Sie haben einfach niemand gefragt – weder die großen Kirchen, noch die Freikirchen, nicht einmal die Allianz. Unerhört! Klar, dass die ihnen das übel genommen haben. Aber wie konnten diese Amerikaner auch nur auf die Idee kommen, Deutschland mit einer Werbekampagne für das Evangelium zu überziehen! Als ob wir nicht schon genug Werbung hätten! Und Evangelium? – Mehr als 60 % der Deutschen zahlen doch Kirchensteuer! Was wollen die eigentlich?
Nun, die frommen Amerikaner wollten nichts anderes, als den mehr als 12 Millionen Kirchensteuerzahlern, die überhaupt nicht (!) an Gott glauben (7,8 Mio. evangelische und 4,9 Mio. katholische),1 die Bibel nahe zu bringen und ihnen zu zeigen, wie sie in den Himmel kommen können. Natürlich wollten sie es nicht nur diesen ungläubigen Christen schriftlich geben, sondern auch all den anderen Deutschen, die keine persönliche Beziehung zu Gott haben. Doch dieses Ansinnen brachte sie im Land Luthers in üblen Geruch.
Die fromme Stiftung
Die Aktion geht auf den 1979 verstorbenen Arthur S. DeMoss zurück, der durch eine Lebensversicherungs-Gesellschaft ein Milliarden-Vermögen machte. Schon mit 24 Jahren war er ein erfolgreicher Unternehmer und glaubte an Gott. Aber er war kein Christ und hatte noch nie etwas von geistlicher Wiedergeburt gehört. Am 13. Oktober 1950 bat er Jesus Christus um Vergebung seiner Sünden und stellte ihm sein Leben zur Verfügung. Fünf Jahre später gründete er die private Arthur S. DeMoss-Stiftung mit Sitz in West Palm Beach, Florida. Das Ziel der Stiftung ist, durch das Kraft zum Leben-Projekt so viele Menschen wie möglich mit dem biblischen Bericht vertraut zu machen und ihnen zu zeigen, wie man Gott auf einer persönlichen Ebene kennen lernen kann. Dazu wird eine multi-mediale Kampagne eingesetzt, die für das kostenlose Buch Kraft zum Leben wirbt.2
Millionenschwere Kampagne
Bis 1999 investierte die Stiftung etwa 700 Millionen Euro in Evangelisations-Programme und Anti-Abtreibungs-Kampagnen. Seit 1983 verteilte sie das von Jamie Buckingham geschriebene Buch Kraft zum Leben mehr als 60 Millionen Mal in zehn Sprachen und 15 Ländern. Die Organisation hat bisher immer überkonfessionell und äußerst seriös gearbeitet.
Es begann mit Fernseh-Werbespots und großen Plakatwänden. Freundliche Gesichter luden ein, ein kleines blaues Büchlein bei der Telefonnummer 01803-113344 zu bestellen. Dazu kamen seitenfüllende Anzeigen in allen großen Zeitungen von Stern über Bild bis Spiegel und Focus mit der gleichen Botschaft wie auf den Plakaten.
Wer die angegebene Nummer anrief, bekam natürlich das versprochene Buch, dazu ein Traktat von Arthur DeMoss und einen vierseitigen Brief von Nancy DeMoss, in dem sie die Zeit nach dem Tod ihres Mannes beschreibt, als sie urplötzlich eine Witwe mit sieben Kindern geworden war. Auch sie lädt ein, in vier Schritten zu Christus zu kommen.
Seit Februar 2002 wird ein Johannes-Evangelium beigelegt, das einer extra für diese Kampagne angefertigten Bibelübertragung entnommen ist: Neues Leben. Die Bibelübersetzung. Sie ist stark an die amerikanische New Living Translation angelehnt und bei Hänssler erschienen. Viele Verse im Johannes-Evangelium sind verschieden markiert und weisen hin auf die Göttlichkeit von Jesus Christus, auf die gute Botschaft von Gottes Vergebung und auf Wegweisungen für das Leben des Christen. Inzwischen haben mehr als 600.000 Personen in Deutschland das Buchpaket bestellt.
Wer eine beigelegte Karte ausfüllt, bekommt kostenlos ein Neues Testament mit Psalmen und Sprüchen in dieser Übersetzung oder, wenn gewünscht, ein Exemplar von Schritte zur christlichen Reife. Die Anfragen sind freilich so vorformuliert, dass ein wiedergeborener Christ, der die Schriften ja nicht unbedingt braucht, sie nicht mit gutem Gewissen ausfüllen kann.
Die Medienfront
Die Medienwächter brauchten nur wenige Tage, um festzustellen, dass die Werbung für ein christliches Buch unzulässig sei
Keine andere evangelistische Aktion in den letzten Jahrzehnten hat ein derartig überwältigendes Medienecho bekommen – leider fast durchweg negativ. Alle 15 Direktoren der Landesmedienanstalten schrieben einen Brief an die Fernsehsender und empfahlen, die Kraft zum Leben-Werbung einzustellen. Denn falls sich herausstellen würde, dass die Werbung gesetzeswidrig sei, drohe ein Bußgeld von 500.000 EUR. Während die Medienwächter Horror und Gewalt, Satanismus und Porno im Fernsehen weitgehend tolerieren, brauchten sie nur wenige Tage, um festzustellen, dass die Werbung für ein christliches Buch unzulässig sei. Sie stützten sich dabei auf §7 Abs. 8 des Rundfunkstaatsvertrags, der politische, weltanschauliche oder religiöse Werbung verbietet.
Die Presse schrieb fast einhellig triumphierend, die Kraft zum Leben-Werbung sei verboten worden, und stellte die ganze Stiftung in die Sekten-Ecke. Mit den Beweisen für den Sekten-Vorwurf haperte es freilich. Als man aber hörte, dass die Stiftung für den Schutz ungeborenen Lebens eintritt, reichte das, um ihr Frauenfeindlichkeit zu attestieren. Dass ihre Mitarbeiter Homosexualität ablehnen, reichte aus, um aus ihnen „christliche Taliban“ zu machen. Dass der Baptistenprediger Jerry Fallwell einmal Kunde bei der Werbeagentur von Mark DeMoss war und dass dieser Fallwell zur Finanzierung seiner staatlich anerkannten Liberty-Universität auch bei Mun-Sektenmitgliedern um finanzielle Unterstützung ersucht hatte, genügt, um die Arthur S. DeMoss-Stifung und ihre Kampagne in die Nähe der Mun-Sekte zu rücken.
Erstaunliche Prominente
Erstaunlich ist aber, dass Prominente wie der Golfprofi Bernhard Langer, der Musiker Sir Cliff Richard, Prinz Philipp von Preußen, der Unternehmer Dr. Heinz-Horst Deichmann und andere sich nicht nur zu ihrem Christsein stellen, sondern auch zur Notwendigkeit einer klaren Wiedergeburt. Sie mussten ja eventuell mit Schwierigkeiten und Anfeindungen rechnen. Und tatsächlich begegnete der Aktion nirgends so viel geballte Ablehnung wie in Deutschland.
Brita Baldus, DDR-Champion im Kunstspringen, war über die schlimmen Unterstellungen in der ARD-Sendung „Report“ überrascht und sagte, sie wäre von den ungerechtfertigten Angriffen aus den Medien sehr getroffen.
Paulo Sergio, Profifußballer, musste wegen einer Predigt, die er in der Kirche am Südstern in Berlin-Kreuzberg hielt, einen Rüffel von Bayern-Manager Uli Hoeneß einstecken. Er habe in seiner Predigt auch aus „dem unter dem Verdacht der Sektenpropaganda stehenden Werk“ vorgelesen. Der Manager habe ihm laut Focus klargemacht, dass ihm dieses Engagement nicht recht sei. Allerdings seien ihm die Hände gebunden, da die „Organisation hinter dem Buch“ seines Wissen nach „nicht kriminell“ sei.
Wer wird die Werte verschleudern?
Das Buch wolle dazu anleiten, nicht mehr selbstbestimmt zu leben, sondern ein von Christus bestimmtes Leben zu führen
Bemerkenswert, wie sich kirchliche Sektenbeauftragte zu der evangelistischen Aktion stellten. Die Beauftragte der Hannoverschen Kirche erklärte, das Buch würde die Leserschaft mit „gefährlichen Versprechungen“ belügen. Ihr Kollege aus der Rheinischen Kirche meinte, das Buch wolle dazu anleiten, nicht mehr selbstbestimmt zu leben, sondern ein von Christus bestimmtes Leben zu führen. Diese strikte Trennung sei jedoch „wirklichkeitsfremd“.
Auch von kirchlicher Seite werden Menschen, die sich zur Unfehlbarkeit der Bibel stellen, als „christliche Fundamentalisten“ bezeichnet. Heißt das vielleicht, dass die Sprecher sich selbst als unchristlich bezeichnen würden, oder als Christen ohne Fundament? Auf jeden Fall wollen sie nicht zu den „Konservativen“ gezählt werden. Konservative sind nun aber Menschen, die sittliche und christliche Werte bewahren. Wer das nicht sein will, wird die Werte verschleudern.
Inzwischen sprechen die Kirchen nicht mehr so massiv gegen die Kraft zum Leben-Aktion. Und die Braunschweiger Bibelgesellschaft hat inzwischen eine ähnliche, viel kleinere Kampagne gestartet, bei der sie ein Neues Testament verschenkt. Löblich! Ob sich die Menschen deswegen aber einer der großen Kirchen zuwenden, ist zweifelhaft. Denn Kraft zum Leben rät bei der Auswahl einer Gemeinde unter anderem zu fragen: „Erkennt sie an, dass die Bibel von Gott kommt und lehrt sie das auch?“
Quellen: Pro 1/02; Topic 1+2/02; Focus 3,6/02; Idea Spektrum 14/99; 3-10.16.18/2002. www.kraftzumleben.de.