„Ihr vom Bibelbund kämpft gegen die Bibelkritik. Das ist ja schön und gut. Aber ist das in unseren evangelikalen Gemeinden sinnvoll? Sicherlich: an den theologischen Fakultäten – da ist das angebracht. Aber bei uns in den Gemeinden …?“
Bibelkritik ist nicht nur: „Das Buch 1. Mose ist eine Komposition mehrerer Einzelschriften (Quellen)“ oder: „Dieser Brief ist gar nicht von Paulus geschrieben!“. Derartige Fachdiskussionen sind im sonntäglichen Gottesdienst sicherlich nicht zweckdienlich.
Aber hat das Kritisieren der Bibel hierin seine Grenzen? Gibt es nicht, wie es jemand vor einiger Zeit nannte, auch „heimliche Formen der Bibelkritik“, also ein Herangehen an die Heilige Schrift, das nicht ausdrücklich als bibelkritisch ausgezeichnet wird, das aber mindestens ebenso gefährlich, weil zerstörerisch, ist?
Der Hebräerbriefschreiber (3,7–4,13) predigt über Ps 95, 7ff und beschreibt den aus Unglauben resultierenden Ungehorsam des aus Ägypten ausgezogenen Volkes. Anschließend resümiert er:
„Lassen wir uns den Ungehorsam jener früheren Generation als warnendes Beispiel dienen, damit wir nicht wie sie zu Fall kommen! Denn eines müssen wir wissen: Gottes Wort ist lebendig und voller Kraft. Das schärfste beidseitig geschliffene Schwert ist nicht so scharf wie dieses Wort, das Seele und Geist und Mark und Bein durchdringt und sich als Richter unserer geheimsten Wünsche und Gedanken erweist.“ (4,11+12 Neue Genfer Übersetzung)
Würden wir ohne Kenntnis dieser Stelle das auch so formulieren? Ist in unserer persönlichen und gemeindlichen Schriftlese das Wort derart scharf – oder halten wir es eher stumpf durch unsere angewöhnten oder unbesehen übernommenen Vorstellungen? Dann liegen hier eben „Formen der heimlichen Bibelkritik“ vor.
Einige wenige Beispiele sollen dies verdeutlichen:
- Wenn man Geschwister um ihre Meinung zu einer biblischen Frage bittet, wieviel von den Antworten hält einer biblischen Beleuchtung stand? Aus welchen Quellen wird unser sog. biblisches Verständnis gespeist, wieviel Einfluß hat die Philosophie und „Ethik“ unserer Umwelt? Wären wir doch wie Timotheus: 2Tim 3, 14ff!
- Man studiert stundenlang im Hauskreis oder in der Bibelstunde ein biblisches Thema und die Fakten liegen „klar“ auf dem Tisch. Und dann: „Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß Gott das so meint.“ Manchmal wird dies offen ausgesprochen, manchmal wird aber einfach das eigene (falsche) Denken und Handeln nicht geändert. Als Korrektiv kann hier das Studium von Jes 55,8+9 empfohlen werden.
- Wer gibt uns den Schlüssel, anhand dessen wir uns zu entscheiden in der Lage fühlen, ob eine bestimmte biblische Weisung nur „kulturell“ bedingt (und damit im heutigen Europa eben nicht mehr bindend) ist oder ob es sich um eine kulturübergreifende Weisung handelt? Das klassische Beispiel für eine solche Unterscheidung ist die Frage um die Kopfbedeckung der Frau mit Hinweis auf das im gleichen (!) Kapitel erläuterte „Mahl des Herrn (Brotbrechen)“. Niemand wird das Brotbrechen als kulturell bedingt streichen wollen – ist dies aber nicht oft als Argument gegen die Kopfbedeckung zu vernehmen!?
Mehr Beispiele wären möglich, aber es geht hier um das Nach-Denken: Ist das Wort Gottes in meinem persönlichen Leben schon heute schärfer als jede Edelstahlklinge und medizinisches Skalpell? Und das eben nicht nur, wenn es darum geht, andere zu beurteilen, sondern gerade dann, wenn ich in den vor mir stehenden Spiegel schaue?
Ich meine, es lohnt sich.