ThemenNachfolge

Ein Plädoyer für das Gebet

Warum sollten wir beten? Können wir mit Gottes Eingreifen rechnen, und was sagt die Bibel zum Thema Gebet? Solchen und weiteren Fragen geht dieser kurze Beitrag nach und ruft zu einem beständigen Gebetsleben auf.

Jawohl, für das Gebet! Und das in einer Zeit, in der man überall dem Lobpreis eine besondere Aufmerksamkeit schenkt. Warum? Weil wir es langsam verlernen, Ausgewogenheit zu pflegen, weil wir allmählich vergessen, welche Rolle Gott dem Beten zugedacht hat. Von C. S. Lewis wird berichtet:

„Wenn er betete, wollte er jedes Gebet so aufrichtig und ernst sprechen, wie es Gottes würdig wäre. Dabei war er in seiner Aufrichtigkeit so gewissenhaft, dass er sich oft bis in die tiefe Nacht mit dieser frommen Übung quälte, weil er sich nicht sicher war, ob das Gebet nun auch wirklich ernst genug war.“

Ich erinnere mich an vergleichbare Wünsche. Man möchte Sicherheit haben, dass Gott gehört hat. Und so versucht es jeder auf seine Art. Jesus warnt z. B. vor der heidnischen Praxis, sich durch vieles Reden bei Gott Gehör zu verschaffen (Mt 6,7). Viele Christen sind unsicher beim Gebet: Hört Gott auf mich? Bin ich wichtig genug? Andererseits weiß der himmlische Vater doch was ich benötige, ehe ich ihn bitte? Warum also beten?

Wir sollten versuchen, folgende Fragen zu beantworten: Wie äußert sich Gottes Wirken bei uns? Was sagt die Bibel zum Thema Gebet? Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus? Es geht uns jetzt allein um das Beten, nicht um Anbetung oder Danksagung, obwohl diese auch einen bedeutenden Anteil an unserer Kommunikation mit Gott haben.

Die Handlungen Gottes in unsere postmoderne Realität hinein lassen sich in vier Gebiete einteilen. Sie werden sichtbar:

In der Schöpfung (Röm 1,19ff.). Gott sorgt dafür, dass die sichtbare und unsichtbare Schöpfung seine Herrlichkeit proklamiert, dass ihre Gesetze und Ordnungen seine Unwandelbarkeit offenbaren. Hier erfährt man besonders seine Allmacht.

Durch das Heil und die Heilsgeschichte (Röm 5,6–8). Noch immer kommen Menschen zum lebendigen Glauben und erfahren die Rettung durch Jesus Christus (Apg 4,12). Die globalen politischen Entwicklungen bezeugen die Erfüllungen biblischer Aussagen. Hier offenbart sich Gottes Liebe und Gerechtigkeit.

Durch die Bindung an sein Wort (Hebr 6,17–18). Gott hat Maßstäbe für das gesellschaftliche Zusammenleben in Ehe, Familie, Staat, Berufswelt festgelegt und die Folgen einer Missachtung seiner Maßstäbe gezeigt. Auch Form und Inhalte eines Zusammenlebens in der Gemeinde der Glaubenden mit den dazu gehörenden Verheißungen sind im Wort Gottes festgelegt. Für die Einhaltung dieser Verheißungen bürgt Gott und zeigt uns dadurch seine Zuverlässigkeit und Treue, z. B. „Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit deine Tage lange währen in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt.“ (2Mo 20,12), was im Epheserbrief wiederholt wird.

Durch Umsetzung der Gebete der Gläubigen (Mt 7,11). Die mannigfaltigen Aufforderungen der Bibel zum Beten (Jak 5,13), zum anhaltenden Beten (Eph 6,18), zur Fürbitte, sowie Berichte über betende Gemeinden (Apg 4,24) und betende Apostel (1Kor 1,4) bezeugen die besondere Wichtigkeit des Gebets. Fügt man diesen Bibelstellen die biblischen Berichte darüber bei, wie und mit welchem Aufwand Gott einzelne Gebete in die Realität umsetzte, und unsere eigenen Erlebnisse über erhörte Gebete, dann erscheint uns das Ausmaß von Gottes Wirken in einer neuen, kaum fassbaren Dimension! Gottes Fürsorge und Güte zeigt sich an seinen Kindern auch heute.

Es sollte uns klar werden, dass das Gebet eine bedeutende Größe ist, deren Auswirkungen oft übersehen, unterschätzt und vergessen, jedenfalls nicht gebührend wahrgenommen und angewandt wird.

Umso erstaunlicher ist es, was in der Bibel über Gebet zu lesen ist. Der griechische Begriff aiteo heißt „bitten, verlangen, wünschen“. Ein Geringerer erbittet etwas von einem Überlegeneren: ein Kind von den Eltern, ein Mensch von Gott usw.

Für das Gebet gilt

Wer betet – muss glauben (Hebr 11,6). „Ohne Glauben ist es unmöglich Gott wohlzugefallen; denn wer ihm naht, muss glauben, dass er ist, und denen, die ihn suchen, ein Belohner sein wird.“ Wir haben in der Regel weniger Probleme mit der ersten Hälfte des Verses. Die zweite jedoch setzt voraus, dass wir auch an die Erhörung unseres Gebets glauben sollen, das heißt, an ein Eingreifen Gottes. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Gnade. Aber da scheint uns der Boden unter den Füßen zu schwinden. Sicherlich gibt es Hilferufe von Menschen, die sich nicht als gläubig bezeichnen würden. Dabei handelt es sich aber kaum um das bewusste Beten, wie es die Bibel beschreibt, sondern um eine sporadische, oft aus purer Angst, gesteuerte Handlung.

Wer betet soll nicht zweifeln (Jak 1,6–8). „Er aber bitte im Glauben, ohne zu zweifeln … Denn jener Mensch (gemeint ist der Zweifler) denke nicht, dass er von dem Herrn etwas empfangen werde, ist er doch ein wankelmütiger Mann“.

Wer nicht betet, bekommt nichts (Jak 4,2b). „Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet.“ Wenn die beiden oberen Bibelstellen bestimmte Personenkreise gemeint haben, die Glaubenden und die Zweifler, so wird hier deutlich, dass es um den Tatbestand des fehlenden Gebets geht. Jesus drückte es in Mt 7,7–8 positiv aus: „Bittet, so wird euch gegeben, suchet, so werdet ihr finden …, denn jeder Bittende empfängt.“ Dass Gott sich in seiner Souveränität an das Gebet gebunden hat, wird in Mt 6,8 noch deutlicher: „Denn euer Vater weiß, was ihr benötigt, ehe ihr ihn bittet.“ Doch im nächsten Satz bringt er ihnen das „Vater unser“ bei. Anscheinend hat Gott es so gewollt, dass der Auslöser seiner Handlungen, die er alle im Voraus kennt, also der Startknopf, das Gebet ist.

Beten ist ein Befehl. „Ich will nun, dass die Männer an jedem Ort beten …“ (1Tim 2,8). Auch wenn diese Worte nicht aus dem Mund des Herrn Jesus stammen, so haben sie doch die Verbindlichkeit des Wortes Gottes und seine uneingeschränkte Autorität auf ihrer Seite.

Eine Vernachlässigung des Gebets hat Folgen. Samuel hat es am Ende seines Dienstes so zusammengefasst:

„Es sei fern von mir, dass ich mich an dem Herrn versündigen würde und aufhören sollte für euch zu bitten“ (1Sam 12,23).

Gott antwortet auf jeden Fall, außer wenn wir egozentrisch beten (Jak 4,3). Er antwortet nicht immer dann und nicht immer so, wie wir es uns vorgestellt haben, aber er antwortet. Manchmal besteht seine Antwort darin, dass er uns über unsere Situation Frieden gibt und unsere Gedanken nicht ins Boshafte abdriften lässt. „Und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken bewahren in Christus Jesus.“ (Phil 4,6). Leider unterschätzen wir diese gewaltige Zuwendung oft.

Jesus hat ein sehr erfülltes Gebetsleben geführt. Er hat es uns vorgelebt, damit wir nicht über das Gebet diskutieren, sondern es tun. Den besten Einblick darüber gewinnen wir im Lukasevangelium, in dem neun Situationen beschrieben werden, die den betenden Jesus darstellen. Hier erkennen wir Anlässe und Auswirkungen. Eines wird aber klar, dass sogar Jesus, der Sohn Gottes, sich dem Grundsatz unterordnete: zuerst Gebet, dann die göttliche Antwort.

Schlussfolgerung

Wir beten nicht, weil Gott sonst nicht wüsste, was zu tun wäre (Mt 5,8). Er hat immer den besten Überblick (Ps 139,1–6). Vielmehr hat er uns befohlen zu beten, weil er das Gebet in seiner Souveränität zum Auslöser in der Kette seiner Handlungen bestimmt hat. Beten ist mehr, als nur Reden mit Gott!

Eine der gewaltigsten Folgerungen dieser Tatsache ist, dass niemand in der sichtbaren oder unsichtbaren Welt das moralische Recht besitzt, Gott als einen willkürlichen Herrscher zu bezeichnen. Gott handelt aufgrund der von ihm vorher festgelegter Schöpfungsordnung, des Heilsplanes, der Verheißungen (Versprechen) seines Wortes und als Antwort auf die Bittgesuche seiner Kinder. Aber er handelt nie aus purer Laune heraus.

In der Ewigkeit werden wir einmal sehen, wie viele Ereignisse auf der Erde stattfanden, weil wir gebetet haben. Und wir werden sehen, wie viele Male Gott in „den Startlöchern“ stand, weil er sah, wo es Not gab. Aber es war niemand, der diese Not auch gesehen und um Gottes Wirken gebetet hatte.

Gebet ist eine Ehrenverantwortung und heilige Pflicht des Christen, um damit Gottes Wirken in Bewegung zu setzen.

„Beten ist Arbeiten, und Beständigkeit ist die Kunst eines Beters“ stand auf einem Zettel in der Bibel eines heimgegangenen Christen. Dabei dürfe man nicht vergessen:

„Die Macht des Gebets ist nicht bei dem, der betet, sondern bei dem, der das Gebet hört.“ (Max Lucado).

Viel Freude im Gebet!