ThemenPredigten und Bibelarbeiten

Heiligung – christliche Verhaltenstherapie?

Ist „Heiligung“ bloß eine christliche Form der Verhaltenstherapie oder steckt mehr dahinter?

1. Teil: Einleitendes zu Römer 7+8.

Die Kapitel 6, 7 und 8 im Römerbrief behandeln das Thema: das Heil Gottes im Leben des Gerechtfertigten. Jedes dieser drei Kapitel bespricht einen besonderen Aspekt: Kapitel 6 – der Gerechtfertigte und die Sünde, Kapitel 7 – der Gerechtfertigte und das Gesetz, Kapitel 8 – was das Heil in Christus im Leben des Gerechtfertigten bedeutet.

Kapitel 6 erklärt: Die Botschaft von der Rechtfertigung durch Gnade fördert nicht das Sündigen; im Gegenteil: Sie fördert die Überwindung der Sünde. Kapitel 7 kommt auf die Aussage in Kapitel 3 zurück: Durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde. Es wird aufgezeigt, wie das geschieht, und angekündigt, daß es eine Alternative zur Lebensordnung Gesetz gibt. Röm 8 beschreibt diese Alternative ausführlich, beschreibt Möglichkeit und Hoffnung eines heiligen Lebens durch den Heiligen Geist in der Lebensgemeinschaft mit Jesus Christus.

Römer 7,1–6 und 8,1–4 weisen eine gewisse Parallelität auf, künden dasselbe – die erwähnte Alternative – mit aber jeweils anderen Worten. Daß 8,1–4 also auf diese Weise 7,1–6 aufgreift, macht die Verse 7–25 in Kapitel 7 zu einer Art Klammer – die aber grundlegend wichtig ist für ein rechtes Verständnis der Heiligung.

Ian Thomas hat in seiner Verkündigung ein besonderes Thema gehabt: Das Geheimnis des Christenlebens ist Stellvertretung. Diese Botschaft wurde in einem Buch veröffentlicht. Leider traf der Titel der deutschen Ausgabe daneben. Er lautete: Man braucht Gott, um Mensch zu sein. Gerade das aber wollte Thomas nicht sagen. Ein Wort – das allererste – hätte anders lauten müssen: Es braucht Gott, denn: Es braucht Gott, um Mensch zu sein. Nur er kann wirklich Mensch sein. Das war denn auch ein Grund für die Menschwerdung. Nicht nur helfen will Gott. Er will es selbst machen, an unserer Statt und für uns.

Bevor das aber in Röm 8 ausgeführt werden kann, braucht es Röm 7, um uns dazu bereit zu machen. Und das wiederum berührt eine alte Frage, die mehr die zweite Hälfte des Kapitel 7 betrifft, eine Frage, die in der anschließenden Auslegung beleuchtet wird.

Röm 7 räumt auf mit dem Gedanken, daß man durch Einhalten der Forderungen Gottes seine Gunst erlangen könnte. Das ist weder vor noch nach der persönlichen Heilswende möglich. Wer diesen Weg mit einiger Aufrichtigkeit beschreiten will, setzt sich dem Widerwillen Gottes aus, denn er wird erleben, daß das Gesetz einmal seine Unfähigkeit, der Forderung Gottes nachzukommen, zum anderen sogar seinen angeborenen Widerstand gegen Gottes Willen, aufdecken wird.

Eine Anwendung von Röm 7 nur auf den Ungläubigen bedeutet eine Unterschätzung des Kampfes, in dem der Gläubige steht – aber auch eine Überschätzung des Ungläubigen, der, wie Luther im Vorwort zu unserem Brief sagt, keineswegs das Gesetz liebt.

2. Teil: Grundsätzliches zur Beziehung zwischen unserem Thema und unserem Text

1. Zu den Begriffen Heiligung und Heiligkeit

In beiden geht es um rechte Zuordnung und Absonderung bzw. Reinheit. Heiligung ist der Vorgang, sei er kurz oder lang, der zur Heiligkeit, zum Heiligsein, führt.

2. Heiligkeit bei Gott

Heiligkeit ist eine der zwei großen Charaktereigenschaften Gottes – nebst Liebe. In seinem 1. Brief behandelt der Apostel Johannes diese zwei Themen, wenn er von Licht und Liebe spricht.

Die Heiligkeit und die Gerechtigkeit Gottes gehören zusammen. Die Gerechtigkeit ist ein Ausdruck seiner Heiligkeit.

3. Heiligung und Rechtfertigung

Entsprechend dem eben Gesagten gehören auch diese zwei zusammen, auch wenn die Theologie sie traditionell getrennt hat. In der Schrift sind sie ein Begriffspaar, das unseren ganzen Heilsweg von Anfang bis Ende durchzieht.

4. Heiligung und Gesellschaft

Erziehung ist in starkem Maße ein Heiligungsversuch. Ob Familie, Schule oder Gemeinde, man erwartet, daß man sich im Rahmen gewisser Vorstellungen bewegt, die als Normen und somit als Regeln gedacht sind. Das gilt auch für Menschen, die sich gegenseitig „erziehen“, z. B. in der Ehe.

In der staatlichen Gesellschaft ist es nicht anders. Auch hier gibt es Verhaltensregeln. Sie werden hier Gesetze genannt. Und es gibt sogenannte Ordnungshüter, die das erwartete Entsprechen kontrollieren.

Fehlverhalten wird somit ein Problem – für einen selbst wie für andere. Wer die Spielregeln der staatlichen Ordnung nicht einhält, kann bestraft werden. Strafe wird dann auch als „Erziehungsmittel” betrachtet, sprich: „Heiligungsweg“, um erwartetes Verhalten herbeizuführen.

Wer die Verhaltensregeln der Gesellschaft ernst nimmt, hat ein Gewissen

Wer die Verhaltensregeln der Gesellschaft sehr ernst nimmt – in Familie, Gemeinde oder öffentlicher Gesellschaft – hat ein entsprechendes Gewissen. Findet er sich nicht im Stande, den Erwartungen zu entsprechen, kann er psychisch unter Druck geraten. Möglicherweise sucht er dann einen Therapeuten auf, der ihm zum erwarteten Verhalten verhelfen soll. Im Grunde geht es um die empfundene Pflicht, einer mehr oder weniger festen Vorstellung von „Richtigem“ zu entsprechen.

5. Heiligung und Röm 7 und 8

Auch Gott hat Vorstellungen davon, wie wir uns als seine Geschöpfe zu verhalten haben

Auch Gott hat Vorstellungen davon, wie wir uns als seine Geschöpfe zu verhalten haben. Wie es dazu kommen kann, daß wir ihnen entsprechen, ist das Thema des Römerbriefes. Nachdem Paulus das Problem der Nichtentsprechung aufgezeigt hat, bespricht er Gottes Lösung desselben. Diese wird Heil bzw. Gerechtigkeit genannt.

Im Rahmen dieser Behandlung kommt der Apostel auf zwei göttliche Mittel zu sprechen, die einander gegenüber stehen: Gesetz, sprich: Verhaltenstherapie, und Geist. Die Kapitel 7 und 8 konzentrieren sich auf dieses Thema.

3. Teil: Die Textbesprechung

I. Der Gerechtfertigte und das Gesetz: Kapitel

A. Die grundsätzliche Beziehung des Gerechtfertigten zum Gesetz: V. 1–6

Im Bild zeigt Paulus die Möglichkeit, vom Gesetz Moses weg unter eine andere Lebensordnung zu kommen. Es gibt noch ein anderes Leben – vom Gesetz selbst bezeugt!

Die Lehre selbst gibt er in den Versen 4–6 an:

„Und so, meine Brüder, ist es auch bei euch: Ihr wurdet dem Gesetz getötet durch den Leib des Christus, um eines anderen zu werden, der von den Toten auferweckt wurde, damit wir Gott Frucht brächten, denn als wir im Fleisch waren, wirkten der Sünden Leidenschaften, die durch das Gesetz aufkamen, in unseren Gliedern, um dem Tode Frucht zu bringen.

Aber nun wurden wir dem Gesetz enthoben, da wir in dem starben, in dem wir festgehalten wurden; und so sollten wir Leibeigenendienst tun im Neuen, im Geiste, und nicht im Älteren, im Geschriebenen.“

B. Entdeckungen in der Begegnung mit dem Gesetz: V. 7-25

1. Begegnung in der Vergangenheit: V. 7-13

Die Auswertung:

V. 10: „Und das Gebot zum Leben, dieses erwies sich mir als eines zum Tode;“

V. 13: „Ist also ein Gutes mir zum Tode geworden? Das sei ferne! – sondern es war die Sünde – damit sie als Sünde offenbar würde -, indem sie mir durch das Gute den Tod bewirkte, damit durch das Gebot die Sünde überaus sündig würde.“

2. Begegnung mit dem Gesetz in der Gegenwart: V. 14–20

a. Grundsätzliches:

Zum Inhalt dieser Verse:

Paulus sieht sich hier immer noch vor das Gesetz gestellt: V. 16: „Wenn aber das, das ich nicht will, dieses ich ausübe, stimme ich dem Gesetz bei, das es gut ist.“

Der Unterschied zum vorigen Abschnitt ist der, daß es jetzt mehr um das Wesen des Menschen geht – dieses wird ans Licht gebracht – als um das Wesen des Gesetzes.

Zur Person dieser Verse:

Für wen spricht der Apostel eigentlich in der 1. Person? Gibt es Hinweise darauf im Text?

  • Wir beachten mit V. 14 einen gewissen Bruch im Fluß des Textes. V. 7 – V. 13 gebrauchte er die Vergangenheitsform. Mit V. 14 spricht er in der Gegenwartsform.
  • Wir beachten, andererseits, eine Kontinuität. Die Verse 14 und 15 im neuen Abschnitt gehören noch zum Satz, der im vorigen Abschnitt mit V. 13 begann.

Auch in der Thematik ist eine Kontinuität festzustellen. Die Wirkung der Sünde nämlich, von der die Verse 5, 11 und 13 sprachen, setzt sich im gegenwärtigen Abschnitt fort. Die Tatsache, daß die Gegenwartsform auch im Fazit (V. 21–25) vorkommt, das sich sowohl auf die V. 7–13 als auf 14–20 bezieht, bestätigt dieses.

  • Die Schlußfolgerung: Die veränderte Zeitform deutet an, daß eine neue und andere Situation eingetreten ist. Wie stark anders sie ist, zeigen zwei Verse:

Kapitel 7,5: „als wir im Fleisch waren“

Kapitel 8,9: „ihr seid nicht im Fleisch, sondern im Geist.“

Der Wohnort hat sich geändert. V. 7–13 beschreiben, was im alten Wohnort geschah, V. 14–20 das, was im neuen geschieht.

Die Kontinuität zeigt nun aber, daß das Geschehen an beiden Orten dasselbe ist: Versagen gegenüber den Forderungen des Gesetzes.

Trotz der Wende im Leben ist dieselbe sündige Tendenz wie früher am Werk

Paulus bekennt auf diese Weise also, daß trotz der Wende, die in seinem Leben stattgefunden hat, dieselbe sündige Tendenz wie früher in ihm am Werk ist. Und es ist dasselbe Licht Gottes, das ihm offenbart, wer er ist.

b. Die Absicht des Apostels in diesem Abschnitt:

V. 14: „denn wir wissen, daß das Gesetz geistlich ist – ich aber, ich bin fleischern, unter die Sünde verkauft.“

Es wird hier ein zweiter Grund geliefert für die Aussage in V. 13, daß ihm durch etwas Gutes der Tod gebracht werden konnte: Er ist „fleischern, unter die Sünde verkauft“ – zwei Aussagen und doch nur eine. Solange das erste zutrifft, wird das zweite zutreffen. Beide bedürfen jedoch der Erklärung.

„Fleischern“ ist nicht gleich „fleischlich“. Paulus sagt nicht wie er ist, sondern was. Er gehört zu der Menschheit, die in der Bibel „Fleisch“ genannt wird: lebende Menschen mit Schwachheit behaftet.

„Unter die Sünde verkauft“ heißt nicht: zum Sündigen verurteilt, sondern: So wie ein gekaufter Sklave nicht selbst über sein Los verfügt, es also unverändert bleibt, es sei denn ein anderer ändert es, so bleibt das Los des Paulus mit seiner Sünde unverändert. Welche Sünde das ist, macht er im Folgenden klar: Es ist die Sünde als Tendenz zur Sünde, als „Gesetz“, die Sünde im Wesen des Menschen, die zur Tat drängt.

Mit diesem Los – im Wesen sündig zu sein – muß Paulus rechnen, solange er „fleischern“, im Leibe, ist. Die innere Versuchlichkeit, von der Jakobus spricht, bleibt, solange man lebt.

Im Weiteren schildert der Apostel, was geschieht, wenn man als Mensch versucht, Gottes Forderungen nachzukommen – auch wenn man Christ ist.

c. Zuerst schildert er sein Tun; anschließend zieht er den Schluß: V. 15 und 16.

d. Nachdem er sein Tun aufgezeigt hat, schildert er sich selbst als Täter: V. 17–19.

3
. Das Ergebnis dieser Erfahrung haben wir in den Versen 21-25. Der Apostel beschreibt es in 3 Stufen:

  • Er legt den Befund dar.
  • Er bringt seine Reaktionen zum Ausdruck.
  • Er fasst zusammen.

a. Der Befund: V. 21–23

Paulus stellt in seinem Innern eine Spannung fest, eine Spannung zwischen zwei Gesetzen, dem Gesetz Gottes (V. 22) und „einem anderen Gesetz“.

„In den Gliedern“ heißt nicht, daß es in seinem Leibe stecken würde. Dieses Gesetz ist ein Bestandteil seiner Natur und treibt die Glieder an, seinen Willen auszuführen. „In meinen Gliedern“ beschreibt den Ort, wo die unglückliche Dynamik stattfindet.

b. Die Reaktionen:

Die erste:

V. 24: „Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von dem Leibe dieses Todes?“

Vom Gewissensrichter zum Tode verurteilt

Warum „elend“? Solange er sich im gegenwärtigen Leibe befindet, wird das Gesetz der Sünde bei ihm vorhanden sein, ein Wille, der immer zum Gegenteil von dem drängt, das Gottes Wille und Gesetz von ihm erwartet. Und weil er sich nicht im Stande sieht, diesen Willen und Drang zu überwinden, führt die Niederlage zu den Gewissensbissen, die er Tod nennt, denn er ist vom Gewissensrichter zum Tode verurteilt worden.

Die Spannung besteht darin: Bleibt er im Leibe, so muß er sterben. Ohne zu sterben, kann er jedoch nicht vom Leibe befreit werden. Die Realität: Er muß sterben. Doch meldet sich zur gleichen Zeit eine andere Realität: der legitime Wunsch zu leben, der den Tod illegitim macht. Fazit: Die Lage ist unmöglich, aussichtslos.

Gerade dahin wollte das Gesetz – sprich: Gott – ihn bringen, ans Ende allen Selbstvertrauens. Er gibt zu: Ich kann das Gesetz nicht so einhalten, daß es mir Leben bringt. All mein Versuchen führt nur zum Tode. Aus dieser Einsicht – zusammen mit dem in der Schöpfung mitgegebenen und immer noch vorhandenen Verlangen, da zu sein, zu leben – wird der Ruf nach einem anderen geboren, der ihn retten möchte.

An dieser Stelle schreibt Adolf Schlatter mit großer Einsicht:

„… wenn diese Frage einmal da ist, so werden wir auch mit Paulus fortfahren und Gott durch Jesus danken. Nun ist der Dank da, den Gottes Güte beim Heiden vergebens suchte, weil er seine Gaben hinnimmt und verzehrt und des Gebers nicht achtet, der Dank, den auch der Jude Gott versagte, weil er Gottes Gabe hinnehmen will als den schuldigen Lohn für den Dienst, den er selbst Gott zu leisten meint. Nun ist der Dank da, der Gottes Gabe begierig und freudig ergreift und die Güte Gottes in ihr empfindet und zu schätzen weiß. Aus dem Elend wird er geboren und durch das Gesetz vorbereitet, wenn es uns das Auge öffnet und den Menschen sich selbst enthüllt in seiner Gebundenheit.“

Die zweite Reaktion

ist bereits im Zitat erwähnt worden. Sie ist der Anfang von V. 25: „Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn.“

In dem Dank liegt auch der Grund für den Dank. Er ist die Frucht echter Sündenerkenntnis.

Kein Christ, auch nicht der heiligste, bringt es fertig, nie zu sündigen

Mit diesem Ruf und diesem Dank hat das Gesetz sein Ziel erreicht: zu Christus zu treiben (Gal 3,24). Somit ist er aber auch Gott zugeordnet, was Heiligung ist. Und die Heiligung hat im Dank wiederum ihr Ziel erreicht, denn Gott die Ehre zu geben ist das Ziel unseres Daseins.

c. Schlußanmerkung des Apostels: V. 25, Mitte: „Dann leiste ich also, ich selbst, Leibeigenendienst, ja, mit dem Denksinn dem Gesetz Gottes, aber mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde.“

Die erlebte Spannung faßt Paulus so zusammen: Er liebt Gott, hat Freude im Denken an seinen Willen, stellt aber fest, daß er zu schwach ist, dem Trieb der Sünde zu widerstehen.

d. Abschließende Bemerkungen zu Kapitel 7: Paulus hat nicht behauptet, er müsse immerzu sündigen. Er hat einmal genau gezeigt, was geschieht, wann man sündigt. Da das Sündigen aber erst in der Begegnung mit dem Gesetz geschieht, musste er vom Gesetz sprechen.

Kein Christ, auch nicht der heiligste, bringt es fertig, nie zu sündigen. Also ist Röm 7 die Geschichte eines jeden Christen – doch nicht die ganze Geschichte. Darum wenden wir uns jetzt Kapitel 8 zu.

II. Was das Heil in Jesus Christus im Leben des Gerechtfertigten bedeutet: Röm 8

Die Besprechung wird sich auf die Verse 1-13 beschränken müssen.

Zum ersten Mal seit 7,6 ist in Röm 8 wieder vom Heiligen Geist die Rede. Diese Tatsache stellt diesen Abschnitt dem größeren Teil von Kapitel 7 gegenüber. Andererseits ist im neuen Abschnitt immer noch die Rede von Fleisch und Sünde, was ihn mit dem vorigen verbindet. Röm 7 und 8 haben also gemeinsam den Kampf des Christen mit der Sünde. Sie unterscheiden sich im Ausgangspunkt: In Röm 7 wird der Kampf, der unabhängig von der Hilfe Gottes geführt wird, beschrieben, in 8,1–16 der Kampf unter der Führung des Geistes. Das Thema dieser Verse: Das Heil macht es dem Gerechtfertigten möglich, nach dem Willen Gottes zu leben.

In diesem Abschnitt werden folgende Gedanken ausgeführt:

1. Was geschehen ist, ist entscheidend:

a. Die Zusammenfassung des Geschehens: V. 1: „Es ist dann nun gar keine Verurteilung für die, die in Christus Jesus sind, die nicht nach dem Fleisch leben, sondern nach dem Geist.“

Diese Aussage hat einen näheren sowohl als einen größeren Zusammenhang. Einmal wird an 7,24.25 angeknüpft, dann an den ganzen Text seit 3,21. Wer in Christus Jesus ist – ein nach Kapitel 6 mit ihm Verwachsener – kennt „gar keine“ Verurteilung Gottes und des Gesetzes, weil er sie an unserer Stelle – Kapitel 3 – getragen hat. Wer um die Vergebung aller seiner Sünden weiß, mehr noch, daß in Christus sein ganzes sündiges Wesen ans Kreuz getragen wurde, muß nicht mehr gelähmt in den Kampf mit der Sünde gehen. Der Ausdruck „gar keine“ macht es zur Gewißheit. „In Christus Jesus“ zeigt an, daß seine Geschichte zur unseren geworden ist.

Der Geist zieht in mein Leben ein, bevor ich überhaupt gehandelt habe

b. Der Erweis: Der Geist ist da. V. 2: „denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus befreite mich von dem Gesetz der Sünde und des Todes.“

V. 2 gibt die Begründung für V. 1 an, doch wohl nicht in dem Sinne, daß die Ursache angegeben würde, eher der Nachweis: Der Geist, den der Sündenträger nach seiner Erhöhung sandte, ist nun da und als neues Gesetz stärker als das Gesetz der Sünde, das den Tod bringt, und stellt also eine Befreiung dar. Er ist nämlich der Geist des Lebens, des Lebens in Christus Jesus. Dieser Geist zieht in mein Leben ein, bevor ich gehandelt habe. Ich stehe also von Anfang an in einer von Gott herbeigeführten Heiligung. In der Tat, „Christus ist uns zur Heiligung gemacht.“ (1Kor 1,30)

c. Der Grund: Die Sünde ist gerichtet. V. 3: „denn – das Unmögliche des Gesetzes, in welchem es schwach war wegen des Fleisches: Gott schickte den eigenen Sohn und für Sünde und verurteilte im Fleisch die Sünde, richtete sie hin.“

Diese Aussage begründet die beiden vorangehenden Verse, geht geschichtlich hinter sie zurück und auch textlich, indem aufgezeigt wird, warum das möglich ist, das dem Gesetz in Kapitel 7 nicht möglich war. Somit ist V. 4 nicht nur bloße Absicht des Heilshandelns Gottes in Christus, sondern eine Möglichkeit. Gottes Heilsabsichten können nur da erfüllt werden, wo sein Zorn nicht mehr droht.

d. Der Zweck: Gerechtigkeit ist jetzt möglich. V. 4: „damit das Gerechte des Gesetzes in uns erfüllt würde“

Was soll erfüllt werden?: „das Gerechte des Gesetzes“

Was war das Gesetz im Wesen? Der Wille Gottes.

Was ist das Gerechte des Gesetzes? Nicht das Gesetz als solches. Gott will nicht Leistung, bloßes Verhalten.

Was will er, bzw. wollte er, als er das Gesetz erließ? Paulus sagt es uns in Kapitel 13: Liebe. Sie war es im Grunde, was Gott forderte, Liebe zu ihm, Liebe zum anderen.

Gott erwartet nach Golgatha immer noch das Gleiche, das er seit Sinai verlangt hatte

Gott erwartet also nach Golgatha immer noch das Gleiche, das er seit Sinai verlangt hatte. Die Forderung Gottes bleibt unverändert.

Wir beachten nun die Tätigkeit, das Erfüllen:

Das vom Alten Testament Geforderte soll „in uns erfüllt“ werden. Es wird also an uns gehandelt: Stellvertretung – wie in der Heilsvorkehrung, so in der Heilsanwendung. Gott handelt für den Menschen.

Was die Gnade Gottes wirklich auszurichten vermag, sieht man z.B. an den hohen Erwartungen, die Paulus an die Kreter stellt. Seit etwa 650 Jahren sind sie als „gewohnheitsmäßige Lügner, böse Tiere, faule Bäuche“ bekannt. Jetzt, wo die Gnade Gottes erschienen ist, in der sie auch bereits stehen, lehrt dieselbe sie, „mit Zucht und Besonnenheit und in Gerechtigkeit zu leben.“ Dem Titus gibt der Apostel Anweisung: „Weise sie mit Schärfe zurecht, damit sie im Glauben gesund seien.“ Gesund! Gott vermag also in kurzer Zeit den Schlimmsten zu heiligen und zu verändern, wenn er nur bereit ist, sich ihm zu fügen.

2. Was geschieht, ist ebenfalls entscheidend: V. 4–1

a. Die Aufgabe: Was soll geschehen?

V. 4: „die wir nicht nach dem Fleisch leben, sondern nach dem Geist.“

Man hat sich nicht nach dem Fleisch, dem Diesseitigen und seiner Dynamik, auszurichten, sondern nach dem Geist Gottes, der Gottes Vorstellungen und Gottes Handeln darstellt.

Daß es sich um Gottes offenbarten Willen handelt, zeigt das Wort „Gesetz“ (Tora, Weisung) in den Versen 3, 5 und 7 an.

b. Die Dynamik ist entscheidend: V. 5–7. Es kommt auf die Grundausrichtung an, denn V. 5: Der Einfluß bestimmt die Denkweise: „denn die, die nach dem Fleisch sind, richten die Gedanken auf das, das des Fleisches ist, aber die, die nach dem Geist sind, auf das, das des Geistes ist.”

Die Denkweise bestimmt den Weg

V. 6: die Denkweise bestimmt den Weg: „denn die Gesinnung des Fleisches ist Tod (die Gesinnung des Geistes aber Leben und Friede).“

V7: Das Ende des Weges bestimmt Gott: „weil nämlich die Gesinnung des Fleisches Feindschaft gegen Gott ist, denn dem Gesetz Gottes ist sie nicht untertänig, denn sie vermag es gar nicht zu sein.“

Vergleiche Phil 4, 8.9

c. Der Wohnort ist wichtig: V. 8–10

Der Wohnort Fleisch

V. 8: „Die, die im Fleisch sind, vermögen Gott nicht zu gefallen.“

Wir denken hier an Kapitel 7,5: „als wir im Fleisch waren“. Fleisch ist der frühere Wohnort, bevor man in Christus Wohnung aufnahm. Solche, die immer noch dort wohnen, verwurzelt im Diesseits und ihrer Dynamik, sind nicht im Stande, Gott wohlgefällig zu sein.

Der Wohnort Geist

V. 9: „Ihr aber, ihr seid nicht im Fleisch, sondern im Geist.“

Die zwei Wohnorte schließen einander aus. Man wird sich also darüber Klarheit zu verschaffen haben, ob man in Gott oder im Diesseitigen ist. Für den einen ist ein heiliges, Gott wohlgefälliges Leben möglich. Für den anderen ist es von vornherein unmöglich.

Der Wohnort Christ:

V. 9 und 10.

Der Geist ist Wohnort des Christen, wenn der Christ Wohnort des Geistes ist, was gleichgesetzt wird mit „ihn haben“. Der Geist Gottes war der Geist, den Jesus Christus hatte. Haben wir ihn empfangen, so sind wir ein Eigentum Christi, ihm zugeordnet, geheiligt.

V. 10: „Aber wenn Christus in euch ist, so ist, einerseits, der Leib tot – wegen Sünde, andererseits der Geist Leben – wegen Gerechtigkeit.“

Diese Innewohnung Christi ist für den Apostel von Bedeutung.

1) Der Leib ist „tot“. Der Tod wohnt in ihm – seit 1Mo 3 – weil die vererbte Sünde noch da ist, wie in Kapitel 7 beschrieben, die Sünde im Wesen, die zur Sünde der Tat hindrängt. Darum ist der Leib dem Tode geweiht. Unser diesseitiger Teil ist noch nicht vom Heil erfaßt.

2) Der Geist ist „Leben“ – nicht: „lebendig“. Es handelt sich immer noch um Christi Geist. Er ist mein Leben, meine Wiedergeburt. Ohne ihn bin ich ein Toter. Ich habe also nicht ewiges Leben plus Heiligen Geist, sondern der Geist ist das ewige Leben. Und dieses ist er „wegen Gerechtigkeit”, der Gerechtigkeit, die er mit sich brachte, als er in mir Wohnung aufnahm, und die er jetzt zur Auswirkung kommen lassen will in meinem Leben.

3. Was geschehen wird, ist entscheidend: V. 11–1

Nicht für die Diesseitigkeit, sondern für die Ewigkeit sind wir bestimmt

a. Sterbliche Leiber werden leben: V. 11 und 12: „Wenn aber der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckte, in euch wohnt, so wird der, der Christus Jesus von den Toten auferweckte, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen in euch wohnenden Geist. Dann sind wir also Schuldner.“ Wir schulden unserem Herrn den Leib, der auferweckt werden wird, um mit diesem Leib für ihn in Heiligkeit zu leben. „Nicht dem Fleisch, um nach dem Fleisch zu leben“, sind wir Schuldner. Diese Aussage kommt einem Verbot gleich: Nicht für die Diesseitigkeit, sondern für die Ewigkeit sind wir bestimmt und sollten wir leben.

b. Ein Sterben kann eintreten: V. 13: „denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, seid ihr daran zu sterben.“

c. Leben kann gefördert werden. V. 13: „Wenn ihr aber durch den Geist die Handlungen des Leibes zum Tode bringt, werdet ihr dazu beitragen, daß ihr lebt.“ „Handlungen des Leibes“ sind solche, die in Unabhängigkeit von Gott vollzogen werden. Deshalb heißen sie „des Leibes“, d. h., des Menschen.

Derselbe Leib darf aber dem Herrn zur Verfügung gestellt werden (6,13), um unter der Initiative des Geistes seine Handlungen zu vollziehen.

Ich schließe mit 2Kor 7,1: „Da wir also diese Verheißungen haben, Geliebte, sollten wir uns reinigen von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes und Heiligkeit vervollkommnen in der Furcht Gottes.“ Und diese Furcht Gottes ist dort, wo er die Augen öffnen durfte für seine Größe und seine Heiligkeit.