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Eine einheitliche Theorie des Universums? zu Stephen Hawkings Buch „Eine kurze Geschichte der Zeit“

Stephen Hawking wird regelmäßig als größter Denker der Astrophysik seit Newton, Galileo und Einstein gepriesen. Seine Theorien über das Universum führen ihn unweigerlich zu Gedanken über Gott.

„Eine kurze Geschichte der Zeit“ veröffentlichte Hawking 1988. Das Buch wurde inzwischen in über 9 Millionen Exemplaren verkauft. Aber die Zeit bleibt nicht stehen. 1998 erschien die 3. Ausgabe des Buches unter dem Namen „Eine kurze Geschichte der Zeit – aktualisierte und erweiterte 10. Jubiläumsauflage“. Hawkings Buch1 wird an jeder großen Universität gelesen und ist in 33 Sprachen übersetzt worden. Er präsentiert eine neue Theorie, die über den sog. „Urknall“ hinausgeht. Er unternimmt damit einen weiteren Schritt, um eine einheitliche Theorie des Universums zu entdecken, nach welcher Einstein bis zum Ende seines Lebens gesucht hatte.

Nachdem nun in der Wissenschaft viel über dieses Buch gesprochen und diskutiert wurde, habe ich mich endlich einmal hingesetzt und es gelesen. Hawking ist in der Tat ein großartiger Theoretiker und seine Alternative zum „Urknall“, die auf der Quantentheorie basiert, klingt verlockend.

Hawking beeindruckt den Leser mit einer Reihe erst kürzlich entdeckter Kräfte, Wirkungen und unvorstellbar kleinen Teilchen. Er sucht nach Möglichkeiten einer Gottesexistenz, kommt aber zu dem Schluss, dass das Universum ewig sein könnte und Gott nicht gebraucht wird.

Wenn Hawking seine faszinierenden Theorien über das Licht entfaltet, dann stolpert er unter anderem über 1Mose 1,3, wo Gott sagt: „Es werde Licht.“ Aber Hawking kann keinen Zusammenhang erkennen. Er kommt zu dem Schluss, dass Licht und Erdanziehungskraft die gleichen Teilchen sind und dass Licht die fundamentale Größe des Universums ist. Er meint, wir müssten annehmen, dass Moses Worte über das Licht nur einer dieser zufälligen Lichtblicke im Dunkel des Altertums sind.

Hawking schreibt:

„Auch Teilchen mit Spin 0,1 oder 2 kommen unter bestimmten Umständen als reale Teilchen vor, die sich direkt entdecken lassen. Sie erscheinen uns in einer Gestalt, die ein klassischer Physiker als Welle bezeichnen würde – etwa als Licht – oder Gravitationswelle. Manchmal werden sie emittiert,2 wenn Materie-Teilchen durch den Austausch virtueller3 kräftetragender Teilchen aufeinander einwirken. (Beispielsweise ist die elektrische Abstoßungskraft zwischen zwei Elektronen auf den Austausch virtueller Photonen zurückzuführen, die sich direkt nicht beobachten lassen, doch wenn sich ein Elektron an einem anderen vorbeibewegt, können reale Photonen abgegeben werden, die wir als Lichtwellen wahrnehmen.)“4

Hawking stimmt Einstein darin zu, dass Versuche bewiesen haben, die Lichtgeschwindigkeit sei die einzige Konstante im Universum.

Hawking ist erfreulich offen, wenn er sagt, dass Theorien wie die Evolutionstheorie und all seine eigenen Forschungen nur Theorien sind

Nach all dem, was uns sonst als angebliche Fakten und Beweise der Evolutionstheorie angeboten wird, ist Hawking erfreulich offen, wenn er sagt, dass Theorien wie die Evolutionstheorie und die Relativitätstheorie und all seine eigenen Forschungen nur Theorien sind.

Sie können niemals bewiesen werden!

„Jede physikalische Theorie ist insofern vorläufig, als sie nur eine Hypothese darstellt: Man kann sie nie beweisen. Wie häufig auch immer die Ergebnisse von Experimenten mit einer Theorie übereinstimmen, man kann nie sicher sein, dass das Ergebnis nicht beim nächsten Mal der Theorie widersprechen wird. Dagegen ist eine Theorie widerlegt, wenn man nur eine einzige Beobachtung findet, die nicht mit den aus ihr abgeleiteten Voraussagen übereinstimmt.“

Denken Sie an die Millionen von Schülern und Studenten, die an Theorien glauben, die niemals bewiesen werden können. Das ist der Grund dafür, warum der brillanteste Theoretiker seit Einstein eine neue und aktualisierte Ausgabe seines Buches veröffentlichen musste. Es gibt nichts Relativeres als den Glauben, der auf der Relativität basiert. Das ist die moderne Alternative zu einem inspirierten, unfehlbaren, gleichbleibenden biblischen Text.

Für Hawking ist Gott nichts weiter als eine Theorie. Deshalb fällt es ihm nicht schwer zu schreiben, dass das Universum möglicherweise ewig ist.

„Die gegenwärtige Beweislage spricht also dafür, dass sich das Universum endlos ausdehnen wird.“5

Als ein Wissenschaftler erkennt er den Beweis an, dass Materie an zwei verschiedenen Stellen zur selben Zeit existieren kann. Ja, es gibt die spannendere Möglichkeit, dass einige Teilchen sich so schnell bewegen, dass sie selbst keine Zeit mehr an sich haben und es daher scheint, dass sie gleichzeitig an zwei verschiedenen Stellen sind …

Vieles von Hawkings neuer Theorie beruht auf der sogenannten „Unschärferelation“. Diese bezieht sich auf die Ungewissheit darüber, wo ein Photon oder Graviton (welche die selben Teilchen sein können, die sich nur mit verschiedener Wellenlänge bewegen) sich tatsächlich in einer Welle zu einem beliebig gewählten Zeitpunkt befindet.

Es bleibt nur die Ungewissheit. Aber die weltbesten Wissenschaftler haben den Obersten Gerichtshof der USA davon überzeugt, dass der Glaube an „wissenschaftliche Ungewissheit“ in Wirklichkeit nicht ein Glaube ist, sondern eine Tatsache, die an den Schulen gelehrt werden muss.

Hawking schreibt:

„Nun scheint die Wissenschaft aber eine Reihe von Gesetzen entdeckt zu haben, die uns innerhalb der von der Unschärferelation gezogenen Grenzen mitteilen, wie sich das Universum entwickelt, wenn wir seinen Zustand zu irgendeinem Zeitpunkt kennen. Diese Gesetze mögen ursprünglich von Gott gefügt worden sein, doch anscheinend hat er ihnen seither die Entwicklung des Universums überlassen und sich selbst aller Eingriffe enthalten.“6

Hawking hat ein tiefes Interesse an dem „Warum“ von allem. Er ist davon überzeugt, dass wir das, was wir lernen müssen, lernen können, wenn wir die wissenschaftliche Methode, die auf dem Gewissheitsprinzip basiert, anwenden.

„Warum ist das Universum so, wie wir es sehen? Unter diesen Umständen ist die Antwort einfach: Wäre es anders, wären wir nicht hier!“7

Es geht hier also nach dem Motto: „Es dreht sich alles um mich!“ Weitere Sätze von Hawking belegen das. Das folgende Zitat ist der verwirrendste Abschnitt über die Schöpfung aus dem Nichts, den ich je gelesen habe:

„Wo kommen sie [die Teilchen im Universum]8 alle her? Die Antwort lautet, dass nach der Quantentheorie Energie in Form von Teilchen-Antiteilchen-Paaren entstehen kann. Das aber wirft die Frage auf, woher die Energie kam. Die Antwort auf diese Frage: Die Gesamtenergie des Universums ist exakt gleich Null. Die Materie des Universums besteht aus positiver Energie. Doch all diese Materie zieht sich mittels der Gravitation an. Zwei Materiestücke, die nahe beieinander sind, besitzen weniger Energie als die gleichen Stücke, wenn sie sich in größerer Entfernung voneinander befinden, weil man Energie aufwenden muss, um sie gegen den Widerstand der Gravitationskraft zu trennen, die bestrebt ist, die Materiestücke aufeinander zu zu bewegen. In gewissem Sinne besitzt das Gravitationsfeld also negative Energie. Für ein Universum, das in räumlicher Hinsicht weitgehend einheitlich beschaffen ist, kann man nachweisen, dass diese negative Gravitationsenergie die durch die Materie repräsentierte positive Energie exakt aufhebt. Deshalb ist die Gesamtenergie des Universums gleich Null.“9

Sobald man vom Anfang spricht, denken die Menschen an Gott

Wenn wir der Wissenschaft von Hawking folgen, schafft also die Teilung von Nichts Materie und Energie. Wenn Materie und Energie wieder zusammengesetzt werden, gelangen wir wieder bei dem ursprünglichen Nichts an. Nun wissen wir also, wie Gott es gemacht hat! Doch, halt! Hawking braucht Gott nicht wirklich, wenn das Universum ewig ist.

Hawking geht über die Theorie vom Urknall hinaus, weil diese – seiner Meinung nach – leider in veralteten Vorstellungen verwurzelt ist, welche alle auf Gott hinauslaufen. Sobald man vom Anfang spricht, denken die Menschen an Gott. Aber was, wenn es keinen Anfang gab?

Hawking meint, das Problem der Ewigkeit in den folgenden Sätzen gelöst zu haben:

„In der klassischen Gravitationstheorie, die auf reellwertiger Raumzeit beruht, gibt es für das Verhalten des Universums nur zwei Möglichkeiten: Entweder es existiert seit unendlicher Zeit, oder es hat zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit mit einer Singularität [Einzigartigkeit] begonnen. In der Quantentheorie der Gravitation ergibt sich dagegen noch eine dritte Möglichkeit. Da man euklidische Raumzeiten verwendet, in denen sich die Zeitrichtung nicht von den Richtungen im Raum unterscheidet, kann die Raumzeit endlich in der Ausdehnung sein und doch keine Singularitäten aufweisen, die ihre Grenze oder ihren Rand bilden. Die Raumzeit ist dann wie die Oberfläche der Erde, nur dass sie zwei Dimensionen mehr besitzt. Die Erdoberfläche ist endlich in ihrer Ausdehnung, hat aber keine Grenze oder keinen Rand. Wer in den Sonnenuntergang hineinsegelt, fällt von keinem Rand und trifft auf keine Singularität. (Ich muss es wissen, denn ich bin schon rund um die Welt gereist!) Wenn euklidische Zeit in unendliche imaginäre Zeit zurückreicht oder an einer Singularität in imaginärer Zeit beginnt, stehen wir vor dem gleichen Problem wie in der klassischen Theorie, wenn wir den Anfangszustand des Universums bestimmen wollen: Gott mag wissen, wie das Universum begonnen hat, aber wir können keinen triftigen Grund für die Annahme nennen, dass dies eher auf die eine als auf die andere Weise geschehen ist. Dagegen hat die Quantentheorie der Gravitation die Möglichkeit eröffnet, dass die Raumzeit keine Grenze hat. Es wäre also gar nicht notwendig, das Verhalten an der Grenze anzugeben. Es gäbe keine Singularitäten, an denen die Naturgesetze ihre Gültigkeit einbüßten, und keinen Raumzeitrand, an dem man sich auf Gott oder irgendein neues Gesetz berufen müsste, um die Grenzbedingungen der Raumzeit festzulegen. Man könnte einfach sagen: ,Die Grenzbedingung des Universums ist, dass es keine Grenze hat.’ Das Universum wäre völlig in sich abgeschlossen und keinerlei äußeren Einflüsse unterworfen. Es wäre weder erschaffen noch zerstört. Es würde einfach SEIN.“10

Hawking könnte sein Buch auch überschreiben: „Wie ich bewiesen habe, dass wir Gott nicht brauchen“

Ja, ich weiß, dass es imaginäre Zahlen wie die Quadratwurzel von -1 gibt. Die imaginäre Zeit wird aufgrund dieser imaginären Zahlen berechnet. Ja, ich glaube, dass die Zeit geschaffen wurde und sie naturwissenschaftlichen Gesetzen unterliegt. Aber, da Gott alles geschaffen hat, hat Hawking nicht Unrecht. Nach seiner Meinung ist kein Hinweis auf einen Anfang, einen Rand oder eine Singularität nötig. Hawking beweist nur, was wir im ersten Buch Mose lesen.

Hawking könnte sein Buch auch überschreiben: „Wie ich bewiesen habe, dass wir Gott nicht brauchen.“ Er schreibt:

„Die Vorstellung, dass Raum und Zeit möglicherweise eine geschlossene Fläche ohne Begrenzung bilden, hat auch weitreichende Konsequenzen für die Rolle Gottes in den Geschicken des Universums. Als es den wissenschaftlichen Theorien immer besser gelang, den Ablauf der Ereignisse zu beschreiben, sind die meisten Menschen zu der Überzeugung gelangt, Gott gestatte es dem Universum, sich nach einer Reihe von Gesetzen zu entwickeln, und verzichte auf alle Eingriffe, die in Widerspruch zu diesen Gesetzen stünden. Doch diese Gesetze verraten uns nicht, wie das Universum in seinen Anfängen ausgesehen hat – es wäre immer noch Gottes Aufgabe gewesen, das Uhrwerk aufzuziehen und zu entscheiden, wie alles beginnen solle. Wenn das Universum einen Anfang hatte, können wir von der Annahme ausgehen, dass es durch einen Schöpfer geschaffen worden sei. Doch wenn es wirklich keine Grenze und keinen Rand hat, dann hätte es auch weder einen Anfang noch ein Ende: Es würde einfach sein. Wo wäre dann noch Raum für einen Schöpfer?“11

Wenn Gott die Welt geschaffen hat, sollte sie eigenständig sein. Da aber Hawking Gott nicht finden kann, oder beweisen kann, dass es Gott gibt, dann beweist seine Theorie nach den Gesetzen der Wissenschaft, dass es keinen Gott gibt.

Anstelle des Glaubens an Gott verlangt Hawking Glauben an das zu haben, was die Wissenschaft in der Zukunft entdecken könnte

Anstelle des Glaubens an Gott verlangt Hawking Glauben an das zu haben, was die Wissenschaft in der Zukunft entdecken könnte.

Hawking fragt:

„Warum muss sich das Universum all dem Ungemach der Existenz unterziehen? Ist die vereinheitlichte Theorie so zwingend, dass sie diese Existenz herbeizitiert? Oder braucht das Universum einen Schöpfer, und wenn ja, wirkt er noch in irgendeiner anderen Weise auf das Universum ein? Und wer hat ihn erschaffen?“12

Am Anfang seines Buches zitiert Hawking den Kirchenvater Augustin, der einmal gesagt hat, dass Gott die Hölle für die Menschen gemacht hat, die fragen, wer Gott gemacht hat.

Im übrigen kommen mir einige bekannte Bibelstellen in den Sinn, wenn ich das alles lese:

Röm 1,20: „Denn Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird seit der Schöpfung der Welt ersehen aus seinen Werken, wenn man sie wahrnimmt, so dass sie keine Entschuldigung haben.“

Röm 1,25: „Sie, die Gottes Wahrheit in Lüge verkehrt und das Geschöpf verehrt und ihm gedient haben statt dem Schöpfer, der gelobt ist in Ewigkeit. Amen.“

Ps 53,2: „Die Toren sprechen in ihrem Herzen: „Es ist kein Gott.“ Sie taugen nichts; ihr Freveln ist ein Gräuel; da ist keiner, der Gutes tut.“

1Kor 3,19: Denn die Weisheit dieser Welt ist Torheit bei Gott. Denn es steht geschrieben: „Die Weisen fängt er in ihrer Klugheit.“

mit freundlicher Genehmigung aus Theologische Handreichung und Information, herausgegeben vom Lutherischen Theologischen Seminar Leipzig 2006/1


  1. Originaltitel: A Brief History of Time: From the Big Bang to Black Holes, New York 1988. 

  2. Emittieren = ausgeben, hier: freisetzen. 

  3. Virtuell = nicht wirklich; gemeint sind Teilchen, die nicht in der Form existieren, in der sie zu wirken scheinen. Sie gleichen in ihrem Wesen und ihrer Wirkung real existierenden Teilchen. 

  4. Stephen Hawking, Eine kurze Geschichte der Zeit, Hamburg 202001, S. 95 (deutsche Übersetzung von Hainer Kober). 

  5. Ebd., S. 67. Im englischen Original wird hier „eternal“ benutzt. Damit scheint J. Casicione an eine zeitlich unendliche Ausdehnung des Universums zu denken, denn „eternal“ bedeutet immer „ewig“ im zeitlichen Sinn. Das Zitat von Hawking spricht aber u.E. von einer räumlich unendlichen Ausdehnung. 

  6. Hawking, aaO., S. 159. 

  7. Ebd., S. 163 

  8. Hawking spricht vorher über die 10×1084 Teilchen, die es im Universum gibt. 

  9. Hawking, aaO., S. 168. 

  10. Hawking, aaO., S. 177f. 

  11. Ebd., S. 183f. Die Vorstellung von einem Uhrmacher-Gott, der die Welt zwar geschaffen haben soll, aber nun nicht mehr in der Lage ist, in sie einzugreifen, widerspricht biblischen Aussagen. Sie stammt aus dem 18. Jahrhundert (sog. Deismus). 

  12. Ebd., S. 237.