ThemenWort- und Themenstudien

Gottesbilder und Gotteserkenntnis

In der Verkündigung und Seelsorge ist viel vom „Gottesbild“ die Rede. Oft wird das Gottesbild einer Person in einem untrennbaren Zusammenhang mit ihren Kindheitserfahrungen gesehen. Können wir zu einem „gesunden“ Gottesbild nur gelangen, wenn wir ein falsches Vaterbild aus der Kindheit aufgearbeiten oder gibt es einen anderen Weg?

Nun ist es unbestritten, dass enttäuschende oder oft sogar schlimme und sehr verletzende Erlebnisse in der Kindheit und Jugend tiefgreifende Spuren hinterlassen und solche Menschen auf alles andere als auf positive Erinnerungen an einen liebevollen Vater zurückblicken können. Dennoch bleibt die Frage, wie sie zu einem „richtigen“ Gottesbild kommen und ob der heutige Umgang und die Interpretation von richtigen und falschen „Gottesbildern“ in der Verkündigung und Seelsorge tatsächlich mit dem Zeugnis der Heiligen Schrift übereinstimmt.

Dass diese Problematik thematisiert wird, ist sicher richtig, weil die Sicht, die wir von Gott haben, in direktem Bezug zu unserem Denken, Fühlen und Handeln steht und unser ganzes Leben beeinflusst. Doch wenn wir in dieser Fragestellung nicht in die Irre gehen wollen, ist die Lösung des Problems nicht, von einem „falschen“ zu einem „richtigen“ Gottesbild zu kommen.

  • Richtige „Gottesbilder“ entstehen doch nicht durch die Korrektur falscher Vaterbilder
  • Gotteserkenntnis beginnt mit Gottesfurcht
  • Nur Gott selbst kann uns zeigen wie er ist

Wir müssen uns der Erkenntnis stellen, dass es nur ein einziges „richtiges“ Gottesbild gibt – und zwar das, welches Gott von sich offenbart. Deshalb ist es für unser geistliches Leben und Wachstum von grundlegender Wichtigkeit, dass wir von unseren „falschen“ Gottesbildern weg kommen und mehr und mehr das biblische Gottesbild erkennen.

Gottesbilder sind oft Produkte des gefallenen Menschen

Nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift verfügt der gefallene sündige Mensch von sich aus über keine wahre Gotteserkenntnis im biblischen Sinn (1Kor 2,14):

Ein natürlicher Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird.

Durch sein Gewissen (Röm 1,32), die Natur (Röm 1,19–20) und die Geschichte (Ps 66,5–7) kann der gefallene Mensch erkennen, dass es einen Gott geben muss. Dazu wurde jedem Menschen ein Ahnen in Bezug auf die Ewigkeit Gottes ins Herz gelegt (Pred 3,11). Aber weil der Mensch durch die Sünde in seinem Denken verfinstert ist (Eph 4,18), ist es ihm unmöglich, von sich aus den lebendigen Gott zu erkennen. Aus diesem Grund beginnt der Mensch, sich selbst durch seine religiösen Vorstellungen und Gedanken „Gottesbilder“ zu machen. Diese Gottesbilder entsprechen aber nicht dem Wesen des lebendigen Gottes. Es gibt sie nicht nur in den verschiedenen Religionen. Auch ein Nachfolger von Jesus kann der Gefahr erliegen, sich ein Gottesbild seiner eigenen Gedanken und Wünsche zurechtzulegen, indem er biblische Aussagen nach seinen menschlichen Vorstellungen interpretiert oder Schriftstellen einseitig betont und andere Bibelverse zugunsten seiner eigenen Vorstellungen unterschlägt.

Gottesbilder und Götzenbilder

Nicht nur Plastiken sind falsche Gottesbilder, sondern auch religiöse Vorstellungen von Gott

Die Bibel spricht von „Gottesbildern“ bzw. „Götterbildern“ im Zusammenhang mit den durch Menschen gemachten Götzen. Besonders in Jer 10,1–11; Jes 40,18–26; Jes 44,6–23 ist davon die Rede. Wie an diesen Stellen im Textzusammenhang deutlich wird, geht es bei den Götzen nicht nur um eine bildliche oder plastische Darstellung, sondern auch um die damit verbundenen religiösen Vorstellungen, die sich der Mensch in seinen Gedanken über seinen Gott zurechtlegt. Dabei versucht der Mensch, seine Sicht der Götter mit menschlichem Denken zu erklären und zu beurteilen. Ein Götzenbild ist damit immer ein von Menschen festgelegter Rahmen, in welchem man seinen Gott mit seinen Absichten und seinem Handeln nach seinen eigenen Vorstellungen festlegen, erklären und erfassen möchte. Aus diesem Grund stellt der lebendige Gott den Götzen diesen gewaltigen Satz gegenüber, der all unsere selbstgemachten Gottesbilder sprengt (Jes 40,18+25):

Mit wem wollt ihr Gott vergleichen, und was für ein Abbild wollt ihr ihm gegenüberstellen? … Mit wem denn wollt ihr mich vergleichen, dem ich gleich wäre? spricht der Heilige.

Gotteserkenntnis – die unabdingbare Voraussetzung

Da es dem natürlichen Menschen nicht möglich ist, den lebendigen Gott selbst zu erkennen, hat Gott sich in der Heiligen Schrift und in Jesus Christus offenbart. In diesem Zusammenhang spricht die Bibel von Gotteserkenntnis. Gotteserkenntnis nach dem biblischen Zeugnis bekommt ein Mensch nicht durch Aufarbeitung traumatischer Kindheits-Erlebnisse – so nötig diese Aufarbeitung in anderer Hinsicht auch ist – sondern durch den Heiligen Geist, der ihm das Wesen Gottes erschließt und Christus verherrlicht. Da Gott in seiner Größe, Herrlichkeit, Allmacht und Weisheit für uns unbegreifbar ist, wird allein durch die biblische Gotteserkenntnis ein „richtiges“, ausgewogenes Gottesbild vermittelt. Aus diesem Grund steht in Spr 1,7:

Die Furcht des HERRN ist der Anfang der Erkenntnis.

Schon wenn wir versuchen, Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit auf der einen Seite und seine Gnade und Liebe auf der anderen Seite auf eine Linie bringen zu wollen, wird jedes menschlich zurechtgelegte Gottesbild gesprengt. Deshalb kann Paulus am Ende von Gottes Gerichts- und Liebeswegen mit seinem Volk Israel nur anbetend, von tiefer Gotteserkenntnis ergriffen, ausrufen (Röm 11,33–36):

O Tiefe des Reichtums, sowie der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unausforschlich sind seine Gerichte und unausspürbar seine Wege! Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Mitberater gewesen? Oder wer hat ihm vorher gegeben, und es wird ihm vergolten werden? Denn von ihm und durch ihn und für ihn sind alle Dinge! Ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit Amen!

Durch den Propheten Jesaja macht Gott in Kapitel 55,8 deutlich, wie jedes von Menschen über ihn zurechtgelegte Gottesbild in die Irre führt:

Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR. Denn so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.

Im Buch Hiob sehen wir, wie die drei Freunde durch ihr selbst gemachtes Gottesbild versuchten, Hiobs Leiden zu erklären. Obwohl die drei Männer manches Wahre über Gott sagten, bastelten sie sich daraus doch ein eigenes Gottesbild nach ihren Vorstellungen zusammen. Fälschlicherweise meinten sie deshalb die göttlichen Ursachen und Hintergründe von Hiobs Leid zu kennen. Aus diesem Grund urteilte am Ende der Herr über sie, dass sie nicht Wahres über ihn geredet hatten (Hi 42,7). Hiob, der Knecht Gottes, hielt an seinem Herrn fest, obwohl auch für ihn das Handeln Gottes unverständlich war und er keine Erklärung dafür finden konnte. Ab Kapitel 38 bekam Hiob keine Antwort auf die Frage nach seinem Leid. Dafür offenbarte sich der allmächtige Gott seinem Knecht ganz neu in seiner Größe. Tief ergriffen von dieser gewaltigen Gotteserkenntnis verwarf Hiob seine selbst ausgedachten Gottesbilder und bekannte (Hi 42,1–6):

Ich habe erkannt, dass du alles vermagst und kein Plan für dich unausführbar ist. Wer ist es, der den Ratschluss verhüllt ohne Erkenntnis? So habe ich denn meine Meinung mitgeteilt und verstand doch nichts, Dinge, die zu wunderbar für mich sind und die ich nicht kannte. Höre doch, und ich will reden! Ich will dich fragen und du sollst mich wissen lassen! Vom Hörensagen hatte ich von dir gehört, jetzt aber hat mein Auge dich gesehen. Darum verwerfe ich mein Geschwätz und bereue in Staub und Asche.

Ein biblisches Gottesbild durch Gotteserkenntnis

Gottes Wort und Gottes Geist
führt zu echter Gotteserkenntnis

Gott möchte nicht, dass wir uns unsere eigenen Gottesbilder zurechtlegen. Die Beschäftigung mit dem eigenen Gottesbild, die wir leider auch in manchen Seelsorgekonzepten finden, entstammt nicht der Heiligen Schrift, sondern der Psychologie und einer Philosophie, die einen sich den Menschen offenbarenden Gott ausschließt. Der gottlose Philosoph L. Feuerbach brachte dies so zum Ausdruck: Der Mensch projiziert seine Wünsche an die Leinwand des Himmels – das ist Gott.

Ein aufmerksames Studium der Heiligen Schrift, ein demütiges Herz und die Hinwendung zu Jesus Christus helfen uns,
Gott zu erkennen

Es geht auch nicht darum, dass wir ein selbstgemachtes Gottesbild A durch ein Gottesbild B ersetzen. Vielmehr müssen wir unsere Abhängigkeit von Gottes Selbstoffenbarung in der Bibel, der Schöpfung und der Geschichte anerkennen. Dabei sind wir auf Gottes Wort angewiesen und damit verbunden auf das Wirken des Heiligen Geistes, der uns zur wahren Gotteserkenntnis führt und so ein biblisches Gottesbild offenbaren möchte. In der Bibel finden wir alles, was wir über Gott und sein Wesen wissen müssen. Aus diesem Grund führt auch nicht ein korrigiertes Vaterbild zu einem besseren Gottesbild, sondern die biblische Gotteserkenntnis führt uns zu dem richtigen Vaterbild, wie Paulus in Eph 3,14–15 schreibt:

Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, von dem jede Vaterschaft in den Himmeln und auf Erden benannt wird.

Christus, das Bild des lebendigen Gottes

Jedes menschlich ausgedachte und zurechtgelegte sowie jedes psychologisch korrigierte Gottesbild führt in die Irre. Wahre Gotteserkenntnis wird uns dann zuteil, wenn wir aufmerksam, mit suchenden, demütigen Herzen das ganze Wort Gottes lesen und studieren und uns besonders dem Bild zuwenden, in welchem sich der so unfassbare Gott in seiner Gnade offenbart hat. Dieses Bild ist Christus selbst, wie wir in Kol 1,15 lesen:

Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung.

Christus in seiner göttlichen Größe, Macht und Herrlichkeit, in seiner Liebe und seinem Erbarmen, aber auch in seiner unbestechlichen Heiligkeit und Gerechtigkeit mehr und mehr zu erkennen, heißt Gott zu sehen! Aus diesem Grund bekannte der Apostel Paulus (Phil 3,8):

Ja wirklich, ich achte auch alles für Verlust um der unübertrefflichen Größe der Erkenntnis Christus von Jesus, meines Herrn, willen, um dessentwillen ich alles eingebüsst habe und es für Dreck achte, damit ich Christus gewinne.

Wachset in der Erkenntnis Gottes

Ist es möglich, dass wir durch die Beschäftigung mit unseren eigenen Gottesbildern und dem psychologisch-seelsorgerlichen „Arbeiten“ an denselben von der wahren Gotteserkenntnis weggeführt werden, die uns zu einem biblischen Gottesbild führen möchte? Versucht man etwa dadurch den lebendigen Gott und Jesus Christus, wenn auch unbeabsichtigt, dem Rahmen psychologischer Erkenntnisse und den damit verbundenen menschlichen Vorstellungen und Wünschen anzupassen? War es nicht schon die Klage des Propheten Hosea (Hos. 4,6):

Mein Volk kommt um aus Mangel an Erkenntnis.

Lasst uns wegkommen von unseren selbstgemachten Gottesbildern. Stattdessen soll es uns zu einem Anliegen werden, in der Gotteserkenntnis und dem damit verbundenen biblischen Gottesbild durch die Heilige Schrift und durch die Erkenntnis unseres Herrn Jesus zu wachsen. So wie es Petrus am Ende seines zweiten Briefes, in welchem er auch vor den Gefahren lehrmäßigen Wirrungen und Verirrungen warnt, zusammengefasst hat (2Petr 3,18):

Wachset aber in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus! Ihm sei die Herrlichkeit, sowohl jetzt, als auch bis zum Tag der Ewigkeit! Amen.