Antwort:
Diese Frage ist ein schönes Beispiel wie ein scheinbarer Widerspruch zu genauerem Hinschauen herausfordert und damit zu einem tieferen Verständnis des Ausgesagten.
Der direkte Zusammenhang, aber auch der Zusammenhang des ganzen Johannesevangeliums ist für das Verständnis nämlich entscheidend. Es geht im 4. Evangelium wesentlich darum, dass zuverlässige Zeugen aufgeführt werden, „damit wir glauben, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit wir durch den Glauben das Leben haben“ (20,31).
Jesus will Joh 5,31 nicht sagen, dass ein Zeugnis eines Menschen über sich selbst per se unwahr ist. Er kann durchaus die Wahrheit sagen, nur zählt ein solches Zeugnis nicht als Beweis. Beweiskraft haben nur Zeugnisse von zwei oder drei übereinstimmenden Zeugen. Jesus achtet dieses Prinzip aus 5Mo 19,15 wie aus 8,17 hervorgeht. Darauf machte unser Leser Thorben Plitt aufmerksam und ebenso darauf, dass etwa die Einheitsübersetzung darum statt „wahr“ „gültig“ übersetzt. „Glaubwürdig“ (wie in der NGÜ) wäre auch eine gute Wiedergabe, wenn man versteht, dass man sein Vertrauen nicht auf bloße Behauptungen aufbauen könnte. Jesus legt selber sehr strenge Maßstäbe an, wenn es darum geht, seine Lebenshoffnung auf Zeugen zu aufzubauen, weshalb er sogar auf das Zeugnis Johannes des Täufer verzichtet (5,33f), obwohl es wahr ist.
Auf welche zwei Zeugen beruft sich Jesus dann?
Der erste Zeuge sind die Werke, die er tut (5,36). Jesu Werke sind dabei nicht als spektakuläre Taten gedacht, die die Menschen beeindrucken sollen, sondern als Werke mit Wiedererkennungswert. Werke, die einerseits schon im Alten Bund den von Gott Gesandten ausgewiesen haben, aber als Ausweis für den Christus noch größer sind. Während Mose Wasser zu Blut werden ließ und sich damit als Gottgesandter auswies (2Mo 4,9), lässt Jesus Wasser zu Wein werden (Joh 2,9+11). Während Elia und Elisa ein Kind zum Leben erweckten, indem sie hingingen und sich auf das Kind legten, heilt Jesus aus der Ferne (Joh 4,53). Während unter Moses Führung Gott Manna vom Himmel gab, kann Jesus wann er will Menschen mit Brot und Fisch versorgen (Joh 6,30-32).
Der zweite Zeuge für Jesus ist das Wort Gottes, die Heilige Schrift (5,39+46).
Wenn Jesus in 8,18 sagt, dass er von sich selber zeugt und der Vater von ihm zeugt, dann sind das die gleichen Zeugen wie in Kapitel 5: Jesus selbst durch seine Werke und der Vater mit seinem Wort der Schrift. Nach den strengen Maßstäben, die an die Zeugen für den Messias angelegt werden müssen, sind auch gar keine anderen denkbar. Und dabei gibt es keine bessere Übereinstimmung als zwischen Vater und Sohn. „Wenn der Sohn sprach, hörte man den Vater sprechen (Joh 12,44-50), auch wenn er von sich selbst zeugte“. Dies ist für die Beweiskraft der Zeugnisse wesentlich. Jesus macht in Kap. 8 aber über Kap. 5 hinaus deutlich, dass es um eine personale Beziehung des Vertrauens zu ihm geht. Es wäre zu wenig, nur zuzustimmen, dass Jesus die Wahrheit gesagt habe. Man muss ihn kennen und ihm selbst vertrauen, wie aus 8,19 hervorgeht.