ThemenKultur und Gesellschaft, Schöpfungsglaube

Evolution – die große Lüge?

Anmerkungen zu einer vielbeachteten ZDF-Sendung.

Am 9. Juni 2004 strahlte das ZDF einen halbstündigen Beitrag in der Wissenschaftsreihe „Joachim Bublath“ zum Thema Evolution und Schöpfung mit dem Titel „Evolution – die große Lüge“ aus. Diese Sendung sollte laut Ankündigung des ZDF „Licht in den Dschungel von Wissenschaft, Glaube und Politik“ bringen und die Gefahren aufzeigen, „die bei einer Vermischung dieser Bereiche entstehen können“.

Kurze Inhaltsangabe

Einige Filmsequenzen beschäftigten sich mit dem Darwinschen Evolutionsmechanismus (Zufallsmutation und „erbarmungslose Auslese“) und mit Befunden, die als Belege (bzw. in der Sendung eher als Beweise) für eine allgemeine Evolution gewertet werden. Dabei handelte es sich hauptsächlich um Beispiele aus der Vergleichenden Biologie (Ähnlichkeitsargumente) und um Beispiele aus dem Bereich der Mikroevolution (Beides kann auch im Rahmen der Schöpfungslehre schlüssig gedeutet werden). Eine weitere Filmsequenz stellte einige Aussagen des „Kreationismus“ dar. Während kein einziger Kritikpunkt an der Evolutionslehre zur Sprache kam, wurde unterstellt, dass Schöpfungsvertreter keinerlei Belege für ihre Behauptungen hätten. Die Schlusssequenz der Sendung schilderte den Lyssenkoismus in der UdSSR, dessen falsche Vorstellungen zur Genetik in den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts zu einer weitgehenden Leugnung genetischer Daten unter Stalin führten, was nach der Sendung alleinige Ursache für schwere Hungersnöte war.

Die Botschaft des Films

Anmerkungen zu einer
vielbeachteten ZDF-Sendung
von Reinhard Junker und Siegfried Scherer

Einen Zusammenhang zwischen Lyssenkoismus und „Kreationismus“ stellten die Filmemacher wie folgt her: Der „Kreationismus“ ignoriere Ergebnisse der Wissenschaft und verwerfe diese zugunsten eines (unbegründeten) fundamentalistischen Bibelverständnisses. Zudem werde er in den USA von einflussreichen politischen Kräften unterstützt. In ähnlicher Weise habe Lyssenko wissenschaftliche Ergebnisse der Genetik ignoriert und die biologische Forschung der kommunistischen Ideologie unterworfen. So wie damals in der UdSSR die Politik massiv und mit katastrophalen Auswirkungen (schwere Hungersnöte) die Wissenschaft bestimmte, so sei der „Kreationismus“ auch heute eine drohende Gefahr. Er untergrabe die Forschungsbereitschaft junger Menschen; dies habe auf längere Sicht verheerende Folgen für die Menschheit.

Kritischer Kommentar

Man konnte den Eindruck gewinnen, dass in der Sendung der biblische Glaube an Gott als souveränen Schöpfer diskreditiert werden sollte, sogar durch das Mittel der Diffamierung. Die Filmemacher hatten scheinbar nur wenig Interesse an einer ausgewogenen und seriösen Recherche. Dies wird besonders an dem konstruierten Vergleich zwischen Lyssenkoismus und „Kreationismus“ deutlich. Hier wurde aus einem komplexen Zusammenhang das herausgegriffen, was sich am besten eignete, um den „Gegner“ ohne sachliche Argumentation ins moralische Abseits zu stellen: Es ist zweifelsohne äußerst wirkungsvoll, Bilder verhungerter Menschen direkt mit dem Hinweis auf die angeblichen Folgen des „Kreationismus“ zusammen zu zeigen. ZDF-Moderator Bublath kritisierte die „Kreationisten“ wegen ihrer einfachen Antworten, um dann selber eine Antwort zu geben, die an Einfachheit kaum zu überbieten ist.

Insgesamt wurde kein einziges sachliches Argument der „Kreationisten“ erwähnt

Diese enttäuschend einseitige Ausrichtung wurde an weiteren Aspekten deutlich: Im Film wird die deutsche Situation nur in einem einzigen Satz erwähnt: Man versuche auch in Deutschland Land zu gewinnen – „über Bücher, die in Schulen eingeschleust werden sollen.“ Das ZDF hatte vor etwa einem halben Jahr unser evolutionskritisches Lehrbuch zur Vorbereitung der Sendung angefordert. Dessen Inhalte kamen jedoch mit keinem einzigen Beispiel zur Sprache, das Buch wurde auch nicht direkt erwähnt. Paßte unsere Art der sachlichen Auseinandersetzung nicht ins Konzept der Redakteure? Insgesamt wurde kein einziges sachliches Argument der „Kreationisten“ erwähnt (wie auch immer man dazu im einzelnen steht, man hätte wenigstens einige wichtige Argumente aufgreifen und sachlich kritisieren können).

Kritikpunkte an der Evolutionstheorie wurden insgesamt verschwiegen (es gebe nur noch „Lücken zu füllen“).

Außerdem wurde aus dem Spektrum „kreationistischer“ Strömungen nur ein Segment herausgegriffen und im Ergebnis als repräsentativ dargestellt. Überdies ist die Gleichsetzung der ID-Bewegung (Intelligent Design) mit „Kreationismus“ nachweislich falsch; auch eine oberflächliche Recherche hätte das sofort gezeigt. Wird sie deshalb so gerne gebraucht, damit man sich der wissenschaftlichen Kritik an der Evolutionslehre entziehen kann?

Eine Ironie des Beitrags war übrigens, dass die Vorstellung kritisiert wurde, Gott habe wie aus einem Baukastensystem die Lebewesen geschaffen. Später aber war im Rahmen der Darstellung der Evolutionsanschauung zweimal von einem Baukastensystem die Rede, das in der Evolution zum Einsatz komme. Wie aber hantiert die Evolution mit einem solchen Bausatz? Und wie ist er überhaupt entstanden? Nicht nachvollziehbar dürfte außerdem für viele der Unterschied zwischen den „richtigen“ Animationen der Evolutionstheoretiker und den „falschen“ der Schöpfungstheoretiker gewesen sein. Sie hatten jedenfalls in mancher Hinsicht eine verblüffende Ähnlichkeiten.

Zusammenfassung

Die genannten Beispiele, denen man weitere anfügen könnte, mögen als Belege dafür genügen, dass Fakten selektiv präsentiert wurden. ZDF-Redakteur Joachim Bublath und sein Team haben genau das getan, was sie eigentlich kritisieren wollten: Sie haben einfache Antworten dadurch gegeben, dass sie ihren Zuschauern den Teil der Fakten vorenthielten, die zur einer ausgewogenen Beurteilung der Situation hätten führen können. Viel einseitiger kann man kaum vorgehen. Offensichtlich verfügte die ZDF-Wissenschaftsredaktion jedoch über wesentliche, für eine objektive Beurteilung notwendige Informationen (s.o.).

Die Auseinandersetzung der Medien mit Kritikern der Evolutionslehre hat eine neue Dimension erreicht, die deutlich jenseits einer wissenschaftlich-sachlichen Ebene liegt. Die Botschaft lautete: „Kreationisten“ haben nicht nur unrecht, sondern sie stellen in letzter Konsequenz eine ernste Gefahr für das Wohlergehen, die Zukunft und letztlich sogar für das Leben der Menschheit dar. Man wird abwarten müssen, welche Folgen sich aus einer solchen Darstellung ergeben werden.

Wie sollen wir reagieren?

Diese Sendung könnte vor Augen führen, dass hier mit unlauteren Mitteln ein Kampf gegen ein biblisches Verständnis der Welt als Schöpfung geführt wird. Warum wird gekämpft? Wohl kaum, weil der Kreationismus für die Wissenschaft gefährlich ist. Hängt es damit zusammen, dass die Schöpfungslehre und das damit in Zusammenhang stehende Evangelium von Jesus Christus anstößig ist? Wenn der Film von Joachim Bublath dazu beitragen würde, die Relevanz der Ursprungsfrage für das christliche Zeugnis auch für die Kirchen wieder deutlich zu machen, hätte er immerhin noch einen guten Zweck erfüllt.

Wir wurden öfter angefragt, ob wir uns beim ZDF für eine Gegendarstellung einsetzen sollen. Es besteht wenig Hoffnung, dass dort echtes Interesse an einer fairen Berichterstattung besteht, wie gerade diese Sendung gezeigt hat. Als Studiengemeinschaft wollen wir vor allem anderen unsere sachlich orientierte und wissenschaftlich tragfähige inhaltliche Arbeit weiterführen.

Anlass zur Selbstkritik

Es wird hier mit unlauteren Mitteln ein Kampf gegen ein biblisches Verständnis der Welt als Schöpfung geführt

Joachim Bublaths Film macht bei allen o.g. Einwänden allerdings auch deutlich, dass Selbstkritik auf Seiten der Kreationisten angebracht ist. Warum wurde im Titel der Sendung das Wort „Lüge“ verwendet? Ist es eine Anspielung auf den Bestseller „Evolution – The Lie“, das von dem australisch-amerikanischen Autor Ken Ham verfasst wurde? Auch in unseren Augen ist ein solches kreationistisches Buch unerfreulich. Leider kommen polemische Schriften im amerikanisch geprägten Kreationismus mitunter in hohen Auflagen vor. Ist das ein hilfreicher Weg, Andersdenkende zu überzeugen?

Wir glauben das nicht. Wenn man sich vergegenwärtigt, was weltweit, aber auch in Deutschland unter dem Stichwort „Kreationismus“ angeboten wird, dann stellen wir traurig fest, dass tatsächlich ein erhebliches Ausmaß an Unwissenheit und selektiver Ausblendung von Daten existiert. Vor diesem Hintergrund können wir eine kritische Haltung zum Kreationismus gut verstehen. In der Arbeit der Studiengemeinschaft Wort und Wissen wollen wir weiterhin eigene offene Fragen beim Namen nennen und auch zugeben, wenn Evolutionstheoretiker gute Argumente haben. Das tun viele Schöpfungsgläubige leider nicht; es ist zugegebenermaßen auch nicht besonders populär. Aber es ist ehrlich und fair und wird am Ende zur Glaubwürdigkeit unseres christlichen Zeugnisses beitragen.

Ist die Schöpfungslehre wissenschaftsfeindlich?

Der Vergleich zwischen Lyssenkoismus und Kreationismus impliziert Wissenschaftsfeindlichkeit des „Kreationismus“. Schöpfungsanschauungen bestimmen den Wissenschaftsbetrieb aber weder in den USA noch irgendwo anders in der Welt. Eine seriöse Recherche hätte das deutlich erwähnen müssen. Vielmehr sind die USA, die fast ausschließlich im Blickfeld der Filmemacher waren, die weltweit führende Wissenschaftsnation (obwohl Umfragen zufolge die Mehrzahl der US-Bürger an Schöpfung glaubt). Die vom ZDF beschworene Gefahr existiert nicht.

Nun sind wir zurecht bekannt dafür, dass wir keine Abstriche am Wort Gottes akzeptieren. (Allerdings wollen wir auch nichts als biblisch behaupten, was über die Offenbarung der Bibel hinausgeht.) Als Vertreter der Schöpfungslehre haben wir immer vor Augen, dass der Gott der Bibel ein Gott der Wahrheit ist, der alle Lüge haßt.

Das gilt auch für Auseinandersetzungen in und mit der Wissenschaft. Gerade weil wir unsere Schwächen und ungelösten wissenschaftlichen Fragen in der Studiengemeinschaft Wort und Wissen offenlegen, haben wir eine hervorragende Ausgangsposition, um Wissenschaft zu treiben. Dabei sollten wir schweigen, wenn uns bei einer Fragestellung die notwendige wissenschaftliche Kompetenz fehlt. Und wir dürfen weder durch Ausblendung von Daten noch durch selektive Interpretation ein falsches Bild zeichnen oder gar Andersdenkende diffamieren: Das würde uns tatsächlich zu Ideologen machen. Wir glauben einerseits an die Unfehlbarkeit der Bibel und andererseits wissen wir um die grundsätzliche Fehlbarkeit und Vorläufigkeit aller Schöpfungsvorstellungen, welche die Deutung von naturwissenschaftlichen Befunden umfassen.

Nein, die Schöpfungslehre ist nicht wissenschaftsfeindlich. Viele von uns arbeiten im Wissenschaftsbereich und erfüllen damit einen Schöpfungsauftrag Gottes, der schon auf den ersten Seiten der Bibel zu finden ist.