ThemenArchäologie und Bibel

Sodom und Gomorrha im Licht der biblischen Archäologie

Gab es die Städte Sodom und Gomorrha tatsächlich oder sind sie Teil einer Legende? Der Beitrag beschäftigt sich mit archäologischen Ausgrabungen rund um diese beiden Orte.

Vorbemerkungen: Seit es eine biblische Archäologie gibt, wurde immer wieder auch die Frage gestellt, ob sich über die durch Gottes Gericht zerstörten Städte Sodom und Gomorrha nicht wissenschaftlich Genaueres aussagen lasse. Für einen biblische Theologie wäre dies in der Tat von kaum zu überschätzendem Wert. Noch immer schwankt die genaue chronologische Einordnung der Erzväter. Lebte Abraham in der Zeit von ca. 2000-1700 v. Chr., wie ALBRIGHT, GLUECK und de VAUX vermuten? Oder im 17. Jahrhundert v. Chr., wie ROWLEY und CORNELIUS annehmen? Gelänge es, die Städte Sodom und Gomorrha auszugraben, dann wäre damit endlich ein fester Einsatzpunkt für die Datierung der Patriarchen, besonders des Erzvaters Abraham, gegeben. Aber die Städte waren bislang nicht aufzufinden.

Alle Erwähnungen, ob in der Bibel (z. B. Jes 1,10) oder in den Zeugnissen der profanen Weltgeschichte (z. B. Pompeij) sind sekundär von dem Bericht in 1Mo 19 abhängig. Dass die Anhänger der liberalen Kritik in ihm nur eine mythisch legendäre Überlieferung zu erblicken vermögen, bedarf kaum einer besonderen Erwähnung. Allenfalls sind sie noch zu dem Zugeständnis bereit, „dass die Überlieferung eine schwache Erinnerung an eine tatsächliche Katastrophe enthält“1 Andererseits gilt 1Mo 14 auch vielen kritischen Forschern als ein Rätsel. Allzu deutlich ist diesem Kapitel die historische Faktizität aufgeprägt. Aber warum findet sich keine Spur dieser Städte, wenn es sie gab?

Neuere Forschungen brachten nun wiederum Bewegung in diese Frage. Bei den Ausgrabungen der alten Stadt Ebla (etwa 50 km südlich von Aleppo) sollten – so die z. T. sensationell aufgemachten Pressemitteilungen – die ersten profangeschichtlichen Hinweise auf die Existenz von Sodom und Gomorrha aufgetaucht sein. Darüber evtl. in einem späteren Beitrag. Unabhängig davon erregten etwa um die gleiche Zeit die Auffindung frühbronzezeitlicher Ortslagen am Ostufer des Toten Meeres das Interesse der archäologischen Fachwelt. Die nun folgende Publikation neuerer Forschungsergebnisse hätte kaum vorgelegt werden können, wenn Bruder Joachim KÖHLER/Zweenfurth nicht die Übersetzung vieler englischsprachiger Texte aus z. T. nur schwer zugänglichen Fachzeitschriften und Büchern bereitgestellt hätte. Ihm sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

Zu den Forschern, die in neuerer Zeit den vielen ungelösten historischen Fragen ein Stück näher gekommen zu sein scheinen, gehören Walter E. RAST von der Universität Valparaiso (Indiana/USA) und R. Thomas SCHAUB von der Indiana-Universität im Bundesstaat Pennsylvania. Bei ihren Grabungen am Ostufer des südlichen Endes des Toten Meeres stießen sie auf mehrere sehr interessante Fundstellen, die ihrer Meinung nach am ehesten als „Anwärter“ für die durch Gottes Gericht zerstörten „Städte der Ebene“ (1Mo 13,12) in Frage kommen. Die Hauptstelle, BAB EDH-DHRA liegt etwa eine Meile östlich der Halbinsel Lisan, die vom Ostufer her zungenförmig in das Tote Meer hineinragt. BAB EDH-DHRA überragt das Tote Meer um die Höhe von ca. 180 Meter. Während der frühen Bronzezeit (3. Jahrtausend v. Chr.) war diese Ortslage bewohnt. Ohne Zweifel wurde es an dem steilen Felsufer erbaut, um sich besser verteidigen zu lassen.

Zu BAB EDH-DHRA gehört ferner ein Friedhof von wahrlich Aufsehen erregender Größe. Einer der Wissenschaftler schätzt, dass mehr als 20.000 Gräber zu ihm gehören. Bei Berücksichtigung der besonderen Bestattungsgewohnheiten dürften in ihnen mehr als 500.000 (!) Menschen begraben worden sein. Nach der Gewohnheit des Altertums finden sich auch Grabbeigaben; gewöhnlich Tongefäße, deren Anzahl auf etwa 3 Millionen geschätzt wird. Im Stadtinneren fand man ein großes rechteckiges Gebilde, vermutlich ein ehemaliger Tempel; sodann die Reste eines Baues, der von den Archäologen als Altar gedeutet wird.

BAB EDH-DHRA wurde nicht erst neuerdings entdeckt. Schon um 1924 stieß eine Forschergruppe unter Führung des jungen William Foxwell ALBRIGHT (John-Hopkins-Universität/ Baltimore) bei Vermessungsarbeiten in der Jordansenke auf die Stätte. ALBRIGHTs hervorragende wissenschaftliche Kenntnisse beherrschten die Welt der biblischen Archäologie für nahezu 50 Jahre. Zu ALBRIGHTs Forschergruppe gehörte auch M. G. KYLE (der Präsident des Theologischen Seminars Xenia; später Theologisches Seminar Pittsburgh). Die Ehre, BAB EDH-DHRA als erster entdeckt zu haben, gebührt jedoch dem Forscher Alexis MALLON, S.J. MALLON, ALBRIGHT und KYLE veröffentlichten Beschreibungen der Siedlungsstellen und brachten auch mancherlei Fundgegenstände mit. Dennoch fand dies alles nur wenig Beachtung.

Mitte der 60er Jahre tauchte nun in den Antiquitätenhandlungen der Jerusalemer Altstadt eine beachtliche Menge frühbronzezeitlicher Keramik auf. Das brachte die Forscher zum Aufmerken. Man verfolgte die Herkunft der Keramik bis zu ihrem Ursprungsort – und stieß auf BAB EDH-DHRA. Wie schon bei den berühmten Handschriftenfunden vom Toten Meer waren bedauerlicherweise! – die Beduinen mal wieder die „Ersten“.

Natürlich waren unverzügliche Ausgrabungen notwendig. Die ASOR2 in Jerusalem entsandte 1965 eine erste Expedition unter Leitung ihres Direktors Paul W. LAPP. In 3 Saisons führte er seine Grabungen durch und veröffentliche die vorläufigen Forschungsberichte. Leider konnte er durch einen tragischen Unfall seine Arbeit nicht beenden.

1975 wurden unter RAST und SCHAUB die Arbeiten erneut aufgenommen. Zu ihrer Expedition gehörte auch Donald J. ORTNER, ein Anthropologe vom Smithsonian-Institut. Anhand von Skelettresten untersuchte er den Körperbau jener Menschen, die einst auf dem großen Friedhof von BAB EDH-DHRA bestattet wurden. Schon um 1973 – noch während der vorbereitenden Vermessungsarbeiten – stieß man auf eine weitere Ortslage, Nu-meira. Sofort, noch vor jeder Grabungstätigkeit, erkannten die Forscher, dass hier einst ein gewaltiger Brand gewütet hatte. Poröse Holzkohle lag überall auf dem Boden herum. Mühelos konnte man sie mit der Hand zusammenscharren. Die gefundene Keramik3 gestattete die Datierung: Numeira liegt zeitlich in der gleichen Periode, in der auch BAB EDH-DHRA bewohnt war.

RAST und SCHAUB führten zwei Grabungskampagne in Numeira durch. Bei der letzten, 1979, wirkte der Harvard-Professor Michael D. COOGAN leitend mit. Auf der Grundlage der hier gewonnenen Grabungsergebnisse legte das Archäologen-Team die Besiedelung Numeiras auf die nur 100-jährige Zeitspanne zwischen 2450 und 2350 v. Chr. fest. Danach wurde die Stadt durch eine Brandkatastrophe völlig zerstört. Numeira liegt etwa 11 km südlich von BAB EDH-DHRA und umfasst eine ehemals besiedelte Fläche von etwa 0,8 ha. Die Befunde lassen darauf schließen, dass hier offenbar die Wein- bzw. Mostbereitung eine gewisse Rolle gespielt hatte, womöglich die eines örtlichen Gewerbes. Man fand in einer Kelter eine große Beschickungsmenge Trauben, die nicht mehr verarbeitet werden konnte. Bemerkenswert war der gute Erhaltungszustand der Schalen. Ferner fand man die Reste eines Turmes. Wohl diente er dazu, die Bevölkerung beim Herannahen einer Gefahr zu warnen. Gut erhalten war eine mit Putz verkleidete Treppenflucht, die zum oberen Teil des Turmes führte.

Bei ihrer systematischen Vermessungsarbeit fanden RAST und SCHAUB noch drei weitere Stellen, die Merkmale von Besiedelung während der Frühbronzezeit aufweisen: Safi, Feifa und Khanazier. Sie liegen, von BAB EDH-DHRA her gesehen, entlang einer südlich verlaufenden Linie (vgl. Karte 1). Diese fünf Stellen längs des Ostufers des Toten Meeres überragen infolge ihrer Höhenlage den südlichen Ghor4) Diese drei weiteren Stellen konnten bislang archäologisch noch nicht erschlossen werden.

Manches an diesen nüchternen Forschungsergebnissen sollte den Bibelleser aufhorchen lassen: Es gibt fünf – und nur fünf! – Ortslagen, die im Gebiet des Toten Meeres liegen. Jede befindet sich in der Nähe einer Quelle, die menschliches Leben in dieser Gegend überhaupt erst ermöglicht. Alle fünf lassen sich auf die gleiche archäologische Periode – die Frühe Bronzezeit (3100-2100 v. Chr.) – datieren. Bis in die Römerzeit hinein lagen diese Orte völlig unbewohnt. Das sind Fakten von nicht zu unterschätzender Bedeutsamkeit!

Die biblische Berichterstattung in 1Mo 14 zeigt uns, dass Sodom und Gomorrha Partner einer Koalition waren, die sich gegen ihren Tributherrn „Kedor-Laomer, dem König von Elam“5 auflehnten. Der Aufstand misslang. Während Kedor-Laomers Gegenschlag wurde auch der in Sodom lebende Lot gefangen genommen. Daraufhin gelingt es dem Abraham mit seiner aus 318 Mann bestehenden Armee, die weiterziehenden Sieger über das 5-Städte-Bündnis einzuholen und den gefangenen Lot zu befreien.

Die fünf biblischen Städte werden (1Mo 13,10-13) als die „Städte der Ebene“ bezeichnet. Neben Sodom und Gomorrha gehören Adma, Zeboim und Bela (Zoar) dazu. 1Mo 14,3: „Alle diese verbündeten sich und kamen in das Tal Siddim, das ist das Salzmeer.“ Dieser biblische Hinweis berechtigt zu der Schlussfolgerung, dass die fünf Städte in der Nähe des Toten Meeres zu suchen sind. Im Hebräischen heißt es Yam Hammelach – Salzmeer.

Viele Forscher, darunter so bedeutende wie ALBRIGHT, LAPP und KITCHEN vermuteten, die seichten Stellen des südlichen Toten Meeres könnten einst trockenes Land gewesen sein, so dass Sodom und Gomorrha möglicherweise dort lagen, „wo nun das Salzmeer ist“. Infolge der beträchtlichen Wasserentnahme aus dem Jordan (zu Bewässerungszwecken) kam es in den letzten Jahren zu einem Absinken des Wasserspiegels. Während des Sommers 1979 lag ein großer Teil des Südbeckens des Toten Meeres frei. Natürlich nahmen die Forscher die Gelegenheit zu einer Untersuchung des Meeresbodens wahr.

Ihre Schlussfolgerung lautet:

„Das Südende (des Toten Meeres) kann während des Zeitraumes, in welchem Menschen lebten, keine Stadt eingeschlossen haben: Als Lageplatz für einen Städtebau ist dieses Gebiet nicht nur höchst unwahrscheinlich, sondern geradezu unmöglich.“

Nach allem, was heute von dem Städtebau der Frühen Bronzezeit bekannt ist, wurden sie gewöhnlich an hochgelegenen Stellen errichtet.

Aber auch unabhängig von den wohl möglichen Querverbindungen zum biblischen Bericht, hat die Fundstätte BAB EDH-DHRA ihren eigenen Reiz. Sie darf als eine der ältesten in Palästina erbauten Städte gelten (neben Jericho u. a.). Die ältesten Spuren von Besiedlung führen in das Ende des 4. Jahrtausends v. Chr. (= Frühbronze 1a).

Den Forschern schien vieles darauf hinzudeuten, dass die Siedler von BAB EDH-DHRA Angehörige eines Volkes mit ausgeprägtem Hirten- und Nomadenleben waren. Man fand viele Grabschächte, in denen Tote beerdigt wurden. Diese liegen zeitlich noch vor den Anfängen einer festen Besiedelung. In der Frühbronze 1b (2900-2600) wurde eine etwa 3m dicke Mauer aus Asphaltziegeln (vgl. 1Mo 14,10: „Erdharz“) auf einem Steinfundament rund um die ca. 4 ha große Stadt gebaut. Ein Teil dieser Mauer war schon während der Arbeit von LAPP gefunden worden.

Später, in der Frühbronze 1c (2600 bis 2300) schützte eine weitere, mehr als 6 m dicke Mauer die Stadt. Es scheint, dass beide Mauern auch Türme besaßen, die so das Verteidigungspotential der Stadt wesentlich erhöhten. Die Stadtmauer war intermittierend, d. h. aus einzelnen Teilstücken errichtet. Auf diese Weise wird mit großer Wahrscheinlichkeit gewährleistet, dass ein Erdbeben nicht die ganze Mauer vernichten konnte. Um 2300 v. Chr. wurde BAB EDH-DHRA zerstört – und zwar durch Feuer!

Im Stadtinneren fand man eine Anzahl von Häusern, die ebenfalls aus Asphaltziegeln errichtet waren. Ferner die Überreste eines Gebäudes, das nach Meinung der Archäologen ein Tempel (mit Altar) gewesen sein könnte. Der Eingang liegt dem Toten Meer gegenüber. Das Dach war durch Holzpfeiler gestützt, die auf einem flachen Steinsockel ruhten. Man fand die verkohlten Reste eines dieser Pfeiler. Ebenso fand man noch einige der hölzernen Deckenträger. Gegen Ende der Frühbronzezeit wurde alles durch Feuer zerstört.

Die Deutung dieses Bauwerkes als eines Tempels bzw. als einer Kultstätte wird noch durch eine Beobachtung verstärkt: Es zeigt sich, dass es direkt auf den Fundamenten eines früheren, ebenfalls zerstörten Bauwerkes ruhte. Das entspricht der Gepflogenheit des Altertums, den Standort eines kultischen Bauwerkes samt seiner Umgebung als „geheiligten“ Ort anzusehen. Machte sich der Neubau einer Kultstätte nötig, so entschied man sich gern wieder für den durch die Überlieferung „geheiligten“ Ort.

Weiterhin entdeckte man eine halbkreisförmige freie Stätte, die vermutlich als eine Art „Gerichtshof“ anzusehen ist. In dessen unmittelbarer Nähe fanden die Archäologen ein Steinmesser, das man wahrscheinlich zum Schlachten der Opfertiere benutzte. Auch fand sich eine Feuerstelle mit Töpferware; ein Stück zeigt den Abdruck eines Siegels, dessen Motiv als ein kultischer Tanz verstanden wird.

Etwa um 2300 v. Chr. wurde BAB EDH-DHRA zerstört. Viele Tonnen von Gesteinsschutt begruben ihre Gebäude. Unter dem Schutt aber finden sich klare Beweise, dass die Zerstörung durch einen Brand herbeigeführt wurde. Es gibt auch Besiedelungsspuren, die der Frühbronze 1d zugeordnet werden (2300-2100). Hatte man versucht, die Stadt einige Zeit nach der Brandkatastrophe wieder aufzubauen? Menschen von der Art eines Hiel (vgl. 1Kö 16,34) gab es zu jeder Zeit. Dann aber reißt die Besiedlungsgeschichte endgültig ab. Seither liegt die Stadt verödet und verlassen.(Fortsetzung folgt)

Zeittafel:

1. Chalkolithikum = 4500-3100 v. Chr.
2. Bronzezeit 1 =

Frühbronzezeit 3100-2100
Frühbronze 1a 3100-2900
Frühbronze 1b 2900-2600
Frühbronze 1c 2600-2300
Frühbronze 1d 2300-2100

3. Bronzezeit 2 = Mittelbronzezeit 2100-1600
4. Bronzezeit 3 = Spätbronzezeit 1600-1200
5. Eisenzeit = Zeit 1200-900

Etwa einen knappen Kilometer südwestlich der Ortslage von BAB EDH-DHRA liegt der bereits erwähnte Mammutfriedhof. Die ersten Begräbnisse werden in die Zeit um 3200 v. Chr. (= Übergangszeit vom Chalkolithikum zur Frühen Bronze) datiert. Damals war aber die Stadt noch gar nicht erbaut; der Friedhof wurde dann etwa 1000 Jahre lang als zentraler Begräbnisplatz benutzt. Nicht nur die Menschen der sich inzwischen entwickelnden Ortslagen, sondern auch die großen Nomadenstämme, die das Gebiet durchstreiften, scheinen ihre Toten hierher gebracht zu haben.

Auf diesem gewaltigen Friedhof wurden drei unterschiedliche Arten von Gräbern bestimmt. Die ältesten (und zahlreichsten!) sind die sogenannten „Grabschächte“ (oder „Schachtgräber“). Sie bestehen aus einem runden Schaft von etwa 1 m Durchmesser, der etwa 2 m in die Tiefe führt. Am unteren Teil des Schaftes finden sich dann 1 bis 5 kugelförmige Aushöhlungen – die eigentlichen Grabkammern. Jede dieser Grabkammern war von der Grundfläche des Schaftes her mit einem flachen Rollstein verschlossen.

Jede einzelne dieser Grabkammern enthält die Gebeine von etwa 5 Menschen, die – kein Schreibfehler dies! – hier zum zweiten Male beerdigt wurden. D. h. die Kochen fanden hier die letzte Ruhe, nachdem an anderem Ort offenbar schon einmal eine Bestattung der Toten stattgefunden haben musste.

Die Schädel wurden längs der Grabkammer angeordnet. Die anderen Knochen wurden in der Mitte der Grabkammer aufgehäuft. Als Grabbeigaben fanden sich überwiegend Tongefäße. Doch sind auch seltenere Gegenstände belegt, so z.B. eine Tonfigurine, die von den Forschern als eine Muttergottheit gedeutet wurde; ferne Holzstäbe, Keulenknaufe, Schilfmatten, Sandalen und Körbe. Einst dienten auch Nahrungsmittel als Grabbeigaben. Gerste, Trauben und Pfirsiche konnten anhand der Überreste identifiziert werden.

Diese Grabschächte wurden hauptsächlich in der Zeit vor der Städtegründung benutzt. Einige wenige Grabschächte besaßen nur eine Kammer am Grund des Schaftes. Sie wurde für die Erstbestattung eines Toten genutzt, der in die Mitte der Grabkammer gelegt wurde. Diese Grabschächte für Einzelpersonen stammten aus der Zeit nach der Städtegründung. Die anthropologischen Untersuchungen der Knochen ergaben, dass die ehemaligen Bewohner dieses Gebietes große, stattliche Menschen gewesen sein müssen. Ihre Körpergröße liegt um 1,90 m.

Nach der Errichtung der Stadt ging man dazu über, sogenannte „Beinhäuser“ (Karner) zur erneuten Bestattung der Toten zu nutzen. Diese Karner haben wir uns als rechteckige, hausähnliche Gebilde aus Asphaltziegeln vorzustellen, deren „Raumlänge“ von 3 bis 7,5 m reicht. Die Eingänge befanden sich in der Längsseite des Raumes. Aber es wurden auch runde Karner gefunden. Der Boden dieser Beinhäuser war gewöhnlich mit Steinen gepflastert. Die Knochen fanden sich in großen Haufen angeordnet. In einem Karner fanden sich die Gebeine von 200, in einem anderen sogar die von 300 Menschen.

Obwohl die Anzahl der Grabschächte die der Karner bei weitem übersteigt, wurden viele Menschen nicht in einem Grabschacht, sondern in einem Karner zum zweiten Male bestattet. Auch in den Karner fand man viele Grabbeigaben: riesige Mengen an Töpferware, eine halbmondförmige Streitaxt, Schmuckgegenstände aus Gold, hölzerne Kämme, Textilien und metallene Waffen.

Ein dritter Grabtyp ist eine Begräbnisstätte für die Erstbestattung einer Einzelperson. Zu diesem Zweck wurde eine rechteckige Kammer in den Kalkstein gehauen und mit einer Steinplatte bedeckt. Darüber wurde dann noch ein Erdhügel aufgeschüttet. Diese Art der Gräber war typisch für die Zeit, in der die Stadt BAB EDH-DHRA – offenbar durch eine Brandkatastrophe – zerstört wurde (ca. 2350 v.Chr.).

Von den drei anderen Stellen – Safi, Feifa und Khanazier – sind uns bislang keine Ausgrabungen bekannt geworden. Sehr interessant ist aber, dass die berühmte Mosaik-Karte von Madeba – sie ist Teil eines Fußbodens einer byzantinischen Kirche aus dem 6. Jahrhundert6 – Safi mit Zoar identifiziert, einer der fünf „Städte der Ebene“.

Safi besitzt ebenfalls einen gewaltigen frühbronzezeitlichen Friedhof, der dem von BAB EDH-DHRA beinahe gleichkommt. Auch FEIFA scheint in vieler Hinsicht BAB EDH-DHRA zu ähneln. Auch hier hat einst eine gewaltige Brandkatastrophe gewaltet. Überall findet sich poröse Holzkohle, die man mühelos mit der Hand zusammenscharren kann (ebenso in NUMEIRA!). Auch hier ein gewaltiger Friedhof.

Die fünfte Fundstelle – KHANAZIER – liegt am äußersten Südende des Ghor, direkt vor dem Beginn des Araban-Tales, das sich von Ghor bis zum Golf von Akabah am Roten Meer erstreckt. Eine Mauer hat einst die Ortslage umgeben. Ein Turm ist deutlich auszumachen. Vermutlich war diese Stadt in der frühen Bronzezeit sehr bedeutsam. Dennoch müssen weitere Grabungen abgewartet werden. Deren Ergebnisse erst werden uns weitere Detailaussagen ermöglichen.

Und was ist mit Sodom und Gomorrha? Sind diese Städte nun gefunden oder nicht? Manchem Leser mag bei der sehr ins einzelne gehenden Beschreibung der Grabungsbefunde diese Frage mit wachsender Ungeduld bewegt haben. Aber eine Antwort, soll sie auch wissenschaftlich sicher sein, darf niemals von Wunschdenken, auch nicht von biblisch interessiertem Wunschdenken diktiert sein. Es ist ungemein schwierig, viel schwieriger als die meisten Leser sich vermutlich vorzustellen vermögen, eine alte Ortslage mit Sicherheit zu identifizieren. Man stelle sich vor, es würde in einer dieser alten Städte ein Tontäfelchen gefunden, auf welchem sich zweifelsfrei der Name „SODOM“ fände. Was wäre damit bewiesen? Auf gar keinen Fall, dass der Fundort auch Sodom wäre. Das Täfelchen könnte schließlich von einem Ort dorthin gebracht sein.

Bei den Ausgrabungen auf Tel Mardikh fanden sich bereits 1964 während der ersten Grabungskampagne Hinweise, dass es sich hier möglicherweise um das alte EBLA handeln könnte. Und dennoch waren mehrere Jahre angestrengtester Arbeit nötig, bis die Ortslage tatsächlich mit Ebla identifiziert werden konnte. Bei BAB EDH-DHRA und den anderen Städten liegt die Situation noch ungleich schwieriger, weil bislang keine Klarheit bringenden Schriftdokumente aufgefunden wurden. Geduld ist also nötig.

Andererseits allerdings sind die hier erwähnten Grabungsbefunde höchster Beachtung wert. Denn wenn so anerkannte und bedeutende Fachleute wie RAST und SCHAUB mit Ernsthaftigkeit in Erwägung ziehen, dass sie möglicherweise die in 1Mo 14 erwähnten Städte gefunden haben könnten, dann ist das allein schon ein Umstand, der den Bibelleser zu schärfster Aufmerksamkeit nötigt.

Unser volles Vertrauen an die volle Historizität aller von der Bibel berichteten Ereignisse darf allerdings niemals von der Anzahl der gelungenen oder noch ausstehenden außerbiblisch-wissenschaftlichen Bezeugungen abhängig sein. Hier gilt vielmehr eine Anwendung von Hebr 11,3: „Durch Glauben verstehen wir, dass die Welten durch Gottes Wort gemacht sind.“ Durch Glauben allein wird uns auch der volle Zugang zu dem in der Bibel bezeugten Handeln Gottes in Erwählung, Führung, Gnade und Gericht ermöglicht.


  1. G. von Rad in AT Deutsch; Das erste Buch Mose 

  2. ASOR: American Schools of Oriental Research 

  3. Die Archäologie bedient sich gern der Datierung ihrer Funde anhand der überall vorkommenden Keramik. Diese Datierungsmethode ist von beachtlicher Leistungsfähigkeit. Dennoch wird laufend an ihrer Verfeinerung gearbeitet. 

  4. Ghor ist ein arabisches Wort und bedeutet Senke oder Niederung bzw. flaches Gebiet (vgl. dazu 1Mo 13,10ff 

  5. vgl. dazu R. de Vaux, Die hebräischen Patriarchen und die modernen Entdeckungen, 1960, S. 41. K. A. Kitchen, alter Orient und Altes Testament, 1965, S. 20 

  6. Vgl. Rienecker Bibellexikon, Sp. 1568; nicht enthalten in der Volksausgabe.