ThemenKritik der Bibelkritik

Die sogenannten Widersprüche im Alten Testament

Wie gehen wir mit vermeintlichen Widersprüchen im Alten Testament um? Will die Bibel überhaupt widerspruchslos sein, oder liegt es nicht es sogar in ihrem Wesen, unklar zu sein? An ausgewählten Beispielen und klaren Aussagen des AT kann man eine klare Antwort erkennen.

Nach Meinung von Gerhard Hörster stößt jeder aufmerksame Bibelleser immer wieder auf Irrtümer und Widersprüche in der Bibel. So schreibt er in seinem Buch Markenzeichen „bibeltreu“1 „Die Lehre von der Irrtumslosigkeit der Bibel in allen ihren Aussagen ist als Schutz gedacht, scheitert aber an der realen Gestalt der Bibel.“ Gerhard Maier drückt es in seiner Biblischen Hermeneutik (S. 118) ein wenig anders aus: „Man stieß also durch das Bibelstudium auf eine Verschiedenartigkeit der Schriftaussagen, die notwendig den Gedanken hervorriefen, ob nicht die eine durch die andere korrigiert werden müsse“.

Widerspricht die Bibel selbst der Behauptung der Irrtumslosigkeit der Bibel, oder handelt es sich hier nur um sogenannte Widersprüche?

1 Einleitende Fragen

1.1 Definition: Was ist ein Widerspruch?

Nils Dahl behauptet in einem Aufsatz: „Die Bibel ist voller Widersprüche.“2 Aber was ist eigentlich ein Widerspruch? Nach Wahrigs Deutschem Wörterbuch ist ein ‚Widerspruch‘ „eine einer früheren Aussage entgegengesetzte Äußerung; die Behauptung des Gegenteils; eine Unvereinbarkeit“; und nach dem Duden „die fehlende Übereinstimmung oder das Sichausschließen zweier oder mehrerer Aussagen“.

Hier muss man jedoch einwenden, dass unterschiedliche Aussagen noch nicht ‚widersprüchlich‘ sein müssen. In seiner Monographie über theologische Verschiedenheit im Alten Testament beschreibt John Goldingay vier Formen des ‚Widerspruchs‘ bei biblischen Aussagen: formelle, kontextuelle, substantielle (wesentliche) und grundlegende. Nur die letzte Art sieht er als widersprüchlich im problematischen Sinn an, d.h. in keiner Weise miteinander zu vereinbaren (S. 15-25). Mit anderen Worten: Nicht jede Form der ‚Widersprüchlichkeit‘ stellt eine Infragestellung der Lehre von der Irrtumslosigkeit der Schrift dar.

1.2 Sogenannte Widersprüche und die Irrtumslosigkeit der Schrift:

Warum ist diese Fragestellung wichtig? Ist es wirklich notwendig, uns mit behaupteten Widersprüchen im Alten Testament zu beschäftigen? Es gibt evangelikale Theologen, denen die Zuverlässigkeit (und Vereinbarkeit) der Aussagen der Evangelien über Jesus sehr wichtig sind, die aber die historischen Aussagen im Alten Testament als zweitrangig ansehen, vielleicht weil es dabei nicht um Jesus geht.3 Einerseits dürfen wir in unserer Schriftlehre nicht in dieser Weise zwischen dem NT und dem AT unterscheiden. Andererseits dürfen wir auch nicht einfach behaupten, dass es hier lediglich um ’sogenannte‘ Widersprüche geht, so dass folglich die Spekulationen der Kritiker uns nicht der Mühe wert sind.

Eigentlich hat der Umgang mit den sogenannten Widersprüchen im AT zwei unterschiedliche Absichten: eine negative und eine positive . Beide sind für die Exegese von Bedeutung.

Einerseits hat der Umgang mit sogenannten Widersprüchen eine apologetische Absicht, um die Argumente der historisch-kritischen Forschung bezüglich der göttlichen Herkunft der Schrift und der kompositionellen Entwicklung der einzelnen Schriften zu widerlegen. Nach Gerhard Maier (S. 118): „Jeder Entwurf einer Inspirationslehre muss sich mit der Frage nach eventuellen Fehlern in der Schrift auseinandersetzen.“ Wenn tatsächlich Fehler, z.B. Widersprüche, in der Bibel festzustellen sind, dann muss unsere Inspirationslehre entsprechend umformuliert werden, um solche zu erklären. Doch diese Fragestellung ist auch grundlegend für die Exegese.

Nur wenn wir uns intensiv mit den sogenannten Widersprüchen beschäftigen, werden wir in der Lage sein, die kritischen Anfragen zu beantworten

Ein Hauptkriterium für die Literarkritik im Alten Testament, besonders für die Quellenscheidung im Pentateuch, ist die Beobachtung von Widersprüchen im Text. Steck schreibt in seinem exegetischen Handbuch (S. 52-53), dass bei der Frage nach der literarischen Integrität eines Textes, Spannungen im Wortlaut (lexikalische, grammatische, syntaktische, terminologische), insbesondere Widersprüche und Brüche im Textablauf, zu den Hauptanzeichen literarischer Uneinheitlichkeit gehören. Nur wenn wir uns intensiv mit den sogenannten Widersprüchen im AT beschäftigen, werden wir in der Lage sein, die kritischen Anfragen anderer Theologen (und Laien in den Gemeinden, die von ihnen überzeugt wurden) zu beantworten.

Anderseits gibt es tatsächlich Stellen in der Bibel, die scheinbar im Widerspruch zueinander stehen, die der aufmerksame Bibelleser selbst beobachtet. Auch wenn er nicht sofort geneigt ist, dem Text einen Fehler zu unterstellen, sind wir ihm eine Antwort schuldig. Er möchte wissen, wie diese Aussage im Kontext zu verstehen ist und welche Funktion gerade diese Formulierung hat. Also enthält der Umgang mit sogenannten Widersprüchen auch eine positive, eher hermeneutische Absicht.

1.3 Der Ursprung der sogenannten Widersprüche:

Wie sind Widersprüche in Gottes unfehlbarem Wort entstanden?

Wenn wir deshalb induktiv (hergeleitet) von Problemstellen ausgehen, gibt es also zwei Gründe, uns mit diesen Texten zu beschäftigen.

Wenn wir aber deduktiv (folgernd) von einem bibeltreuen Schriftverständnis ausgehen, müssen wir erst eine andere Frage beantworten, nämlich: Wie sind Widersprüche in Gottes unfehlbarem Wort entstanden? Dafür gibt es sowohl textbezogene als auch leserbezogene Erklärungen.

1.3.1 Textbezogene Erklärungen:

Viele sogenannte Widersprüche erklären sich durch die Überlieferung des Textes und die kulturelle Distanz

a. Einige Probleme sind im Laufe der langen Textüberlieferung entstanden. Beim wiederholten Kopieren der Texte drangen manchmal Fehler ein: durch Hörfehler (gleichlautende Worte), Sehfehler (man überspringt gleichbeginnende oder gleichendende Sätze) und Kopierfehler (besonders bei Zahlen). So können Widersprüche im Text entstanden sein, die nicht in den Urtexten vorhanden waren.

b. Einige sogenannte Widersprüche stammen aus der langen Geschichte der Entstehung des Alten Testamentes. Stellen Sie sich vor, Sie lesen eine Geschichte des deutschen Volkes von 800 bis 1800 n.Chr., die auch zwischen 800 und 1800 geschrieben wurde. Welche unterschiedlichen, scheinbar widersprüchlichen Ausdrucksweisen, Erklärungen und Perspektiven würden Sie von den verschiedenen beteiligten Autoren erwarten? So auch in bezug auf das Alte Testament.

1.3.2 Leserbezogene Erklärungen:

Die meisten Widersprüche stammen aus der chronologischen und kulturellen Distanz zwischen uns und dem Text in seinem ursprünglichen Kontext:

a. Einerseits sind wir zu wenig vertraut mit der Sprache , den stilistischen Mitteln, bildreichen Ausdrücken, kompositionellen Regeln, literarischen Gattungen und vorausgesetzten Sitten und Gebräuchen, um die biblische Literatur völlig zu verstehen.

b. Andererseits fordern wir unberechtigterweise von den biblischen Texten einen eindeutig chronologischen oder logischen Aufbau, eine lückenlose Erzählung, eine naturwissenschaftliche Genauigkeit und eine historische Vollständigkeit, die unseren Vorstellungen von Literatur bzw. von Geschichtsschreibung entspricht. Manchmal können wir solche Fehleinschätzungen nicht vermeiden.

c. Weitere Widersprüche entstehen erst durch eine irreführende Übersetzung
und werden von dem Leser als solche verstanden, weil er auf Übersetzungen angewiesen ist.

d. Doch leider müssen wir auch feststellen, dass viele sogenannte Widersprüche nicht festgestellt werden, weil man etwa zu oberflächlich oder uninformiert die Bibel liest, sondern weil bewusst nach Unregelmäßigkeiten im Text gesucht wird. Gooding schreibt bzgl. einer behaupteten Diskrepanz zwischen 1Sam 16 und 17 (S. 56):

Viele sogenannte Widersprüche entstehen, weil bewusst nach Unregelmäßigkeiten im Text gesucht wird

„Mir scheint es, keiner hätte je gemeint, es handele sich hier um einen Widerspruch, wäre er nicht aus anderen Gründen überzeugt, dass hier zwei widersprüchliche Geschichten vorlägen, und folglich geneigt wäre, andere Beispiele von Widersprüchen zu finden.“

1.4 Kategorisierung der sogenannten Widersprüche (mit Beispielen):

Welche Arten von Widersprüchen werden nun behauptet? Wenn Problemstellen die eben genannten Ursachen haben können, überrascht es nicht, dass es dicke Bände gibt, die die sogenannten Widersprüche in der Bibel besprechen.4) Da wir uns in den folgenden Beispielen auf einige wenige Texte beschränken müssen, ist es hilfreich, zuerst die verschiedenen Arten von behaupteten Widersprüchen zu beschreiben:

1.4.1 Externe Widersprüche

Trotz der erstaunlich hohen Zahlen sind die Zahlenangaben in den fünf Büchern Mose schlüssig

Der Widerspruch wird zwischen einem biblischen Text und einer Information außerhalb der Bibel behauptet.

a. Naturwissenschaftliche:
die phänomenale Sprache, die modernen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht. Meistens geht es hier um poetische Ausdrücke, die beschreibend, aber nicht erklärend sind. Sprechen wir nicht auch vom Sonnenaufgang und -untergang?

Es wäre ein ganz anderes Problem, wenn ein Text behaupten würde, die Sonne kreise um die Erde und ein anderer Text das genaue Gegenteil.

b. Historische
: biblische Aussagen, denen durch archäologische Erkenntnisse oder außerbiblische Texte widersprochen wird. Zum Beispiel wird oft behauptet, dass die biblische Darstellung der Eroberung in Josua nicht stimmen kann, weil die Ausgrabungen der erwähnten Stätten dies nicht bestätigen. Doch ist die Deutung solcher Ausgrabungen subjektiv. John Bimson5 schlägt vor, dass man eine ganze Ausgrabungsschicht (die durch die Vergleichung der Keramikfunde datiert wird) ein Jahrhundert später datieren sollte. In diesem Fall würden die biblischen Aussagen bestens mit den Ergebnissen der Archäologie zusammenpassen – außer bei Ai. Jedoch behauptet David Livingston wiederum, dass man am falschen Ort nach Ai gegraben habe6) Und hinsichtlich der außerbiblischen Texte ist bekannt, dass diese häufig keinen Anspruch auf historische Zuverlässigkeit erheben können: Die assyrischen Könige haben z.B. manchmal ihre Errungenschaften übertrieben.

c. Prophetische:
zukunftsbezogene Aussagen, die nicht in Erfüllung gingen. Hier geht es um die Frage, wie diese Texte zu deuten sind und welche Art und welchen Zeitpunkt der Erfüllung vorausgesagt wurde.

d. Moralische
: biblisches Verhalten und göttliche Forderungen, die unseren Vorstellungen der Gerechtigkeit und Güte Gottes widersprechen, z.B. Jephtahs Opferung seiner Tochter, Gottes ähnliche Forderung bezüglich Isaak. Diese werden besser als ‚moralische Schwierigkeiten‘ kategorisiert.

e. Logische:
Die biblischen Angaben bei Zahlen widersprechen scheinbar der menschlichen Logik:

  • dass Sara mit über 60 Jahren noch schön und begehrenswert war
  • dass Abraham mit 318 Hausknechten vier Könige besiegen konnte
  • vor allem, dass ein Volk von zirka zwei Millionen7 in der Wüste versorgt werden und sich durch die Wüste bewegen konnte. So erstaunlich hoch diese Zahlen sind, muss man aber doch erkennen, dass die Zahlenangaben im Pentateuch miteinander übereinstimmend und folglich ohne Widersprüche sind.8

Bei all diesen Kategorien geht es nicht nur um die Deutung des Textes, sondern auch um die Deutung von Information außerhalb des Textes.

1.4.2 Interne Widersprüche

Hier geht es um die Deutung von zwei oder mehreren biblischen Texten, wobei eine Aussage einer ähnlichen Aussage in demselben oder in einem anderen Buch widerspricht oder davon erheblich abweicht. Wenn dieser Widerspruch innerhalb eines Buches vorkommt, schließt der Literarkritiker daraus, dass der vorliegende Text zusammengesetzt wurde, d.h. aus verschiedenen ursprünglich selbstständigen, fragmentarischen oder vollständigen Texten, Traditionen oder Quellen und redaktionellen Zusätzen besteht. Dabei kann man zwischen theologischen und geschichtlichen Widersprüchen unterscheiden.

a. Bei widersprüchlichen theologischen Aussagen über Gott und über den Menschen in seiner Beschaffenheit und in seiner Beziehung zu Gott geht es oft um die fortschreitende Offenbarung, aber auch um unterschiedliche Akzentuierungen und Ausdrucksweisen.

Wenn ein Text z.B. sagt, dass niemand Gott je gesehen habe, ein anderer jedoch, dass besondere Menschen Gott wiederholt gesehen haben (vgl. 2Mo 33,20 und Joh 1,18 mit 2Mo 24,9-11, Ri 13,22 und Jes 6,1.5), wird dies manchmal als theologischer Widerspruch angesehen.

b
. Bei geschichtlichen Widersprüchen handelt es sich um Details, die miteinander nicht zu vereinbaren sind. Wenn dies zwischen zwei parallelen Erzählungen wie zwischen Samuel oder Könige und Chronik auftritt, behauptet man, dass ein Geschichtsschreiber historisch zuverlässiger sei als der andere. Damit verwandt sind neutestamentliche Aussagen über die alttestamentliche Geschichte, deren Aussagen letzteren widersprechen.

Nur diese zweite Kategorie von sogenannten Widersprüchen besteht eigentlich aus Widersprüchen im Alten Testament; folglich werden wir nur diese weiter besprechen.

2 Grundlegende Einstellungen und methodische Prinzipien

Unsere intellektuelle Arbeit muss durch Gebet begleitet werden, denn es geht um einen geistlichen Kampf

Wie sollen wir mit sogenannten Widersprüchen umgehen?

Wenn wir beim Bibellesen auf einen scheinbaren Widerspruch stoßen, oder wenn jemand einen Text erwähnt, von dem er behauptet, dass darin ein Widerspruch zu finden sei, wie sollen wir darauf reagieren, um dieses Problem zu lösen?

Wir müssen ehrlich mit den Problemtexten umgehen

2.1 Grundlegende Einstellungen:

  • Solche Fragen dürfen wir nicht unterschlagen. Wenn sie unbeantwortet bleiben, können sie unser Vertrauen in die Schrift untergraben. Wenn sie gut beantwortet werden, unser Vertrauen jedoch stärken. Doch sollen wir von der Annahme der Integrität (Einheitlichkeit) und der Kohärenz (Verständlichkeit) des Textes ausgehen, statt dem Text von vornherein Ungereimtheiten zu unterstellen.
  • Hier geht es um einen geistlichen Kampf und eine geistige Arbeit. Da dem Feind des Glaubens daran liegt, das Schwert des Geistes stumpf zu machen, in dem die Schrift als unzuverlässig und folglich als unverbindlich betrachtet werden muss, sollte unsere intellektuelle Arbeit durch Gebet begleitet werden. Doch müssen wir uns auch mit den Aussagen des Textes intensiv beschäftigen und soweit wie möglich zu den besten Büchern und Hilfsmitteln greifen. Alte Bücher sind nicht zu verachten. Da die Bibelwissenschaft sich jedoch immer weiter entwickelt, können auch die neusten exegetischen Methoden und Veröffentlichungen neue Antworten liefern.
  • Wir müssen ehrlich mit den Problemtexten umgehen. Es ist nicht genug, eine oder viele Lösungen vorzuschlagen, wenn sie alle gezwungen, gekünstelt und unwahrscheinlich wirken. Lindsell9 hat z.B. vorgeschlagen, dass Petrus Jesus sechsmal verleugnet habe, um dadurch die voneinander abweichenden Berichte in den Evangelien zu harmonisieren. So etwas bringt die evangelikale Exegese in Verruf und überzeugt nur wenige. Wir müssen auch demütig sein und es zugeben, wenn wir keine gute Lösung finden können. Es kann sein, dass uns momentan die nötige Information fehlt, das Problem zu lösen. Justin sagte dem Juden Tryphon schon im zweiten Jahrhundert: „Ich bin schlechterdings überzeugt, dass keine Schriftstelle einer anderen widersprechen kann, und werde eher zugeben, dass ich das Gesagte nicht begreife.“10
  • Es ist nicht notwendig, jeden sogenannten Widerspruch in der Bibel zu erklären, um an die Irrtumslosigkeit der Schrift glauben zu können. Dass es trotz ihrer Vielfalt an Formen und Autoren so wenige echte Problemstellen in der Bibel gibt, zeugt schon von ihrer göttlichen Herkunft. In den Worten der Chicago-Erklärung:

„Wir bejahen die Einheit und innere Übereinstimmung der Heiligen Schrift. Wir verwerfen die Ansicht, dass angebliche Fehler und Diskrepanzen, die noch nicht gelöst wurden, den Wahrheitsanspruch der Bibel hinfällig machen.“11

2.2 Methodische Prinzipien

Es gibt einige methodische Prinzipien, die wir im Umgang mit einem scheinbaren Widerspruch beachten sollen. Wir möchten diese auch durch konkrete Beispiele verdeutlichen.

1. Versuchen Sie, beide betroffenen Texte unabhängig voneinander zu verstehen
, d.h. die Deutung ihrer Aussagen und ihre jeweilige Funktion im Kontext. Nach 1Kö 7,13-14 war die Mutter von Hiram von Tyrus aus dem Stamm Naphtali. Nach 2Chr 2,13-14 hieß er aber Hiram-Abi und seine Mutter war eine Frau von den Töchtern Dan. Es ist möglich, dass Naphtali oder Dan den Wohnsitz statt die Stammeszugehörigkeit bezeichnen, oder dass die zwei Eltern der Mutter jeweils einem der beiden Stämme angehört haben. Weshalb aber die unterschiedlichen Herkunftsangaben? Nach Raymond Dillard12 will der Verfasser von Chronik Hiram-Abi und seine Aufgabe beim Tempelbau mit Oholiab und seiner Aufgabe bei der Erstellung der Stiftshütte vergleichen. Oholiab selbst stammt aus Dan; so betont Chronik, dass auch Hiram-Abi aus Dan stammte.

Die unterschiedlichen Funktionen erklären die unterschiedlichen Personenangaben. Um beide betreffenden Texte samt ihrer Funktion zu verstehen, können folgende Schritte hilfreich bzw. nötig sein:

a. Vergleichen Sie verschiedene Übersetzungen
oder, wenn möglich, lesen Sie den Urtext. Manche ‚Widersprüche‘ verschwinden, wenn man den eigentlichen Wortlaut erkennt. Manchmal wird z.B. behauptet, dass 1Mo 1 und 2 zwei widersprüchliche Schöpfungsberichte darstellten. Doch übersetzt die New International Version die Verben in 2,8.18 als vorzeitige Handlungen, d.h. „hatte gepflanzt … hatte geformt“. Auch bezeichnen die Ausdrücke „das Gesträuch des Feldes … das Kraut des Feldes“ in 2,5 nicht die Pflanzen von 1,12, sondern evtl. die von 3,18 („Dornen und Disteln … Kraut des Feldes“). In jedem Fall geht es hier nicht um eine zusätzliche Schöpfung im Garten oder um einen widersprüchlichen Schöpfungsbericht, sondern um eine detailliertere Beschreibung des sechsten Schöpfungstages mit dem Menschen im Mittelpunkt.

b. Seien Sie sicher, dass Sie die Bedeutung wichtiger Begriffe richtig verstehen
. In 1Sam 15 lesen wir in V. 11 und 35, dass Gott es reute, dass er Saul zum König gemacht hatte. In V. 29 aber sagt Samuel von Gott: „Denn nicht ein Mensch ist er, dass ihn etwas gereuen könnte.“ Also ein ‚Widerspruch‘ innerhalb eines Kapitels? Das Wort ‚Reue‘13 aber umfasst zwei Aspekte:

  • gefühlsmäßig die Trauer, die jemand empfindet, wenn etwas aufgrund menschlichen Versagens misslingt, eine Übertragung menschlicher Emotionen auf Gott und
  • willensmäßig, indem er etwas unternimmt, um die Situation zu ändern (vgl. zu 1Mo 6,6 und der Ursache der Sintflut).

In V. 11 und 35 geht es um die Verwerfung Sauls als König, die Gott nach V. 29 wegen des heuchlerischen Sündenbekenntnisses (V. 24) nicht rückgängig macht, denn er lässt sich nicht wie ein Mensch durch Gefühlsschwankungen umstimmen.

c. Identifizieren Sie die literarische Form der betreffenden Texte
und machen Sie sich vertraut mit den wichtigsten Eigenschaften dieser Form oder Gattung. Oft wird behauptet, dass Sprüche 26,4-5 sich widersprechen:

„Antworte dem Toren nicht nach seiner Narrheit, damit nicht auch du ihm gleich wirst! Antworte dem Toren nach seiner Narrheit, damit er nicht weise bleibt in seinen Augen!“ In der biblischen Weisheit gibt es Sprichwörter, die in unterschiedlichen Situationen angewendet werden können und entsprechend Unterschiedliches aussagen. Der Weise weiß, wie man mit solchen Sprüchen richtig umgeht, der Tor aber nicht, denn sie sind in seinem Mund wie die schlaffhängenden Glieder eines Lahmen (V. 7). In dem Abschnitt 26,1-12 geht es um den richtigen Umgang mit einem Toren: Man soll den Toren nicht ehren (V. 1-3 u. 8); man soll ihm keine wichtige Botschaft anvertrauen (V. 6-7, 9-10); man soll ihn als hoffnungslos aufgeben (V. 11-12). So muss man entscheiden, wie ihm in einer spezifischen Situation zu antworten ist (V. 4-5): „gemäß seiner Narrheit“, damit sein Mangel an Logik bloßgestellt wird oder „nicht gemäß seiner Narrheit“, damit er sich nicht darin bestätigt fühlt.

2. Stellen Sie fest, worin genau der ‚Widerspruch‘ besteht
. Entscheiden Sie, um welche Art von Widerspruch es hier geht und überlegen Sie dessen Tragweite. Beschränkt sich der ‚Widerspruch‘ auf ein einziges Wort, oder geht es um die unterschiedlichen Ausrichtungen der beiden Texte als Ganzes betrachtet? Die Antworten auf diese Fragen helfen uns zu entscheiden, wo die Lösung zu suchen ist.

1.Mose 2 muss nicht als ein zweiter vom Kapitel 1 abweichender Schöpfungsbericht verstanden werden

3. Wenn die betreffenden Texte keine historischen Berichte sind, überlegen Sie, ob die Unterschiede kontext- oder situationsbedingt sind, oder ob sie sich durch die fortschreitende Offenbarung in der Bibel erklären lassen. Einige vermeintliche Widersprüche in den Gesetzessammlungen sind dadurch zu erklären, dass die Gesetzgebung in 2.-4Mo vorwiegend an das Volk während der Wüstenzeit gerichtet ist, aber in 5Mo die Sesshaftigkeit des Volkes im Lande vorausgesetzt wird (vgl. dazu 2Mo 20,24; 24,4; 3Mo 17,5; 5Mo 12).

In der biblischen Weisheit gibt es Sprichwörter, die in unterschiedlichen Situationen angewendet werden können und entsprechend Unterschiedliches aussagen

4. Bei historischen Texten , besonders innerhalb eines biblischen Buches, aber auch zwischen zwei Büchern, lesen Sie den Text auch wie eine Erzählung und nicht nur als einen historischen Bericht. Manch ein für einen historischen Bericht scheinbar unwichtiges Detail fügt der Entwicklung einer Erzählung aber etwas Wesentliches hinzu. Diese eher neue methodische Ansicht bietet viel Hilfe bei der Erklärung textlicher Ungereimtheiten. Was man früher als literarisches Ungeschick angesehen hat, erweist sich als hochentwickeltes literarisches Mittel von fähigen Autoren.14

Nehmen wir wieder 1Mo 2 als Beispiel. Wie wir schon oben gesehen haben, sollte 1Mo 2 nicht als ein zweiter vom Kapitel 1 abweichender Schöpfungsbericht verstanden werden. 1Mo 2,5: „Gott, der HERR, hatte es noch nicht auf die Erde regnen lassen, und noch gab es keinen Menschen, den Erboden zu bebauen“, enthält weder widersprüchliche Details über die Entstehung von Pflanzen noch solche, die nur für Klimatologen bzw. Agrarwissenschaftler von Interesse sind, sondern erklären, weshalb es trotz der Erschaffung der Pflanzenwelt am dritten Schöpfungstag noch kein Gesträuch des Feldes oder Kraut des Feldes auf Erden gab, wie V. 5a berichtet. Sie waren auf Regen, bzw. Bebauung angewiesen. Dieser Hinweis auf die notwendige Bebauung führt zu Gottes Auftrag an den Menschen (V. 15), den Garten zu bebauen und zu bewahren. Das wiederum führt evtl. zur notwendigen Hilfe für den Mann, nämlich der Frau (V. 18). Kein Detail ist in diesem Bericht überflüssig.

5. Wenn es um abweichende Zahlenangaben geht (oder um ein einzelnes Wort), bietet sich oft eine textkritische Lösung an. Auch wenn wir nicht sicher sind, wann ein alphanumerisches System15 eingeführt wurde, entstanden aus dem Kopieren von Zahlen viele textkritische Fehler. Nach 2Kö 24,8 war Jojachin achtzehn Jahre alt, als er König von Juda wurde. Nach 2Chr 36,9 war er nur acht Jahre alt. Wahrscheinlich ist das Zeichen für ‚zehn‘ in der Chronikstelle unscharf oder verwischt gewesen und wurde beim Kopieren übersehen. Hier lesen auch einige hebräische und griechische Manuskripte ‚achtzehn‘. Auch hinsichtlich des schwierigen Problems der Chronologie des geteilten Königreichs gibt es eine Fülle an abweichenden hebräischen und griechischen Lesarten, die Teillösungen ermöglichen.

Doch können nicht alle chronologischen Probleme textkritisch behoben werden. Edwin Thiele konnte zeigen, dass die Annahme von Mitregentenschaften unter den Königen Israels und Judas viele weitere Probleme klärt. So löst sich der scheinbare Widerspruch zwischen 2Kö 1,17: „Und Joram [Sohn Ahabs] wurde König an Ahasjas Stelle im zweiten Jahr Jorams, des Sohnes Joschafats, des Königs von Juda“ und 2Kö 3,1: „Und Joram, der Sohn Ahabs, wurde König über Israel in Samaria, im achzehnten Jahr Joschafats, des Königs von Juda“.

6. Wenn wir mit parallelen aber scheinbar voneinander abweichenden Erzählungen (evtl. auch bei einzelnen parallelen Beschreibungen und Angaben) zu tun haben, sollten wir versuchen, diese miteinander zu harmonisieren. Entweder muss der Text nach guten textkritischen Prinzipien geändert werden oder er muss so gedeutet oder verstanden werden, dass kein gedanklicher Widerspruch mehr besteht. Dabei sollte man zunächst überlegen, ob das Hauptproblem eher bei einer Textaussage liegt oder bei beiden gleichzeitig.

Wenn sich keine textkritische Lösung anbietet, muss versucht werden, zwei scheinbar widersprüchliche Aussagen oder eine unwahrscheinliche Aussage als historisch zuverlässig zu erweisen. So verfahren wir auch mit widersprüchlichen Aussagen unserer Kinder, wenn wir überzeugt sind, dass beide die Situation ehrlich und wahrheitsgemäß schildern! Wie bei einem Kriminalroman suchen wir nach Hinweisen im Text für eine mögliche Erklärung.16

Die Neigung zum Harmonisieren fängt schon innerhalb des Alten Testaments an.17 Zum Beispiel lesen wir in 1Sam 17, dass David den Goliath umgebracht hat. Doch in 2Sam 21,19 heißt es: „Und Elhanan, der Sohn des Jaare-Oregim, der Bethlehemiter, erschlug Goliath, den Gatiter“. 1Chr 20,5 harmonisiert diesen scheinbaren Widerspruch: „Und Elhanan, der Sohn Jairs, erschlug Lachmi, den Bruder Goliats, den Gatiter“. In der LXX (B) und Peschitta von 1Chr 29,22, fehlt der Ausdruck „zum zweitenmal“, den vermutlich ein Schreiber dem Masoretischen Text hinzugefügt hat, um den Text mit 1Chr 23,1 zu harmonisieren. Viele abweichende Lesearten spiegeln den Versuch wider, Unstimmigkeiten im Text zu glätten bzw. zu harmonisieren. Ähnliches findet man auch bei Josephus.

Auf den ersten Blick voneinander abweichende Angaben können durchaus miteinander vereinbar sein

Beim Harmonisieren gibt es eine Reihe von Prinzipien, auf die zurückgegriffen werden kann: Unchronologische Anordnung der Begebenheiten, unterschiedliche Namen oder Schreibarten, auf- oder abgerundete Zahlen, unvollständige Beschreibungen, unterschiedliche Zitate aus der gleichen Rede und voneinander abweichende Angaben können durchaus miteinander vereinbar sein

Keine Lehre von der Irrtumslosigkeit der Schrift bestimmt im voraus, wie eine Problemstelle zu lösen ist oder dass alle mit einer bestimmten Lösung einverstanden sein werden, sondern allein, dass die Aussage des Textes in irgendeiner Weise als ‚wahr‘ verstanden werden kann.

Bei mehreren Lösungsmöglichkeiten müssen wir uns für die wahrscheinlichste, nicht für die kreativste oder gar ausgefallenste entscheiden

Nehmen wir ein Beispiel, um diesen Vorgang zu illustrieren. In 1Kor 10,8 lesen wir: „Auch lasst uns nicht Unzucht treiben, wie einige von ihnen Unzucht trieben und es fielen an einem Tag 23.000!“ In 4Mo 25,9 lesen wir aber: „Und die Zahl der an der Plage Gestorbenen (wegen Baal-Peor) war 24.000.“ Welche Möglichkeiten gibt es, diese beiden Angaben miteinander zu vereinbaren?

  • Nach Calvin hat Mose aufgerundet und Paulus abgerundet.
  • Es gibt in 1Kor 10,8 eine abweichende Leseart „24.000“, die aber spät und wahrscheinlich harmonisierend ist.
  • Leon Morris18 meint, dass Paulus die Zahl derer, die durch das Schwert von Richtern getötet wurden (nach 4Mo 25,5), auslässt. Doch sagt 4Mo 25 ausdrücklich, dass jene durch die Plage gestorben seien (es sei denn, man versteht die Präposition b‘ temporal, d.h. „während der Plage“).
  • Paulus zählt, wie viel „an einem Tag“ starben, 4Mo aber wie viel insgesamt durch die Plage starben.
  • 1Kor 10 bezieht sich nicht auf 4Mo 25, sondern auf 2Mo 32, wo nach dem Vorfall mit dem goldenen Kalb 3.000 durch das Schwert getötet wurden (V. 28) und eine ungenannte Zahl wahrscheinlich durch die nachfolgende Plage gestorben sind (V. 35). Die Reihenfolge der historischen Vorfälle in 1Kor 10 ist nicht unbedingt chronologisch und V. 7 bezieht sich auf 2Mo 32. Es ist auch möglich, dass die ‚Belustigung‘ des Volks (2Mo 32,6) sexuelle Unzucht einschließt. Doch scheint 1Kor 10 an vier verschiedene Vorfälle der Wüstenzeit zu denken.
  • Wenn wir mehr als eine Lösung für einen Problemtext gefunden haben, müssen wir entscheiden, welche Lösung die wahrscheinlichste ist. Hier geht es nicht um die kreativste oder sogar die ausgefallenste. Manche Lösungen sind zu modern, setzen psychologische Überlegungen voraus, wirken gezwungen. Unsere Devise kann ja nicht heißen: Hauptsache eine Lösung!

Bei der Entscheidung sollte man sich einige Fragen stellen:

  • Kann man weitere Beispiele in der Bibel finden, wo Ähnliches der Fall ist? Zum Beispiel bzgl. der Frage der Stammeszugehörigkeit der Mutter Hiram-Abis19) findet man eine ähnliche Situation bei Samuel: 1Sam 1,1 – Elkana ist ein Ephraimiter; 1Chr 6,22-28 – Elkana ist ein Levit.
  • Welche Lösung ist die einfachste?
  • Welche Erklärung sowohl literarisch wie auch historisch passt am besten in den biblischen Kontext? Bei dem eben behandelten Beispiel scheint Calvins Vorschlag von auf- und abgerundeten Zahlen noch die wahrscheinlichste Lösung zu sein. Doch muss man dabei bedenken, dass man nicht die vollständige Harmonie aller Bibelstellen demonstrieren muss, ehe man diese für wahr halten kann.

3. Die exemplarische Behandlung von einigen sogenannten Widersprüchen im AT

Man muss nicht die vollständige Harmonie aller Bibelstellen demonstrieren, bevor man sie für wahr halten kann

Jetzt möchten wir einige Beispiele von sogenannten Widersprüchen im Alten Testament ausführlicher behandeln, um diese grundlegenden Perspektiven, Prinzipien und Schritte zu illustrieren.

3.1 Die Bekanntheit des Gottesnamens ‚Jahwe‘ vor der Zeit Moses.

Ein Schlüsseltext für die kritische Quellenscheidung im Pentateuch ist 2Mo 6,2-3. Dort lesen wir: „Und Gott redete zu Mose und sprach zu ihm: Ich bin Jahwe. Ich bin Abraham, Isaak und Jakob erschienen als Gott, der Allmächtige; aber mit meinem Namen Jahwe habe ich mich ihnen nicht zu erkennen gegeben.“ Das ‚widerspricht‘ aber 1Mo 4,26, wonach man schon während der Urgeschichte, zur Zeit des Enosch, anfing, „den Namen Jahwe anzurufen“.

Nach der Urkundenhypothese ist dieser ‚Widerspruch‘ folgendermaßen zu erklären. Die sog. jahwistische Quelle (J) benützt den Gottesnamen Jahwe vom Anfang an in seiner Erzählung, die viel spätere priesterliche Quelle (P) erst ab 2Mo 6. In 1Mo verwendet P die allgemeine Gottesbezeichnung Elohim, mit den Ausnahmen von 1Mo 17,1 und 21,1b, wo auch P ‚Jahwe‘ in der Erzählung aber nicht im Dialog verwendet. Von daher gelten diese unterschiedlichen Gottesnamen in 1Mo 1 – 2Mo 6 in der Literarkritik als Kriterien für die Unterscheidung ursprünglich unabhängiger literarischer Quellen, die erst viel später zusammengeflochten wurden.

Gibt es eine andere Lösung? W.J. Martin20 und F.I. Andersen21 schlagen aus syntaktischen bzw. diskursgrammatischen Gründen vor, die letzten Worte in 2Mo 6,3 als negative rhetorische Frage zu übersetzen: „Und habe ich nicht meinen Namen Jahwe ihnen kundgetan?“, die eine positive Antwort erwartet. Das stimmt mit dem Beweismaterial von 1Mo überein, denn dessen Verfasser verwendet den Namen ‚Jahwe‘ immer wieder in den Vätergeschichten. Doch eine nähere Untersuchung von 1Mo zeigt, dass der Verfasser von 1Mo zurückhaltender ist, wenn es um die Verwendung dieses Namens in direkter Rede geht. In den Vätergeschichten erscheint der Name ‚Jahwe‘22 67 Mal in der Erzählung aber nur 34 Mal im Dialog, davon nur 4 Mal in Gottes Mund – in 1Mo 15,7; 18,14 und 19 (2x).

Der Inhalt dieser Aussagen ist auffallend:

15,7: „Ich bin Jahwe, der ich dich herausgeführt habe aus Ur der Chaldäer, um dir dieses Land zu geben, es in Besitz zu nehmen“ – vielleicht wegen der Parallele zum Auszug aus Ägypten;

18,4: „Sollte für Jahwe eine Sache zu wunderbar sein?“ – die Geburt des Isaak, die zur Gründung des Gottesvolks führt;

18,19 „Denn ich habe ihn erkannt, damit er seinen Söhnen und seinem Haus nach ihm befehle, dass sie den Weg Jahwes bewahren, Gerechtigkeit und Recht zu üben, damit Jahwe auf Abraham kommen lasse, was er über ihn geredet hat.“ – die langfristige Erfüllung der Väterverheißungen.

Es ist wichtig zu beachten, dass der Name Jahwe vor der Zeit Moses in außerbiblischen Quellen nicht eindeutig bezeugt ist. Vielleicht will Mose darauf hindeuten, dass die Patriarchen den Namen ‚Jahwe‘ überhaupt nicht gekannt haben, oder dass ihnen mindestens andere Gottesbezeichnungen wie El-Shaddai oder El-Eljon geläufiger waren. Doch benützt er den Namen Jahwe wiederholt in Erzählungen, seltener in Reden, um die Identifikation deutlich zu machen (2Mo 3,15): „So sollst du zu den Söhnen Israel sagen: Jahwe, der Gott euer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name in Ewigkeit.“

An dieser Stelle ist mehr gemeint als die Bekanntheit einer bestimmten Gottesbezeichnung

Aber es ist auch eine andere Lösung möglich. Nach einer ausführlichen Untersuchung der Syntax und des Kontexts von 2Mo 6,3 schlägt Randall Garr23 folgende Übertragung des Verses vor: „Ich bin Abraham, Isaak und Jakob (in begrenzter Form) als El Shaddai erschienen (der Bundesverheißungen gibt). Doch war ich nicht das Objekt (vollständigen) Bundeserkenntnisses für sie, wie mein Name Jahwe (der Bundesverheißungen erfüllt) zu verstehen gibt.“ Schon die aramäische Übersetzung im Targum Pseudo-Jonathan betonte, dass an dieser Stelle mehr gemeint ist als die Bekanntheit einer bestimmten Gottesbezeichnung. Hier geht es eher um die persönliche24 Erfahrung einer Charaktereigenschaft, die durch den Namen Jahwe (der Gott, der gegenwärtig und engagiert ist) ausgedrückt wird. Die Väter mögen den Gottesnamen Jahwe gekannt haben, aber, wie 2Mo ausführlicher entfaltet, sie kannten ihn nicht als den erwählenden, rettenden, führenden, fürsorgenden Bundesgott. So existiert kein Widerspruch zwischen 2Mo 6,3 und der Verwendung von „Jahwe“ in 1Mo.25

3.2 Sauls Kenntnisse über David

Auch in der Goliathgeschichte in 1Samuel finden viele Ausleger einen Widerspruch, den sie nicht überwinden können. Nach ihnen enthält 1Sam 16 und 17,1-18,5 zwei unabhängige, widersprüchliche Traditionen über Davids erste Begegnung mit Saul. Hertzberg26 schreibt: „Die Auslegung bietet erhebliche Schwierigkeiten. Die Goliatherzählung negiert völlig das Kap. 16, und zwar beide Teile …“

Nach Kap. 16 ist David schon von Samuel zum König gesalbt worden, ein Mann des Krieges (V. 18), von Saul geliebt, der Saul als Musiker und Waffenträger dient (V. 21). Nach Kap. 17 kommt David als unbekannter Hirtenjunge an die Kriegsfront und begegnet Saul, weil er sich mutig bereit erklärt, gegen Goliath zu kämpfen (V. 31-32). In den V. 55ff. lesen wir:

„Als aber Saul sah, wie David dem Philister entgegen ging, sagte er zu Abner, dem Heerobersten: Wessen Sohn ist doch dieser junge Mann, Abner? Und Abner antwortete: So wahr du lebst, König, ich weiß es nicht! … Als David zurückkehrte, nachdem er den Philister erschlagen hatte, nahm ihn Abner und brachte ihn vor Saul; und er hatte den Kopf des Philisters in seiner Hand. Und Saul fragte ihn: Wessen Sohn bist du, junger Mann? David antwortete: Der Sohn deines Knechtes Isai, des Bethlehemiters.“

Widerspricht Kap. 17 der Information in Kap. 16? Wie bei 1Kor 10,8 gibt es einige mögliche Erklärungen.

3.2.1 Logisch-psychologische Lösungen:

1. Saul möchte lediglich mehr über die Familie seines künftigen Schwiegersohnes erfahren, deshalb die dreifache Wiederholung: „Wessen Sohn ist er?“ Es geht nicht um Davids Person, sondern um seine Familie. Nach V. 25 soll der Bezwinger des Goliaths die Königstochter heiraten und seine Familie von Steuerabgaben befreit werden.

2. Saul erkundigt sich nach Davids Herkunft, da solche Informationen seinen mutigen und erfolgreichen Auftritt gegen Goliath möglicherweise erklären könnten. Auch wenn David schon als Musiker gedient hätte, wäre vor dem Kampf für Saul solche Information über Davids Familie unwichtig. (Auch widerspricht Sauls Aussage in 17,33 über Davids Kampferfahrung 16,18 nicht.)

David dürfte bei seiner Salbung erst zwölf Jahre alt gewesen sein

3. Da David nicht andauernd als Musiker von Saul benötigt wird, ist er vielleicht inzwischen zu Hause gewesen, ist reifer geworden, hat sich im Aussehen verändert.27 Saul kennt ihn wahrscheinlich nicht sehr gut, da er sowieso jeden tapferen und kampffähigen Mann in seinen Dienst stellt (14,52). Deshalb erkennt Saul ihn nicht. Nach Merrill28 dürfte David bei seiner Salbung erst zwölf Jahre alt gewesen sein.

4. Saul ist nach Kap. 16 geistesgestört, deshalb erkennt er David nicht. Aber trifft das auch auf Abner zu?

3.2.2 Textkritische Lösungen:

5. In der LXX-Vaticanushandschrift fehlen u.a. V. 12-31 und 55-58.29 Josephus scheint V. 55-58 auch nicht vor sich gehabt zu haben. Vielleicht fehlten diese Abschnitte auch im ursprünglichen hebräischen Text, der eher Vaticanus entsprach.30 Der jetztige hebräische Text (MT) stellt eine spätere Erweiterung dar. Dann wäre das Problem auch erst später erstanden.

3.2.3 Literarische Lösungen:

6. Kaiser31 schlägt vor, dass die Anordnung der Abschnitte nicht chronologisch ist, d.h. der Kampf gegen Goliath geschah vor den Ereignissen von 1Sam 16,13ff. Es gibt mehrere Beispiele von nicht chronologischer Anordnung in biblischer und außerbiblischer Geschichtsschreibung.32

7. 16,21 dient als vorwegnehmende redaktionelle Verbindung33 zwischen 16,14-23 und Kap. 17ff. (vgl. dazu 18,2). Erst nach seinem Sieg über Goliath wird David Sauls Waffenträger.

In der Gesamtentwicklung des Samuelbuches spielt dieser Abschnitt eine wichtige Rolle34 ob in chronologischer oder nicht-chronologischer Reihenfolge. Es gibt klare Parallelen zwischen Eli / Samuel und Saul / David: Ein unwürdiger Leiter wird durch einen würdigeren und jüngeren ersetzt, der früh von Gott als Nachfolger designiert wird und den der Herr sichtbar segnete („der HERR war mit ihm“ 3,19; 16,18). Dieser Nachfolger wird zunächst in die Nähe des Leiters gebracht (Samuel zum Haus Gottes als Helfer, David zum königlichen Hof als Musiker), übertrifft aber diesen bald (Samuel durch prophetische Worte, David durch den Sieg über Goliath). Gott braucht einen König und David wird privat gesalbt, 16,1-13; Saul braucht einen Tröster und David wird geholt, 16,14-23; Israel braucht einen Kriegshelden und David wird geholt, 17,1-11. Bald wird David nicht nur Musiker und Waffenträger, nicht nur Kriegsheld (wie früher Saul, 1Sam 11), sondern auch Sauls Schwiegersohn und Verbündeter seines Sohnes Jonathans. David rückt dem Thron immer näher. Diese Entwicklung der Geschichte ist durchaus logisch und keineswegs widersprüchlich.

3.3 Davids Volkszählung

Wenn wir die zwei Berichte von Davids Volkszählung vergleichen (2Sam 24 und 1Chr 21), dann fallen vier Hauptunterschiede sofort auf:

  • Nach 2Samuel reizte vermutlich Jahwe David zum falschen Handeln; nach 1Chronik tat es Satan.
  • Nach 2Samuel wurden 800.000 Kriegsmänner in Israel gezählt und 500.000 in Juda, nach 1Chronik 1.110.000 in ganz Israel und 470.000 in Juda.
  • Nach 2Samuel sollte es sieben Jahre Hungersnot geben, nach 1Chronik drei Jahre.
  • Nach 2Samuel betrug der Kaufpreis für die Tenne Araunas 50 Schekel Silber, nach 1Chronik 600 Schekel Gold.

Viele Ausleger sehen darin schwerwiegende Widersprüche, die sie als weiteres Beweismaterial für die späte Entstehung, die Neigung zur Übertreibung (evtl. um Gott dadurch zu verherrlichen) und die historische Unzuverlässigkeit von Chronik ansehen. Was können wir darauf antworten?

3.3.1 Jahwe oder Satan?

Gott bleibt die letzte Ursache für das Leiden Hiobs, das durch Satan verursacht wurde – eine zweifache Ursächlichkeit muss nicht widersprüchlich sein

Die Chronik muss nicht unbedingt den Einfluss des persischen Dualismus oder eine hochentwickelte Satansvorstellung widerspiegeln. Wenn Hiob mit seiner Erwähnung des Satans in der Monarchiezeit datiert werden kann (und vieles spricht dafür), hat diese Aussage nichts mit Datierung zu tun. Eine zweifache Ursächlichkeit ist nicht grundsätzlich widersprüchlich. Auch in Hiob bleibt Gott die letzte Ursache für das Leiden Hiobs, das durch Satan verursacht wurde. Dass Satan das Gericht Gottes ausführen kann, bestätigt auch 1Kor 5,5. Aber die traditionelle Übersetzung ist nicht unbedingt gesichert. 2Sam 24,2 kann unpersönlich übersetzt werden, „Und einer reizte David gegen Israel auf“ und 1Chr 21,1 „Und ein Widersacher (hebräisch: Satan ) stellte sich gegen Israel und reizte David“.35 In diesem Fall würde es sich in beiden Texten um einen menschlichen Feind Israels handeln, der David verführt. In keinem Fall müssen wir den Unterschied auf ein „radikales Verständnis von Gottes Heiligkeit“36 in den Chronikbüchern zurückführen.

3.3.2 Widersprüchliche Truppenzahlen?

Die 500.000 aus Juda in 2Samuel ist eine aufgerundete Zahl, die der genaueren Zahl 470.000 in 1Chronik entspricht. „Israel“ in 2Samuel bezeichnet allein das Nordreich, „ganz Israel“ in 1Chronik das ganze Land. So sind die zwei Summen 1.300.000 in 2Samuel aber 1.110.000 in 1Chronik. Das hieße, dass Chronik untertreibt!37 Da 1Chr 21,6 ausdrücklich sagt, dass Joab die Stämme Levi und Benjamin nicht gezählt habe, und 1Chr 27,24, dass er die Volkszählung weder vollendet noch deren Gesamtzahl aufgeschrieben habe, ist es durchaus berechtigt, die Gesamtzahl in Chronik um ungefähr 100.000 pro Stamm zu reduzieren. Dann verschwindet der Widerspruch ohne Hinweis auf ‚höhere‘ Mathematik.

3.3.3 Abweichende Zeitangaben?

So verschwindet der Widerspruch ohne Hinweis auf ‚höhere‘ Mathematik

Wenn Zahlen durch Buchstaben des hebräischen Alphabets dargestellt wurden, wäre der Unterschied zwischen „sieben“ und „drei“38 nicht erheblich und diese könnte leicht verwechselt worden sein. Wenn dann „drei Jahre“ in 2Samuel stehen würde, würde das nicht nur mit den anderen Zeitangaben im Vers (d.h. drei Monate … drei Tage), sondern auch mit der Zeitangabe in 2Sam 21,1 übereinstimmen. Letzteres wäre bedeutsam, denn der Verfasser möchte, dass wir 2Sam 21,1-14 und Kap. 24 miteinander vergleichen (vgl. 21,14 und 24,25).

3.3.4 Widersprüchliche Kaufpreise?

Wilhelm Rudolph meint39 dass 1Chronik Davids Opferbereitschaft hervorheben möchte: Gold statt Silber; zwölffach so viele Schekel (= 50 pro Stamm x 12 = 600). Doch in 2Samuel wird lediglich die kleine Tenne und die Rinder für diesen Betrag gekauft (V. 24); in 1Chronik wird dafür der ganze Platz40 gekauft, deshalb ein höherer Preis. Am Ende vom 2Samuel wird Davids vorbildliches Verhalten in zwei Krisensituationen in Israel hervorgehoben (Kap. 21 und 24, das Wort „wieder“ in 24,1 bezieht sich wahrscheinlich auf Kap. 21), um ihn dabei mit Saul zu kontrastieren (Saul verschuldete die erste, David die zweite Krise). In 1Chronik hat diese Geschichte eine ganz andere Funktion: Sie erklärt, wie David den ganzen Tempelplatz erworben hat (2Chr 3,1). Das bildet die Grundlage für die darauffolgenden Kapitel in 1Chr 22-29, die vor allem beschreiben, wie David den Tempelbau und Tempeldienst vorbereitet hat. Aus Davids Sünde geht Gutes hervor: eine Stätte, wo Gott angebetet wird! Eine weitere Lösungsmöglichkeit wäre: Der Kaufpreis in 1Chronik wird den Inflationsraten der nachexilischen Zeit angeglichen (d.h. ein Preis von 50 Silberschekeln zur Zeit Davids entspricht 600 Goldschekeln in der persischen Zeit).

Auch bei diesen Texten gibt es keine unlösbaren Widersprüche.

3.4 Die Landnahmeberichte in Josua und Richter.

Zum Schluss möchten wir die sogenannten ‚widersprüchlichen‘ Landnahmeberichte in Josua und Richter 1 behandeln. Schon Wellhausen41 sah in Richter 1 nicht die Fortsetzung des Buches Josua, sondern eine Parallele dazu, eine unabhängige und widersprüchliche Beschreibung der Eroberung Palästinas, die im Vergleich mit Josua früher und folglich unermesslich historischer war. Nach Josua war die Eroberung ein schneller und vollständiger Vorgang. Nach Richter 1 war es jedoch ein längerer Vorgang, wobei die einzelnen Stämme eine Mischung aus Erfolg und Niederlage erlebten. Neben diesem allgemeinen Kontrast zwischen Josua und Richter 1 gibt es auch eine Reihe von scheinbar widersprüchlichen Angaben bzgl. der Errungenschaften einzelner Stämme. Nach Martin Noth42 ist die Beschreibung der Eroberung in Josua nur eine Sammlung von ätiologischen erfundenen Legenden. Haben Wellhausen und Noth recht? Ist die Beschreibung von der Eroberung in Josua und Richter 1 miteinander zu vereinbaren?

1. Nach der biblischen Darstellung sind Josua und Richter nicht einfach in einer chronologischen Aufeinanderfolge, trotz des Eingangsverses, Ri 1,1: „Und es geschah nach dem Tod Josuas“. Josua und Ri 1,1-2,10 berichten gemeinsam von einigen Vorfällen, die zum Teil vor Josuas Tod (vgl. Jos. 24,28-30 mit Ri 2,6-9) und wahrscheinlich zum Teil nach seinem Tod stattfanden (vgl. Jos 15,13-19 mit Ri 1,10-15; 15,63 mit 1,21; 17,11-13 mit 1,27-28; 16,10 mit 1,29).

Die parallelen Texte besagen, dass die einzelnen Stämme nicht immer erfolgreich die Ureinwohner vertrieben haben

2. Diese parallelen Aussagen besagen, dass die einzelnen Stämme nicht immer erfolgreich die Ureinwohner vertrieben haben. Das stimmt auch mit Jos 13,1ff überein: „Da sprach der HERR zu Josua: Du bist alt geworden und bist hochbetagt, und sehr viel Land ist noch über, das in Besitz genommen werden muss, da die Urbewohner noch darin wohnen.“ Das Buch Josua setzt früher an und berichtet zuerst von dem anfänglichen Sieg über die Könige in Kanaan, der den Widerstand des Feindes grundsätzlich gebrochen hat. Doch stellen beide Bücher fest, dass die einzelnen Stämme danach sehr lange bemüht waren, ihr Erbteil in Besitz zu nehmen.

3. Es ist nicht widersprüchlich, wenn Jos 15,63 berichtet, dass die Söhne Judas die Jebusiter aus Jerusalem nicht vertreiben konnten, Ri 1,21 dagegen, dass die Benjaminer es nicht getan haben. Da Jerusalem an der Grenze zwischen Benjamin und Juda lag, war es bestimmt in Judas Interesse, die Jebusiter zu vertreiben. Doch da Jerusalem eigentlich Benjamin zugeteilt wurde, waren ihre Bemühungen ebenso verständlich.

4. Es ist auch kein Widerspruch, wenn Ri 1,8 berichtet, dass Juda Jerusalem eingenommen hat. Nach dem Sprachgebrauch von Richter (und Josua) ist „einnehmen“ oder „schlagen“ nicht mit „vertreiben“ einer Völkergruppe gleichzusetzen43 Bis die Urbewohner tatsächlich vertrieben und das Gebiet von Israeliten besiedelt wurde, waren alle Eroberungserfolge vorläufiger Natur. So wurde Jerusalem mehrmals „eingenommen“, bis David es endgültig nach 2Samuel 5 in Besitz genommen hat.

Jerusalem wurde mehrmals „eingenommen“, bis David es endgültig in Besitz nahm

Zusammenfassend läßt sich sagen, dass Josua und Richter nicht widersprüchliche Beschreibungen der vormonarchischen Zeit enthalten, sondern vielmehr übereinstimmende, zum Teil überschneidende und sich ergänzende Berichte.44

4. Sogenannte Widersprüche und die Bibeltreue

Es ist möglich, dass unsere vorgeschlagenen Lösungen nicht unbedingt die richtigen sind. Doch dass es auf diese bekannten sogenannten Widersprüche im Alten Testament logische, überzeugende und wahrscheinlich sogar mehrere Lösungen gibt, dass es sich bei den meisten vermeintlichen Widersprüchen nicht um Widersprüche im Text handelt und dass jene häufig bei näherer Untersuchung verschwinden, zeigt, dass sie eigentlich keine Bedrohung für die Lehre von der Irrtumslosigkeit der Bibel darstellen.

Wie sollen wir dann darauf reagieren, wenn jemand behauptet, die Bibel sei voller Widersprüche, und sogar meint, dass solche Widersprüche mit der Bibeltreue vereinbar seien? Um den Propheten Samuel zu zitieren (1Samuel 15,19): „Auch lügt der nicht, der Israels Ruhm ist, und es gereut ihn nicht“ – auch dass er sich durch Menschenworte geoffenbart hat. Folglich kann seine Offenbarung keine echten Widersprüche enthalten (auch nicht im historischen Detail) und dennoch zuverlässig Gottes Wort bleiben. Gleason Archer45 schreibt: „Es gibt keinen unwichtigen Fehler in der Bibel.“ Und wenn wir demonstrieren können, dass es keine grundlegenden Widersprüche in der Bibel gibt, dann räumen wir Hindernisse zum Glauben aus dem Weg und helfen denjenigen, die durch sogenannte Widersprüche verwirrt werden.

5. Bibliographie

5.1 Allgemeine Literatur:

  • Gleason L. Archer, Encyclopedia of Bible Difficulties , Grand Rapids: Zondervan, 1982. William Arndt, Bible Difficulties and Seeming Contradictions , St. Louis: Concordia, 2. Auflage, 1987.
  • Norman Geisler u. Thomas Howe, When Critics Ask. A Popular Handbook on Bible Difficulties , Wheaton, IL: Victor Books, 1992.
  • Gerhard Hörster, Markenzeichen „bibeltreu“. Die Bibel richtig verstehen, auslegen, anwenden , Gießen: Brunnen, 1990.
  • Wilhelm Gottwaldt, Fehler in der Bibel? Bad Liebenzell: VLM, 1970.
  • John W. Haley, An Examination of the Alleged Discrepancies of the Bible , Grand Rapids: Baker, 1977 (1. Auflage 1874).
  • Walter C. Kaiser, Jr. Hard Sayings of the Old Testament , Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 1988.
  • Walter C. Kaiser, Jr. More Hard Sayings of the Old Testament , Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 1992.
  • Harold Lindsell, The Battle for the Bible , Grand Rapids: Zondervan, 1976.
  • Gerhard Maier, Biblische Hermeneutik , Wuppertal: Brockhaus, 1990.

5.2 Spezifische Literatur:

  • T. Desmond Alexander, Abraham in the Negev. A source-critical investigation of Genesis 20:1-22:19 , Carlisle: Paternoster, 1997.
  • F.I. Andersen, The Sentence in Biblical Hebrew , The Hague: Mouton, 1974.
  • John Bimson, „Redating the Exodus“, BAR 14, 1987, S. 40-52.
  • John Bimson, Redating the Exodus and Conquest , Sheffield: JSOT, 1978.
  • Craig Blomberg, „The Legitimacy and Limits of Harmonization“ in Hermeneutics, Authority and Canon , D.A. Carson u. J.D. Woodbridge, Hg., Grand Rapids: Zondervan, 1986, S. 134-74.
  • F.F. Bruce, Israel and the Nations from the Exodus to the Fall of the Second Temple , Grand Rapids: Eerdmans, 1969.
  • Nils Dahl, Studies in Paul , Minneapolis: Augsburg, 1977 (Kap. IX: „Contradictions in Scripture“).
  • Raymond B. Dillard, 2 Chronicles , WBC 15, Waco, TX: Word, 1987.
  • Raymond B. Dillard, „Harmonization. A Help and a Hindrance“ in Inerrancy and Hermeneutic. A Tradition, A Challenge, A Debate , Harvey M. Conn, Hg., Grand Rapids: Baker, 1988, S. 151-164.
  • Michael A. Fishbane, Biblical Interpretation in Ancient Israel , Oxford: Clarendon Press, 1985.
  • W.R. Garr, „The Grammar and Interpretation of Exodus 6:3“, JBL 111, 1992, S. 385-408.
  • David Glatt, Chronological Displacement in Biblical and Related Literatures , SBLDS 139, Atlanta: Scholars Press, 1993.
  • John Goldingay, Theological Diversity and the Authority of the Old Testament , Grand Rapids: Eerdmans, 1987.
  • D.W. Gooding in The Story of David and Goliath. Textual and Literary Criticism, Dominique Barthelemy, David W. Gooding, Johan Lust, Emanuel Tov, Hg., OBO 73, Göttingen: Vandenhoeck & Rupprecht, 1986.
  • David M. Gunn, The Fate of King Saul. An Interpretation of a Biblical Story , JSOT 14, Sheffield: JSOT, 1980.
  • H.W. Hertzberg, Die Samuelbücher , ATD 10, Göttingen: Vandenhoeck & Rupprecht, 1956.
  • Herbert H. Klement, „Beobachtungen zu literaturwissenschaflichen Ansätzen in alttestamentlicher Exegese“, JET 7, 1993, S. 7-28.
  • Ralph W. Klein, 1 Samuel , WBC 10, Waco: Word, 1983.
  • David Livingston, „The Location of Biblical Bethel and Ai Reconsidered“, WThJ 33, 1970, S. 20-44.
  • Eugene H. Merrill, Kingdom of Priests. A History of Old Testament Israel , Grand Rapids: Baker, 1987.
  • R.W.L. Moberly, The Old Testament of the Old Testament. Patriarchal Narratives and Mosaic Yahwism , OBT, Minneapolis: Fortress, 1992.
  • Leon Morris, The First Epistle of Paul to the Corinthians , TNTC 7, Grand Rapids: Eerdmans, 1958.
  • Martin Noth, Das Buch Josua , HAT 7, Tübingen: Mohr [Siebeck], 1953.
  • J.I. Packer, Wie Gott vorzeiten geredet hat…Inspiration und Irrtumslosigkeit der Schrift , Bad Liebenzell: VLM, 1988.
  • J. Barton Payne, „The Validity of Numbers in Chronicles“, BibSac 136, 1979, S. 109-128, 206-220.
  • Wilhelm Rudolph, Chronikbücher , HAT 21, Tübingen: Mohr [Siebeck], 1955.
  • John H. Sailhamer, Introduction to Old Testament Theology. A Canonical Approach , Grand Rapids: Zondervan, 1995.
  • Odil Hannes Steck, Exegese des Alten Testaments. Leitfaden der Methodik , Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 12. Auflage, 1989.
  • Edwin Thiele, The Mysterious Numbers of the Hebrew Kings , Grand Rapids: Zondervan, 1983.
  • Bruce K. Waltke, „The Date of the Conquest“, WThJ 52, 1990, S. 181-200.
  • Julius Wellhausen, Prolegomena to the History of Ancient Israel , Gloucester, MS: Peter Smith, 1973.
  • Gordon J. Wenham, „The Religion of the Patriarchs“ in Essays on the Patriarchal Narratives ,
  • A.R. Millard u. D.J. Wiseman, Hg., Leicester: Inter-Varsity Press, 1983, S. 161-195.
  • John Wenham, „Large Numbers in the Old Testament“ TynB 18, 1967, S. 19-53.
  • Thomas Willi, Die Chronik als Auslegung , FRLANT 106, Göttingen: Vandenhoeck & Rupprecht, 1972.
  • John T. Willis, „The Function of Comprehensive Anticipatory Redactional Joints in I Samuel 16-18“ ZAW 85, 1973, S. 295-314.
  • Bryant G. Wood, „Did the Israelites Conquer Jericho? A New Look at the Archaeological Evidence“, BAR 16, 1990, S. 44-58.
  • Ronald Youngblood, „From Tatian to Swanson, from Calvin to Bendavid: The Harmonization of Biblical History“ JETS 25, 1982, S. 415-423.
  • K. Lawson Younger, Jr., „The Configuring of Judicial Preliminaries: Judges 1.1-2.5 and its Dependence on the Book of Joshua“, JSOT 68, 1995, S. 75-92.

 


  1. Brunnen, 1990, S. 43. Der Bibelbund hat das Buch in »Bibel und Gemeinde« 1991/1 S. 77ff gründlich besprochen. 

  2. „Contradictions in Scripture“, S. 159 

  3. Vgl. z.B. verschiedene Aussagen bei F.F. Bruce 

  4. So zum Beispiel Archer, Geisler/Howe, Kaiser, Arndt und Gottwaldt. (Das sind nur die Handbücher, die in diesem Jahrhundert veröffentlicht worden sind. Seit der Zeit der ersten Rabbiner und Kirchenväter beschäftigten sich Bibelausleger mit diesem Problem. Das erste Buch zum Thema, das Haley kennt, wurde von einem Julianus Pomerius im siebten Jahrhundert geschrieben. 

  5. 1978 und 1987, vgl. auch Waltke. 

  6. Vgl. auch Wood zu Jericho (siehe „Bibel und Gemeinde“ 1995/1 S. 15ff d. Red. 

  7. Gerechnet nach 603.000 kriegstüchtigen Männern bei den Volkszählungen in 4Mo 1 und 26. 

  8. Vgl. dazu besonders John Wenham. 

  9. S. 174-76 

  10. Zitiert in Maier, S. 118 

  11. Artikel XIV, in Packer, S. 160 

  12. Dillard, 1987, S. 4-5, 20-21 

  13. Im Hebräischen Niphal von nacham. 

  14. Vgl. dazu Klement. 

  15. Dass die Buchstaben bestimmte Zahlenbedeutung haben, Alef = 1, Beth = 2, usw. 

  16. Die Ausführungen Blombergs und Dillards [1988] zum Thema sind besonders hilfreich; vgl. auch Youngblood. 

  17. Vgl. dazu Fishbane. 

  18. S. 143 

  19. Siehe oben, unter 2.2. (1 

  20. Von Wenham erwähnt, S. 187 

  21. S. 101-102 

  22. Nach Wenham, S. 164 

  23. S. 407-408 

  24. Das Hebräische jada‘ wird auch für sexuelle Intimität benützt. 

  25. Vgl. zur Stelle auch Moberly und Alexander. 

  26. S. 113 

  27. So Gunn, S. 79. 

  28. S. 211, N. 48 

  29. Es fehlen weiterhin 17,41.48b.50, zwei Wörter aus 17,51 und 18,1-5; vgl. aber LXX A u. verwandte Mss. 

  30. So McCarter, Caird, Stoebe, Hertzberg, Krinetzki, Klein – vgl. Klein, S. 174. 

  31. More Hard Sayings, S. 156. 

  32. Vgl. dazu Glatt. 

  33. So Willis. 

  34. Nach Gooding, S. 63-66. 

  35. Das hebräische Wort wird ähnlich übersetzt in 1Sam 29,4; 1Kö 11,14. 23.25; evtl. auch Ps 109,6b; vgl. dazu Sailhamer, S. 298-311 

  36. So Willi, S. 155. 

  37. Nach der Untersuchung von Payne, enthält Chronik die kleineren Zahlen in einem Drittel der Fälle, wenn die Zahlenangaben in Chronik von denen in Samuel/Könige abweichen. 

  38. D.h. zwischen den hebräischen Buchstaben zayin und gimel. 

  39. S. 147, in Anlehnung an Curtis-Madsen, The Books of Chronicles, ICC, 1910 

  40. Hebräisch: maqom, V. 25. 

  41. S. 442-443 

  42. S. 11-13 

  43. Es wird durch drei verschiedene hebräischen Verben ausgedrückt. 

  44. Vgl. dazu auch Younger. 

  45. S. 24