Es verwundert kaum, dass Die Hütte1 im esoterischen Allegria Verlag, (verantwortlich für Spiritualität im Ullstein Verlag), erschienen ist. Zahlreiche Aussagen über Gott und Glauben widerspielgeln den momentanen Mainstream und lassen sich ähnlich auch in anderen esoterischen Bestsellern (z.B. Neale Donald Walsch: Gespräche mit Gott) nachlesen. Gott wird hier zu einem menschlichen Gesprächspartner, er richtet sich in erster Linie nach den Bedürfnissen des Individuums. Persönliche Erlebnisse und Privatoffenbarungen sind weit relevanter als biblische Aussagen. Feststehenden Lehrsätzen (Dogmen) steht Young ablehnend und mit Unverständnis gegenüber. Religiöse Institutionen (Kirchen, Gemeinden) werden als überflüssig, gelegentlich sogar als schädlich für die Beziehung zu Gott dargestellt. Auch wird Gott im Roman dem Menschen gegenüber Rechenschaft schuldig, nicht umgekehrt. Feststehende Wahrheiten existieren hier nicht mehr, sie entwickeln sich im Gespräch zwischen Mensch und Gott. Glaube wird zu einer stark emotionalen und erfahrungsbezogenen Angelegenheit.
Im noch überschaubaren Verlagsprogramm von Allegria (seit 2004) finden sich denn auch fast ausschließlich andere esoterische Veröffentlichungen: In Chakra Clearing. Die Reinigung der sieben Energiezentren unterrichtet Doreen Virtue „eine spirituelle Methode, mit deren Hilfe wir die Chakras von Angst reinigen können. Unser natürlicher Seinszustand zeichnet sich durch hohe Energie, Intuition und Kreativität aus.“2 In Cosmic Ordering, Universelles Wünschen und Manifestieren will Bärbel Mohr aufzeigen wie die Leser kosmische Gesetze anwenden können um materielle Wünsche zu befriedigen, Heilungen zu bewirken oder Ängste zu überwinden.3
Autor
Deutlich ist in dem Roman die Aversion Youngs gegen feste Strukturen, Lehraussagen, Gebote, Organisationen und Strafe zu spüren
Als Buchautor ist der in den USA lebende Kanadier William Paul Young bisher nicht in Erscheinung getreten. Seine Eltern waren Missionare in Papua Neuguinea. Den Lebensunterhalt verdiente er bislang als Büroangestellter und Nachtportier. Die Geschichte von Young ist eine so klischeemäßig, mediengerechte Aschenbrödel-Geschichte, dass schon fast Zweifel aufkommen. Ähnlich den esoterischen Bestsellerautoren Neale Donald Walsch (Gespräche mit Gott) und Joanne K. Rowling (Harry Potter) soll auch Young erst eine schwere persönliche Krise durchlaufen und lange Zeit unentdeckt für einen kleinen persönlichen Leserkreis geschrieben haben bevor er von einem Millionenpublikum entdeckt wurde. Young schreibt, er habe unter sexuellem Missbrauch gelitten, sei süchtig geworden und habe jahrelang „unter einer Maske aus äußerer Anpassung, Spiritualität und Gesundheit“ gelebt (292). Im Rahmen seiner Midlifecrisis (2005) kam es zum Zusammenbruch und dem Vorhaben, seine Gedanken über Gott und die Welt für seine Kinder aufzuschreiben (294). Diese Fragmente füllten schließlich mehrere Notizbücher, bis er auf die Idee einer passenden Rahmenhandlung kam und damit begann, seine Überlegungen Gott in den Mund zu legen. Nach vielfältiger Zustimmung sei er daran gegangen seine Geschichte auch im großen Stil zu verbreiten. Young meint, Jesus Christus sei in jeder Entwicklungsphase seines Romans in Geist und Person gegenwärtig gewesen (299). Young macht es dabei wenig aus, dass seine Botschaft „den religiösen Machtpolitikern und Strippenziehern missfällt.“ (300) Deutlich ist in dem Roman die Aversion Youngs gegen feste Strukturen, Lehraussagen, Gebote, Organisationen und Strafe zu spüren.
Inhalt
Wer einen Sinn für Herz-Schmerz, Romantik und Sehnsucht nach dem Guten hat, kann durch die Geschichte zu Tränen gerührt werden. Nach schweren Schicksalsschlägen, einer belasteten Ehe und einem Fast-Selbstmord (90f) kommt das Happy End. Die Ehe wird gerettet, Mack findet seinen inneren Frieden und erfährt sogar, dass es seiner ermordeten Tochter im Jenseits bestens geht (190ff).
Im ersten Viertel des Romans wird die tragische Geschichte der Entführung und Ermordung der Tochter des Helden Mackenzie Allen Philips (Mack) erzählt (9-76). Der Hauptteil des Buches beschreibt ein Wochenende, das Mack mit Gott verbringt, gerade in der Hütte, in der die letzten Spuren der Ermordeten gefunden wurden (77-288). Beschrieben werden kleine Ausflüge und ausgedehnte Mahlzeiten. Vor allem werden aber die intensiven Dialoge zwischen Mack und Gott wiedergegeben, in denen es vor allem um Leiden und Vergebung geht. In einem knappen Schlussteil dankt Young allen an dem Buch Beteiligten (289-291) und gibt seine Version der Entstehung des Romans zum Besten (292-301).
Seit dem tragischen Tod seiner Tochter Missy leidet Mack an der Großen Traurigkeit, einer tiefen Verletzung, einem Hass auf den Mörder, einer Selbstanklage und einer Entfernung zu Gott (29, 74). Die einleitende Kriminalgeschichte von der Entführung und Ermordung der Tochter ist eigenartig flach. Obwohl Missy erst verhältnismäßig kurz verschwunden ist tauchen schon wenige Stunden später verschiedene Polizeitruppen und FBI Agenten auf (50ff). Ohne viel Verwicklungen oder langes Rätselraten wird dem Leser mitgeteilt, das Missy vom Ladykiller entführt und ermordet wurde (59ff). Genauso schnell und unspektakulär wird der Mörder dann aufgrund der Informationen verhaftet, die Mack von Gott erhielt (265, 284, 287).
Der in seiner Trauer erstarrte Mack bekommt dreieinhalb Jahre nach dem Tod seiner Tochter einen Brief, in dem Gott ihn zu einem Wochenende in die einsame Hütte einlädt, in der Missy vermutlich ermordet wurde (19f, 74f). Mack fährt allein in die Wildnis. Plötzlich verwandelt sich die öde Mörderhütte in ein tropisches Paradies mit perfekt eingerichtetem Wochenendbungalow (92f). Gott begegnet ihm in Person zweier Frauen und eines Mannes. „In ein paar Sekunden hatte diese Frau sämtliche Schranken gesellschaftlicher Korrektheit durchbrochen …“ (94) „Er fühlte die Gegenwart einer großen Liebe. Es war warm, einladend, das Herz öffnend.“ (95) Wie ein Psychotherapeut fordert Gott Mack auf: „Es ist okay, … lass es einfach raus … Ich weiß, wie sehr du verletzt wurdest, und ich weiß, dass du wütend und verwirrt bist … “ (95) Häufig und ausführlich beschreibt Young Macks Mahlzeiten mit Gott (118ff, 133f, 158).
Nach Macks Bereitschaft trotz seines Leidens darauf zu vertrauen, dass Gott es ausschließlich gut mit ihm meint und seiner Vergebung anderen Menschen gegenüber, fällt die Große Traurigkeit von ihm ab (195). Im Rahmen einer Vertrauensübung und einer Abkürzung gehen Mack und Jesus über das Wasser eines Sees. Macks Furcht unterzugehen führt Jesus auf dessen falsche Vorstellungskraft zurück (162). Es werden auch noch andere Ausflüge geschildert in der Traumbilder und Naturlandschaften ineinander fallen. Einmal befindet sich Mack im Inneren eines Berges, wo er über Gott zu Gericht sitzt (173ff), ein andermal besteigt er einen Hügel, auf dem er unter zahllosen Lichtseelen seinem verstorbenen Vater begegnet (241ff). Mack vergibt seinem Vater, von dem er als Junge gequält wurde, (248) und dem Mörder seiner Tochter (259). Mack bereut auch sein falsches Verhalten, seine Schuld Gott gegenüber (180f). Schließlich verrät Gott Mack, wo die Leiche seiner Tochter zu finden ist. (264f). Immer wieder stellen Mack und der Leser sich die Frage, ob er nicht eigentlich träumt (133, 198).
Am Ende seines Wochenendes mit Gott wacht Mack allein und unterkühlt in der armseligen Hütte auf. Er will nach Hause fahren und gerät in einen Unfall (273ff). Als er vier Tage später aus der Bewusstlosigkeit im Krankenhaus erwacht, erfährt Mack, dass er bereits am Freitag eingeliefert wurde, er also das Wochenende gar nicht in der Hütte gewesen sein kann. Zwischenzeitlich ist er sich nicht mehr sicher, ob seine Begegnung mit Gott lediglich auf Halluzinationen oder Narkotika im Krankenhausbett zurückgeführt werden kann (281). Seltsamerweise aber wird Missys Leiche genau an dem Ort gefunden, die Gott ihm gezeigt hatte (284f). Letztlich aber spielt die historische Echtheit von Macks Gottesbegegnung für den Autor auch keine Rolle – wenn nur die positive Motivation zum harmonischen Miteinander beim Leser ankommt.
Kirche / Gemeinde
An keiner Stelle findet sich ein positiver Bezug zur Kirche
Christliche Organisationen und Gemeinden kommen bei Young nicht gut weg. An keiner Stelle findet sich ein positiver Bezug zur Kirche. Auch Jesus steht im Roman den von Menschen geschaffenen Kirchen kritisch gegenüber (204ff).
Mack studierte in Australien Theologie (11), was ihn allerdings nicht näher zu Gott brachte (103). „Mack bemühte sich … irgendwie zu begreifen, was er da erlebte. Seine alte theologische Ausbildung half ihm dabei überhaupt nicht.“ (103, vgl. 128, 229) Mack geht nur ungerne zur Kirche und fühlt sich dort unwohl. Gott erfährt er vor allem in der Natur (13, 15).
„Hier draußen, umgeben von der Natur und unter den Sternen, fühlte er die Gegenwart Gottes besonders stark.“ (35).
In der Kirche engagierte Menschen sind bei Young Heuchler, Machtmenschen oder Selbstgerechte. Macks Vater war zwar religiös, sogar Kirchenältester, gleichzeitig aber gewalttätiger Säufer und überstrenger Egoist (10). Mack vergiftet seinen Vater schließlich (10).
Während Mack mit Gott zusammen ist, erinnert er sich an seine Kindheit:
„Bilder von den Tischgebeten und Andachten seiner Kindheit stiegen in ihm hoch, und das waren keine erfreulichen Erinnerungen … immer die gleichen alten Antworten zu den gleichen alten Bibelfragen, gefolgt von der Qual, während der endlosen Gebete des Vaters …“ (121)
Andachten sind nichts als Rituale (240).
Für das normale Gemeindeleben hat Young wenig übrig. Seinem Protagonisten Mack wurde klar,
„dass er feststeckte, und Sonntagsgebete und Kirchenlieder brachten ihm nichts mehr, falls sie das je wirklich getan hatten. Im Leben der Menschen, die er kannte, schien eine losgelöst vom Alltag im abgeschiedenen Raum der Kirche stattfindende Spiritualität überhaupt nichts zu verändern … Er hatte Gott und Gottes Religion gründlich satt, und auch all die kleinen religiösen Klubs, die im Leben der Menschen einfach nichts bewirkten.“ (76)
Mack will nicht ausschließen, dass der von ihm erhaltene Brief „tatsächlich von Gott stammte, auch wenn die Idee, dass Gott Nachrichten verschickte, sich nur schwerlich mit Macks theologischer Ausbildung in Einklang bringen ließ.“ Man hatte ihm
„beigebracht, dass Gott jegliche Kommunikation mit den heutigen Menschen eingestellt hatte und es offenbar vorzog, dass sie ausschließlich die alten heiligen Schriften lasen und befolgten, selbstverständlich erst nach der nötigen Auslegung. Gottes Stimme war zu bedrucktem Papier reduziert worden …“
Gott, so Young, wurde „von der Intelligenzija kontrolliert und moderiert … Niemand wollte einen lebendigen Gott zum Anfassen. Alle bevorzugten ihn in Buchform, besonders wenn es sich um ein teures, in Leder gebundenes Buch mit Goldrand handelte …“ (75f, vgl. 81). Die Bibel spielt in Macks Glaubensleben eine untergeordnete Rolle.
Das Unabhängigkeitsstreben des Menschen von Gott sei die Ursache für den Aufbau von Ordnungen und Kirchen. Darin wollen die Starken den Schwachen ihren Willen aufzwingen (140). Young lässt Jesus bekennen:
„Ich halte nicht viel von Religion. … und auch nicht viel von Politik und Ökonomie. … Das ist die von den Menschen selbst erschaffene Dreifaltigkeit des Schreckens, von der die Erde verwüstet wird und jene getäuscht werden, die mir am Herzen liegen. … Ich habe kein Programm, das ich durchsetzen will …“ (206)
Alle irdischen Systeme werden einem Generalverdacht ausgesetzt.
„In eurer Welt wird der Wert des Individuums ständig gegen das Überleben des Systems abgewogen, sei es nun politisch, ökonomisch, sozial oder religiös … Es ist … ein diabolisches System, in dem ihr hoffnungslos gefangen seid.“ (141) (dagegen z.B. Apg 2,47; 1Kor 11,17)
Diesem System stellt Youngs Gott seine Beziehungs-Kirche gegenüber:
„In der Religion geht es darum, die richtigen Antworten zu haben, und manche Antworten der Kirche sind ja auch richtig. Ich aber bin der Prozess, der dich zu der lebendigen Antwort führt.“ (229)
Auf Macks Frage, wie man Mitglied der Kirche von Jesus werden kann antwortet dieser:
„Dabei geht es um deine Beziehung zu uns und deinen Mitmenschen, darum, einfach das Leben miteinander zu teilen … offen sein und Anteil nehmen am Leben der Menschen in unserer Umgebung.“ (204)
Das Zusammenleben der Menschen untereinander und mit Gott wird als Netzwerk zwischen gleichberechtigten Partnern erklärt (139f). (Dagegen z.B. Phil 2,8ff; 1Petr 5,5)
Religion
Später bekennt Jesus: „Ich bin kein Christ.“
Gott begegnet dem Menschen, nach Young, kaum in einer organisierten Kirche oder Gemeinde, sehr wohl aber in der Natur, in Visionen und in anderen Religionen. Der Große Geist der Indianer ist für Young lediglich ein anderer Name für Gott (36). Später bekennt Jesus: „Ich bin kein Christ.“ Auch wolle Gott keinesfalls Menschen zu Christen machen:
„Jene, die mich lieben, kommen aus allen existierenden Systemen. Sie waren Buddhisten oder Mormonen, Baptisten oder Muslime … Ich habe nicht den Wunsch, Christen aus ihnen zu machen, aber ich möchte ihnen helfen, sich in Söhne und Töchter meines Papas zu verwandeln …“ (209)
Der Tod von Jesus gelte nicht nur den Christen. Young legt Gott folgende Worte in den Mund: „Durch seinen Tod und seine Auferstehung bin ich jetzt völlig mit der Welt ausgesöhnt“, mit der ganzen Welt, nicht nur mit denen, die an Gott glauben (222).
Im weiteren Verlauf ihrer Diskussionen erklärt Gott:
„Du kannst mich in einem Gemälde sehen, einem Musikstück, einem Menschen oder der Schöpfung oder deinen Freuden und Sorgen.“ (229)
In der Natur und im Sternenhimmel erkennt Mack Gott (124, 242f).
Auch esoterische Erfahrungen wie die Aura (Energiefeld, das jeden Menschen umgeben soll) und die Gaia-Hypothese (die Erde ist ein lebendiges Wesen) werden von Young in die Beziehung zu Gott integriert. Gott erklärt Mack, dass jeder Mensch von einer Aura umstrahlt werde, die seine Gefühle und Persönlichkeit sichtbar machen.
„Jede Person besitzt ihr einzigartiges Muster aus Farben und Licht … Hier sind wir in der Lage, einander wirklich zu sehen, und zum Sehen gehört dazu, dass die individuelle Persönlichkeit und Emotion als Farbe und Licht wahrgenommen werden kann.“ (245)
Nach einem Aufruf zur ökologischen Verantwortung wird die Erde zweifelhaft mit einem lebendigen Organismus verglichen: Die Menschen „mißbrauchen … die Erde, und wenn sie dann erzittert oder ihren heißen Atem ausstößt, sind sie beleidigt, schimpfen und klagen und geben Gott die Schuld.“ (165)
Mit biblischen Aussagen stimmt das nur bedingt überein (vgl. Apg 4,12; 1Kor 3,11; Gal 1,6ff).
Theologie
Einige grundlegende biblische Wahrheiten werden von Young einfühlsam beschrieben
Einige grundlegende biblische Wahrheiten werden von Young einfühlsam beschrieben: Gott kann nicht einfach menschlicher Geschlechtlichkeit von Mann und Frau zugeordnet werden (106). Gottes Wesen übersteigt die menschliche Vorstellungkraft (111f). Gott ist dreieinig als Vater, Sohn und Heiliger Geist (115). Gott hat die Welt einschließlich des historisch verstandenen Paradieses gewollt und geschaffen (152ff). Das Leiden in der Welt ist auf die Trennung Adams von Gott zurückzuführen (112f, 256). Das Hauptproblem des Menschen ist sein Unabhängigkeitsstreben Gott gegenüber (150f, 168f), sein Anspruch selber über Gut und Böse entscheiden zu wollen (152-155). „Für jedes erschaffene Wesen ist das Streben nach Autonomie völliger Wahnsinn.“ (151) Es gibt ein Leben nach dem irdischen Tod (192f). Jesus Christus ist die personifizierte Wahrheit (108); er ist ganzer Mensch und ganzer Gott (113). Jesus starb freiwillig, aus Liebe zu den Menschen (37, 109, 157). Gott liebt die Menschen, auch wenn sie ihm nichts zu bieten haben (230). „Wir rechtfertigen das Leid nicht. Wir erretten euch daraus.“ (145, vgl. 189) Die Distanz zu Gott ist nur dann zu überwinden, „wenn du nicht länger auf deinem Recht bestehst, Gut und Böse selbst zu definieren.“ (155) und wenn der Mensch zu Gott umkehrt (169).
Wohl nicht ganz mit biblischen Aussagen deckt sich auch die Behauptung, Gott könne Schuld erst dann vergeben, wenn der geschädigte Mensch dem Schuldigen vergibt. „Mack, wenn du diesem Menschen vergibst, setzt du ihn damit frei, übergibst ihn mir und ermöglichst es mir, ihn zu erlösen.“ (262f) Etwas missverständlich klingt auch die Aussage: „Jedesmal, wenn du vergibst, verändert sich das Universum.“ (271) Im Einklang mit feministischen Geschlechterstereotypen stellt Jesus bei Young fest:
„Die Welt wäre, in vielerlei Hinsicht, ein viel friedlicherer und sanfter Ort, wenn die Frauen herrschen würden.“ (169)
In der Bibel sucht man solche Aussagen natürlich vergeblich (Mt 9,6; 1Kön 19,2ff; Röm 1,18ff).
Gott
Zurecht wird von Young darauf hingewiesen, dass Gott nicht mit menschlicher Vorstellungskraft erfahrbar ist:
„Mackenzie, ich bin wirklich vollkommen anders als du. Das Problem ist, dass manche Leute versuchen, eine Ahnung davon zu bekommen, wer ich bin, indem sie die beste Version ihrer selbst nehmen, diese potenzieren und mit sämtlichen guten Eigenschaften ausstatten, die sie sich vorstellen können … und dann nennen sie das Gott. … Ich bin weit mehr als das, … was ihr fragen und denken könnt.“ (112; vgl. 115, 136)
Nach solchen Feststellungen verwundert es aber, dass genau dieser Versuch, Gott menschlich und mit menschlichen Mitteln darzustellen, das gesamte Buch durchzieht. Kritisiert wird von Young eigentlich nicht die mangelnde Vorstellbarkeit Gottes, sondern die Aussagen von Kirche und Bibel zu Gott. Mack bringt im Roman seine ganz eigene Gottesvorstellung mit:
„Vielleicht ist er wirklich ein helles Licht oder ein brennender Busch. Ich habe ihn mir immer als wirklich großen Großvater vorgestellt, mit einem langen, wallenden Bart, so wie Gandalf in Tolkiens Herr der Ringe.“ (84)
Die personelle Aufteilung der göttlichen Trinität entspricht der Political Correctness: zwei Frauen, ein Mann; eine Afroamerikanerin (Elousia, Papa, Gott, 94, 98), ein Israeli (Jesus, 96, 98f) und eine Asiatin (Sarayu, Heiliger Geist, 97,99). Die Erklärung, Gott habe für Mack weibliche Form angenommen, weil dieser durch seinen leiblichen Vater ein schlechtes Vaterbild habe (104, 106f), wirkt gekünstelt. Ebenso der mysteriöse Erklärungsversuch, dass die Menschheit nach dem Sündenfall mehr Väterlichkeit benötige als Mütterlichkeit (107). Das klingt fast danach als verfügten Frauen in der gegenwärtigen Welt über eine größere Nähe zu Gott als Männer. Wobei Gott gegen Ende des Buches auch noch einmal in männlicher Form auftaucht:
„älter, mit würdevoller Ausstrahlung, drahtig gebaut … Sein silberweißes Haar war hinten zu einem Zopf zusammengebunden und passte zu seinem von Grau durchzogenen Schnurrbart und Spitzbart.“ (252f)
Kritisiert wird von Young eigentlich nicht die mangelnde Vorstellbarkeit Gottes, sondern die Aussagen von Kirche und Bibel zu Gott
Nebenher erfährt der Leser, dass Gott (Papa) gerne tanzt, eurasischen Funk Blues „mit einem echt scharfen Beat“ hört und gut kocht (102f). Speziell scheint er die Lieder von Bruce Cockburn zu mögen (134). Gott lässt sich die Füße massieren (119), isst gerne Eier und Speck mit frischem Gemüse. Er trinkt auch gerne Kaffee (119, 133f). Gott „war, wie üblich, eifrig dabei köstlich duftende Speisen aufzutischen.“ (230) Er legt Wert darauf, dass man sich vor dem Essen die Hände wäscht (116). Jesus mahnt nicht zu schnell zu essen, da das der Verdauung schade (254). Youngs Gott verzichtet auf Ratschläge und Belehrungen, er hört einfach mitfühlend zu (120). Der Heilige Geist singt gälisch, begleitet von Dudelsackmusik (122). Jesus hat eine von seinen Eltern geerbte große Nase (126) und benimmt sich etwas tollpatschig, was sich beispielsweise darin äußert, dass er eine Schüssel mit Soße fallen lässt (118). Ein andermal versucht Jesus eine Forelle zu fangen und scheitert dabei (202).
Überhaupt ist Youngs Gott außerordentlich menschlich. Jesus Christus, so wird behauptet, hätte auf der Erde keine Wunder aus eigener Kraft vollbringen können: „Jesus, als Mensch, verfügte nicht über heilende Kräfte.“ (113f). Mack bekommt die Möglichkeit über Gott zu Gericht zu sitzen und kommt zu dem Urteil: „Gott ist schuldig!“ (185) Gott lässt sich von ihm verurteilen für das Leiden in der Welt, insbesondere für den Tod seiner Tochter Missy. „Ich hasse dich Gott!“ (89)
Tatsächlich ist der biblische Gott weder Mann noch Frau, er ist kein menschlich geschlechtliches Wesen
In Einklang mit postmodernen Vorstellungen wehrt sich Gott entschieden gegen jede Art von Rangfolge. In der Beziehung zwischen Gott und den Menschen, sowie zwischen Gott dem Vater und Jesus gäbe es keine Hierarchie (138f). Hierarchie und Autorität sei prinzipiell negativ und zumeist egoistisch (139). Bei Gott sind alle Partner gleichberechtigt und gleichrangig.
„Das Trio ideal von der Hütte ist eine sehr amerikanische Verkörperung der Trinität, live und in Farbe, Vater, Sohn und Heiliger Geist, hübsch genderbewusst und multikulturell um-programmiert…“4
Es verwundert doch, dass Young trotz seiner Feststellung der vollkommenen Andersartigkeit Gottes einen so irdischen Gott darstellt. Gott erscheint bei ihm als fröhlicher, fleißiger, kreativer und kluger Freund, als großzügiger Gastgeber, geduldiger, verständnisvoller Zuhörer und Gourmet. Auch wenn sich manche dieser Eigenschaften durchaus in der Bibel finden lassen fallen bei Young wesentliche Charakterzüge Gottes unter den Tisch oder werden sogar provokativ verneint: z.B. Gottes Heiligkeit (Ri 13,21f; Jes 6,5; Offb 7,9ff), Gott als Richter (Röm 1,18; 2Thess 2,11f; Offb 20,11ff) oder die Allmacht von Jesus (Mt 8,26f; 28,18; Joh 3,35).
Unter dem Aspekt künstlerischer Freiheit mag es vertretbar sein, Gott in einem Roman als Mensch darzustellen. Tatsächlich ist der biblische Gott weder Mann noch Frau, er ist kein menschlich geschlechtliches Wesen. Allerdings ist auffällig, dass Gott in der Bibel weit überwiegend mit männlichen Bildern verglichen wird (Vater, König, Ehemann).
Gebot
Die Zehn Gebote und andere biblischen Regeln hätten für den mit Gott lebenden Menschen keinerlei Bedeutung mehr, sagt Young. Sie sollen lediglich dazu führen, „den Versuch aufzugeben, aus eigener Kraft rechtschaffend sein zu wollen. … In Jesus unterliegst du keinem Gesetz. Alle Dinge sind erlaubt.… Wer versucht den Gesetzen entsprechend zu leben, erklärt damit gleichzeitig seine Unabhängigkeit von uns.“ (234f)
„Die Religionen benutzen Gesetze, um sich selbst zu legitimieren und Macht über die Menschen zu erlangen, denn Kirchen können nur überleben, wenn sie Anhänger um sich scharen.“ (237)
Auch habe der Mensch keinerlei Verantwortung oder Aufgabe, stellt Youngs Gott fest.
„Ich habe niemals irgendetwas von dir oder einem anderen Menschen erwartet. … Weil ich nichts von euch erwarte, könnt ihr mich auch niemals enttäuschen.“ (238f)
Gott wolle nie den freien Willen des Menschen verletzen (142). Jesus stellt fest:
„Ich zwinge euch niemals meinen Willen auf und lasse euch völlige Entscheidungsfreiheit, selbst wenn eure Handlungen zerstörerisch und leidvoll für euch selbst oder andere sind.“ (166)
Auch das Leben von Jesus hat für Young keine Vorbildfunktion:
„Mein Leben war nicht als Vorbild gedacht, das ihr nachahmen sollt. Wenn du mir nachfolgen willst, geht es nicht darum, dass du versuchst, wie Jesus zu sein.“ (172)
(Dagegen z.B. Joh 13,15; Phil 2,5; 1Pt 2,21.) Biblische Gebote würden lediglich von Kirchen für ihre eigenen Zwecke instrumentalisiert:
„Besonders die religiösen Leute machen das so. Wenn sie ihre Schäfchen dazu bringen wollen, sich so zu verhalten, wie sie es gern hätten, brauchen sie einen strengen Gott.“ (215).
Die Bibel solle dem Menschen keine Regeln geben, wie er sich richtig zu verhalten hat, meint Young (228). (dagegen z.B. Röm 7,12; 1Kor 7,19; 1Joh 2,3f)
„Schuldgefühle werden dir niemals helfen, deine Freiheit in mir zu finden.“
Als Mack sich bezüglich seines lieblosen Verhaltens schuldig fühlt entgegnet Gott ihm:
„Es geht nicht darum, sich schuldig zu fühlen. Schuldgefühle werden dir niemals helfen, deine Freiheit in mir zu finden.“ (216, vgl. 258)
Gottes Ziele lassen sich niemals „mittels Schuldgefühlen, Verdammung und Zwang erreichen“, behauptet Youngs Gott (144). Eigentlich ist Gott mit allem einverstanden, was die Menschen tun, vorausgesetzt sie meinen es gut, lassen alle anderen stehen und sind jederzeit zur Vergebung bereit.
Herausfordernd stellt Youngs Geschichte die Notwendigkeit der Vergebung und der göttlichen Liebe als Grundlage zwischenmenschlicher Beziehungen heraus. Überdeutlich werden die Grenzen menschlicher Versuche alles richtig zu machen, Feinden zu vergeben oder religiösen Ansprüchen zu genügen. Leider vernachlässigt Young aber die andere Seite biblischer Wahrheit, die göttliche Forderungen nach konkreter Veränderung des Verhaltens, die Konsequenzen falschen Lebens und die notwendige Hilfe irdischer Formen, wie Organisationen und Lehrsätzen (vgl. Mt 5,17ff; Gal 5,19-26; Kol 2,4ff; 1Tim 3,1ff).
Gottes Beteuerung, er bestrafe die Menschen nicht für ihre Sünde, die Menschen litten lediglich an den Folgen ihres falschen Verhaltens, klingt sympathisch (136). Mit den Aussagen der Bibel stimmt das aber nur bedingt zusammen, hier straft Gott schon, sowohl im irdischen Leben als auch im himmlischen Gericht (2Mo 32,35; Spr 3,12; Mt 12,36; Offb 20,11ff). Macks Hinweis, Gott habe in der Bibel doch auch den Tod von Menschen verursacht (136) bleibt auf Grund dieser Unstimmigkeit wohl auch unbeantwortet.
Keinem wird zu nahe getreten. Gott will, dass alle seine Kinder sich wohl fühlen.
Keinem wird zu nahe getreten. Gott will, dass alle seine Kinder sich wohl fühlen. Young schürt die Sehnsucht seiner Leser nach einer heilen, harmonischen Welt, die allein durch eine mystische Begegnung mit Gott erreicht werden soll. Was sich für den Menschen dadurch im konkreten Leben ändert bleibt weitgehend ausgeklammert.
Resümee
Die Hütte bedient offensichtlich den Massengeschmack religiös ausgerichteter Menschen. Leicht verdauliche und allgemein akzeptierte religiöse Überlegungen werden dem Leser mit vielen Bildern und Gefühlen vermittelt: Gott ist überall. Keine Religion habe einen exklusiven Zugang zum Himmel. Kirchliche Organisationen spielen keine wesentliche Rolle für die Verbindung mit Gott. Feste Glaubenssätze oder biblische Wahrheiten behinderten sogar einen echten Glauben. Gott respektiere den freien Willen jedes Menschen auch in ethischen Alltagsfragen. Keinesfalls stelle er irgendwelche Forderungen oder Gebote auf, nach denen die Erdenkinder sich zu richten haben. Gott sei reine Liebe, reines Verständnis und macht natürlich nie etwas, was dem Menschen weh tun könnte. (Dagegen z.B. 2Kor 12,7; Hebr 12,5ff; Offb 3,19.)
Zweifellos werden im Roman zahlreiche Wahrheiten über Gott vermittelt, die sich auch in der Bibel finden. Allerdings ist die Theologie doch sehr stark durch die subjektive Sichtweise des Autors bestimmt.
Es verwundert wenig, dass Die Hütte vollkommen unterschiedlich wahrgenommen wird
Bei der Beschäftigung mit diesem Buch bringt jeder Leser seine weltanschaulichen Überzeugungen, seine Lebensgeschichte und seine individuellen Erwartungen immer schon mit. So verwundert es wenig, dass Die Hütte vollkommen unterschiedlich wahrgenommen wird. Am positivsten reagieren religiöse Menschen, die selber schweres Leiden in ihrem Leben erfahren haben und postmodern geprägte Gläubige. Distanzierter geben sich Personen, die keinen Bezug zu Gott im weitesten Sinn haben und sich an keine leidvolle Vergangenheit erinnern. Kritisch wird der theologisch denkende Christ an die Hütte herangehen. Er wird sich zurecht stärker an den unterschwellig vermittelten Aussagen über Gott, die Bibel, Kirche und Heil stoßen.
„Lebt nun auch so mit Jesus Christus, wie ihr ihn als Herrn angenommen habt! Seid in ihm verwurzelt und gründet euch ganz auf ihn, so wie ihr gelehrt worden seid.“ (Kol 2,6-7)
William Paul Young: Die Hütte. Ein Wochenende Mit Gott, Allegria / Ullstein, Berlin 2009, Originaltitel: The Shack, Windblown Media, Newbury Park, 2007. Zu den einleitend angeführten Zitaten vgl. URL: http://www.ullsteinbuchverlage.de/allegria/buch.php?id=13360&page=buchaz; http://www.allegria-magazin.de/DieHuette/; http://www.wochenende-mit-gott.de/; August 2009. ↩
URL: http://www.ullsteinbuchverlage.de/allegria/buch.php?id=10489&page=bestseller&sort=&sort=&auswahl=&pagenum=1, August 2009. ↩
Vgl. URL: http://www.ullsteinbuchverlage.de/allegria/buch.php?id=12630&page=bestseller&sort=&sort=&auswahl=&pagenum=1, August 2009. ↩
Tom R.Schulz: Ab in die Hütte, in: http://kgs-hamburg.de/CMS/index.php?id=52&uid=42, August 2009. ↩