ThemenKritik der Bibelkritik

Wie der „Spiegel“ die Bibel erfindet

In seiner regelmäßigen Kritik an der Bibel stützt sich der „Spiegel“ auf zweifelhafte Autoritäten

Mit gewohnter Häme griff der „Spiegel“ in seiner 52. Ausgabe 2002 wieder einmal Gott und sein Wort an. Assistiert wurde er dabei von einem populärwissenschaftlichen Buch, das der umstrittene jüdische Archäologe Israel Finkelstein zusammen mit Neil A. Silbermann verfasst hat: „Keine Posaunen vor Jericho“. Weitere Assistenten für den Autor Matthias Schulz waren „gemäßigte Bibel-Kritiker um Finkelstein“, die Überzeugung, dass die Bibel im Wesentlichen fromme Lügen auftische, und dass die Archäologie eine exakte Wissenschaft sei, deren Funde nur ein ganz bestimmtes Bild der Geschichte Israels abgeben könnten. Dass Finkelstein eine extreme Außenseiterposition unter den Archäologen vertritt, erfährt der „Spiegel“-Leser allerdings nicht.

Wenn man dieses Sammelsurium abenteuerlicher Spekulationen etwas näher unter die Lupe nimmt, muss man erneut zur Kenntnis nehmen, mit welchen unseriösen Mitteln hier gegen den Glauben der Christen gearbeitet wird: Peinliche Unkenntnis des Alten Testaments, einseitige Deutung archäologischer Funde, Fehler in der Auswertung der Daten …

„Spiegel“-Behauptung Tatsachen Interpretation
„Ein Auszug jüdischer Stämme aus Ägypten fand nie statt.“ Es gibt Siedlungen westsemitischer Nomaden in Goschen und den Nachweis hebräischer Namen unter ägyptischen Sklaven. Wenn man den Auszug aus Ägypten im falschen Jahrhundert sucht, wird man nichts finden.
„Kanaan wurde nicht, wie im Buch Josua beschrieben, gewaltsam erobert.“ Es gibt Hinweise auf eine Zerstörung Jerichos durch Feuer und Erdbeben während der Erntezeit. Nach dem biblischen Bericht wurden auch nur wenige Städte Kanaans gewaltsam erobert.
Wieso benutzten die Juden in 1Mo 42 zum Bezahlen des Getreides Metallgeld, das gab es doch erst im 7. Jh. v.Chr. in Kleinasien? Bereits für das Jahr 1000 v.Chr. sind in Ägypten münzenähnliche Silberstücke mit festen Gewichtseinheiten nachgewiesen, in Ugarit sogar schon für das 14. Jh. v.Chr. In 1Mo 42,25 steht wörtlich „Silber“, gemeint ist nicht Münzgeld, sondern fest definierte Silberstücke.
„Die Ur-Reiche von David und Salomo sind Trug. Diese israelitischen Könige herrschten nur über ,unbedeutende Teile von Randregionen’“ In der Spätbronzezeit sind prunkvolle Bauten in Megiddo, Hazor, ja sogar Überreste des Millo nachweisbar, auch Edelstein und Elfenbeinschätze. Nach der revidierten Chronologie, wie sie von Rohl und anderen vorgeschlagen wird, muss man nur in den richtigen Schichten suchen.
Ein 16 Quadratmeter großes Haus ohne Küche und Fenster in Jerusalem wird als Beleg für die Armseligkeit Davids benutzt. Das Haus, in der Fachliteratur als „Haus Ahiels“ bekannt, stammt aus einer Zeit 400 Jahre nach David, kurz vor der Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier. Nicht einmal Finkelstein sucht das salomonische Jerusalem in der späteren Bronzezeit.Die Informationen des „Spiegel“ sind falsch.
„Abraham reitet ständig auf Kamelen herum.“ Diese Lasttiere sind aber erst nach 1000 v.Chr. domestiziert worden. Funde von Gräbern, in denen Menschen zusammen mit ihren Kamelen bestattet wurden, zeigen, dass das Kamel schon vor dem 3. Jahrtausend als Lasttier verwendet wurde. Nicht das AT wurde gefälscht, sondern der Spiegel-Autor hat schlecht recherchiert.
Die Zion-Priester ersannen einen raffinierten Plan: Dokumentenfälschung. Diese Hypothese von de Wette ist völlig veraltet (200 Jahre alt). Bis heute ist keine historisch nachprüfbare Grundlage dafür gefunden.
Das Deuteronomium (5. Buch Mose), diese „mysteriöse Tempelschwarte“ ist eine Fälschung aus dem Jahr 630 v.Chr., die der Hohepriester Hilkia (2Kö 22) „gefunden“ habe. In den letzten 30 Jahren wurden Hunderte von Amtssiegeln gefunden, die die Existenz der in 2. Könige erwähnten Personen bestätigen. Wenn selbst der Rahmen des biblischen Berichts stimmt, wie kann der „Spiegel“ behaupten, der Bericht zeige nicht die Findung, sondern die Erfindung des 5. Buches Mose?
Jahwe sei ursprünglich eine lokale Variante des Wettergottes Baal gewesen. Es gibt keine Inschrift, die belegt, dass Jahwe offiziell als Wettergott verehrt wurde. Die Aussage ist reine Spekulation.
„Gott besaß ursprünglich eine nackte Begleiterin“ Es gibt keine Statuetten mit solch einer Inschrift.Es gibt aber Graffitti “Für Jahwe und seine Göttin Aschera” aus dem 9. Jh. v.Chr. Wie aus dem AT bekannt, haben Israeliten neben Jahwe leider auch anderen Göttern gehuldigt. Ihr Glaube entwickelte sich aber nicht aus dem Polytheismus.
„Die Entwicklung des Monotheismus verlief völlig anders, als die Heilige Schrift glauben machen will.“ 90% der archäologisch gefundenen Personennamen aus der Frühzeit Israels beziehen sich auf Jahwe. Der Monotheismus stand am Anfang der Geschichte Israels.
Auf jenem Hügel der Stadt, wo sich heute die Aksa-Moschee und der Felsendom erheben, lag einst das Zentralheiligtum der Stadt. Damit gibt der „Spiegel“ die Existenz des Tempels zu, die er an anderer Stelle bestreitet. Was ins Konzept passt, wird angenommen, das andere lehnt man ab.
Die Tora sei ein „diplomatisches Kompromisspapier“, an dem womöglich noch bis 50 nach Chr. gefeilt wurde. Jedes Buch des AT ist in den Qumranschriften nachgewiesen und war somit mindestens 100 vor Christus fertig. Eine gewagte Spekulation des „Spiegel“!
Um 1250 v. Chr. zogen die Israeliten aus Ägypten aus. Die biblischen Angaben sprechen eher für 1450 v.Chr. Wer in der falschen Zeit sucht, hat Probleme mit der Interpretation.
Wir haben nicht mal den Grundriss des Tempels. Es gibt erfolgreiche Rekonstruktionen aufgrund von Vermessungsarbeiten am Tempelberg. Der „Spiegel“ ignoriert neuere Forschungen.
„Und tatsächlich: Insgesamt fünf der biblischen Ur-Könige tauchen auch dort (in mesopotamischen Keilschriftarchiven) namentlich auf.“ In mesopotamischen Archiven werden 10 Könige Israels direkt und chronologisch korrekt erwähnt. Indirekt und in anderen Quellen weitere 10. Der „Spiegel“-Autor hat schlecht recherchiert.
Niehr ist sicher: „Im Tempel von Jerusalem stand damals (600 v.Chr.) noch ein Kultbild des Gottes (Jahwe).“ Es gibt keine archäologischer Evidenz für diese Behauptung. Die Bibel lehnt jede Bilderverehrung ab. Das ist eine abenteuerliche Spekulation.
„Der Stammvater David lebte also womöglich wirklich – wenn auch nur als ,Duodezfürst eines Stadtstaates’.“ 1993 wurde eine Basalt-Stele entdeckt mit der Erwähnung des „Hauses David“, 150 Jahre nach Davids Herrschaft. Es ist eine Inschrift der Feinde Israels, ein wichtiger Beweis für seine Echtheit, vom „Spiegel“ widerwillig akzeptiert.
„Die historische Basis der Bibel wankt.“ Das Buch von Israel Finkelstein, Chef-Ausgräber an der Universität Tel Aviv, „Keine Posaunen vor Jericho“ bestätigt, dass Kerntexte der Bibel unwahr sind. Finkelsteins Thesen wurden z.B. von Prof. William G. Dever mit seinem Buch “Was Archäologie uns über die Realität des antiken Israels sagen kann” und anderen Archäologen entkräftet. Sie sind in jedem Fall umstritten. Finkelstein ist kein “gemäßigter Bibel-Kritiker”, sondern ein radikaler Minimalist.Das wird dem „Spiegel-Leser“ vorenthalten, weil es die Thesen entkräften würde.