dieses Zitat erweckt den Eindruck, daß die Frage nach der Entstehung des Lebens naturwissenschaftlich im Wesentlichen gelöst sei. Die abiogenetische Entstehung des Lebens – und das heißt eine Entstehung ohne Schöpfung – wird als „wahrscheinlich“ bezeichnet.

Abiogenese: (Erstmalige) Entstehung von Leben aus toten Stoffen

Demgegenüber kommt Klaus Dose, Professor für organische Chemie an der Universität Mainz, ein Wissenschaftler, der sich schon lange intensiv mit der Frage nach der abiogenetischen Lebensentstehung befaßt, zu einer ganz anderen Einschätzung:

„1986, also über dreißig Jahre nach dem zunächst verheißungsvollen Beginn der Ära der Simulationsexperimente, kann man zum eigentlichen Mechanismus der Lebensentstehung kaum mehr Fakten angeben als Ernst Haeckel schon vor 120 Jahren. Man muß leider erkennen, daß ein Großteil der Reaktionsprodukte der Simulationsexperimente dem Leben nicht nähersteht als die Inhaltsstoffe des Steinkohlenteers“ (Naturwissenschaftliche Rundschau 40, 1987, S. 63-64).

Zum Verständnis für Nichtbiologen sei angemerkt, daß man zur Zeit Haeckels faktisch gar nichts über die Lebensentstehung wußte. Seit den achtziger Jahren macht sich allenthalben in der Fachwelt zunehmende Ernüchterung breit. Bisher beschrittene Wege der Aufklärung möglicher Mechanismen zur Entstehung des Lebens gelten als gescheitert. Dem Zitat von Klaus Dose könnten viele ähnlich lautende Feststellungen angefügt werden. Ein ganz aktuelles Zitat mag als Beleg dienen:

„Unsere Unkenntnis über die Bedingungen auf der präbiotischen Erde ist immer noch enorm … Wenn wir nicht von einer speziellen Schöpfung ausgehen, müssen wir annehmen, daß die lokalen Bedingungen dort, wo das Leben begann, so waren, daß das Konzentrationsproblem überwunden werden konnte“ (C. de Duve, 1997).

Das Konzentrationsproblem bedeutet: eine (von vielen anderen) Bedingungen für die Entstehung des Lebens besteht darin, daß die dafür benötigten Bestandteile (die aber an sich noch nicht „Leben“ ausmachen) in passenden Konzentrationen zusammengefügt werden müssen. Wie das vor sich gehen kann, ist vollkommen unklar. Die Hoffnung, Leben abiogenetisch erklären zu können, wird freilich nicht aufgegeben.

Nun ist es angesichts der eher theoretischen und unanschaulichen Materie der präbiotischen Chemie (die sich mit der Frage nach der abiogenetischen Entstehung des Lebens befaßt) natürlich nicht möglich, in einem kurzen Beitrag detailliert zu begründen, weshalb – entgegen anderslautender Behauptungen – die Entstehung des Lebens naturwissenschaftlich unverstanden ist. Daher kann die Problematik im folgenden nur beispielhaft dargestellt werden. Den interessierten Leser verweisen wir auf das in Kürze erscheinende Buch „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ (von R. Junker und S. Scherer), in welchem sich ein Kapitel ausführlich mit dieser Thematik befaßt.

Problemstellung

Wenn die Entstehung des Lebens ausschließlich naturwissenschaftlich erklärt werden soll, was ja das Ziel der präbiotischen Chemie ist, dann steht man zunächst vor dem überraschenden Problem, gar nicht genau sagen zu können, was „Leben“ überhaupt ist. Wir wissen zwar intuitiv, was Leben ist, weil wir es „erleben“, aber eine exakte, generell zutreffende Definition ist bisher noch keinem gelungen.

abiotisch: ohne Voraussetzung von Leben

Dennoch kann das Problem der Lebensentstehung eingegrenzt werden, da man angeben kann, welche Bestandteile oder Eigenschaften minimal zu der uns bekannten Form von Leben gehören, etwa die Erbsubstanz (meistens DNS, selten RNS), Stoffwechsel- und Bauproteine (Eiweiße), Zucker und Lipide (Fettverbindungen). Es ist auch klar, daß Leben ohne Abgrenzung nach außen (Zellmembran) schlechterdings unmöglich ist. Aus diesen Beobachtungen können Minimalbedingungen des Lebens zusammengestellt werden, ohne die Leben in der uns bekannten Form nicht möglich ist. Und diese (oben beispielhaft genannten) Voraussetzungen erlauben konkrete Prüfmöglichkeiten bezüglich ihrer Entstehung. Denn die Frage, wie bestimmte organische Moleküle abiogenetisch entstehen könnten, ist viel klarer formulierbar und daher leichter prüfbar als die Frage, wie „Leben“ entstanden ist. Halten wir aber fest:

Präbiotische Chemie: Zweig der Chemie, der sich der Frage nach der (abiotischen) Entstehung von Lebewesen widmet

Durch das Zerlegen des Lebens in seine Bestandteile verlieren wir das Phänomen „Leben“, denn die Bestandteile für sich alleine oder auch in einer Mischung sind nicht „Leben“. Wir können aber wie folgt argumentieren: Sollte es nicht gelingen, eine abiogenetische Entstehung der absolut notwendigen Lebensbestandteile plausibel zu machen (durch Experimente oder wenigstens durch theoretische Modelle), so ist auch ungeklärt, wie Leben ohne Schöpfung entstehen konnte.

In diesem Sinne kann dann auch „für Schöpfung“ argumentiert werden:

Sollten nämlich die Bemühungen scheitern, eine Entstehung des Lebens ohne die Annahme von Schöpfung verständlich zu machen, wäre dies ein starkes Indiz (aber kein Beweis) für Schöpfung. Der Schöpfungsvorgang selber läßt sich dagegen naturwissenschaftlich nicht prüfen, denn dieses Geschehen entzieht sich direkter Erfahrung. In der Frage der Lebensentstehung kann die Schöpfungsforschung prinzipiell keine eigenen Modelle entwickeln, sondern nur evolutionstheoretische Auffassungen hinterfragen.

Entstehung der Proteine (Eiweiße)

Aus den zahlreichen Verbindungen, die im Verlaufe einer chemischen Evolution abiogenetisch entstanden sein müßten, greifen wir die Proteine (Eiweiße) heraus. Proteine sind langkettige, unverzweigte Moleküle, die aus 20 verschiedenen Aminosäuren zusammengesetzt sind. Zur Bildung von Proteinen muß also geklärt werden, wie die Aminosäuren entstehen und sich zu unverzweigten Ketten zusammenlagern können. Diese beiden Schritte sollen beispielhaft näher betrachtet werden.

Ursuppen-Simulationsexperimente

Der Vorgang der Schöpfung kann naturwissenschaftlich nicht überprüft werden

Stanley Miller gab 1953 mit seiner Veröffentlichung „Herstellung von Aminosäuren unter möglichen Bedingungen einer einfachen Erde“ einen entscheidenden Impuls zur experimentellen Prüfung möglicher Modelle zur Lebensentstehung.

Abb. 1: Typische Versuchsapparatur (ca. 60 cm hoch), wie sie erstmals von Miller im Jahre 1953 eingesetzt wurde. Mit ihr konnte die Bildung organischer Verbindungen aus anorganischen Stoffen unter „Uratmosphären"-Bedingungen nachgewiesen werden. Die Zusammensetzung der gebildeten Stoffe unterscheidet sich aber sehr von den Inhaltsstoffen lebender Zellen.

Abb. 1: Typische Versuchsapparatur (ca. 60 cm hoch), wie sie erstmals von Miller im Jahre 1953 eingesetzt wurde. Mit ihr konnte die Bildung organischer Verbindungen aus anorganischen Stoffen unter „Uratmosphären“-Bedingungen nachgewiesen werden. Die Zusammensetzung der gebildeten Stoffe unterscheidet sich aber sehr von den Inhaltsstoffen lebender Zellen.

Er simulierte eine hypothetische frühe Erde im Labor, indem er verschiedene Gase (entsprechend der hypothetischen Uratmosphäre) in einem Kolben mischte und elektrischen Entladungen aussetzte, was die Energiequellen wie Vulkanausbrüche, Blitze oder intensive Strahlung simulieren sollte.Seine Versuche sind weltberühmt geworden. Die dabei simulierte Zusammensetzung der Uratmosphäre ist aufgrund geologischer Befunde allerdings umstritten. Es gibt keine deutlichen Belege, daß die vermutete Uratmosphäre der Zusammensetzung entspricht, die bei den Simulationsexperimenten zugrundegelegt wurde. Abb. 1 zeigt einen typischen Versuchsaufbau für ein Miller-Simulationsexperiment. Nach mehrtägiger Einwirkung von elektrischen Funkenentladungen auf ein solches Gasgemisch bildet sich ein heterogenes Produktgemisch, dunkelgefärbt, übelriechend und von dickflüssig-öliger Konsistenz (= „Ursuppe“). Darin fand Miller Reaktionsprodukte, aus welchen er nach entsprechender Aufarbeitung (Hydrolyse mit Salzsäure, Extraktionsschritte) unter vielen anderen Stoffen einige Aminosäuren nachweisen konnte. Darunter waren auch solche Aminosäuren, die in Lebewesen vorkommen.

Bis heute sind Versuche dieser Art unter vielfacher Variation der Gaszusammensetzung und -konzentrationen sowie der Energiequellen wiederholt worden. Im folgenden werden die Resultate und die Bedeutung solcher Ursuppen-Simulationsexperimente besprochen.

Synthese von Aminosäuren

Viele Reaktionsprodukte wären für heutige Lebewesen Giftstoffe

In Millers Experiment bildet sich eine Vielzahl von Verbindungen. Nur ein kleiner Teil davon sind Aminosäuren und unter den Aminosäuren wieder nur ein Teil solche Aminosäuren, die auch in Lebewesen vorkommen (proteinogene Aminosäuren). Viele Reaktionsprodukte sind dagegen für heutige Lebewesen Giftstoffe. Am häufigsten kommen Monocarbonsäuren (z. B. Ameisensäure, Essigsäure) vor. Diese Verbindungen sind insofern sehr bedeutsam, weil sie mit Sicherheit die notwendige Kettenbildung und damit die Entstehung von Proteinen verhindern.

proteinogen: in Eiweißen (Proteinen) der Lebewesen vorkommend

Bei den einzelnen Ansätzen werden je nach Versuchsbedingungen (Gaszusammensetzung, Reaktionszeit etc.) von den 20 proteinogenen Aminosäuren nur ein Teil, meist nur wenige synthetisiert. Im „Ursuppenmodell“ muß daher postuliert werden, daß die an verschiedenen Stellen gebildeten Bestandteile später zusammengespült worden sind, um miteinander reagieren zu können – ein höchst unwahrscheinliches Szenario. Erschwerend kommt hinzu, daß für einige proteinogene Aminosäuren bisher keine überzeugenden präbiotischen Synthesen vorliegen.

Damit ist bereits der erste Schritt in Richtung der Bildung von Proteinen unplausibel. Die Behauptung, mit den Miller-Versuchen sei ein wesentlicher Schritt zum Verständnis der Entstehung des Lebens gelungen, ist durch die Ergebnisse nicht gedeckt. Die zusammenfassende Übersicht der Ergebnisse in Tab. 1 macht dies deutlich:

Tab. 1:

Vergleich: Aminosäuren in Miller-Versuchen und in Lebewesen

 In Lebewesen kommen 20 Aminosäuren vor, in Miller-Versuchen sehr viel mehr. In Miller-Versuchen wurden die basischen proteinogenen Aminosäuren nicht gebildet.
Je Versuchsansatz wurden meist nur wenige, maximal 13 verschiedene proteinogene Aminosäuren gebildet.
Die Zusammensetzung der Verbindungen in Miller-Versuchen unterscheidet sich deutlich von der Zusammensetzung der Inhaltsstoffe lebender Zellen.
Für die erforderliche Kettenbildung sind schädliche monofunktionelle Verbindungen im Überschuß vorhanden.

Bildung von Aminosäureketten

Die aus dem Stoffwechsel von Zellen bekannten Eiweiße bestehen aus Aminosäuren, die zu langen, unverzweigten Ketten verknüpft sind. Um eine Kette zu bilden, müssen also einzelne Aminosäuren miteinander verbunden werden. Dies geschieht in einer Gleichgewichtsreaktion, bei der ein Wassermolekül abgespalten wird. Ein schwerwiegendes Problem bei der Bildung von Aminosäureketten besteht darin, daß Ursuppen größtenteils aus Wasser bestehen.

Ohne spezielle Maßnahmen können daher keine Ketten gebildet werden, denn das überschüssige Wasser, das zusätzlich bei der Kettenbildung entsteht, bewirkt eine Spaltung eventuell entstandener kurzer Ketten, und zwar in viel stärkerem Maß, als Aminosäuren zusammengefügt werden. Die Anwesenheit von Wasser verhindert folglich die unerläßiche Kettenbildung.

In einer „Ursuppe“ wären mehr schädliche als nützliche Verbindungen

Aber noch aus einem anderen Grund ist unter Ursuppenbedingungen die Ketten-, also Proteinbildung, nicht zu erwarten: Die erforderlichen Aminosäuren müßten vor der Synthese zu Kettenmolekülen aus einem Überschuß anderer Verbindungen isoliert werden, die bei der Bildung von Makromolekülen stören. Die Anwesenheit monofunktioneller Komponenten (das sind Moleküle mit nur einer Verbindungsmöglichkeit) verhindert nämlich grundsätzlich die Ausbildung längerer Ketten, indem die überschüssigen monofunktionellen Moleküle die Enden der wenigen, kurzen Kettenfragmente blockieren und für eine weitere Kettenverlängerung unzugänglich machen. Dieses Problem kann anschaulich durch ein Druckknopfmodell verdeutlicht werden (Abb. 2):

Abbildung 2: Kugelmodell mit Druckknöpfen.

Abbildung 2: Kugelmodell mit Druckknöpfen.

Abb. 2: Zur Veranschaulichung der Entstehung von Makromolekülen durch Polykondensation kann ein Kugelmodell mit Druckknöpfen („Positiv“ und „Negativ“) dienen, wie es von B. Vollmert entworfen wurde. In A und B sind zwei verschiedene Möglichkeiten der Entstehung von Kettenmolekülen durch Polykondensation dargestellt. Die DNS (entsprechend A) und Proteine (entsprechend B) sind Kettenmoleküle, die auf diese Weise (Polykondensation bifunktioneller Moleküle; d. h. zwei „Druckknöpfe“) entstehen. Unter Ursuppenbedingungen sind ein großer Teil der Verbindungen monofunktionelle Moleküle (C; ein „Druckknopf“). Außerdem liegen die verschiedenen Molekülsorten nicht in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander vor. Beide Umstände verhindern jeweils für sich alleine genommen das Entstehen von längeren Molekülketten. In Ursuppen können daher die für Lebewesen erforderlichen Makromoleküle nicht entstehen, da dort keine Mechanismen erwartet werden können, durch welche ein Kettenabbruch verhindert wird. Um kettenförmige Moleküle bilden zu können, werden Ausgangsstoffe benötigt, die zwei „Bindungsarme“ aufweisen (wie sie die Aminosäuren besitzen; manche haben drei Arme). Dies entspricht im Modell einer Kugel mit zwei Knöpfen, die wie Schlüssel und Schloß zusam-menpassen müssen. Liegen nur „zweiarmige“ Moleküle vor, können sich Ketten bilden. Moleküle, die nur eine Bindungsstelle aufweisen, führen zum Kettenabbruch („Kugel mit einem Knopf“). Moleküle mit mehr als zwei Bindungsstellen führen zu Quervernetzungen. Sowohl „einarmige“ als auch „mehrarmige“ Moleküle verhindern die Kettenbildung oder führen zu unerwünschten Vernetzungen. Genau dies ist die Situation in Ursuppen-Simulationsexperimenten. Es ist weder bekannt, wie die einarmigen Moleküle unter präbiotischen Bedingungen (also bei Abwesenheit eines Chemikers) dauerhaft entfernt werden können, noch wie dafür gesorgt werden kann, daß genau die richtigen Moleküle sich miteinander verbinden.

Die Miller-Versuche führen in eine Sackgasse

Die Miller-Versuche könnten als erster Schritt in Richtung lebenswichtiger Moleküle gewertet werden, doch führt dieser Schritt offenkundig in eine Sackgasse, da in allen Versuchsansätzen zugleich mit den erforderlichen Aminosäuren eine Vielzahl weiterer Stoffe entsteht, die die nachfolgenden Schritte verhindern.

Entstehung der Erbsubstanz

Alle heute bekannten Lebewesen benötigen Nukleinsäuren (DNS und RNS) zur Speicherung, Verarbeitung und Umsetzung von Erbinformation. Nukleinsäuren bestehen aus drei Bestandteilen:

  1. Stickstoffbasen: Adenin, Guanin (Purine), Cytosin, Uracil, Thymidin (Pyrimidine);
  2. Zucker: D-Ribose (bei der RNS) bzw. 2-Desoxy-D-Ribose (bei der DNS),
  3. Phosphorsäure: sie bildet die Brücke zwischen den einzelnen Nukleosiden (Stickstoff-basen + Zucker) und ermöglicht über die Phosphorsäureester den Aufbau von langen Molekülketten.

Die Bildung dieser drei Bestandteile der Nukleinsäuren unter präbiotischen Bedingungen ist ungeklärt. Dies sei für die Stickstoffbasen kurz erläutert: Als geeigneter Ausgangsstoff für die Synthese von Stickstoffbasen kann Cyanwasserstoff (HCN, Blausäure) angesehen werden. Aus fünf Molekülen HCN kann die Stickstoffbase Adenin aufgebaut werden. Die chemische Synthese ergibt allerdings nur eine sehr geringe Ausbeute. Für die anderen Basen sind zusätzliche Ausgangsstoffe und komplexere Reaktionsbedingungen erforderlich, so daß deren Synthese unter unspezifischen präbiotischen Bedingungen entsprechend noch unwahrscheinlicher ist.

Für die Synthese müßten gleichzeitig alle äußeren Randbedingungen wie Temperatur, Druck, Konzentration, pH-Wert usw. exakt abgestimmt sein, um überhaupt ein gewünschtes Produkt zu erhalten. Dies ist auf einer frühen Erde äußerst unwahrscheinlich.

Die entstandenen Stickstoffbasen müßten von einem großen Anteil von Verunreinigungen (z. T. sehr ähnlichen, aber für die Nukleinsäuren unbrauchbaren Stickstoffverbindungen) abgetrennt werden. Ein natürlicher Prozeß hierfür ist unbekannt.

Ähnliche Probleme treten bei der Synthese der anderen DNS-Bestandteile sowie bei deren Zusammenfügung auf, so daß die abiogenetische Entstehung der Erbsubstanz DNS ungeklärt ist.1

Es kann nicht einmal erklärt werden, wie die Bestandteile der Nukleinsäuren entstanden wären

Ein weiterer ganz entscheidender Aspekt soll nur noch angedeutet werden: die DNS als Informationsträger. Das Molekül als solches beinhaltet noch keine sinnvolle Information. Woher die auf der DNS niedergelegte Information stammt, und wie sie in diesen chemischen Strukturen ursprünglich codiert wurde, ist Gegenstand umfangreicher Diskussionen und Spekulationen, wobei hier der Bereich experimenteller naturwissenschaftlicher Methoden überschritten wird. Die DNS als Informationsspeicher stellt hohe Anforderungen hinsichtlich Vervielfältigung (Replikation) und entsprechender Reparaturmechanismen, um zu gewährleisten, daß vorhandene Information nicht wieder verlorengeht.

Wie entstanden Zellen?

In irgendeinem Stadium der Lebensentstehung müssen die bis dahin gebildeten Vorstufen in einzelne abgegrenzte Einheiten getrennt werden. Dafür wird eine Membran („Zellhaut“) benötigt.

Ein Hauptbestandteil von Biomembranen sind Phospholipide, bestehend aus Glyzerin, Phosphorsäure und langkettigen aliphatischen Verbindungen (die mit Glyzerin als Ether oder Ester verknüpft sind). Diese Moleküle weisen wie alle grenzflächenaktiven Substanzen (Tenside) einen hydrophoben (= wassermeidenden) und einen hydrophilen (= wasserverträglichen) Bereich auf. Moleküle mit diesen Strukturmerkmalen können sich spontan zu Aggregaten (z. B. Doppelschichten, Mizellen, Vesikel) zusammenlagern. Synthesemöglichkeiten solcher Substanzen unter präbiotischen Bedingungen sind unbekannt.

Die notwendige Einhüllung und Abgrenzung lebender Zellen gegen die Umgebung würde gleichzeitig deren Ende bedeuten, wenn nicht von Beginn an differenzierte Transportmechanismen durch die Membran gewährleistet sind. Nach bisherigen Kenntnissen müßten also mit der Bildung von Membranen zeitlich sehr eng verknüpft auch erste Transportfunktionen vorhanden sein. Solche Kopplungen sind unter präbiotischen Bedingungen bisher experimentell nicht nachgewiesen worden.

Beim Verrühren von eiweißähnlichen Stoffen (sog. Proteinoide) in Wasser können Gebilde erzeugt werden, die aufgrund ihrer mikroskopischen Erscheinung als Mikrosphären bezeichnet und gelegentlich als einfache Organismen interpretiert wurden. Solche entfernt an Zellen erinnernde Strukturen lassen sich jedoch auch durch Trocknen verschiedener synthetischer Polymerlösungen erhalten und haben nichts mit biologischen Zellen zu tun. Die Mikrosphären spielen in der aktuellen Diskussion von Modellen zur Lebensentstehung keine Rolle mehr.

Schlußfolgerungen

Eine präbiotische Bildung der Makromoleküle, die in Lebewesen vorkommen, ist völlig ungeklärt

Die Beispiele ungelöster Fragen im Zusammenhang der präbiotischen Chemie ließen sich um viele weitere ergänzen. Man kann zusammenfassend feststellen, daß schon die präbiotische Bildung der Moleküle, die in den Lebewesen vorkommen, ungeklärt ist. Experimentelle Ansätze, die zu solchen Einzelbausteinen führen, liefern immer im Überschuß Moleküle, die weitere Reaktionen in die erforderliche Richtung verhindern (vgl. die oben erläuterte Wirkung monofunktioneller Moleküle oder von Wasser). Es ist wohl einer der schwächsten Punkte in der von Evolutionstheoretikern angestrebten Kausalkette von Erklärungen zur Entstehung und Entwicklung des Lebens, daß die systematischen experimentellen Forschungsprogramme seit Millers Simulationsexperiment von 1953 dazu geführt haben, daß die Entstehung des Lebens in größerem Dunkel liegt als zu Zeiten Darwins. Aus schöpfungstheoretischer Sicht kann man mit vollem Recht beim Satz bleiben: Omne vivum e vivo – Das Leben kommt aus dem Leben – nämlich vom lebendigen Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat.

Einige Fragen

Ist durch die Experimente zur präbiotischen Chemie die abiogenetische Entstehung des Lebens widerlegt?

Die Entstehung des Lebens liegt in größerem Dunkel als zu Zeiten Darwins

Bei exakter Argumentation muß dies verneint werden. Denn eine strikte Widerlegung wäre nur möglich, wenn alle denkbaren Wege zur natürlichen (abiogenetischen) Entstehung ausprobiert worden wären. Niemand weiß aber, welche Wege noch getestet werden können. Und niemand weiß, welche Ergebnisse in Zukunft noch erzielt werden. Die Hoffnung der Wissenschaftler, die auf dem Gebiet der präbiotischen Chemie arbeiten, daß in Zukunft die Frage nach der abiogenetischen Entstehung des Lebens geklärt werden könne, ist nicht widerlegbar. Allerdings besteht aufgrund des Scheiterns bisheriger Bemühungen wenig Anlaß zu dieser Hoffnung. Und vor allem: Es gibt derzeit keine wirklich originellen und erfolgversprechenden Ideen, wie Leben aus Nichtleben entstanden sein könnte. Der Schöpfungsglaube, der die Entstehung des Lebens dem schöpferischen Wirken Gottes zuschreibt, ist insofern sehr plausibel. Omne vivum e vivo – Leben kommt nur aus dem Leben – dieser Satz wurde bisher durch die präbiotische Chemie voll bestätigt.

Was wäre, wenn es doch gelänge, Leben aus Nichtleben hervorzubringen?

  1. Die Beantwortung hypothetischer Fragen („Was wäre wenn …“) ist immer problematisch, denn möglicherweise fällt die Antwort anders aus, wenn die Hypothese zur Wirklichkeit wird. Unter diesem Vorbehalt seien folgende Hinweise gegeben:
  2. Könnten die Chemiker tatsächlich Leben aus Nichtleben synthetisieren, bedeutete dies eine Stärkung des Evolutionsmodells.
  3. Ein solcher Erfolg wäre allerdings kein Beweis für eine abiogenetische Entstehung des Lebens auf einer frühen Erde, da nicht geklärt werden kann, welche Bedingungen auf der hypothetischen frühen Erde geherrscht und welche Abläufe sich ereignet haben. Die Bedingungen, unter denen im Labor Leben hergestellt werden könnte, sind sehr wahrscheinlich nicht identisch mit den Bedingungen auf einer frühen Erde.
  4. Vor allem aber ist zu bedenken, daß im Labor Chemiker, die die Voraussetzung von Leben verkörpern, beteiligt sind. Gelingt es also, mit ausgeklügelten Mechanismen Leben zu entwickeln, wäre gerade nicht gezeigt, daß Leben auf der Zufallsbasis – ohne gezieltes Eingreifen – entstehen kann. Das Eingreifen des Chemikers bedeutet nämlich das Ausschließen des Zufalls.

Es hilft nichts, das Problem der Lebensentstehung in den Weltraum zu verlagern

Könnte das Leben aus dem Weltraum auf die Erde gelangt sein? Die im 19. Jahrhundert von dem Schweden Arrhenius aufgenommene und engagiert vertretene Idee der Panspermie geht davon aus, daß Lebenskeime irgendwo in den Weiten des Universums entstanden sind und daß die Erde dadurch mit Leben infiziert worden ist. Diese Idee verlagert das Problem der Lebensentstehung von der Erde ins Weltall, ohne daß dadurch irgendwelche konstruktiven Lösungen für die oben diskutierten Probleme beigetragen werden.

Ein prominenter heutiger Vertreter dieser Idee ist F. Crick, der aufgrund der unübersehbaren Schwierigkeiten der präbiotischen Chemie Zuflucht zu diesem Lösungsvorschlag nimmt. Die Überlebensfähigkeit von Lebenskeimen im Weltraum wurde experimentell an Bakterien untersucht. Experimente zeigen, daß die Zellen durch energiereiche Strahlung stark geschädigt werden. Damit sind einem Aufenthalt im All zeitlich enge Grenzen gesetzt und folglich auch die überwindbaren Entfernungen limitiert.

Literaturhinweis

Ausführliche Informationen und eine systematische Abhandlung zu diesem Thema und vielen weiteren evolutionskritischen Aspekten bietet das Buch „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ von R. Junker und S. Scherer.


  1. Die Bedeutung der Nukleinsäuren wird momentan in der Fachwelt intensiver diskutiert als die der Proteine. Wir haben die Proteine hier jedoch ausführlicher dargestellt, weil sie in Schulbüchern einen größeren Stellenwert haben.