Da liegen zwei Blätter auf dem Faxgerät, Kopien aus einem evangelikalen Magazin. Porträtiert wird „ein frommer Radikaler“, der eine Art Gemeinde „nicht nur für Lesben und Schwule“ leitet. Der ehemalige Baptist, der ein theologisches Seminar besuchte, meint, dass die Bibel nichts über die Liebe zwischen Männern sagen würde und fragt nach dem Sinn einer Befreiung von Homosexualität: „Wozu sollen Menschen die Liebesfähigkeit, mit der Gott sie ausgestattet hat, verbiegen?“ Er selbst hatte sich – nach seiner Eheschließung – in einen Mann verliebt, „landet mit ihm im Bett und entdeckt, welche eine Erfüllung Sexualität vermitteln kann“.
So weit, so schlecht! Man fragt sich, was dieses Porträt in einer evangelikalen Gemeindezeitschrift zu suchen hat, denn die ganze Geschichte wird wohlwollend neutral dargestellt. Doch an einer Stelle hat der homosexuelle Pastor, der seine gegen-geschöpfliche Neigung theologisch zu begründen versucht, völlig Recht: „Alles ist eine Frage des Schriftverständnisses. Wer von einer wörtlichen Inspiration der Bibel ausgeht, für den ist klar, dass Homosexualität Sünde ist.“
Auch der Bibelbund vertritt die Überzeugung, dass von der Unfehlbarkeit und Irrtumslosigkeit der Bibel alles abhängt: die Theologie, die Ethik, die Glaubenspraxis.
Wie man zehn Harmlosigkeiten aus den zehn Geboten macht, habe ich erst kürzlich im Urlaub wieder gelernt. Als Gäste in einer evangelikalen Gemeinde, hörten wir wie der Prediger das Hebräische bemühte, um seinen arglosen Zuhörern klar zu machen, dass das „Du sollst!“ von 2Mo 20 eigentlich mit „Du wirst …“ übersetzt werden kann. Heraus kam dann: „Du wirst es schon irgendwie machen“. Dazu passte auch die Meinung des Predigers über Gott. Der würde sich ständig über uns freuen. Und wenn uns doch mal ein Malheur passiert, kommt es schon irgendwie wieder in Ordnung. Tatsächlich bedeutete auch das „Du wirst!“ aber keine Abschwächung, sondern eher eine Verstärkung im Sinn von: „Du wirst das unter allen Umständen tun!“
Ist mit der Achtung vor der Schrift und der Sorgfalt bei ihrem Studium auch die Ehrfurcht vor Gott verloren gegangen – die Ehre und die Furcht?
Es ist eine Frage des Schriftverständnisses, ob man Gebote in Freiheiten verkehrt, ob man anfängt „territoriale Dämonen“ zu bekämpfen oder es noch wagt, sich Gedanken über unterschiedliche Aufgaben der Geschlechter zu machen. Und darum ist es auch so wichtig, dass wir bei der Schrift bleiben, wie sie Gott selbst gemeint hat.