Wer durch das Wirken des Heiligen Geistes Jesus Christus als seinen Erlöser im Glauben angenommen hat und beginnt, Gottes Wort zu hören und zu lesen, wird sehr bald feststellen, dass der Glaube noch zwei gleichrangige „Geschwister“ hat, nämlich die Hoffnung und die Liebe. Diese drei Gaben des Heiligen Geistes sind Grund- und Wesensmerkmale des „neuen Menschen“, die nun sein persönliches Leben sowie sein Verhalten nach außen hin prägen sollen. Fehlt eines dieser Merkmale im Leben eines Christen, so trägt er diesen Namen nur zum Schein.
Glaube, Hoffnung und Liebe sind nach 1Kor 13,13 bleibende Gaben. Den Anfang nahmen diese – ebenso wie alle anderen Gaben des Heiligen Geistes – Pfingsten vor zweitausend Jahren. Bis heute sind diese drei geblieben und werden bis zum Ende dieses Gemeindezeitalters bleiben! Jeder Mensch, der Jesus im Glauben erfasst, wird vom Heiligen Geist mit dieser „Gaben-Dreieinheit“1 beschenkt. Die Bedeutung dieser drei Gaben kommt ganz besonders darin zum Ausdruck, dass sie in fast allen Lehrbriefen im Textzusammenhang erscheinen und in fundamentale Belehrungen eingebettet sind, zum Beispiel:
„Nun wir denn sind gerecht geworden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus… und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben soll … Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden. Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unser Herz durch den Heiligen Geist, welcher uns gegeben ist“ (Röm 5,1-5).2
Andere Gaben wie die der Prophetie, der Zungenrede und der Erkenntnis, aber auch die der Krankenheilung, sucht man in den Lehrbriefen vergeblich als Gaben, die für das geistliche Leben und Wachstum des einzelnen Gläubigen, für die Erbauung der Gemeinde oder für ihr evangelistisch-missionarisches Wirken nach außen hin von Bedeutung wären. Allein diese Feststellung deutet darauf hin, dass sich die prophetische Ankündigung in 1Kor 13 bereits beim Schreiben der Lehrbriefe auswirkte,3 nämlich:
„Die Liebe hört nimmer auf, wo doch die Prophezeiungen ein Ende haben werden, das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufgehoben werden soll. Denn wir erkennen stückweise und wir weissagen stückweise; wenn aber einmal das Vollkommene da ist, dann wird das Stückwerk abgetan. Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind und urteilte ich wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindisch war. Wir sehen jetzt durch einen Spiegel wie im Rätsel [L.: Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort], dann aber von Angesicht zu Angesicht; jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die größte aber von diesen ist die Liebe“ (1Kor 13,8-13; Sch.).
Es fällt auf, dass die Verse 1–7 gern und bei vielen Gelegenheiten angesprochen werden, und das ist gut so. Dass aber gerade jene Verse, die der Aussage: „Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei“ gegenüber gestellt sind, kaum thematisiert oder in nicht zutreffendem Sinne ausgelegt werden, führen zur Unkenntnis und Verunsicherung bei der Bewertung charismatischer Geistesströmungen unserer Zeit.4
Liest man den ersten Teil des Abschnittes in 1Kor 13,8–13 oberflächlich, gelangt man leicht zur Annahme, alle Geistesgaben – ausgenommen Glaube, Hoffnung und Liebe – wären „Stückwerk“ und würden dann aufhören, wenn der Herr erscheint, wenn wir zu Ihm in die Herrlichkeit, in das „Vollkommene“ aufgenommen werden. Es ist verwunderlich, dass diese Auffassung weithin verbreitet ist und dass man meint, damit sei der Text in 1Kor 13 ausreichend erklärt.
Wäre diese Annahme richtig, so müssten ja Glaube, Hoffnung und Liebe dem Text entsprechend in Ewigkeit bleiben. Für die Liebe trifft dies zwar zu, sie bleibt ewig, so wie Gott, die Liebe in Person, ewig ist.
In der Ewigkeit kommt der Glaube zum Schauen und die Hoffnung wird Erfüllung
Mit dem Glauben aber und der Hoffnung ist es anders: Gehen wir als Einzelne oder als Gesamtgemeinde in die Ewigkeit ein, so kommt der Glaube zum Schauen (2Kor 5, 4–8), und die Hoffnung wird Erfüllung (Röm 8,23–25). Das Aufhören der genannten Geistesgaben muss also zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen und muss eine andere Ursache haben als das Kommen des Herrn!5 Um Licht in diesen anscheinend schwierigen Abschnitt zu bringen, wollen wir uns die einzelnen Aussagen etwas genauer ansehen:
Die Liebe hört nimmer auf
„Liebe“ (gr.: agapê) ist der tragende Begriff des dreizehnten Kapitels. Hier wird uns der göttliche Maßstab gezeigt, an dem unser Christsein gemessen wird:
„Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich weissagen könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnisse und hätte allen Glauben, also dass ich Berge versetzte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib brennen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze. Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie blähet sich nicht, sie stellet sich nicht ungebärdig, sie suchet nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freuet sich nicht der Ungerechtigkeit, sie freuet sich aber der Wahrheit; sie verträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. Die Liebe hört nimmer auf.“ (1Kor 13,1–8a).
Die Verse zeigen, wie wertlos alles Reden und Handeln und selbst der Glaube eines Christen wären, wenn nicht die Liebe nach Gottes offenbarten Gedanken im praktischen Leben sichtbar würde. So bleibt die Liebe das entscheidende Erkennungsmerkmal jedes Christen, solange die Gemeinde Jesu auf dieser Erde besteht. Aber auch dann wird die Liebe nicht enden; deshalb ist sie die größte Gabe!
Prophezeiungen, Zungenreden und die Erkenntnis hören auf
In einem Fall spricht Paulus von Gaben, die von einer gewissen Zeit an ihre Bedeutung verlieren werden
Als Paulus den Brief an die Korinther schrieb, waren diese Charismen offenbar noch vorhanden. Er sah jedoch aufgrund seiner prophetischen Gabe bereits eine Zeit kommen, da bestimmte Gaben aufhören würden. Dass Paulus als Grund der Beendigung nicht die Entrückung der Gemeinde – die Vereinigung des Leibes Christi mit dem Haupt – gemeint haben kann, geht zum einen daraus hervor, dass er dies nicht, wie in anderen Fällen, klar zum Ausdruck bringt und zum anderen, dass der Kontext eine solche Annahme nicht zulässt. Allein die Gegenüberstellung: Diese Gaben hören auf, jene aber sollen bleiben, müsste uns vor einem solchen Fehlschluss zurückhalten. Offensichtlich spricht Paulus in einem Fall von Gaben, die von einer gewissen Zeit an ihre Bedeutung verlieren werden, nämlich wenn das „Vollkommene“ bzw. das „Vollständige“ gekommen ist (V. 10) und im anderen Falle von Gaben, die über diese Zeit hinaus sowohl für das persönliche Glaubensleben als auch für die Erbauung des Leibes Christi unentbehrlich sind (1Kor 13,13; Eph 4,11–12 etc.).
Bei Paulus selbst sehen wir, dass er zumindest die Gabe der Krankenheilung, mit welcher er beschenkt war (s. z. B.: Apg 19,11–12; 20,9–12), später offensichtlich nicht mehr ausübte.6
Was das Prophezeien bzw. Weissagen (unbekannter Dinge) anbetrifft, dürfte klar sein, dass über das letzte Blatt der Bibel hinaus von Gott keine weiteren Offenbarungen in Aussicht gestellt worden sind; sie beschränken sich auf „dieses Buch“, d. h. auf die ganze Heilige Schrift (s. Offb 22,7.10.18–19). Angebliche Prophezeiungen dieser Art in unsrer Zeit besitzen daher keine göttliche Legitimation, ganz gleich, ob es sich um das Buch Mormon, um den Koran oder auch um charismatische „Prophezeiungen“ oder „Weissagungen“ handelt!7
Das Reden in Zungen wird von Paulus insbesondere im vierzehnten Kapitel ausführlich behandelt. Offensichtlich kam es in der Gemeinde zu Ausartungen, unordentlichen Verhaltensweisen und gewiss auch zu Verletzungen der Liebe – vielleicht gerade wegen spektakulärer Gaben wie „Reden mit Engelzungen“, „Weissagungen“ und „Wundertaten“ (1Kor 13,1–3). Es ist nicht zu übersehen, dass Paulus den Korinthern vorsichtig klar machen will, dass sie mit solchen Gaben, die doch irgendwann aufhören würden, schon jetzt Zurückhaltung üben sollten, insbesondere mit der Zungenrede. Dagegen sollten sie sich nach denjenigen ausstrecken, die zum geistlichen Wachstum, zur Erbauung der Gemeinde und nicht zuletzt zum friedlichen Miteinander nütze wären, nämlich nach der Liebe und der Weissagung.8
Dass sich Gläubige in unserer Zeit nach der Zungengabe ausstrecken und damit gar noch den Empfang der „Geistestaufe“ bestätigt sehen wollen, ist befremdend. Die Zungenrede und andere Phänomene, die heute in unterschiedlichsten Kreisen, selbst in nichtchristlichen Religionen auftreten, lassen sich von daher keineswegs als Gaben des Heiligen Geistes identifizieren! Es trifft eher zu, dass man sich dabei einem „anderen Geist“ geöffnet hat, wie Paulus warnend schreibt:
„Ich fürchte, es könnten, wie die Schlange mit ihrer List Eva verführte, so auch eure Sinne verdorben und von der Einfalt gegen Christus abgelenkt werden. Denn wenn der, welcher zu euch kommt, einen andern Jesus predigt, den wir nicht gepredigt haben, oder wenn ihr einen andern Geist empfanget, den ihr nicht empfangen habt, oder ein anderes Evangelium, das ihr nicht angenommen habt, so ertraget ihr es wohl“ (2Kor 11,3–4; Sch.).
Wer allein vom Alten Testament her über Jesus predigen wollte, benötigte dazu besondere Geistesgaben
Dass auch die „Erkenntnisgabe“ nicht mehr benötigt würde, ist für manchen kaum begreiflich, da man doch ohne diese die Zusammenhänge in der Schrift überhaupt nicht verstehen könne. Das ist wiederum oberflächlich gedacht! Von Paulus ist beispielsweise berichtet, dass er „von Jesus predigte aus dem Gesetz Mose’s und aus den Propheten“ (Apg 28,23). Und so waren auch alle andern, die das Evangelium im Anfangsstadium des „Gemeindezeitalters“ verkündigten, abhängig vom Alten Testament. Dass hierfür besondere Geistesgaben nötig waren, wird wohl niemand bestreiten!
„Jetzt“ … „dann aber“
Beim Lesen des zwölften Verses könnte man zunächst denken, hier würden sich unsere derzeitige Situation und das künftige Schauen des Herrn gegenüberstehen:
„Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich’s stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.“
Dass damals in der Anfangszeit (= „jetzt“) selbst bei Vorhandensein der „Erkenntnisgabe“ Schwierigkeiten bei der Auslegung des Alten Testamentes auftraten, dass oft nur „bruchstückhaft“ erkannt werden konnte und dass manches „unklar“, „dunkel“ und „rätselhaft“ erschien, sollte uns nicht verwundern. Selbst heute gibt es noch solche Schwierigkeiten, obwohl Gottes Wort vollständig vor uns liegt und obwohl man sich einer Unzahl von Kommentaren und sonstiger Hilfsmittel bedienen kann. Völlig verstehen werden wir selbstverständlich erst dann, wenn wir in die Gegenwart des Herrn treten dürfen!
Keinesfalls dürfen wir die Prädikate „unklar“, „dunkel“ und „rätselhaft“ auf Gottes Wort anwenden
Keinesfalls aber können und dürfen wir die Prädikate „unklar“, „dunkel“ und „rätselhaft“ auf Gottes Wort, auf das geoffenbarte „Evangelium“, wie es uns heute (= „dann aber“) vorliegt, anwenden. Wenn wir heute manches nicht verstehen und manches nicht erkennen können, so haben wir die Gründe zunächst bei uns selbst zu suchen und nicht bei dem, was geschrieben steht. So lesen wir im zweiten Brief an die Korinther:
„Ist nun unser Evangelium verdeckt, so ist’s in denen, die verloren werden, verdeckt; bei welchen der Gott dieser Welt der Ungläubigen Sinn verblendet hat, dass sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums von der Klarheit Christi, welcher ist das Ebenbild Gottes. Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesum Christum, dass er sei der Herr, wir aber eure Knechte um Jesu willen. Denn Gott, der da hieß das Licht aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung von der Erkenntnis der Klarheit Gottes in dem Angesichte Jesu Christi“ (2Kor 4,3-6; 2Kor 3,18).
Wenn auch schon das Alte Testament von dem „Licht“ Zeugnis gab,9 so sehen wir doch erst im Neuen Testament das „Angesicht“ Jesu Christi völlig enträtselt, aufgedeckt und hell erstrahlend!
Wie ist es mit dem „Erkennen“? Werden wir erst droben „erkennen, gleich wie ich erkannt bin“, oder ist dies nicht schon auf dieser Erde möglich? Paulus schreibt beispielsweise an alle, die seine Person nicht gesehen haben, und damit auch an uns, „dass unsre Herzen ermahnt und zusammengefasst werden in der Liebe und zu allem Reichtum des gewissen Verständnisses, zu erkennen das Geheimnis Gottes, des Vaters und Christi, in welchem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis“ (Kol 2,2-3). Und an die Korinther schreibt er: „So aber jemand Gott liebt, der ist von ihm erkannt“ (1Kor 8,3; s. auch 1Kor 2,6-16; Gal 4,9).
Die Begriffe „jetzt“ und „dann aber“ können aufgrund des Textzusammenhanges nicht ausgelegt werden in der Form „jetzt hier unten“, „dann aber droben“, es sind vielmehr zeitliche Bestimmungen innerhalb des noch währenden „Gemeindezeitalters“ auf dieser Erde.
Kindesart oder Mannesart?
Die Gegenüberstellung von “Kindesart” und “Mannesart” zeigt unmissverständlich, dass die Heilige Schrift die Zungenrede anders beurteilt als Vertreter charismatischer Strömungen
Schon viele haben gerätselt, warum Paulus wohl diesen Satz in die Mitte des Textes von 1Kor 13,8-13 gestellt haben mag: „Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind und urteilte ich wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindisch war“ (V. 11). Zunächst sei festgestellt, dass nicht Paulus diese oder jene Formulierungen getroffen hat, der Urheber ist stets der Heilige Geist! So hat dieser Satz gerade in diesem Zusammenhang seine volle Berechtigung. Damals befand sich die Gemeinde Jesu noch im „Kindesstadium“. Entsprechend waren ihre Verhaltensweisen und ihre Bedürfnisse. Paulus sah jedoch schon eine Zeit kommen, da die Gemeinde Jesu eher einem erwachsenen Manne gleichen würde, der eben nicht mehr Dinge tut, die er als Kind getan hat. Das Bild, welches Paulus gebraucht, will also sagen, dass Gaben, die zwar im „Kindesalter der Gemeinde Jesu“ ihren Platz hatten, dem „Mannesalter“ jedoch nicht mehr entsprechen können. Und in diesem Wachstumsprozess spielte zweifellos die zunehmende Vervollständigung und Verbreitung der Bücher des Neuen Testamentes die entscheidende Rolle. Bekräftigt wird dieser Gedanke im vierzehnten Kapitel, wo Paulus den Stellenwert der Zungenrede verdeutlicht:
„Ich will in der Gemeinde lieber fünf Worte reden mit meinem Sinn, auf dass ich andere unterweise, denn zehntausend Worte in Zungen. Liebe Brüder, werdet nicht Kinder an dem Verständnis; sondern an der Bosheit seid Kinder, an dem Verständnis seid vollkommen“ (1Kor 14,19-20).
Die Gegenüberstellung von „Kindesart“ und „Mannesart“ zeigt unmissverständlich, dass die Heilige Schrift die Zungenrede und auch sonstige beeindruckende „Charismen“ und Phänomene unsrer Zeit anders beurteilt als die Vertreter charismatischer Strömungen. Wer solche Dinge heute forciert, relativiert oder verteidigt, handelt offensichtlich Gottes Gedanken zuwider und kann sich keinesfalls auf eine Legitimation durch den Heiligen Geist berufen, denn der Heilige Geist wirkt stets in Übereinstimmung mit Gottes Wort!10
Wenn das Vollkommene da ist, wird das Stückwerk abgetan
Ist nun mit dem „Vollkommenen“ (V. 10) die Herrlichkeit gemeint, welche die Hoffnung der Gläubigen ist?11 Nein! Alles spricht dafür, dass auf etwas hingewiesen wird, was im Verlaufe des „Gemeindezeitalters“ eintreten, dem „Bruchstückhaften“ ein Ende setzen und Ursache für das Aufhören bestimmter Gaben (V. 8) sein würde. Die Gaben, von denen gesagt ist, dass sie aufhören würden, dienten offensichtlich nur dazu, die Zeit des „Stückwerks“ zu überbrücken. Sie sollten durch etwas ersetzt werden, was sowohl für das geistliche Wachstum eines Christen als auch für das Leben und Wirken der Gemeinde Jesu in dieser Zeit und Welt von weit größerer Bedeutung sein sollte.
Nun, das griechische Wort für „das Vollkommene“, teleios, bedeutet u. a.: „das, was zum Abschluss gekommen ist“. (Es ist klar, dass dies nicht in Bezug auf die Herrlichkeit gesagt sein kann, denn diese wird nie zu einem Abschluss kommen.) In diesem Zusammenhang ist eine Aussage des Apostels Paulus von Bedeutung, die im Brief an die Kolosser zu finden ist:
„Ich bin Diener der Gemeinde geworden gemäß dem Verwalteramt Gottes, das mir für euch gegeben worden ist, dass ich das Wort Gottes voll ausrichten soll [= auf sein Vollmaß bringen soll], [nämlich] das Geheimnis, das vor den Zeitaltern und Geschlechtern verborgen war, nun aber seinen Heiligen geoffenbart worden ist, …“ (nach Kol 1,25-26; Sch.).
Es blieb Paulus verborgen, welche seiner Briefe Gott als sein Wort bestätigen würde
Aufgrund der vorliegenden Analyse kann mit gutem Recht gesagt werden, dass der Geist Gottes, der in Paulus wirkte, mit dem, was zum Abschluss kommen sollte, eindeutig auf die Vervollständigung des Wortes Gottes hin zielte. Und dennoch blieb es Paulus verborgen, welche seiner Briefe Gott als sein Wort bestätigen würde. Auch war ihm nicht offenbart, dass noch Briefe von Petrus, von Johannes, Jakobus und Judas sowie der Hebräerbrief und die Offenbarung, ja selbst die vier Evangelien und die Apostelgeschichte dem Kanon der Heiligen Schrift zugefügt werden sollten. So beruht Gottes Wort, welches gegen Ende des ersten Jahrhunderts n.Chr. zum Abschluss kam, auf einem wunderbaren Konzept des Heiligen Geistes, ausgeführt durch Gottesmänner unterschiedlichster Prägung. Gottes Wort ist nicht nur vollständig, es ist auch vollkommen!12 Die siebzig Bücher der Bibel offenbaren die „absolute Vollkommenheit und Harmonie in Gottes Vorsätzen und Handlungen.“
Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei!
Das sind Gaben, mit denen jedes Gotteskind beschenkt ist.13 Nach diesen Gaben können wir uns nicht weit genug ausstrecken. Sie bieten ein reiches Betätigungsfeld. Andere Gaben, die zum Bau und zur Förderung der Gemeinde notwendig sind, gibt der Heilige Geist jedem, „nach dem er will“ (1Kor 12,11; Eph 4,11-14). Das Trachten nach Gaben, die von Gottes Wort und Gottes Geist nicht mehr legitimiert sind, ist Eigenwille, Ungehorsam und Erlebnishascherei. Ob Gott dazu ja sagen wird?
In 1Kor 13,13 heißt es: „Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei“. Grammatisch korrekt müsste es im Deutschen heißen „nun aber bleiben …“. ↩
Siehe hierzu auch folgende Bibelstellen: Gal 5,4–6; Eph 1,15–19; Klo 1,3–5; 1Thess 1,2–3; 5,7–8. ↩
Vgl. auch Hebr 2,4. ↩
Siehe Bibel und Gemeinde 3/96, Schwerpunktthema: Charismatik – Herausforderung für die Gemeinde, Kongress 1966. ↩
Gemäß 1Kor 12,1–12 werden Charismen offensichtlich vom Geist Gottes in die Gemeinde (hier auf dieser Erde!) gegeben. Wenn in 1Kor 13 gesagt ist, dass bestimmte Geistesgaben bleiben, andere jedoch aufhören werden, so muss sich beides logischerweise auf das seit Pfingsten bestehende Gemeindezeitalter beziehen. ↩
Siehe z.B. 1Tim 5,23; 2Tim 4,20; Phil 2,25–30; 2Kor 12,8–9. ↩
Siehe z.B. Wolfgang Bühne, Die „Propheten“ kommen, CLV 1994. ↩
Weissagung = Rede zur Erbauung, Ermahnung, Ermunterung und Tröstung (s. 1Kor 14,3). ↩
Siehe z.B. Jes 9,1-6; 42,1-9. ↩
Horst Schaffranek behauptet in einem Traktat: „Das Neue Testament sagt, dass der Neue Bund im Wesen des Geistes besteht, nicht im Wesen des Buchstabens. Das ist eine Ursache für Spaltungen. Wir sind in den Buchstaben zurückgefallen, schlagen die Bibel auf und handeln nach dem, was wir herausgelesen haben. (…) Der Heilige Geist will Menschen, die Ihm gehorchen und nicht nur der Bibel.“ Schaffranek übersieht geflissentlich, dass in 2Kor 3 ‚der Buchstabe‘, d. h. das alttestamentliche Gesetz, der vom Heiligen Geist inspirierten Botschaft des Neuen Testamentes gegenüber gestellt ist. ↩
Siehe z.B. Kol 1,27. ↩
Siehe z.B. Ps 119,140; Joh 17,17. Die Vollkommenheit der Heiligen Schrift bezieht sich auf die ursprünglich vom Geiste Gottes gewirkte Niederschrift des Alten und Neuen Testaments. ↩
Siehe hierzu Eph 2,8; 2Thess 2,16; Röm 5,5. ↩