„Bibel-Autoren erfanden Kamele”. So titelte die Süddeutsche Zeitung am 12. Februar 2014 und war nicht die einzige Zeitung, die damit indirekt auf eine Meldung der Universität von Tel Aviv reagierte, die am 3. Februar veröffentlicht worden war. Archäologen der Universität hätten nun das genaue Jahr herausgefunden, wann Kamele zuerst nach Israel kamen, nämlich im letzten Drittel des 10. Jahrhunderts vor Christus, also ab ungefähr 940 v.Chr..
Zwei Forscher der Universität, Erez Ben-Yosef und Lidar Sapir-Hen, hatten Kamelknochen untersucht, die sie in zwei Ausgrabungen 2009 und 2013 im Aravah Tal, im östlichen Teil des Sinai, gefunden hätten. Diese seien nur in archäologischen Schichten der Zeit ab 969 v.Chr. oder in darüberliegenden, späteren Schichten eingeschlossen gewesen. Eine Untersuchung mit der Radiokarbonmethode, bei der von der relativen Menge eines bestimmten Kohlenstoffatoms auf das Alter geschlossen wird, habe rund 2900 Jahre ergeben und damit jetzt frühere Annahmen bestätigt.
Außer in der SZ konnte man die Nachricht auch in der ZEIT (7/2014) lesen. Dort hatte Gero von Randow unter dem Titel „Grinsende Kamele: muss die Bibel umgeschrieben werden” eher eine Büttenrede als eine ernstzunehmende Darlegung im Ressort Wissen anzubieten. Auch der Stern war auf die Sache aufmerksam geworden und titelte am 17. Februar „In der Bibel gibt es zu viele Kamele”. Welt-Online kam am 15. Mai mit „Wie kommen die Kamele in die Bibel?” hinterher. Und auch durch den SPIEGEL-Titelartikel „Am Anfang war das Feuer” vom 20. Dezember 2014 von Martin Schulz sah man die angeblich falschen Kamele reiten. Spätestens hier hätte man sich daran erinnern können, dass der gleiche Autor bereits 2002 einen ähnlichen Artikel für den SPIEGEL (52/2002) geschrieben und auch dort schon behauptet hat, dass die Bibel sich in Sachen Kamelen in der Zeit geirrt habe.1 So neu können also die „Erkenntnisse” nicht sein.
Die Journalisten wollten die archäologischen Fakten unbedingt auf den einfachen Nenner bringen: Die Bibel irrt.
Halten wir einmal fest, was allen Autoren wichtig zu sein scheint. Zwar werde in 1Mo 12 und 24 berichtet, dass Abraham Kamele besaß, der ägyptische Pharao ihm welche schenkte und er 10 davon zur Brautwerbung für Rebecca abgab, doch könne das alles nicht stimmen, weil es zu Lebenszeiten Abrahams, Isaaks und Jakobs in Israel keine Kamele als Haustiere gegeben habe. Selbst Saul habe noch vor einer unlösbaren Aufgabe gestanden, als er um 1050 v.Chr. die Kamele der Amalekiter töten sollte (1Sam 15,3), weil diese gar keine gehabt haben könnten. Die Kamele seien deswegen in die biblischen Texte gekommen, weil die Texte erst im 7. Jahrhundert aufgeschrieben worden seien. Zu dieser Zeit wären Kamele ein Zeichen von Reichtum gewesen und deswegen hätten die Bibel-Autoren Abraham zum Kamelbesitzer gemacht.
Wer der Sache nun genauer nachgeht, wird zuerst feststellen, dass wohl keiner der Journalisten sich die Mühe gemacht hat, den Originalartikel2 mit den archäologischen Details zu studieren. Und wenn sie ihn gelesen haben, dann haben sie die vielen Wenns und Abers, die die Deutung von archäologischen Funden immer mit sich bringen, einfach beiseite gelassen, um eine einfache Nachricht zu haben, die lauten sollte „Die Bibel irrt”.
Wie wär es mit den Fakten?
Kommen wir zu den Fakten, dann stellt sich ein anderes Bild dar und man hätte die gleichen Funde vielleicht sogar mit einer gegenteiligen Überschrift versehen können.
Zwar nicht neu, aber immer wieder interessant
Die Diskussion um die Nutzung von Kamelen als Haustieren im Bereich Israel bis Ägypten ist lange im Gange. Schon William Albright hat 1949 in The Archaeology of Palestine darüber geschrieben und ging von einer Verbreitung der Kamele ab dem 12. Jhdt. aus. Danach hat es bis in die neueste Zeit Veröffentlichungen zum Thema gegeben.3 Die Mehrheit der Forscher stimmt darin überein, dass sich die Nutzung von Kamelen als Lasttier erst seit dem 12. Jhdt. durchsetzte. Erst dadurch war der Transport von schweren Lasten über weite wüstenartige Gebiete möglich. Die Nutzung der Kamele, sowohl einhöckrige Dromedare als auch Trampeltiere, förderte den Handel stark.
Das sagt noch nichts darüber aus, inwieweit Kamele vorher auch anders als Haustiere benutzt wurden, etwa als Reittier, wegen ihrer Felle, ihres besonderen Urins, der Kamelmilch oder auch als Fleischlieferant. Weil man die bisher gefundenen Kamelknochen, die man auch datieren konnte, aber als Knochen von Lastenkamelen ansieht, hält man zugleich eine Herdenhaltung etwa nur zur Milchproduktion für unwahrscheinlich, auch wenn es das heute gibt. Das Problem ist hier einfach, dass Lastenkamele im archäologischen Zusammenhang leichter als solche erkennbar sind. Knochen von Milch- oder Reittieren wären von wilden Kamelen kaum zu unterscheiden.
Eine echte Knochenarbeit
Die Studie der Archäologen Sapir-Hen und Ben-Yosef bezieht sich auf Knochen, die im südlichen Teil eines Streifens vom Toten Meer zum Golf von Akaba gefunden wurden. Israelreisenden ist in der Nähe vielleicht der Timna-Park bekannt. Dort gibt es von alters her viele Erzminen, in denen offenbar Kamele genutzt wurden. Darauf lassen die zahlreichen Knochenfunde recht sicher schließen.
Die Minen sind schon zwischen 1959 und 1984 vor allem von Expeditionen unter der Leitung von Beno Rothenberg (1914-2012) erforscht worden. Er war 1933 von Deutschland nach Israel emigriert und war auch bei der Unabhängigkeitserklärung Israels 1948 anwesend. Für ihn war klar, dass er die Erzminen und Schmelzöfen König Salomos entdeckt hatte. Insbesondere mit Hilfe von Funden ägyptischer Keramik datierte er die ältesten Teile der Minen auf das 12./11. Jahrhundert vor Christus. Bis heute sind nicht alle seine Funde ausgewertet und veröffentlicht. Noch bis kurz vor seinem Tod mit 97 Jahren hatte er die Ausgrabungen begleitet und beraten.
Die 79 Knochenfunde dort gelten Sapir-Hen und Ben-Yosef als die ältesten Kamelknochen, die bisher in Israel gefunden wurden. Aber schon dieser Satz muss aus dem Artikel selbst korrigiert werden, denn man fand auch noch ältere Kamelknochen. Die aber wurden als Knochen von wilden Kamelen identifiziert. Die anderen seien zweifelsfrei domestizierte Kamele.
Das macht es notwendig, genau zu sagen, wie die beiden Knochenarten unterschieden wurden. Da eine Unterscheidung kaum nach äußeren Merkmalen möglich ist, wählt man zum Beispiel die relative Häufigkeit. Das heißt, man rechnet damit, dass Haustierkamele in der Nähe von Siedlungen relativ häufiger auftreten als Arten, die wild lebten. Wichtiger ist die Altersverteilung. In einer wilden Herde könnte sie anders sein als in einer gezüchteten. So wurden keine Kamelknochen von Tieren gefunden, die jünger als vier bis fünf Jahre waren. Das deutet daraufhin, dass die Tiere keinen Nachwuchs hatten.
Bei einer Kamelherde von 3000 Tieren, wie Hiob sie besaß, ist eine Domestizierung sicher. Allerdings könnte auch sein Kamelbesitz auf viele kleinere Herden aufgeteilt gewesen sein, wie sie auch bei wild lebenden Tieren normal sind. An Knochenfunden dieser Herde hätte man wohl eine natürliche Altersverteilung festgestellt.
Weiter stellt man Größenvergleiche an, davon ausgehend, dass die Haustierkamele vielleicht die größeren und stärkeren waren. Es hat sich allerdings herausgestellt, dass es keine signifikanten Größenunterschiede zu modernen Kamelen gibt. Die Unterschiede bleiben im bekannten Rahmen.
Ohne die Einschnitte eines Metzgers auf den Knochen wäre es schwer zu unterscheiden, ob die Kamele nun Haustiere waren oder wilde Kamele.
Dann beurteilt man, ob die Verteilung der Geschlechter der Tiere eher der natürlichen Verteilung in einer Herde entspricht. Wenn die Kamele etwa der Milchproduktion dienten, dann wären deutlich mehr weibliche Tiere zu erwarten. Bei weniger als 100 Knochen und Zähnen, die vielleicht nur auf 30 Tiere zurückgehen, ist eine sichere Beurteilung aber kaum möglich.
Wirklich sicher erscheinen nur solche Einschnitte auf den Knochen, die darauf deuten, dass die Kamele als Fleischlieferanten dienten. So ist es dann auch bei den gefundenen Knochen: die Hälfte aller Knochen zeigen Spuren von der Arbeit eines Metzgers. Die Kamele waren Arbeitstiere und Nahrung. Da Kamele für Juden unreine Tiere sind, kann man relativ sicher davon ausgehen, dass die Arbeiter, die das Fleisch dort verzehrten, keine Juden waren.
Alt, aber wie alt?
Weil die Datierung nach Schichten im Bereich von Minen und Schmelzöfen naturgemäß schwierig ist und leicht Fehler enthalten kann, wollten sich die Forscher nicht allein auf die Zuordnung der Knochen zu den Schichten verlassen, sondern haben zusätzlich mit der Radiokarbonmethode Messungen vorgenommen. Die hat allerdings im Zusammenhang mit der Verarbeitung von Erzen in Schmelzöfen auch Probleme. Wenn die Knochen mit Kohle und Erzen zusammen gelagert waren, könnten sie älter erscheinen, als sie sind.
Man kann allerdings davon ausgehen, dass die Messungen, die notwendige Kalibrierung der „Karbon-Uhr” und die sich daraus ergebenden Datierungen weitgehend zutreffend sind.4
Die mit der Radiokarbonmethode untersuchten ältesten Knochen waren danach höchstens aus der Zeit zwischen 1192 und 969 v.Chr.. Natürlich untersucht man bei vielen Knochenfunden nicht alle, sondern diejenigen, die ein wahrscheinlich repräsentatives Ergebnis liefern (zwei Untersuchungen wurden 1974 gemacht, drei 2008, eine 2012). Anders als es auf den ersten Blick scheint, haben Sapir-Hen und Ben-Yosef keine neueren Radiokarbonuntersuchungen angestellt. Sie deuten die älteren nur neu und wollen damit die untersuchten Schichten 150 Jahren jünger datieren. Die Funde wären danach auf keinen Fall älter als von 969 v.Chr., eher jünger.
Zwar legen Sapir-Hen und Ben-Yosef viel Wert darauf, dass auch in anderen Ausgrabungen keine nachweislich älteren Knochen gefunden wurden. Diese Feststellung hat aber einfach das Problem, dass es in Israel fast nur Ausgrabungen gibt, die bis in die Eisenzeit IIA zurückreichen, das heißt in die Zeit zwischen 1000 und 925 v.Chr.. Wenige noch 150 Jahre ältere Grabungen enthalten auch Kamelreste. Weil aber jeweils nur ein einzelner Knochen gefunden wurde, bezweifeln Sapir-Hen und Ben-Yosef die Zuverlässigkeit der Daten.
Naturgemäß wäre es aber gar nicht möglich, ein Zeltlager Abrahams auszugraben, an dessen Rand etwa ein verstorbenes Kamel liegen geblieben ist. Man kann also nichts Älteres finden, schon weil niemand danach suchen kann. Selbst wenn irgendwo in Israel zufällig ein Knochen aus Abrahams oder Jakobs Kamelherde gefunden worden wäre, hätte das wahrscheinlich niemand erkannt. Dazu müssten sämtliche gefundenen Knochen auf Verdacht aufwendig untersucht werden.
Wie man ein langweiliges Ergebnis interessant macht
Das Ergebnis der archäologischen Funde im Aravah Tal lautet also kurz und knapp: Man hat Kamelknochen ausgegraben, die eindeutig domestizierten Kamelen zuzuordnen sind und aus der Zeit zwischen 900 und 1000 v.Chr. stammen.
Relativ langweilige archäologische Funde, die seit mehr als 25 Jahren bekannt sind, werden zur journalistischen Sensation hochgepeitscht.
Das ist erst einmal nichts Neues und auch relativ langweilig. Darum haben die Forscher selbst ihre Funde in eine Beziehung zu allen anderen Funden von Kamelknochen in Israel gesetzt, die sie nicht selbst untersucht haben. Daraus haben sie den Schluss gezogen, dass ihre Funde – bezogen auf alle Funde mit sicheren Datierungen – die ältesten sind. Das aber erschien ihnen wohl auch noch als zu langweilig, denn sie haben nun einen Schluss gezogen, der mit ihren und den anderen Funden nichts zu tun hat: „Weil wir die ältesten Knochen gefunden haben, darum gibt es keine älteren Knochen.” Sie selbst formulieren wissenschaftlich und damit deutlich vorsichtiger, aber der Schluss ist trotzdem unzulässig. Es könnten ein paar hundert Meter neben ihrer Grabungsstelle ältere Knochen liegen, die nur niemand beachtet oder genauer untersucht hat.
Der nächste Schluss, der aus dem letzten unzulässigen folgte, war, dass sich deswegen die Bibel irren muss, wenn sie schreibt, dass Abraham Kamele besessen habe. Die letzte Schlussfolgerung aber sucht man im Aufsatz von Sapir-Hen und Ben-Yosef vergeblich. Sie findet sich erst in der Verbreitung der Ergebnisse durch die Tel Aviv Universität im Februar 2014.
Wenn nur Sensationen zählen
Wie es dazu kam, kann man verstehen, wenn man weiß, wer der Herausgeber des Tel Aviv Journals ist. Er heißt Israel Finkelstein und die Archäologen danken ihm am Ende ihres Artikels auch für seine Hinweise für ihr Manuskript.
Israel Finkelstein ist der Direktor des Archäologischen Instituts der Universität Tel Aviv. In Deutschland ist er seit seinem reißerischen Buch „Keine Posaunen vor Jericho” (engl. 2001; deutsch 2002) bekannt, in dem er zahlreiche biblische Berichte bezweifelte und scheinbar mit archäologischen Erkenntnissen Irrtümer der Bibel bewies. Seitdem hat er in gleicher Weise weitergearbeitet und auch den SPIEGEL-Artikel von Matthias Schulz mit seinem neuesten Buch „Das vergessene Königreich – Israel und die verborgenen Anfänge der Bibel” inspiriert. In diesem Buch bestreitet er die nationale Identität eines Volkes Israel unter einem König David.
Für den SPIEGEL ist Finkelstein „wichtigster Mann im Enthüllungsprozess”:
„Bei Finkelstein schrumpft Jerusalem zum schlichten Dorf. David wird zum Räuber Hotzenplotz, umgeben von ‚Männern mit Knüppeln, die herumbrüllten, fluchten und spuckten’”.
Diese Formulierung zeigt, dass es nicht um archäologische Arbeit, sondern um reißerischen Journalismus geht.
Dazu muss man wissen, dass Finkelstein nicht nur Archäologe ist, sondern auch ein politisches Interesse verfolgt. Mit seiner großzügigen Neuordnung der Geschichte will er die Ansprüche der Juden auf das Land Israel relativieren, weil er auf diesem Weg eine Möglichkeit zum Frieden mit den Palästinensern sieht. Dass es auf der anderen Seite Forscher gibt, die die Gebietsansprüche der Palästinenser mit archäologischen Funden bestreiten wollen, überrascht nicht.
Israel Finkelstein beherrscht er offenbar sehr gut, die für die meisten Menschen relativ langweilige archäologische Arbeit für Presse und Öffentlichkeit „aufzupimpen“
Es ist also Israel Finkelstein, der für die meisten Menschen relativ langweilige archäologische Arbeit für Presse und Öffentlichkeit „aufpimpt”. Das beherrscht er offenbar sehr gut. Dabei aber kommt die seriöse Archäologie weitgehend unter die Räder. Israel Finkelstein gelingt es immer wieder, die Journalisten rund um die Welt wie am Nasenring durch die Manege zu führen.
Das Muster ist immer gleich. Dabei sorgt er zuerst für einen kleinen Aufreger in Israel, wo man ihn aber schon kennt. Dann wandern seine „Erkenntnisse” in die US-amerikanische Presse, wo sie sowohl wegen der Juden als auch der konservativen Christen, die widersprechen, größere Wellen schlagen. Dann wandern sie nach Europa und Deutschland.5 Angereichert wird das Ganze dann noch mit Theorien der bibelkritischen Theologie, mit der man nun meint, auch erklären zu können, wie die Kamele in die Bibel gekommen sind und dabei „versehentlich” in einer Geschichte eingebaut wurden, die 1000 Jahre vor dem angeblichen Auftauchen von Kamelen in Israel stattfand. Man sagt dann, dass die Autoren die Kamele in Unkenntnis der historischen Situation zur Zeit der Abrahamsgeschichte aus ihrer aktuellen Zeit (um 650 v.Chr. oder noch später) haben einfließen lassen. Das entspricht der Behauptung, dass es den biblischen Autoren sowieso um Glaubensinhalte gegangen sei und sie es mit den historischen Details nicht so genau nahmen.
Die Bibel und andere Fakten
Wer nun die Erwähnung von Kamelen in der Bibel genauer anschaut, der wird verschiedene Feststellungen machen, die sehr gut mit dem Wissen über die Kamelhaltung im arabischen Großraum und bis nach Ägypten zusammenpassen.
Abraham kam aus Mesopotamien, wo das Kamel wahrscheinlich zuerst im großen Rahmen als Haustier benutzt wurde. Meist geht man davon aus, dass das spätestens ab 2000 v.Chr. oder wenig früher der Fall war. A. S. Saber schreibt:
„Man nimmt an, dass Kamele nach ihrer Zähmung in Arabien zwischen 2500 und 1400 v.Chr. nach Ägypten kamen.”6
Randall Younker, Direktor des archäologischen Instituts der Andrew Universität Michigan, verwies bereits 1997 auf eine goldene Kamelfigur in einer knieenden Position, die aus Ur aus der Zeit um 2000 v.Chr. stammt. Eine Steinzeichnung aus Assuan in Ägypten, die auf die Zeit zwischen 2400 und 2200 v.Chr. datiert wird, zeigt einen Mann, der ein Kamel am Seil führt.7 Kamelfiguren, die beladene Kamele darstellen, finden sich aus der Zeit um 2000 in Ägypten und Syrien.
Ägyptische Wandzeichnungen, figürliche Darstellungen und Listen mit Kameln zeigen ebenso, wie die biblischen Texte, dass Kamele seit mehr als 4000 Jahren als Haustiere zur Kultur des Menschen gehören.
Damit wird nicht bewiesen, dass Kamele in Israel weit verbreitet waren. Aber das wird man auch nicht erwarten, wenn man die Texte der Bibel genau anschaut. Kamelbesitz scheint etwas Besonderes gewesen zu sein und aus dem nicht-israelischen Umland inspiriert.
Randall Younker:
„Diese Funde bedeuten nicht, dass domestizierte Kamele zahlreich und weithin überall im Nahen Osten im frühen zweiten Jahrtausend benutzt wurden. Aber die Vätererzählungen gehen nicht notwendig von einer großen Zahl an Kamelen aus.“
Der Archäologe Titus Kennedy bringt es so auf den Punkt:
„Diejenigen, die an der Theorie festhalten, dass domestizierte Kamele erst im 12. Jahrhundert oder später in Gebrauch waren, müssen eine große Menge an archäologischen und textlichen Beweisen entweder ignorieren oder wegerklären.”8
Beno Rothenberg hatte die Fundsituation in Timna 1988 dementsprechend auch ganz anders gedeutet, als es jetzt – inspiriert durch Israel Finkelstein – geschieht. Er schrieb:
„Der Fund von zahlreichen Kamelknochen im Minen-Camp von Timna aus der Zeit des Neuen Königreichs muss von Menschen aus Arabien herstammen. … Eine Kamelzeichnung wurde in Qurayya auf einer typisch midianitischen Scherbe gefunden.”9
Offenbar waren Kamele lange Zeit keine typischen, israelischen Nutztiere. Aber sie waren es in den Nachbarländern auch schon vor und zur Zeit Abrahams.
Einen Hinweis darauf gibt schon die Geschichte des Wortes „Kamel”. Es stammt vom griechischem kamelos, das wiederum auf das hebräische gamal zurückgeht, das in enger Beziehung zum akkadischen gammalu steht. Das akkadische Wort hat seine Herkunft wahrscheinlich vom sumerischen anse.gam.mal, was so viel wie „Esel der Berge” oder „Esel (von) hinter den Bergen” heißt. Da im Siedlungsgebiet der Sumerer keine wilden Kamele vorkamen, kannten sie diese wahrscheinlich durch Handelskontakte. Die lange Geschichte des Wortes deutet jedenfalls daraufhin, dass auch die Geschichte der Kamele länger mit der Geschichte der Menschen verbunden war.
Wichtiger als das sind aber ausdrückliche Erwähnungen von Kamelen, z.B. in einem sumerischen Text aus der Zeit zwischen 1950 und 1600 v.Chr., wo sie als Milchlieferant auftauchen. Aus dem gleichen Zeitraum stammt eine babylonische Liste von Haustieren, auf der man sie findet. Auf einer anatolischen Liste dieser Zeit werden sie als Tiere erwähnt, die Futterrationen erhalten.10 Das spricht für eine verbreitete Nutzung von Kamelen, sodass die Nachricht vom reichen Hiob mit 3000 Kamelen im Lande Uz niemanden verwundern muss.
All das beweist nicht die Zuverlässigkeit der Bibel. Aber es sind starke Hinweise darauf, dass wir uns auf die Angaben der Bibel verlassen können. Die Väterzeit Israels ist nicht im Nachhinein von jüdischen Theologen konstruiert worden, wobei sie versehentlich Kamele in der Geschichte unterbrachten.
Die Texte in der Bibel sind vielmehr verlässliche historische Zeugnisse. Das haben archäologische Funde der letzten Jahrzehnte immer wieder unterstrichen. Gegenteilige Sensationsmeldungen haben sich nach und nach als Irrtümer erwiesen. Was die Veröffentlichungen von Israel Finkelstein angeht, muss man darauf nicht mehr warten. Was daran verlässliche Wissenschaft ist, stimmt mit dem biblischen Zeugnis überein. Der Rest ist wilde, interessengeleitete Spekulation oder absichtliche Verzerrung der Tatsachen.
siehe die Besprechung des Artikels durch K.-H. Vanheiden „Wie der SPIEGEL die Bibel erfindet“, BuG 3 (2003), S. 67-70. ↩
Tel Aviv: Journal of the Institut of Archaeology of Tel Aviv University. Vol 40 (2013): 277-285. ↩
http://www.biblearchaeology.org/post/2009/02/19/Patriarchal-Wealth-and-Early-Domestication-of-the-Camel.aspx http://www.biblearchaeology.org/post/2009/10/14/The-Wealth-and-Power-of-the-Biblical-Patriarchs.aspx ↩
Die notwendigen Detailinformationen findet man allerdings nur zum Teil im genannten Artikel. Das meiste steht in einem anderen Artikel, auf den Sapir-Hen und Ben-Yosef öfter verweisen. Carolin Grigson, „Camels, Copper and Donkeys in the Early Iron Age of the Southern Levant: Timna Revisited“ Levant Vol 44 (2012): 82-100. Die Zweifel, die Ken Ham an der Datierung geäußert hat, scheinen mir ohne Kenntnis der Daten verbreitet worden zu sein. Die Messungenauigkeit liegt nicht bei über 300 Jahren, sondern bei 30 bis 90. Einer der Kamelknochen, der ein höheres Alter zu haben schien, wurde wegen seiner Kontaminierung mit Kohle-Erz aus den Schmelzöfen ausgeschlossen. Das erscheint plausibel. ↩
Der Artikel der Süddeutschen Zeitung hat so starke Anklänge an den in der New York Times von John Noble Wilford, „Camels had no Business in Genesis“, der zwei Tage früher erschien, dass man vermuten darf, er sei von diesem inspiriert. Ein guter Überblick über die ganze Welle der Veröffentlichungen ist zusammengestellt unter https://mt1820today.wordpress.com/2014/02/26/kamele-kamele/ ↩
„The camel in ancient Egypt“ in: Proceedings of the Third Annual Meeting for Animal Production Under Arid Conditions 1: 208–215, 1998, S. 208. ↩
zu den komplexen Datierungsfragen rund um Wandzeichnungen vergleiche http://www.biblearchaeology.org/post/2009/03/02/Bronze-Age-Camel-Petroglyphs-In-The-Wadi-Nasib2c-Sinai.aspx ↩
In einem Interview in Christianity Today zum Thema. http://www.christianitytoday.com/ct/2014/february-web-only/latest-challenge-bible-accuracy-abraham-anachronistic-camel.html ↩
„The Archaeological History of Site 200.” Beno Rothenberg et al. The Egyptian Mining Temple at Timna. Institute for Archeo-Metallurgical Studies Institute of Archaeology, University College London. 1988. S. 277. ↩
http://www.biblearchaeology.org/post/2014/02/17/The-Date-of-Camel-Domestication-in-the-Ancient-Near-East.aspx ↩