ThemenPredigten und Bibelarbeiten

Esra – ein alttestamentliches Vorbild für auslegendes Predigen

In seinem Dienst an den Menschen Judas zum Beginn der nachexilischen Zeit bietet Esra ein ungewöhnlich klares und inspirierendes Vorbild für auslegendes Predigen. Er ist ein Beispiel für die Hingabe eines Auslegers – im Studieren, in der Gottesfurcht und im Lehren – was ihn dazu befähigt, die Aufgabe eines Auslegers zu erfüllen: das deutliche Lesen und Erklären der Schriften. In dem er dies tut, fordert er die Ausleger aller Generationen heraus, das Wort der Wahrheit recht auszuteilen.

War Esra ein Ausleger1 des Wortes Gottes? Wenn ja, was können Prediger von einem Mann lernen, der für christliche und jüdische Ausleger als Vorbild gilt?2

Im richtigen Sinne stehen heutige Ausleger in einer Nachfolge, die sich von Esra3 bis heute erstreckt. Nach rabbinischer Tradition führte Esra viele grundsätzliche Lehrsätze ein, aus denen sich die „Große Synagoge“ und ihr Predigtstil entwickelte.4 Jahrhunderte später übernahm die frühe Kirche viel vom Gemeinwesen der Synagoge, ihrer Gottesdienstordnung und sogar von ihrem Predigtstil. Wenn der Judaismus den Vorbildern folgte, die Esra eingeführt hatte, und wenn die Kirche viele ihrer ersten Praktiken aus dem Judaismus übernahm, ist es möglich, dass das auslegende Predigen von dieser frühen Zeit an eine ungebrochene Nachfolge von „Kanzelrednern“ genoss?5

Dieser Aufsatz argumentiert, dass Esra ein frühes und inspirierendes Beispiel für die Ausleger aller Zeiten verkörpert. Die Schrift behauptet nie direkt, dass Esra der erste wahre Ausleger war,6 dass Esras Auslegungsmethode von einer „ununterbrochenen“ Folge von Predigern genutzt wurde7 oder dass Esra ein vollständiges Vorbild von dem abgibt, was ein Ausleger sein und tun sollte.

Esras Beispiel könnte deutlich machen, dass es an eigener Hingabe und Praxis der Bibelauslegung mangelt Anstatt nach Präzedenzfällen oder einer ununterbrochenen Sukzession zu suchen, die nicht bewiesen werden kann, sollten nachfolgend die wichtigen Aussagen in Bezug auf das alttestamentarische Vorbild des auslegenden Predigens am Beispiel Esras gesucht werden:8 das Buch Esra-Nehemia9 stellt in der Person des Esra die Hingabe eines Auslegers (Esra 7,10) dar, die ihn dazu führt, die Aufgabe eines Auslegers zu erfüllen (Neh 8,1–8).

I. Die Hingabe des Auslegers

Hören, lernen, fürchten und tun

Esra war Priester und Schriftgelehrter, aber an ihn wird in erster Linie als ein „Ausleger des Wortes Gottes für die Gemeinschaft der Gläubigen“10 gedacht. Als Ausleger zeigt er einen Einsatz , dem die Männer Gottes folgten, welche die Schriften lasen und den anderen erklärten, was Gott wollte, dass sie glaubten, und was sie im Dienst für ihn tun sollten. Esra hatte einen, wenn auch indirekten, Auftrag von Mose erhalten, das Gesetz während des Laubhüttenfestes zu lesen (ein Auftrag, der unbestritten zu allen Gelegenheiten relevant ist), eine Gelegenheit, die an Gottes Versorgung in der Wüste erinnerte (5Mo 31,10–12). Laut Mose lag der Zweck für diese Lesung darin, „damit sie [das Volk] hören und damit sie lernen und den HERRN, euren Gott fürchten und darauf achten, alle Worte dieses Gesetzes zu tun“ (5Mo 31,12b). Zu hören, zu lernen, zu fürchten und zu tun, was geschrieben ist, darin liegt die Passion des auslegenden Predigens.

In der Zeit von Mose bis Esra war Israel dem Worte Gottes nicht gerade gern gehorsam. Lichtblicke wie die Reform Josias waren eher die Ausnahme. Viele Priester Gottes versagten in der Aufgabe, sein Wort zu lesen und zu lehren. Außerdem gehorchte das Volk oft nicht der Lehre, die es erhalten hatte. Der Gipfel dieser traurigen Verwaltung der Offenbarung Gottes war die siebzigjährige Gefangenschaft.

Nach der Sklaverei im babylonischen Exil brachte Gott sie zurück, indem er sie wie Schafe nach Zion zurückführte. Er benutzte feindliche Völker, um sein Volk in das Exil und zurück zu begleiten, um die Gerichte und die Segnungen seines Bundes zu erfüllen. Nachdem ein Teil des verheißenen Landes wieder von seinem Volk bewohnt wurde, das Opfersystem wieder eingesetzt und der jährliche Kreis der Feste und Sabbate wieder eingerichtet worden war, benutzte Gott Esra, um sein Volk zu einer Erneuerung des Bundes zu rufen. Diese Einladung, die Gemeinschaft zu erneuern, beinhaltete einen erneuten Vortrag des Gesetzes Gottes, obwohl das Gesetz in der Praxis nicht vollständig das des persischen Provinzsystems ersetzen würde.

Gott gebrauchte Esra nicht wegen seiner Führungsqualitäten oder Abstammung, sondern weil er sein Herz darauf gerichtet hatte, Gottes Wort zu studieren, zu tun und zu lehren

So wie Gott Mose vorbereitet und beauftragt hatte, der Gesetzgeber des ersten Exodus zu sein, so bereitete er auch Esra vor und beauftragte ihn, der Wiederhersteller des Gesetzes für den zweiten Exodus11 des Volkes Israel (2Esdras12 14) zu sein. Die Bibel zeigt deutlich, dass der König Esra erlaubte, aufzubrechen und seinem Volk in seinem Heimatland zu helfen, gab ihm sogar qualifizierte Hilfe und die nötige finanzielle Unterstützung, „da die Hand des HERRN, seines Gottes, über ihm war“ (Esra 7,6). Aber die Hand Gottes war einzigartig über Esra, „denn (hebr. kî) Esra hatte sein Herz darauf gerichtet, das Gesetz des HERRN zu erforschen und zu tun und in Israel die Ordnung und das Recht des HERRN zu lehren“ (Esra 7,10).13

In den Augen der Menschen hätten einige der anderen Fähigkeiten Esras ihn geeigneter für die Aufgabe erscheinen lassen, aber der Abschnitt sagt, dass Gott Esra erwählte, weil er beschlossen hatte,14 das Gesetz zu studieren, zu tun und zu lehren und nicht, weil er eine ausgesprochene Führungsgabe oder eine gebieterische Statur hatte. Seine fortgeschrittene Ausbildung (als Priester und Schriftgelehrter) und seine Zugehörigkeit zum israelitischen und persischen Adel scheinen, obwohl sehr eindrucksvoll, Gottes Wahl nicht beeinflusst zu haben. Selbst wenn der Stammbaum in den vorangehenden Versen (7,1–5) seine ehrwürdigen Vorfahren nachweist und selbst wenn seine Einreisepapiere (vgl. 7,11–26, ein Erlass) beweisen, dass seine Mission vom König von Persien genehmigt war, wählte Gott Esra wegen seiner persönlichen Hingabe, das Wort Gottes zu studieren, zu leben und zu lehren, aus.

Die Aufgabe der Bibelauslegung war nicht sein Dienst, sondern sein Leben

Esra hatte „sein Herz“ auf den Dienst des Wortes Gottes „gesetzt“ und würde das auch weiterhin tun. Sein Herz auf etwas setzen bedeutet „sein Herz ständig auf“ ein Ziel „zu richten“.15 Für Esra war die Hingabe tief und andauernd. Sehr häufig wird „Herz“ (leb/lebab) benutzt, um das eigentliche Zentrum des menschlichen Lebens zu beschreiben. Esra, oder jeder, der seinem Beispiel folgen würde, richtete den Kern seines Seins ständig auf die Aufgabe der Bibelauslegung. Zu sagen, diese Aufgabe war „sein Dienst“, bedeutet, dass man den Schwerpunkt dieser Aussage verfehlt. Man könnte sagen es war sein Leben – seine alles umfassende Leidenschaft. Wenig anderes erheischte seine Aufmerksamkeit so wie die Aufgabe, die Gott ihm gestellt hatte. Seine größte Anstrengung richtete Esra darauf, das Gesetz Gottes zu studieren, zu tun und zu lehren, jedes vollständig und in der richtigen Reihenfolge.

A. Gottes Wort studieren

Studieren und Ausleben des Wortes gehört zusammen

Esra war für den Auftrag geeignet, weil er ein tiefes Verlangen danach hatte, das Gesetz Gottes auszulegen,16 „d.h. zu lernen und zu interpretieren“17 von 1. Mose (Genesis) bis 5. Mose (Deuteronomium), besonders die Abschnitte des Gesetzes – obwohl die Erzählungen nicht ausgelassen werden.18 Interessanterweise ist in der Bibel kein Bericht über die langen und anstrengenden Stunden, die Esra in der Arbeit über Gottes Wort verbracht hat, erhalten. Die Einzelheiten seiner Ausbildung als Stellvertreter, die vielleicht in einem sehr jungen Alter begonnen hat, sind dem modernen Leser ebenfalls nicht zugänglich. Was die Bibel deutlich bei Esra beschreibt, es ist ein Mann, der entschlossen war zu studieren. Seine frühere Vorbereitung als Priester und Schriftgelehrter ließ sein Verlangen mehr zu studieren nicht verkümmern.

Aber ein klares Verständnis der Botschaft allein war nicht genug.19

B. Gottes Wort ausleben

Esra war nicht damit zufrieden, gut über Gottes Gesetz informiert zu sein. In den sehr schwierigen Augenblicken, die vor ihm lagen, erwies sich Esra als einer, der sich verpflichtet fühlte, die ethisch-theologischen Prinzipien, die er in seinem Studium gelernt hatte, auszuleben.20 Esra hielt sich nicht nur selbst an das Wort Gottes, sondern er erwartete dies auch von jenen, denen er es darlegte. Esras Eifer für sich und andere, das zu tun, was er aus dem Wort Gottes gelernt hatte, erforderte auch, dass er andere lehrte.

C. Gottes Wort lehren

Trotz aller Anstrengungen, in der Bibel scharfe Unterschiede zwischen predigen und lehren zu machen,21 besteht offensichtlich ein großes Maß an Überschneidung zwischen den beiden Funktionen. Tatsächlich scheint der Unterschied zwischen ihnen nur quantitativ zu sein, wobei Predigen eine mehr ermahnende Art des Vortrags darstellt.22

Esras Lehren war im offenbarten Willen Gottes verwurzelt, wie er in den ersten fünf Büchern der Bibel zu finden ist. Das mag im Vergleich zu den 66 Büchern der Bibel, die die Gemeinde heute besitzt, wenig Lehrmaterial scheinen, aber man muss daran denken, dass viele der wichtigen Lehren, die sich in der Schrift vom 1. Buch Mose bis zur Offenbarung finden, in ihren Ansätzen schon in den ersten elf Kapiteln des 1. Buch Mose erscheinen.23 Esra hatte allein in diesen Kapiteln genug24 zu lesen und darzulegen!

Das Studium wird von der Unwirklichkeit bewahrt, das Verhalten von Unsicherheit und das Lehren von Unaufrichtigkeit und Oberflächlichkeit

Der Inhalt und die Anordnung von Esras dreifacher Hingabe sind eine immerwährende Herausforderung an die Ausleger des Wortes Gottes: Ist Lehren ohne sorgfältiges Studium möglich? Ist ein gottgefälliges Leben möglich, ohne zuerst Gottes Maßstab zum Leben zu kennen? Ist Lehren auf der Grundlage des sorgfältigen Studiums möglich, ohne dass die Lehren zuerst im Leben des Lehrers gelebt werden? Die Ermahnung „auszuleben was man predigt“ ist hier recht zutreffend.

Wenn jede Phase von Esras Beispiel vollständig und in der richtigen Reihenfolge eingehalten wird, wird diese dreifache Hingabe viele Auslegungsmängel vermeiden: „Das Studium wird von der Unwirklichkeit bewahrt, das Verhalten von Unsicherheit und das Lehren von Unaufrichtigkeit und Oberflächlichkeit.“25

Theoretisch gesprochen stellt das Buch Esra-Nehemia Gottes souveräne Macht in der Erfüllung seiner Bundesversprechen dar. Es ist ein weiteres Glied in der Kette der Geschichte Gottes vom verlorenen Paradies zum wiederhergestellten Paradies (nämlich 1. Mose bis Offenbarung). Aber in dieser Kette bietet die Person Esra Auslegern ein Beispiel geordneter Prioritäten, denn eines Tages rief ihn das Volk dazu auf, das Gesetz JHWHs öffentlich zu lesen.26 Dies ist einer der kritischen Momente, auf die Gott Esra vorbereitet hat und auf die Esra fest seinen Blick richtete. Esra, ein Mann mit der Hingabe, das Gesetz JHWHs zu studieren, auszuleben und zu lehren, muss nun die Frucht seiner Arbeit vorlegen. In der Ausdrucksweise des Augustinus muss er sein „Opfer“ bringen. In einfachen Worten gesagt, muss er das Wort Gottes lesen und „auslegen“.27

II. Die Aufgabe des Auslegers

Studieren – ausleben – lehren

Eines Tages versammelten sich ungefähr 42.360 Menschen auf dem Platz vor dem Wassertor, einem Ort, der vielleicht wegen seiner Nähe zum neuerbauten Tempel gewählt wurde. Sie traten auf Esra zu und brachten ihren Wunsch vor: Er solle „das Buch mit dem Gesetz des Mose“ bringen (Neh 8,1). Esra brachte das Buch, stieg auf die hölzerne Plattform (wörtlich „ein Turm aus Holz“)28 und schlug das Buch auf. Als Antwort stand das Volk ehrfürchtig auf (viele mögen schon gestanden haben) und nahm damit eine dem Anlass entsprechende Haltung ein (Vers 5). Esra begann mit einem Lobpreis,29 worauf die bestätigende Antwort des Volkes „Amen, Amen“ (Vers 6)30 lautete. Esra las dann das Buch und erklärte mit Hilfe einer ausgewählten Gruppe, wahrscheinlich gelehrten Leviten, die Bedeutung der Abschnitte in der jeweils nötigen Art und Weise, entweder durch Übersetzung oder Interpretation (Vers 8).31 Das ist Bibelauslegung.

Von besonderer Bedeutung für die vorliegende Studie ist Esras Proklamation des Wortes Gottes. Wie wirkt sich die dreifache Hingabe Esras zu studieren, auszuüben und zu lehren in seiner Behandlung der Schriften vor der Gemeinde aus? Genauer gesagt, wie drückt sich seine Hingabe in seinem Predigen aus?

A. Das Buch lesen

Das Lesen des Buches (Neh 8,8) scheint schwerlich des Kommentars zu bedürfen, aber an diesem Punkt sollte jede Diskussion über auslegendes Predigen beginnen. Wohlmeinende Ausleger lesen oft die Schrift,32 als ob das Lesen qualitativ minderwertiger oder zweitrangig zur Predigt wäre. Torreys Übersetzung von Neh 8,8 zeigt richtig, dass die Auslegung, die Esras Lesung folgte, nur die Magd der Lesung selbst ist: „Und sie lasen aus dem Buch des Gesetzes Gottes klar vor und gaben den Sinn, damit die Lesung verstanden wurde.“33

Die Auslegung ist nur die Magd der Lesung

In anderen Worten, Esra und seine Assistenten verwendeten große Sorgfalt darauf, „genaue Aussprache, Betonung und Ausdruck [zu erreichen], um die Einheiten des Stückes und ihren überlieferten Sinn verständlich zu machen“,34 bevor sie den zitierten Text darlegten. Interpretierende Kommentare dienten nur dazu, die Lesung zu verbessern und nicht umgekehrt.

Als Auswirkung ist es unvermeidbar, dass, je weiter sich ein Prediger vom Lesen des Textes entfernt, desto größer ist das Risiko, überflüssige, falsche und ablenkende Kommentare hinzuzufügen. Das extremste Beispiel tritt auf, wenn der Prediger überhaupt keinen Text benutzt, und die Gemeinde auf der Grundlage ihres erinnerten Bibelwissens selbst über die Wahrheit der angeblich biblischen Botschaft entscheiden muss. Den Schwerpunkt auf das Lesen zu legen ist ein Schutz dagegen, dem Text externe Ideen aufzuerlegen.

B. Das Buch auslegen

Die Auslegung unterstützt den Leseprozess

Esra und andere35 „gaben den Sinn an“ (som sekel), nachdem sie einen Teil der Schrift „klar gelesen hatten“, und „legten den zitierten Text dar“ (wajjabijnu bammiqra‘) (Neh 8,8).36 Dreiundvierzigtausend Menschen benötigen viel Erklärung! Wenige andere Abschnitte im Alten oder im Neuen Testament zeigen das auslegende Predigen so im Detail, als das, was es wirklich ist, d.h. das Wort Gottes für die Glaubensgemeinschaft so „auszulegen“, dass die Menschen hören um zu lernen, lernen um sich zu fürchten und sich fürchten, um die Gottesfurcht zu praktizieren so wie es Mose geboten hat (5Mo 31,12). Kurz gesagt, Auslegung unterstützt den Leseprozess, unabhängig davon, ob das Wort einzeln oder in einer Gruppe gelesen wird, wie es hier der Fall war. Esra legte dem Volk Gottes nicht aus, was traditionell oder in Mode war, nicht das letzte Meisterwerk aus Großpersien oder die Überlegungen Vater Abrahams. Er legte klar dar,37 nur was er in Gottes Wort las und gründete seine Auslegung auf das, was er durch sorgfältiges Studieren gelernt hatte.

Mehr noch, seine Anwendung der Abschnitte war aktuell und relevant. Obwohl es schwierig ist, genau zu bestimmen, was Esra zusammen mit der Lesung sagte, dient das Buch Esra-Nehemia als Vorbild dafür, das Gesetz auf eine neue Situation anzuwenden. Dies wird auch an den Zitaten aus dem Pentateuch deutlich, die nicht wortwörtlich zitiert werden.38 Die Art und Weise, wie sie verändert wurden, spiegelt die Anwendung auf die neue Situation von Esras nachexilischer Gemeinde wieder, ähnlich, wie die Gesetze, die im Pentateuch niedergeschrieben sind, Anwendungen des ursprünglichen Gesetzes, das am Sinai gegeben wurde, auf die neue Situation in der Ebene von Moab sind.39 Mose war die Quelle der beiden späteren Ausgaben des Gesetzes.

Anwendung des Gesetzes auf die neue Situation

Aber hier hörte das Lehren/Predigen nicht auf. Esra hatte ebenfalls einen Lehrauftrag40 unter den Familienoberhäuptern, den Priestern und den Leviten, d. h. den anderen Lehrern (Neh 8,13). Dieses Vorbild, zu den Massen zu predigen und kleinere Gruppen von Führern zu lehren, war bei Jesus nicht anders, als er das Gesetz in der Bergpredigt und in den mehr persönlichen Unterweisungen der Zwölfen darlegte. Esra hörte nicht auf, sein bestes zu geben, um sicherzustellen, dass sein Volk das geschriebene Wort Gottes verstanden hatte und anwendete.41

Esras Proklamation ist keine von den Predigten, die am Sonntagmorgen an eine Gemeinde gerichtet werden, sie offenbart eine zeitlose und universelle Qualität in Bezug auf das Wesen der Auslegung. Esra dient als ein Vorbild für die Hingabe eines Auslegers – zu studieren, Gottesfurcht zu praktizieren und zu lehren, was ihn dazu führt, die Aufgabe eines Auslegers zu erfüllen – klar zu lesen und die Schrift zu erklären, damit seine Zuhörer als Lernende hören, als sich Fürchtende lernen und sich als Gottesfürchtige fürchten.

Zur Ermutigung der Ausleger tut Gottes Volk immer noch Buße und jubelt, wenn ein gut vorbereiteter Lehrer ihnen hilft, die Schrift zu verstehen,42 wie es zur Zeit Esras geschah. Liebe Mitausleger, richtet euer Herz darauf, das Wort des Herrn zu predigen.


  1. Williamson argumentiert, dass Esra ein „Ausleger des Wortes Gottes für die Gemeinschaft der Gläubigen“ war (H. G. M. Williamson, Ezra and Nehemiah. Sheffield: JSOT, 1987, 70). Der Ausdruck „Ausleger“ erlaubt in gewisser Hinsicht zu viel Freiraum in der Definition. Mit „Ausleger“ meint der Autor des vorliegenden Werkes jemanden, der mit Hilfe der Exegese die normale Bedeutung eines Textes bestimmt: „Es ist aus Sir. 39, 3 erkennbar, dass ausführliche Exegese Teil der Sachkenntnis der Schriftgelehrten war“ (Christopher Rowland, Christian Origins: From Messianic Movement to Christian Religion. Minneapolis: Augsburg, 1985, 48). Talmon behauptet, dass die Schriften dieser Zeit auch eine Entwicklung bestimmter exegetischer Prinzipien offenbaren (Shermaryahu Talmon, „Ezra and Nehemiah“, in Robert Alter and Frank Kermode, eds., The Literary Guide to the Bible. Cambridge: Harvard University, 1987, 357). 

  2. Yamauchi argumentiert, dass es Esras gefeierte Rolle als Schriftgelehrter war, „die verschiedene Versuche ihm alle möglichen Schriften zuzuschreiben, verursachte“ (z. B. das Buch Esdras) (Edwin M. Yamauchi, „Postbiblical Traditions About Ezra and Nehemiah“, in: Walter C. Kaiser and Ronald F. Youngblood, eds., A Tribute to Gleason Archer. Chicago: Moody, 1986, 1749. 

  3. Wenn der Talmud Recht hat, war Esra ein Stellvertreter Baruchs, des Schreibers Jeremias (Megilla, 166). 

  4. R. J. Coggins, „Ezra-Nehemiah“, in: R. J. Coggins and J. L. Houlden, eds., A Dictionary of Biblical Interpretation. London: SCM, 1990, 229. 

  5. Unabhängig von der Antwort auf diese Frage gilt der Standpunkt Larsens immer noch: „Die heutigen Prediger stehen in dieser ehrfurchtgebietenden (aber vielleicht unterbrochenen) Nachfolge. Wir sind die Nachkommen dieser ungewöhnlich herausfordernden Sprecher Gottes in all ihrer Verschiedenheit und Vielfalt“ (David L. Larsen, The Anatomy of Preaching. Grand Rapids: Baker Book House, 1989, 15). Die entscheidende Frage in dieser Hinsicht ist hermeneutischer Art: Haben Ausleger seit Esra die Exegese als Grundlage ihrer Auslegung benutzt? Frühe Ausleger schienen bestrebt gewesen zu sein, ihre hermeneutischen Fähigkeiten im Zusammenhang mit dem Kopieren des Textes aufrechtzuerhalten. Tatsächlich „war es Teil der Aufgabe der späteren Weisen, Schüler zu lehren und zu sammeln, die ausreichend gut mit exegetischen Fähigkeiten und dem Wissen um frühere Gedanken ausgerüstet waren …“ (Rowland, Christian Origins, 49). 

  6. „Da der Schriftgelehrte Esra nicht nur mit dem Wissen um das alte Gesetz, sondern auch als Führer eines gefestigten Gefolges levitischer Ausleger aus Babylon zurückkehrte, ist es wenig wahrscheinlich …, dass Esras Arbeit als Schriftgelehrter eine neue Aufgabe war … Esra erbte eine ehrwürdige israelitische Tradition von Schrift- und Textgelehrsamkeit“ (Michael Fishbane, Biblical Interpretation in Ancient Israel. Oxford: Clarendon, 1985, 37). Wenn die Unterscheidung zwischen Exegese und ihrem Produkt, das „Auslegung“ genannt wird, unterlassen wird, entsteht große Verwirrung. Das erste ist eine Studienmethode, das zweite ist die öffentliche Verkündigung einer Botschaft. Einzelheiten über das Halten einer Predigt zu erörtern, sprengt den Rahmen dieser Arbeit. 

  7. Wenn man daran denkt, Präzedenzfälle und Sukzessionen einzuführen, die auf der Schrift beruhen, sollte man von den fehlgeleiteten Anstrengungen von Christoph Kolumbus lernen, der auch einen Esra zugeschriebenen Abschnitt (2Esr 6,42) benutzte, um die Unterstützung von Ferdinand und Isabella für seine Reise von 1492 zu bekommen (S. E. Morrison, Christopher Columbus, Mariner. New York: New American Library, 1955, 115). In bezug auf den häufigen Missbrauch der Schrift durch Kolumbus schreibt Fleming: „Es ist deswegen sehr schwer zu zeigen, dass er eine verständliche und definierbare Reihe interpretativer Prinzipien benutzte. Statt dessen versuchte er mit einer Art durchschnittlichen exegetischen Opportunismus die Bedeutsamkeit seiner Erfahrung zu vergrößern“ (John V. Fleming, „Christopher Columbus as a Scriptual Exegete,“ Lutheran Quaterly 5/2, Summer 1991, 187). 

  8. Legt das Beispiel Esras nahe, dass es an eigener Hingabe und Praxis der Bibelauslegung mangeln könnte? Fordert das Beispiel Esras heraus, sein eigenes Predigen zu hinterfragen? Der Autor benutzt Esra in der Art und Weise wie der Schreiber des Hebräerbriefes die Beispiele des Glaubens benutzt; sie hatten beispielhaften Glauben zu bestimmten Zeiten. Sogar William Perkins, der bekannt dafür ist, dass er immer wieder betont „den guten Beispielen zu folgen“, schützte sich vor exegetischem Missbrauch mit dem Anspruch: „So wie negative Beispiele in jeder Hinsicht vermieden werden sollen, so sollen positive befolgt werden.“ Perkins Predigten waren in ihrer Art so exegetisch, dass sie als Kommentare dienten, als sie posthum von seinen Studenten veröffentlicht wurden. Die Methode, die er benutzte, um die Positivbeispiele von Negativbeispielen abzusetzen, lag darin, andere und deutliche biblische Lehren, die sich auf dieses Verhalten bezog, anzuwenden (William Perkins, A Commentary on Hebrews 11. n.p. 1609, 14). Vom Standpunkt der thematischen Absicht aus handeln die Bücher Esra und Nehemia von Gottes souveräner Fürsorge, aber als Illustration erzählen sie uns aus vielen Perspektiven von beispielhaften Führern (und sogar Hörern!). Esra ist ein Vorbild, weil er den Maßstäben denen ein idealer Ausleger der sich auf andere Bibelabschnitte und theologischer Schlussfolgerungen stützt, entsprach. Die Komplexität des thematischen Vorhabens und der informatorischen Relevanz wird untersucht in Larry Jones und Linda Jones „Multiple Levels of Information Relevance in Discourse“ in Discourse Studies in Mesoamerican Languages (Summer Institute of Linguistics Publication 58. Dallas: Summer Institute of Linguistics and Universtiy of Texas, Arlington, 1979), 1, 3-28. 

  9. Esra und Nehemia bildeten im hebräischen Manuskript ein einziges Buch des Alten Testamentes, das eine theologische Darstellung nachexilischer Geschichte ist. Kommentare zu Esra-Nehemia sind im Überfluss vorhanden, aber zwei der besten protestantischen sind F. Charles Fensham, The Books of Ezra and Nehemiah (Grand Rapids: Eerdmans, 1982) und H. G. M. Williamson, Ezra, Nehemiah (Waco, TX: Word, 1985). Der wahrscheinlich beste erhältliche Kommentar stammt von W. Rudolf, Esra und Nehemia (Handbuch zum Alten Testament; Tübingen: J. C. B. Mohr, 1949). 

  10. H. G. M. Williamson, Ezra and Nehemiah, 70. 

  11. Während es einfach ist, Übereinstimmungen zwischen Mose und Esra zu forcieren, „was wenigstens klar ist, ist, dass die Mission … für Esra … einen neuen Anfang darstellte, eine Kopie des ersten Exodus, der gefolgt werden musste, damals wie jetzt, mit der Gebung des Gesetzes“ (Josepf Blenkinsopp, Ezra-Nehemiah: A Commentary. Philadelphia: Westminster Press, 1988, 139). Williamson schreibt die klaren Übereinstimmungen der Tatsache zu, dass „das Volk ständig die Versicherung gebraucht habe, dass sie und ihre Einrichtungen tatsächlich in direkter Linie mit denen des pre-exilischen Israel standen“ (Williamson, Ezra, Nehemiah, 11). Esras Lesen und Auslegen des Wortes Gottes wurde auf dem Hintergrund der mosaischen Analogie verstanden. 

  12. „Esdras“ ist von dem griechischen Equivalent des hebräischen Namens für „Esra“ transliteriert. 

  13. Außerbiblische Literatur macht Esras dreifache Hingabe zu einem noch nie dagewesenen Ideal, nach dem alle Schriftgelehrten, die nach Esra kommen, streben müssen (Sir 38, 224–39,11). 

  14. „Der Schwerpunkt wurde auf Esras Mission und auf seine Eignung für ihre Bewältigung gelegt“ (Batten, The Books of Ezra-Nehemiah. ICC; New York: Charles Scibner’s Sons, 1913, 306). 

  15. Ludwig Koehler und Walter Baumgartner, Lexicon in Veteris Testamenti Libros. Leiden: E. J. Brill, 1958, 428. Der Schreiber vom 2. Buch der Chronik benutzt diesen Ausdruck, um zu beschreiben, wie inbrünstig sündige Menschen Gott suchen sollten (vgl. 2Chr 12, 14; 19, 3, 20; 33; 30; 19). Der Ausdruck „Herz“ wird am besten in einem allgemeinen Sinn als „der Ort allen Denkens, Planens, der Überlegung, des Erklärens und des Ehrgeizes …“ verstanden (Hans-J. Kraus, Theology of the Psalms. Minneapolis: Augsburg, 1986, 145). 

  16. Der Ausdruck (daraš, „er fragte nach“), der hier verwendet wird, wie auch der Ausdruck (paraš, „er machte bekannt“) in Neh 8,8 erfahren eine wesentliche Bedeutungsänderung: Gott direkt in einem seherischen Sinn zu befragen, wie in 2Mo 18,15 beziehungsweise 3Mo 24,12, wird zu Gottes Gesetz befragen „als eine vollkommen rationale Art der Erklärung oder Auslegung“ (Fishbane, Biblical Interpretation, 245). Diese Bedeutungsänderung deckt sich mit der Entwicklung des Bedürfnisses der Auslegung des offenbarten Textes. 

  17. D. J. A. Clines, Ezra, Nehemiah, Esther. NCB; Grand Rapids: Eerdmans, 1984, 101. 

  18. Yamauchi zählt die vier wichtigsten Hypothesen und ihre Befürworter auf in Bezug auf die Identität ‚des Buches mit dem Gesetz des Mose‘, „welches Esra der versammelten Menge für ungefähr fünf Stunden vorlas (Neh 8, 2–15). Angeordnet vom Minimum zum Maximum sind es 1. Eine Sammlung von Gesetzesmaterial: Rudolph Kittel, Gerhard von Rad, Martin Noth; 2. Der Priesterkodex: Abraham Kuenen, Bernhard Stade, W. H. Koster, Eduard Meyer, W. O. E. Oesterly, Adolphe Lods, Hans-J. Kraus; 3. Die deuteronomischen Gesetze: Laurence Browne, Raymond Bowman, M. F. Scott, Ulrich Kellermann; 4. Der Pentateuch: Julius Wellhausen, Ernest Sellin, Hans Schaeder, Otto Eissfeldt, Wilhelm Rudolph, Kurt Galling, Sigmund Mowinckel, William F. Albright, John Bright, Frank Cross und James Sanders“ (zitiert in E. Yamauchi, Persia and the Bible. Grand Rapids: Baker, 1990, 257 und entnommen aus S. Mowinckel, Studien zu dem Buche Ezra-Nehemiah III: Die Ezrageschichte und das Gesetz Moses. Oslo: Univeritetsforlaget, 1965). Neuere Einwände von C. Houtman, Esras Gesetzbuch als den Pentateuch zu identifizieren („Ezra and the Law,“ OTS 21, 1981, 91–115) auf der Grundlage, dass die Gesetzeszitate in dem Buch Esra-Nehemia nicht aus dem Pentateuch stammen, haben von Williamson eine überzeugende Antwort erhalten: „Es mag somit nahegelegt werden, das eine Erklärung in den Methoden liegt, die Esra und andere in der Interpretation des älteren Gesetzes und seiner Anwendung auf die neuen Umstände ihrer eigenen Zeit anwendeten (Williamson, Ezra and Nehemiah, 93). 

  19. Der Ausdruck „studieren“ (daraš) ist ein Wort, das im allgemeinen „suchen“ bedeutet, vielleicht, um sich auf Esras Suche nach Gottes Botschaft zu richten. „Die wissenschaftliche Aktivität in der Tora drehte sich um die Überzeugung, dass die Offenbarung Gottes das sorgfältigste Studium verdiente und mehr noch demjenigen, der sorgfältig genug suchte, die Einsichten gewähren würde, die es dem Menschen möglich machen würde, nach dem göttlichen Willen zu leben“ (Christopher Rowland, Christian Origins, 52, kursive Betonung hinzugefügt). 

  20. Es sind einige alternative Übersetzungen vorgeschlagen worden. Michael Fishbane übersetzt (lacasot, „tun“) als „abfassen“ (Michael Fishbane, Biblical Interpretation, 36). Meyers verbindet lacasot mit lelammed („lehren“) zu einem Hendiadyoin, das als „effektiv lehren“ übersetzt wird, wenn er von der autorischen und/oder redaktionellen Arbeit Esras an den Schriften spricht (Jacob Meyers, Ezra-Nehemiah. AB; New York: Doubleday, 1965, 58). Die Bedeutung „ausführen oder tun“ ist jedoch gut belegt, besonders in Zusammenhängen, in denen dieser Ausdruck eine ethische Antwort auf das Wort Gottes beschreibt, wie sie hier in Esra 7,10 (vgl. auch 5Mo 31,12b) zu finden ist. 

  21. Das hebräische Wort im Piel-Stamm (lelammed), das normalerweise mit „lehren“ übersetzt wird vorzugsweise mit der Bedeutung „(jemanden an etwas) gewöhnen“ wiederzugeben, umgeht die Frage der rhetorischen Form, in dem es sich auf den neuen Zustand des Empfängers richtet, anstatt auf die Tat, durch die dieser Zustand erreicht wurde (Bruce K. Waltke und M. O’Connor, An Introduction to Biblical Hebrew Syntax. Winona Lake, IN; Eisenbrauns, 1990, 401). 

  22. Diese Schlussfolgerung beruht in erster Linie in einem scheinbaren Unterschied zwischen Ausdrücken des Neuen Testamentes (z.B. khrugma [kerygma] und didach [didache]). Mindestens drei Abschnitte benutzen diese beiden Ausdrücke in austauschbarer Art und Weise (d. h. Matt. 4,23 und 9,35; Lk. 4,15.44; Apg. 28,31). R. C. Worley behauptet überzeugend, dass Predigen und Lehren von den ersten Christen niemals strikt getrennt wurde (R. C. Worley, Preaching and Teaching in the Earliest Church. Philadelphia: Westminster, 1967). 

  23. D. J. A. Clines, The Theme of the Pentateuch. Sheffield: JSOT, 1978. 

  24. „Gesetz“ (hoq) und „Verordnung“ (mšpat) (Esra 7,10) beziehen sich auf sehr spezielle Aspekte des Gesetzes Gottes, „das erste bezieht sich auf die grundlegenden Bedingungen oder Auflagen des Gesetzes, das letztere auf ihre Anwendung in rechtlichen Fällen“ (Blenkinsopp, Ezra-Nehemiah, 139). „Aber die Anstrengungen, klar zwischen ihren Begriffsinhalten zu unterscheiden, sind nicht sehr erfolgreich gewesen“ (Jack P. Lewis, „?“, in R. Laird Harris et al., eds., Theological Wordbook of the Old Testament. Chicago: Moody, 1980, 317). Clines sieht beide Ausdrücke als ein Hendiadyion für die „Gesamtheit des Gesetzes“ (Clines, Ezra, Nehemiah, Esther, 101). 

  25. Derek Kidner, Ezra and Nehemiah. Downers Grove, IL: InterVarsity, 1979, 62. 

  26. Von großer Wichtigkeit ist, dass das Lesen und Auslegen Esras eine Erweckung einleitet (vgl. Walter C. Kaiser, Jr., Quest for Renewal: Personal Revival in the Old Testament. Chicago: Moody, 1986, 135). 

  27. Esras dreifacher Entschluss ist so wichtig, dass ein Autor gesagt hat: „Esras Taten im Rest des Buches müssen im Licht dieses Verses interpretiert werden,“ d. h. Esra 7,10 (Fensham, Ezra and Nehemiah, 101. 

  28. Der Zweck der Plattform mag rein praktischer Art gewesen sein, aber McConville sieht darin mehr: „Die Wirkung war, zu zeigen, dass diejenigen, die in der Gemeinschaft Autorität ausübten, selbst unter der Autorität Gottes waren und dass es deshalb das Wort Gottes war, das das Leben der ganzen Gemeinschaft regulierte“ (J. G. McConville, Ezra, Nehemiah, Esther. Philadelphia: Westminster, 1985, 116). 

  29. Vielleicht „ein kurzes Dankgebet für das Gesetz, wie sie im Talmud zum Gebrauch vor der Schriftlesung gegeben sind“ (TB, Berakot, 116) (D. J. A. Clines, Ezra, Nehemiah, Esther, 184). 

  30. Die Antwort des Volkes war eine Bestätigung des Lobpreises. Ungefähr zur gleichen Zeit in der Geschichte Israels ist dies die Antwort in einer Gerichtsverhandlung, wenn der Zeuge die Wahrheit der Aussage des Klägers vor dem Vertreter des Gerichts bestätigt. Die Verbindung ist einfach die, dass die genaue Darlegung der Fakten ein bestätigendes „Amen“, d. h. „Es ist wahr.“ verdient. Im Gerichtsprotokoll liest man: „Alle meine Begleiter werden für mich aussagen, alle, die mit mir in der Hitze der Sonne geerntet haben – sie werden für mich aussagen, dass es wahr ist“ (wörtlich „sie werden ‚Amen‘ sagen“) (Yavneh Yam Inscription, in Dennis Pardee, Handbook of Hebrew Letters. Chico, CA: Scholars, 1982, Zeilen 10–11). Die Rolle des Volkes in Nehemia 8 bietet ein gutes Beispiel für Zuhörer des 20. Jahrhunderts, obwohl vieles davon rituelles Protokoll war. Es ist häufig bemerkt worden, dass, obgleich die Anzahl guter Prediger in den letzten Jahren abgenommen hat, dies auch für die Anzahl guter Zuhörer gilt. Gute Zuhörer sind ebenfalls wichtig für einen effektiven Prozess auslegenden Predigens. 

  31. Die aramäische Form für den Ausdruck, wie er in Esra 4,18 erscheint, sollte mit „übersetzt“ wiedergegeben werden, aber „die grundsätzliche Bedeutung ‚deutlich machen/gemacht werden‘ (durch Offenbarung, Erklärung oder Übersetzung) bleibt dennoch bestehen“ (V. P. Hamilton, „parasch“ in R. Laird Harris et al., eds., Theological Wordbook of the Old Testament. Chicago: Moody, 1980, 740). 

  32. Für hilfreiche Vorschläge, wie die Schrift richtig zu lesen sei, siehe David A. Dombek, „Reading the Word of God aloud,“ in Samuel T. Logan, Jr., ed., The Preacher and Preaching. Phillipsburg: Presbyterian and Reformed, 1986, 419–444; Bryan Chapell, „The Incarnate Voice: An Exhortation for Exellence in the Oral Reading of Scripture“, in: Presbyterion 15, 1, Spring 1989, 42–57 und Thomas Edward McComiskey, Reading Scripture in Public. Grand Rapids: Baker, 1991. 

  33. Charles C. Torrey, „The Ezra Story in Its Original Sequence“, in: Ezra Studies. New York: KTVA, 1970 (Neuauflage der Edition von 1910), 268, kursive Betonung hinzugefügt. 

  34. Fishbane, Biblical Interpretation, 109. 

  35. Esra war „der Führer eines gefestigten Gefolges levitischer Dolmetscher“ (ebd., 37). Williamson bietet ein überzeugendes Argument an, Esra in die interpretative und erklärende Tätigkeit mit einzuschließen (H. G. M. Williamson, Ezra-Nehemiah, 290). 

  36. Fishbane, Biblical Interpretation, 109. Beide Verben sind eindeutig exegetisch und weisen auf die Hinzufügung von Klarstellungen und Interpretationen zum Text hin, wo die Betonung und die Ausdrucksweise und die überlieferte Bedeutung nicht ausreichen“ (ebd.). Viele frühe jüdische und frühe christliche Interpretationen waren unrealistisch und allegorisch, aber die „Antiochische Schule“ der Interpretation war nicht die erste, die für ein „normales“ Lesen der Schrift eingetreten ist. Sehr früh „repräsentierten [die Sadduzäer], insofern ihre Glaubenslehren rekonstruiert werden können, einen eher wörtlichen Ansatz bei der Interpretation der Schrift (Ant. 13.297), ihre Einstellung könnte weiter verbreitet gewesen sein, wie wir manchmal annehmen“ (Rowland, Christian Origins, 47). 

  37. Die Puritaner sprachen vom „Öffnen“ einer Bibelpassage, um sie somit klar verständlich zu machen. Einige neigten dazu, ihre Predigten zu literarischen Meisterwerken zu machen. Als Antwort auf solche literarischen Ziele ist der weise Rat erinnernswert, den Elisha Yale den jungen Predigern, die er im oberen Teil des Staates New York ausgebildet hat, gab: „Wieviel Aufmerksamkeit Sie auch immer Ihrem Stil und Ihre Sprache geben wollen, tun Sie es nur mit dem heiligen Blick darauf, Ihre Predigten wirksamer für das Gute der Seelen zu machen. Ernähren Sie die Herde Gottes nicht mit Geräuschen und Schatten und Blumen anstatt mit dem kräftigen Fleisch des Wortes Gottes …“ (von einer Tafel am Fuß der Statue von Elisha Yale in Gloversville, NY). 

  38. vgl. C. Houtman, „Ezra and the Law,“ OTS 21, 1981, 95–115. 

  39. Williamson, Ezra and Nehemiah, 93. 

  40. Als Priesterschriftgelehrter wurde er das Modell für einen späteren religiösen Berufsstand, dessen Aufgabe das Studium und die Auslegung der Schrift war (vgl. Esra 7,10)“ (Andrew E. Hill und John H. Walton, A Survey of the Old Testament. Grand Rapids: Zondervan, 1991, 236). 

  41. Wolffs Kommentare sind in dieser Hinsicht überzeugend und ermutigend: „Natürlich ist es sehr wohl möglich, mitten in diesem mühsamen Prozess aufzuhören. Darin besteht fraglos die Gefahr, die uns jeden Tag gegenübersteht – die Gefahr aller ‚Schriftgelehrten‘: Die Gefahr, Mücken zu seihen und Kamele zu schlucken, sich über den Buchstaben zu streiten und den Schatz zu vergraben, der uns anvertraut wurde. Die Arbeit, den Text zu erklären, ist oft so mühsam, dass das Predigen in diesem Prozess verlorengeht. Aber es kommt dennoch immer wieder die Stunde, in der uns der Text dazu treibt zu predigen. Und wir werden auch von der Gemeinde herausgefordert, von den Nöten der Männer und Frauen um uns herum. Deshalb muss das Schweigen gebrochen werden und Nachforschungen und Erkundigungen müssen wiederum an andere Menschen weitergegeben werden“ (Hans Walter Wolff, Old Testament and Christian Preaching. Philadelphia: Fortress Press, 1986, 103). 

  42. Für eine ausgezeichnete Studie über Paulus‘ Philosophie des Predigens, vgl. George J. Zemek, „First Corinthians 2:1–5: Paul’s Personal Paradigm for Preaching,“ in Gary T. Meadors, ed., New Testament Essays in Honor of Homer A. Kent, Jr. Winona Lake, IN: BMH, 1991, 265–288.