ThemenBiblische Probleme

Die dreifache Verleugnung des Petrus und der zweimalige Hahnenschrei

Wie oft hat Petrus den Herrn verleugnet? Bei welchen Gelegenheiten? Wie viele Hahnenschreie gab es? Und wie ist der nur von Markus berichtete erste Hahnenschrei (14,68) mit der Voraussage von Jesus bei Matthäus (26,34), Lukas (22,34) und Johannes (13,38) in Einklang zu bringen?

Man hat versucht, mehrere voneinander verschiedene Voraussagen des Herrn und mehr als drei Verleugnungen des Petrus anzunehmen,1 aber nicht ohne Probleme. Vieles spricht für die traditionelle Annahme von nur einer Voraussage und drei Verleugnungen. Der Herr Jesus sagte drei Verleugnungen voraus, und drei fanden statt. Jeder der vier Evangelisten berichtet von der einen Voraussage des Herrn, und jeder berichtet von drei Verleugnungen des Petrus.

Im Folgenden wird ein Versuch unternommen, die vier Evangelienberichte in Einklang zu bringen.

Zur Voraussage der dreifachen Verleugnung

Matthäus, Markus und Johannes sind sich einig, dass Judas bei der Einsetzung des Herrenmahls sowie bei der Voraussage der Verleugnung des Petrus nicht mehr dabei war

Das Gespräch zwischen dem Herrn Jesus und Petrus von Joh 13,36ff fand anlässlich des Passamahles statt. Es handelte sich nicht um ein anderes Abendessen. Joh 13,1.2: „Vor dem Passafest, wissend, dass seine Stunde gekommen war, dass er wegginge aus dieser Welt …“ (V. 2) „Und als das Mahl gekommen war, …“ Die Voraussage der Verleugnung des Petrus geschah, nachdem Judas die Tischgesellschaft verlassen hatte, um Jesus den jüdischen Führern auszuliefern. (13,21-38). Joh 13,21 steht parallel zu Mt 26,21 und Mk 14,18. Joh 13-17 kann man nicht auf zwei verschiedene Abendessen aufteilen. Alle diese Reden fanden am selben Abend statt. Danach wurde Jesus gefangen genommen.

Alle vier Evangelisten berichten über die Voraussage der Verleugnung. Alle vier berichten über die Bereitschaft des Petrus, für Jesus zu sterben (Mt 26,35; Mk 14,31; Lk 22,33; Joh 13,37). Gemäß Lukas und Johannes befanden sich die Jünger noch nicht auf dem Weg zum Garten. Aus Joh 13,36ff; 14,31 und 18,1 geht hervor, dass beim Aufbruch noch einige Gespräche und das Gebet von Joh 17 stattfanden, darunter auch die Voraussage der dreifachen Verleugnung (Joh 13,38). Lk 22,31-34 findet vor dem Verlassen des Obersaals statt (Lk 22,39). Weder Matthäus noch Markus sagen explizit, dass das Gespräch von der Verleugnung erst auf dem Weg zum Garten stattgefunden habe. In Mt 26,30 bzw. Mk 14,26 heißt es zwar: „Und als sie eine Hymne gesungen hatten, gingen sie hinaus Richtung Ölberg.“, aber die Worte von Mt 26,31-35 sind bei Mt zeitlich unbestimmt. Matthäus sagt: „Zu der Zeit“ bzw. „Da“ (gr.: tote; Mt 26,31). Er sagt nicht, dass das Gespräch von der Verleugnung erst nach dem Hinausgehen erfolgte. Mk und Mt müssen im Lichte von Lk und Joh betrachtet werden. Der Apostel Johannes, der den Bericht der Synoptiker ergänzt, lässt deutlich erkennen, dass die Voraussage der Verleugnung noch im Obersaal stattfand. Erst in Joh 18,1 begab man sich dann tatsächlich auf den Weg, auch wenn der Herr bereits in 14,31 dazu aufforderte.

Das Einkaufen „für das Fest“ (Joh 1,29) kann man nicht gleichsetzen mit einer Vorbereitung für das Passamahl (und daher als Argument verwenden, dass Joh 13 sich nicht auf das Passamahl beziehe). Das „Fest“ dauerte eine Woche lang, und esgab am Donnerstagabend nochvieles, das man für das „Fest“ hätte einkaufen können.Die Annahme, die Ereignisse von Joh 13 hätten an einem anderen – früheren – Abend stattgefunden als die Ereignisse von Mt 26//Mk 14//Lk 22, ist von daher nicht haltbar.

Man hat versucht zu argumentieren, es hätte zwei Voraussagen gegeben, eine, ehe Judas den Raum verlassen hatte, und eine weitere, nachdem Judas hinausgegangen war. Aber Matthäus, Markus und Johannes sind sich einig, dass Judas bei der Einsetzung des Herrenmahls sowie bei der Voraussage der Verleugnung des Petrus nicht mehr dabei war.2 Die von Lukas berichtete Voraussage (Lk 22,34) müssen wir also gleichsetzen mit der von Mk 26,34 und Mk 14,30.

Zur Reihenfolge der Verleugnungen

Matthäus und Markus stimmen im Großen und Ganzen überein

Die 1. Verleugnung fand vor der Torhüterin statt, im Hof, beim Feuer:

Mt 26,69.70: Aber Petrus saß draußen im Hof. Und es trat eine gewisse Magd zu ihm hin und sagte: „Auch du warst mit Jesus, dem Galiläer.“ (70) Aber er leugnete vor allen und sagte: „Ich weiß nicht, was du sagst.“

Mk 14,66-68: Und während Petrus unten im Hof ist, kommt eine von den Mägden des Hohen Priesters (67) und sieht Petrus sich wärmen. Und sie blickt ihn an und sagt: „Auch du warst mit dem Nazarener Jesus.“ (68) Er leugnete und sagte: „Ich weiß nicht, noch ist mir bekannt, was du sagst.“ Und er ging hinaus, nach draußen, in den Vorhof. Und ein Hahn krähte.

Die 2. Verleugnung fand vor einer anderen Magd statt. Markus spricht davon, dass dieselbe Magd noch einmal sprach. Es ist nicht ausgeschlossen, dass beide Mägde beisammen waren.

Mt 26,71.72: Als er in den Torausgang hinausging, sah ihn eine andere, und sie sagt zu denen, die dort waren: „Auch dieser war mit Jesus, dem Nazarener.“ (72) Und wieder leugnete er, mit einem Eid: „Ich weiß nicht von dem Menschen!“

Mk 14,69.70: Und als die Magd ihn wieder sah, fing sie an, den Dabeistehenden zu sagen: „Der ist einer von ihnen.“ (70) Aber er leugnete wieder.

Die zweite Verleugnung fand demnach als Antwort auf die beiden Anschuldigungen der Mägde statt. Man muss nicht annehmen, dass Petrus auf jede der beiden Frauen einzeln antwortete. Es scheint so, dass beide sprachen, er aber nur einmal antwortete. Daher zählt diese Verleugnung als die zweite, nicht als die zweite und dritte.

Die 3. Verleugnung fand vor Dabeistehenden statt:

Mt 26,73-75: Nach kurzem traten die Umstehenden herbei und sagten zu Petrus: „Wahrlich, auch du bist einer von ihnen, denn auch dein Reden macht dich offenkundig.“ (74) Da fing er an, sich zu verwünschen und zu schwören: „Ich weiß nicht von dem Menschen!“ Und sogleich krähte ein Hahn. (75) Und Petrus erinnerte sich an das Wort, das er ihm gesagt hatte: „Ehe ein Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ Und er ging nach draußen und weinte bitterlich.

Mk 14,70-72: Und nach kurzem sagten wiederum die Dabeistehenden zu Petrus: „Wahrlich! Du bist einer von ihnen, denn du bist auch ein Galiläer, und dein Reden ist gleich.“ (71) Aber er fing an, sich zu verfluchen und zu schwören: „Ich weiß nicht [von] diesem Menschen, von dem ihr redet!“ (72) Und ein Hahn krähte zum zweiten Mal Und Petrus erinnerte sich an das Wort von Jesus, das er ihm gesagt hatte: „Ehe ein Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen“, und bedachte es: Und er weinte.

Lukas berichtet:

Die 1. Verleugnung fand statt vor einer Magd, im Hof, beim Feuer.

Lk 22,55-57: Nachdem sie in der Mitte des Hofes ein Feuer angezündet und sich zusammengesetzt hatten, setzte sich Petrus mitten unter sie. (56) Aber eine gewisse Magd sah ihn im Licht sitzen und sah ihn unverwandt an und sagte: „Auch dieser war bei ihm.“ (57) Aber er verleugnete ihn: „Frau“, sagte er, „ich kenne ihn nicht!“

Die 2. Verleugnung fand vor jemand anderem statt. Genaueres wird nicht gesagt.

Lk 22,58: Und nach kurzem sah ihn jemand‚ anderer und sagte: „Auch du bist [einer] von ihnen.“ Aber Petrus sagte: „Mensch, ich bin’s nicht!“

Zwischen der 2. und 3. Verleugnung verstrich etwa eine Stunde.

Die 3. Verleugnung fand vor jemand anderem statt.

Lk 22,59-62: Und nach Verlauf von etwa einer Stunde behauptete jemand‚ anderes fest und steif: „In Wahrheit,“ sagte er, „auch dieser war bei ihm, denn er ist auch ein Galiläer.“ (60) Aber Petrus sagte: „Mensch, ich weiß nicht, was du sagst!“ Und auf der Stelle, während er noch redete, krähte der Hahn. (61) Und der Herr wandte sich um und blickte Petrus an. Und Petrus erinnerte sich an das Wort des Herrn, wie er ihm gesagt hatte: „Ehe [der] Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ (62) Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich.

Johannes berichtet:

Die 1. Verleugnung fand vor der Torhüterin statt. Wo, wird nicht gesagt.

Joh 18,15-18: Simon Petrus folgte Jesus, auch der andere Jünger. Jener Jünger war dem Hohen Priester bekannt und ging mit Jesus hinein in den Hof des Hohen Priesters. (16) Aber Petrus stand draußen bei der Tür. Da ging der andere Jünger, der dem Hohen Priester bekannt war, hinaus und sagte der Türhüterin [etwas] und führte Petrus hinein. (17) Es sagt also die Magd, die Türhüterin, zu Petrus: „Bist du nicht auch einer von den Jüngern dieses Menschen?“ Er sagt: „Ich bin’s nicht.“ (18) Es standen [da] die leibeigenen Knechte und die Gerichtsdiener, die ein Kohlenfeuer gemacht hatten, weil es kalt war, und wärmten sich. Petrus war bei ihnen, stand und wärmte sich.

Die 2. Verleugnung fand vor einigen Leuten statt, vor Gerichtsdienern und Mägden (V. 25: „sie“), scheinbar in der Nähe des Feuers.

Joh 18,25: Aber Simon Petrus stand und wärmte sich. Da sagten sie zu ihm: „Bist nicht auch du einer von seinen Jüngern?“ Der leugnete und sagte: „Ich bin’s nicht.“

Die 3. Verleugnung fand vor dem Verwandten von Malchus statt.

Joh 18,26.27: Es sagt einer von den leibeigenen Knechten des Hohen Priesters, der ein Verwandter dessen war, dem Petrus das Ohr abgehauen hatte: „Sah ich dich nicht im Garten bei ihm?“ (27) Darauf leugnete Petrus wieder. Und sogleich krähte [der] Hahn.

Ein Verflechtungsversuch

Der Bericht von Johannes steht somit nicht im Widerspruch zu dem der Synoptiker

Die erste Verleugnung geschah im Hof, beim Feuer – anlässlich der Frage der Magd, der Türhüterin. Mt 26,69 = Mk 14,66 = Lk 22,56 = Joh 18,17. Was die erste Verleugnung betrifft, harmonieren die vier Evangelisten. Wann die Magd, die von innen her die Türhüterin war, Petrus beschuldigte (Joh 18,17), wird bei Joh 18 nicht gesagt. Johannes sagt nicht, dass das Gespräch bereits beim Betreten der Torhalle stattfand. In 18,17A heißt es wörtlich: „Es sagt also die Magd“, nicht: „Da [i. S. v.: in diesem Moment] sagt die Magd“. Es scheint so zu sein, dass die Magd erst sprach, als Petrus bereits beim Feuer war, wie Markus und Lukas es berichten (Mk 14,54.66.67; Lk 22,54-56).

Der Bericht von Johannes steht somit nicht im Widerspruch zu dem der Synoptiker (Mt/Mk/Lk).

Petrus verleugnete „vor ihnen allen“ (Mt 26,69); es handelt sich nicht um ein Privatgespräch am Tor. Er saß bereits beim Feuer (Mt 26,58.69; Mk 14,54; Lk 22,55.56), und die Magd kam möglicherweise herbei. Bei Joh 18,18 heißt es zwar, dass Petrus stand – nicht saß –, aber der dort erwähnte Zeitpunkt ist bereits nach der ersten Verleugnung. D.h., Petrus wird nach der ersten Verleugnung aufgestanden sein, vielleicht aus innerer Unruhe oder aus Unbehagen.

Alle vier Evangelisten haben gemeinsam, dass Petrus im Hof war. Mt 26,69 sagt: „draußen im Hof“ und meint damit den Hof im Freien im Gegensatz zu dem Raum „drinnen“, wo Jesus war. Mk sagt „unten im Hof“ (14,66), was nahelegt, dass der Gerichtsraum etwas höher gelegen war, entweder in einem oberen Stockwerk oder seitlich ein paar Treppen höher. Das Feuer war mitten im Hof (Lk 22,55).

Die Torhüterin sah Petrus unverwandt an, sah sein Gesicht im Feuerschein, fragte ihn: „Bist nicht auch du einer von den Jüngern dieses Menschen?“ und rief aus: „Auch du warst mit dem Nazarener Jesus, dem Galiläer!“ und zu den anderen: „Auch dieser war mit ihm!“ Petrus sagte: „Ich bin’s nicht“ (Joh 18,17) und fügte hinzu: „Auch weiß ich nicht, was du sagst. Ich weiß nicht um ihn!“ (Mt 26,70; Mk 14,68; Lk 22,57)

Die zweite Verleugnung. Markus berichtet, dass Petrus nach der ersten Verleugnung zur Torhalle hinausging (Mk 14,68M). Das proaulion, der Vorhof, ist wahrscheinlich dasselbe, was Matthäus in 26,71 der püloon, den Torausgang / die Toreingangshalle, nennt. Petrus, ging also zum Torausgang bzw. Vorhof direkt vor dem Hof. (Der Hof des Hohen Priesters heißt bei allen vier Evangelisten aulee; vgl. Mt 26, 69 und die Parallelen.) Das Tor war wahrscheinlich verschlossen, weswegen es einen Torhüter gab, der nur denen Einlass gewähren durfte, die Erlaubnis hatten (Joh 18,16). Vielleicht wollte Petrus irgendwohin gehen, wo es dunkler war. Oder er wollte ganz hinausgehen; aber das konnte er nicht unauffällig tun. Er hätte die Torhüterin drinnen bitten müssen, das Tor zu öffnen. Zu diesem Zeitpunkt geschah der erste Hahnenschrei (Mk 14,68E).

Die Annahme einer zweiten Feuerstelle erscheint nicht befriedigend

Danach sagte die Magd von vorhin, als sie Petrus sah, zu den Dabeistehenden: „Der ist einer von ihnen!“ (Mk 14,69) Ebenso eine andere Magd (Mt 26,71): „Auch dieser war mit Jesus, dem Nazarener.“ Jemand anderer beschuldigte Petrus ebenfalls – unmittelbar vor oder nach den beiden Mägden – und sagte: „Auch du bist einer von ihm.“ (Lk 22,58). Es ist auch möglich, dass der Ausdruck „jemand anderer“ sich auf eine der beiden Mägde bezieht. Vom Griechischen her ist es nicht ausgeschlossen.

Gemäß Joh 18,25 stand Petrus zum Zeitpunkt der zweiten Verleugnung in der Nähe des Feuers. Genaueres erfahren wir nicht. Wie Mt 26,71 mit Joh 18,25 in Einklang zu bringen ist, stellt eine Schwierigkeit dar. Die Evangelisten berichten nicht alle Details. Andererseits ist es nicht unmöglich, die Berichte zu harmonisieren. Aber letzte Sicherheit, wie die Ereignisse im Detail abliefen, haben wir nicht.

Man könnte annehmen, dass zwischen dem Satz „Petrus stand und wärmte sich“ (Joh 18,25) und „Sie sagten nun zu ihm“ (eipon oun autoo; Joh 18,25M) ein paar Momente vergingen und Petrus sich soeben aufgemacht habe, um sich von der Feuerstelle in Richtung Torhalle zu entfernen; und dann könnten ihn die beiden Mägde beschuldigt haben, während er gerade vom Feuer wegging. Aber gemäß Mk 14,68 ging er vor der zweiten Verleugnung in den Torausgang hinaus; er stand also nicht mehr am Feuer. Diese Möglichkeit ist daher ausgeschlossen.

Wie ist nun Mk 14,68 mit Joh 18,25 in Einklang zu bringen? – Es scheinen nur zwei Möglichkeiten zu bleiben:

Entweder war Petrus vor der zweiten Verleugnung wieder zur Feuerstelle zurückgekehrt. Oder es gab draußen in der Torhalle eine zweite Feuerstelle.3

Die Annahme einer zweiten Feuerstelle erscheint nicht recht befriedigend. Keiner der Evangelisten erwähnt eine zweite. Und Johannes, der das Wärmen des Petrus in 18,18 und 18,25 erwähnt, macht keinen Unterschied. Das Feuer von V. 18 war wohl kein anderes als das von V. 25.

Man kann die Vorgänge nicht mit letzter Sicherheit rekonstruieren; aber fest steht, dass Petrus nach der ersten Verleugnung in den Vorhof (die Torhalle / den Torausgang) hinausging und dann der (bzw. ein) Hahn zum ersten Mal krähte (Mk 14,68). Der Hahnenschrei und der Aufenthalt des Petrus in der Torhalle fanden vor der zweiten Verleugnung statt. Das ist sicher. Die erste und die zweite Verleugnung folgten nicht unmittelbar aufeinander. Johannes berichtet von dem Verhör von Jesus vor Hannas (Joh 18,19-24) nach der ersten und vor der zweiten Verleugnung. In V. 25 erwähnt er wieder, dass Petrus am Feuer stand. Es ist nicht ausgeschlossen, dass nach der ersten Verleugnung eine gewisse Zeit verstrich. Das „nach kurzem“ von Lk 22,58 war möglicherweise nicht ganz so kurz. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass Petrus zwischen Joh 18,18 und 18,25 tatsächlich die Feuerstelle verlassen hatte und in den Vorhof (die Torhalle) hinausgegangen war, wie Mt und Mk berichten. Johannes schrieb zeitlich später als Mt, Mk und Lk Mit hoher Wahrscheinlichkeit kennt er die Synoptikerberichte. Sein Bericht ist ein Ergänzungsbericht. Er muss nicht alles berichten.

Wo fand nun die zweite Verleugnung statt?

Gemäß Johannes stand Petrus beim Feuer, als er sprach (Joh 18,25).

Lukas macht an dieser Stelle keine Ortsangaben. Er berichtet lediglich: „Und nach kurzem sah ihn jemand anderer“ (Lk 22,58).

Man kann den Schluss ziehen, dass er zwischen Torhalle und Feuerstelle stand, als die Magd zu den Dabeistehenden sprach

Markus berichtet, dass der Hahn das erste Mal krähte, als Petrus im Vorhof war. Dann sagt er: „Und als die Magd ihn wieder sah, …“ (14,69). Wo sie ihn sah, berichtet Markus nicht. Man könnte annehmen, im Vorhof (= in der Torhalle). Jedenfalls war sie nicht alleine, denn sie redete zu „den Dabeistehenden“. In V. 70 (bei der dritten Verleugnung) ist nochmals von „Dabeistehenden“ die Rede: „Und nach kurzem sagten wiederum die Dabeistehenden zu Petrus: …“. Der bestimmte Artikel vor „Dabeistehenden“ könnte andeuten, dass es sich um eine bereits bekannte Gruppe handelte, muss es aber nicht. Wenn es sich in Mk 14,70 um dieselbe Gruppe der „Dabeistehenden“ handelt wie in V. 69 und Joh 18,25.26, dann könnten sie von der Torhalle zum Feuer gekommen sein. Groß waren die Entfernungen ohnehin nicht.

Sicher ist, dass die Magd ihn in der Torhalle (bzw. in der Nähe der Torhalle) sah und dort zu den in der Nähe Stehenden über Petrus sprach. (Weder Mt noch Mk sagen, die Magd hätte Petrus direkt angesprochen.) Möglicherweise begab sich Petrus in dem Moment schnell weg, näher hin zum Feuer.

Matthäus berichtet, dass die Magd ihn sah, „nachdem er in den Torausgang hinausgegangen war.“4 Das heißt nicht notwendigerweise, dass das Gespräch in der Torhalle stattfand. Weder bei Mt noch bei Mk ist zu lesen, dass Petrus in der Torhalle verleugnete. Von der Formulierung bei Mt 26,71 her ist es nicht ausgeschlossen, dass Petrus sich woanders befand: irgendwo zwischen Torhalle und Feuer zum Beispiel. Wenn es so war, dass die Magd ihn sah, als er zur Torhalle hinausgegangen war und dort – in der Torhalle – zu den Dabeistehenden sagte: „Auch dieser war mit Jesus“, ist noch nicht bewiesen, dass Petrus dort stehen blieb und/oder dort gleich antwortete. Johannes berichtet, dass Petrus beim Feuer stand (Joh 18,25). Man kann den Schluss ziehen, dass er in der Nähe der Torhalle (zwischen Torhalle und Feuerstelle) gestanden war, als die Magd zu den Dabeistehenden sprach, und dann rasch zum Feuer zurückkehrte. Es ist gut möglich, dass die Magd relativ laut redete, während Petrus zurückwich. Daraufhin haben die beim Feuer Stehenden Petrus direkt angesprochen: „Bist nicht auch du einer von seinen Jüngern?“ (Joh 18,25; Lk 22,58) Daraufhin leugnete Petrus mit einem Eid: „Mensch, ich bin’s nicht!“ (Lk 22,58) und: „Ich weiß nicht von dem Menschen!“ (Mt 26,72).

Auf diese Weise wäre der johanneische scheinbare Widerspruch zu den Synoptikern aufgelöst.

Die dritte Verleugnung. Nun verstrich wieder etwas Zeit. Lukas berichtet: „Und nach Verlauf von etwa einer Stunde“ (22,59). Mt und Mk haben „Nach kurzem“ (Mt 26,73; Mk 14,70). Mt und Mk stehen nicht im Widerspruch zu Lk Das griechische brachü („kurz; wenig“) kann auch länger dauern (bzw. mehr sein; vgl. Heb 2,7.9; 13,22.). Und eine Stunde kann „kurz“ sein.

Mt 26,73: „Nach kurzem traten die Umstehenden herbei.“ Petrus, der wahrscheinlich inzwischen in der Torhalle gewesen und wieder zurückgekehrt war, stand beim Feuer.

Mk 14,70: „…sagten wiederum die Dabeistehenden“. (Wenn es sich um dieselbe Gruppe der „Dabeistehenden“ von V. 69 handelt, könnten sie inzwischen näher zum Feuer gekommen sein.) Einer von denen, die am Feuer standen, war der Verwandte des Malchus (Joh 18,26). Wahrscheinlich ist er derselbe, den Lukas in 22,59 „jemand anderer“ nennt. Er sagte: „Sah ich dich nicht im Garten bei ihm?“ (Joh 18,26) und zu den Dabeistehenden: „Wahrlich, auch dieser war bei ihm, denn er ist auch ein Galiläer.“ (Lk 22,59) Die Dabeistehenden stimmten mit ein; sie sagten zu Petrus: „Wahrlich, auch du bist einer von ihnen, ein Galiläer, denn auch dein Reden macht dich offenkundig.“ (Vgl. Mt 26,73; Mk 14,70.)

Aber Petrus verleugnete unter Selbstverfluchungen und Verwünschungen: „Ich weiß nicht von diesem Menschen, von dem ihr redet!“ So nach Matthäus und Markus. Johannes und Lukas, die mit Petrus nicht zu Gericht gehen wollen, sondern ihn schonend darstellen, erwähnen die Selbstverwünschungen und Eide des Petrus nicht.

Unmittelbar danach (eutheoos, Mt 26,74E), bzw. während er noch die letzten Worte sprach (Lk 22,60M), krähte der Hahn (Joh 18,27E).

Petrus erinnerte sich an das Wort des Herrn Jesus. In diesem Moment blickte der Herr Jesus, der möglicherweise in diesem Augenblick gerade hinausgeführt wurde, Petrus an (Lk 22,61). Der ging nach draußen (mittlerweile wird das Tor geöffnet worden sein, denn die Verhandlung war wahrscheinlich bereits zu Ende); und er weinte bitterlich. (Mt 26,75; Lk 22,62) Markus berichtet nur vom Weinen; Johannes, der sein Evangelium als Ergänzung versteht, berichtet weder vom Hinausgehen noch vom Weinen.

Zum Hahnenschrei

Matthäus berichtet:

26,34: Jesus sagte zu ihm: „Wahrlich! Ich sage dir: In dieser Nacht, ehe ein Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“

26,74.75: Da fing er an, sich zu verwünschen und zu schwören: „Ich weiß nicht von dem Menschen!“ Und sogleich krähte ein Hahn. Und Petrus erinnerte sich an das Wort, das er ihm gesagt hatte: „Ehe ein Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ Und er ging nach draußen und weinte bitterlich.

Lukas berichtet:

Die Auslassung in den wenigen Handschriften zeigt, dass so mancher Abschreiber seine Mühe mit dem Wort „zweimal“ hatte.

22,34: Er sagte: „Ich sage dir, Petrus: [Der] Hahn wird heute keinesfalls krähen, ehe du dreimal verleugnen wirst, mich zu kennen.“

22,60.61: Aber Petrus sagte: „Mensch, ich weiß nicht, was du sagst!“ Und auf der Stelle, während er noch redete, krähte der Hahn. Und der Herr wandte sich um und blickte Petrus an. Und Petrus erinnerte sich an das Wort des Herrn, wie er ihm gesagt hatte: „Ehe [der] Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“

Johannes berichtet:

13,38: Jesus antwortete ihm: „Deine Seele willst du für mich hingeben? Wahrlich! Wahrlich! Ich sage dir: Es wird gewisslich nicht [der] Hahn krähen, bis dass du mich dreimal verleugnet hast.

18,27: Darauf leugnete Petrus wieder. Und sogleich krähte [der] Hahn.

Markus berichtet:

14,30: Und Jesus sagt ihm: „Wahrlich! Ich sage dir: Heute, in dieser Nacht, ehe ein Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“

14,68.72: Er leugnete und sagte: „Ich weiß nicht, noch ist mir bekannt, was du sagst.“ Und er ging hinaus, nach draußen, in den Vorhof. Und ein Hahn krähte … (V. 72:) Und ein Hahn krähte zum zweiten Mal Und Petrus erinnerte sich an das Wort von Jesus, das er ihm gesagt hatte: „Ehe ein Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen“, und bedachte es: Und er weinte.

Das Problem

Die Lösung des Problems liegt darin, dass man die Aussage von Jesus auf den eigentlichen und entscheidenden bekannten Hahnenschrei bezieht

Wie konnte der Herr sagen, der Hahn werde nicht krähen, ehe Petrus den Herrn dreimal verleugnet habe, wenn der Hahn – gemäß Mk 14,68 – bereits nach der ersten Verleugnung krähte?

Das Problem wird nicht gelöst durch Streichen der entsprechenden Worte:

Mk 14,30: Der Mehrheitstext und der textus receptus bezeugen eindeutig das Wort „zweimal“. Gemäß Nestle-Aland (Apparat zum gr. Neuen Testament) lassen C[2], Alef [Codex Sinaiticus], D, W und „wenige“ das Wort „zweimal“ aus. Diese „wenigen“ sind nach Pickering nicht mehr als sieben von 1700 gr. Handschriften!5 Der traditionelle Text ist also bestens bezeugt. Auch Nestle-Aland-Vertreter geben zu, dass es hier Schwierigkeiten gibt; man kann sich nicht auf die so schwache Bezeugung der Auslassung berufen. Abgesehen davon wäre „zweimal“ auch die lectio difficilior. Die Auslassung in den wenigen Handschriften zeigt vielmehr, dass so mancher Abschreiber seine Mühe mit dem Wort „zweimal“ hatte.

Die Lösung ist also nicht auf diesem Wege zu finden.

Ähnlich verhält es sich mit Mk 14,68: Nur neun von ca. 1700 Handschriften lassen „und ein Hahn krähte“ aus, und selbst bei den Auslassungen sind diese neun untereinander nicht konform. (Vgl. Pickering.)

Ebenso Mk 14,72: Nur fünf von den ca. 1700 lassen „zum zweiten Male“ und nur sieben lassen „zweimal“ in V. 72E aus.

Nur drei Zeugen sind in Mk 14,30.68 und 72 in ihren Auslassungen konsequent, nämlich der Codex Sinaiticus (Alef), die Kursivschrift Nr. 579 und der Altlateiner (it) „c“.

Pickering fasst zusammen:

„Wenn die Absicht der Auslassungen die war, Mk mit den anderen Evangelien zu harmonisieren, dann ist das nur bei Alef, 579, it[„c“] gelungen… Es gibt keinen Grund, diese Auslassungen ernst zu nehmen, es sei denn man wäre in der Lage aufzuzeigen, warum die Lesart von Alef und 579 (und von den Übersetzungen die des Altlateiners „c“) dem Gesamtzeugnis aller übrigen Handschriftenbefunde vorzuziehen ist.“

Da die Lösung nicht darin zu suchen ist, dass man Alef und 579 den über 1700 Zeugen vorzieht, muss man sich der Schwierigkeit stellen, die durch das Erwähnen des zweimaligen Hahnenschreis entsteht.

Ein Lösungsvorschlag

Ausleger wie Carson6 und Lenski7 machen darauf aufmerksam, dass in der Antike der „Hahnenschrei“ ein Zeitmarker war. Man hatte keine Uhren und war daher auf solche Zeitmarker, die halfen, die Nachtzeit zu erkennen, angewiesen. Man teilte die Nacht in vier Nachtwachen auf: Abend, Mitternacht, Hahnenschrei (knapp vor Morgengrauen) und Morgen (Mk 13,35). Die vier Nachtwachen dauerten je etwa drei Stunden.

In Palästina gab es einen ersten Hahnenschrei üblicherweise etwa nach Mitternacht und den zweiten (wichtigeren und entscheidenden, s. Mk 13,35) kurz vor Beginn des Morgengrauens. Das war eine Hilfe, um die Nacht einzuteilen. Die Zeit vom Abend bis zur Mitternacht war Stille. Die Zeit von Mitternacht (erster Hahnenschrei) bis zum Beginn des Morgengrauens wurde beendet mit dem zweiten (eigentlichen und entscheidenden) Hahnenschrei. Von da an begann die vierte Nachtwache (etwa von 3 bis 6 Uhr morgens), die von den Römern „secundum gallicunum“ (d.h.: „zweiter Hahnenschrei“) genannt wurde. (Vgl. Plinius; s. Lenski.)

Die Lösung des Problems liegt nun darin, dass man die Aussage von Jesus auf den eigentlichen und entscheidenden bekannten Hahnenschrei bezieht. Das war der zweite. D.h., Mt, Lk und Joh beziehen sich alle auf diesen (eigentlich zweiten) Hahnenschrei. Da aber Markus (auch in anderen Details) genauer berichtet, erwähnt er auch den ersten, unbedeutenderen Mitternachts-Hahnenschrei.

Mt, Lk und Joh berichten nicht so detailliert wie Mk, aber sinngemäß genau das, was Jesus sagte: Bis zum Morgengrauen (bis zum Hahnenschrei, nämlich den entscheidenden und bekannten) wird Petrus den Herrn dreimal verleugnet haben.

Bruins schreibt zu Mk 14,30: [Ergänzungen in eckigen Klammern vom Verfasser]

Wir gehen davon aus, dass keiner der Evangelisten eine Falschaussage macht

In Vers 30 wird uns mitgeteilt: „Wahrlich, ich sage dir, dass du heute, in dieser Nacht, ehe der Hahn zweimal kräht, mich dreimal verleugnen wirst.“ Die anderen Evangelien sagen einfach, „bevor der Hahn kräht“. Wir müssen verstehen, was Markus damit sagen will: „heute“ weist auf einen ganzen 24-stündigen Tag hin, der bereits begonnen hatte; „in dieser Nacht“ ist der Teil des Tages, wo die Dunkelheit vorherrscht; dadurch wird die Zeitspanne noch genauer abgegrenzt. „Ehe der Hahn zweimal kräht“ deutet auf übliche Zeitangaben hin – erstens gegen Mitternacht [erster Hahnenschrei] und zweitens dann einige Stunden später [zweiter Hahnenschrei]. Dies sind die wohlbekannten Grenzen der dritten Nachtwache, allgemein auch „Hahnenschrei“ genannt (Markus 13,35). Da der zweite Hahnenschrei normalerweise zum Anzeigen der Zeit benutzt wurde, wird dieser Teil der Nacht mit den Worten gekennzeichnet „bevor der Hahn kräht“ (mit anderen Worten: „am Morgen“); dieser Ausdruck wird auch in den anderen Evangelien benutzt. Der Unterschied ist derselbe, wie wenn man sagt: „vor dem Glockenläuten“ und „vor dem zweiten Glockenläuten“. Die eigentliche Bezugnahme in beiden Fällen richtet sich auf das endgültige und wichtige Signal, dem das erste nur vorangeht [d.h.: auf den zweiten und eigentlichen Hahnenschrei].

Bruins zu Mk 14,68:

In Vers 68 finden wir dann eine Unterbrechung: „und der Hahn krähte“. Nur Markus erwähnt das. Es war der frühere oder „Mitternachtsschrei“, der den Beginn der dritten Nachtwache anzeigte, ebenso wie der „Morgenschrei“ ihr Ende anzeigte. Die anderen Evangelien reden nur von dem letzteren, während Markus beide gesondert erwähnt.

… Bei seiner ersten Verleugnung krähte der Hahn zur Warnung zum ersten Mal (Markus 14,68). Petrus scheint das überhört zu haben. Trotzdem wollte er sich zurückziehen, da ihm unbehaglich zumute wurde. Aber die Magd von Markus 14,69 redet weiter über Petrus, und wie es scheint, gesellte sich nun „eine andere“ (Matthäus 26,71) hinzuPetrus verleugnet seinen Meister zum zweiten Mal und kann seine Ankläger vorübergehend mit einem Eid beschwichtigen (V. 72). Als er dann zum Feuer zurückkehrt und sich in eine heikle Lage manövriert, indem er die Unterhaltung mit den Feinden Christus fortsetzt, verrät ihn schließlich seine Sprache (V. 73).8

Schluss

Wie konnte der Herr sagen, der Hahn werde nicht krähen, ehe Petrus den Herrn dreimal verleugnet habe, wenn der Hahn – gemäß Mk 14,68 – bereits nach der ersten Verleugnung krähte?

In den Berichten von Matthäus, Lukas und Johannes wird der erste Hahnenschrei nicht als der eigentliche bekannte Morgen-Hahnenschrei gerechnet. Markus, der detailliert berichtet, zeigt, dass Jesus den eigentlichen Hahnenschrei, den zweiten, im Auge gehabt hatte. Vergleichen wir den Bericht des Matthäus mit dem des Markus:

Mk 14,30: Und Jesus sagt ihm: „Wahrlich! Ich sage dir: Heute, in dieser Nacht, ehe ein Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“

Mt 26,34: Jesus sagte zu ihm: „Wahrlich! Ich sage dir: ______ In dieser Nacht, ehe ein Hahn _______ kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“

Die Aussage von Jesus bei Matthäus ist dieselbe wie die bei Markus. Das dürfen wir voraussetzen, weil wir davon ausgehen, dass keiner der Evangelisten eine Falschaussage macht; jeder von ihnen hat unter Leitung des Heiligen Geistes geschrieben. Daher müssen beide Aussagen richtig sein. Die Diskrepanz der beiden Aussagen kann nur dann befriedigend gelöst werden, wenn bei Matthäus der „Hahnenschrei“ als der übliche bekannte Zeitmarker, nämlich der MorgendämmerungsHahnenschrei aufgefasst wird. Wir müssen also die allgemeinere Aussage (bei Mt, Lk und Joh) im Lichte der detaillierteren bei Mk verstehen:

Lk 22,34: Er sagte: „Ich sage dir, Petrus: [Der] Hahn wird heute keinesfalls krähen (gemeint ist der bekannte Morgen-Hahnenschrei), ehe du dreimal verleugnen wirst, mich zu kennen.“ …

22,61: Und der Herr wandte sich um und blickte Petrus an. Und Petrus erinnerte sich an das Wort des Herrn, wie er ihm gesagt hatte: „Ehe [der] Hahn kräht (= der bekannte Morgen-Hahnenschrei), wirst du mich dreimal verleugnen.“

Joh 13:38: Jesus antwortete ihm: „Deine Seele willst du für mich hingeben? Wahrlich! Wahrlich! Ich sage dir: Es wird gewisslich nicht [der] Hahn krähen (= der Morgen-Hahnenschrei), bis dass du mich dreimal verleugnet hast.“

Auf diese Weise löst sich der scheinbare Widerspruch zu Markus auf.

Zusammenfassung

Die Voraussage von Jesus fand statt, als die elf Jünger und der Herr sich aufmachten, um sich in den Garten Gethsemane zu begeben (Mt 26,31-35; Mk 14,27-31; Lk 22,31-34; Joh 13,36-38).

Die erste Verleugnung geschah im Hof, am Feuer, als die Magd, die Türhüterin, Petrus beschuldigte. Petrus leugnete beim Feuer vor allen Dabeistehenden (Mt 26,69.70; Mk 14,66-68; Lk 22,56.57; Joh 18,17).

Die zweite Verleugnung: Petrus hatte sich hinaus zur Torhalle begeben (Mt 26,71; Mk 14,68); ein Hahn hatte zum ersten Mal gekräht. Eine gewisse Zeit war verstrichen (Joh 18,19-24). Die Türhüterin (Mk 14,69) und eine weitere Magd (Mt 26,71) beschuldigten ihn in der Nähe der Torhalle – zwischen Torhalle und Feuerstelle – und sprachen zu den dort Dabeistehenden; Petrus wird sich in dem Augenblick möglicherweise rasch zur Feuerstelle zurückbegeben haben; ein weiterer Dabeistehender (Lk 22,58) beschuldigte ihn ebenfalls. Petrus, am Feuer stehend (Joh 18,25), leugnete nun mit einem Eid (Lk 22,58; Mt 26,72).

Biblische Ratschläge zum Beten: Seid wachsam und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt! Der Geist ist willig, aber der Körper ist schwach. Mt 26,41NeÜ

Die dritte Verleugnung geschah nach Verlauf von etwa einer Stunde (Lk 22,59; vgl. Mt 26,73; Mk 14,70), wahrscheinlich wieder am Feuer. Wortführer war ein Verwandter des Malchus, der Petrus fragte, ob er ihn nicht im Garten bei Jesus gesehen hatte (Joh 18,26), und dann zu den Dabeistehenden sagte: „Wahrlich, auch dieser war bei ihm, denn er ist auch ein Galiläer.“ (Lk 22,59) Ebenso beschuldigten ihn die Dabeistehenden (Mt 26,73; Mk 14,70). Aber Petrus leugnete unter Selbstverfluchungen und Verwünschungen. Unmittelbar danach (Mt 26,74; Lk 22,60) krähte der (bzw. ein) Hahn (Joh 18,27). Der Herr Jesus blickte Petrus an (Lk 22,61). Petrus ging nach draußen und weinte bitterlich (Mt 26,75; Lk 22,62).

Die vier Verleugnungsberichte

Matthäus Markus Lukas
Johannes Anmerkung
Mt 26,34: „Wahrlich! Ich sage dir:
In dieser Nacht, ehe ein Hahn kräht,wirst du mich dreimal verleugnen.“
Mk 14,30: „Wahrlich! Ich sage dir:
Heute, in dieser Nacht, ehe ein Hahn zweimal kräht,
wirst du mich dreimal verleugnen.“
Lk 22,34:
„Ich sage dir, Petrus:
[Der] Hahn wird heute keinesfalls krähen,
ehe du dreimal verleugnen wirst, mich zu kennen.“
Joh 13,38:
„Wahrlich! Wahrlich! Ich sage dir:
Es wird gewisslich nicht [der] Hahn krähen,bis dass du mich dreimal verleugnet hast.“
Ankündigung im Obersaal, nach dem Passamahl
Mt 26,58:
Petrus folgte ihm von ferne bis zum Hof des Hohen Priesters. Und er ging hinein
Mk 14,54A: Und Petrus folgte ihm von ferne bis hinein in den Hof des Hohen Priesters. Lk 22,54M:
Und sie führten ihn hinein in das Haus des Hohen Priesters. Aber Petrus folgte von ferne.
Joh 18,15A.16: Simon Petrus folgte Jesus, … 16 Aber Petrus stand draußen bei der Tür. Da ging der andere Jünger, der dem Hohen Priester bekannt war, hinaus und sagte der Türhüterin etwas und führte Petrus hinein. Folgen in den Hof
Mt 26,58E:
und setzte sich zu den verantwortlichen Dienern, um das Ende zu sehen.
Mt 26,69:
Aber Petrus saß draußen im Hof.
Mk 14,54M: Und er saß mit den verantwortlichen Dienern zusammen und wärmte sich, zum Licht hin ‹gewandt›.
Mk 14,66A: Und während Petrus unten im Hof ist,
Lk 22,55: Nachdem sie in der Mitte des Hofes ein Feuer angezündet und sich zusammengesetzt hatten, setzte sich Petrus mitten unter sie. Sitzen am Feuer im Hof

 

Matthäus
Markus Lukas Johannes Anmerkung
Mt 26,69M:
Und es trat eine gewisse Magd zu ihm hin und sagte:„Auch du warst mit Jesus, dem Galiläer.“
Mk 14,66M:
Kommt eine von den Mägden des Hohen Priesters 67 und sieht Petrus sich wärmen. Und sie blickt ihn an und sagt:
„ Auch du warst mit dem Nazarener Jesus.“
Lk 22,56:
Aber eine gewisse Magd sah ihn im Licht sitzen und sah ihn unverwandt an und sagte:„Auch dieser war bei ihm.“
Joh 18,17:
Es sagt also die Magd, die Türhüterin, zu Petrus:„Bist du nicht auch einer von den Jüngern dieses Menschen?“
Türhüterin
Mt 26,70:
Aber er leugnete vor allen und sagte: „Ich weiß nicht, was du sagst.“
Mk 14,68:
Er leugnete und sagte: „Ich weiß nicht, noch ist mir bekannt, was du sagst.“
Lk 22,57:
Aber er verleugnete ihn und sagte: „Frau, ich kenne ihn nicht!“
Joh 18,18:
Er sagt: „Ich bin’s nicht.“ 18 Es standen da die leibeigenen Knechte und die Gerichtsdiener, die ein Kohlenfeuer gemacht hatten, weil es kalt war, und wärmten sich. Petrus war bei ihnen, stand und wärmte sich.
1. Verleugnung Knechte und die Gerichtsdiener
Mk 14,68M:
Und er ging hinaus in den Vorhof, und [der] Hahn krähte.
Im Vorhof. Hahnenschrei
(Joh 18,19-24) (Jesu Verhör vor Hannas)
Mt 26,71A: Als er in den Torausgang hinausgegangen war,

 

Matthäus
Markus Lukas
Johannes Anmerkung
Mt 26,71A:
Als er in den Torausgang hinausgegangen war,
Mt 26,71M:
sah ihn eine andere, und sie sagt zu denen, die dort waren:
Mk 14,69:
Und als die Magd ihn wieder sah, fing sie an, den Dabeistehenden zu sagen:
Lk 22,58A:
Und nach kurzem
Die Türhüterin und die andere Magd
Lk 22,58M:
sah ihn ein anderer [o.: jemand anderer]
Joh 18,25A: Aber Simon Petrus stand und wärmte sich. (Wieder am Feuer)
Mt 26,71E:
„Auch dieser war mit Jesus, dem Nazarener.“
Mk 14,69E:
„Der ist einer von ihnen.“
Lk 22,58M:
und sagte: „Auch du bist einer von ihnen.“
Joh 18,25M:
Da sagten sie zu ihm: „Bist nicht auch du einer von seinen Jüngern?“
Die Dabeistehenden
Mt 26,72:
Und wieder leugnete er, mit einem Eid: „Ich weiß nicht von dem Menschen!“
Mk 14,70A: Aber er leugnete wieder. Lk 22,58E:
Aber Petrus sagte:
„Mensch, ich bin’s nicht!“
Joh 18,25E:
Der leugnete und sagte:
„Ich bin’s nicht.“
2. Verleugnung
Mt 26,73A: Nach kurzem Mk 14,70M: Und nach kurzem Lk 22,59A:
Und nach Verlauf von etwa einer Stunde
Mt 26,73M:
traten die Umstehenden herbei und sagten zu Petrus: „Wahrlich, auch du bist einer von ihnen, denn auch dein Reden macht dich offenkundig.“
Mk 14,70M: sagten wiederum die Dabeistehenden zu Petrus: „Wahrlich! Du bist einer von ihnen, denn du bist auch ein Galiläer, und dein Reden ist gleich.“ Lk 22,59M: behauptete ein anderer fest und steif: „In Wahrheit“, sagte er, „auch dieser war bei ihm, denn er ist auch ein Galiläer.“ Joh 18,26:
Es sagt einer von den leibeigenen Knechten des Hohen Priesters, der ein Verwandter dessen war, dem Petrus das Ohr abgehauen hatte: „Sah ich dich nicht im Garten bei ihm?“
Beschuldigung durch Männer: Verwandter des Malchus; Dabeistehende

 

Matthäus
Markus
Lukas Johannes
Anmerkung
Mt 26,74: Da fing er an, sich zu verwünschen und zu schwören: „Ich weiß nicht von dem Menschen!“ Mk 14,71: Aber er fing an, sich zu verfluchen und zu schwören: „Ich weiß nicht von diesem Menschen, von dem ihr redet!“ Lk 22,60: Aber Petrus sagte: „Mensch, ich weiß nicht, was du sagst!“ Joh 18,27M: Darauf leugnete Petrus wieder. 3. Verleugnung
Mt 26,74E: Und sogleich krähte ein Hahn. Mk 14,72A: Und ein Hahn krähte zum zweiten Mal. Lk 22,60M: Und auf der Stelle, während er noch redete, krähte der Hahn. Joh 18,27E: Und sogleich krähte [der] Hahn. Der Hahnenschrei gegen Ende der dritten Nachtwache
Mt 26,75:Und Petrus erinnerte sich an das Wort Jesu, das er ihm gesagt hatte: „Ehe ein Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ Mk 14,72M:Und Petrus erinnerte sich an das Wort Jesu, das er ihm gesagt hatte: „Ehe ein Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ Lk 22,61: Und der Herr wandte sich um und blickte Petrus an. Und Petrus erinnerte sich an das Wort des Herrn, wie er ihm gesagt hatte: „Ehe [der] Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ Erinnerung an das Wort von Jesus
Mt 26,75E: Und er ging nach draußen und weinte bitterlich. Mk 14,72E: und bedachte es: Und er weinte. Lk 22,62: Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich.

  1. Der Verfasser dieses Artikels nahm (in früheren Internetveröffentlichungen) an, dass die Evangelisten von verschiedenen Verleugnungen sprachen bzw. sie verschieden nummerierten, sodass die Gesamtzahl der Verleugnungen auf fünf bis sechs kam. Weitere Untersuchungen am Text führten zu einer Revision dieser Auffassung zugunsten der traditionellen Auffassung von drei bei allen Evangelisten identischen Verleugnungen. Pickering, Wilbur N. (in dem unveröffentlichten Manuskript: „How of-
    ten did Jesus say Peter would deny him“; 2005) zählt sieben oder acht Verleugnungen.
    Martin Heß (in einem unveröffentlichten Manuskript) kommt auf zehn Verleugnungen. Er unterscheidet drei verschiedenen Aussagetypen (Ich kenne ihn nicht; Ich bin’s nicht; Ich weiß nicht, was du sagst.), wobei allein der Verleugnungstyp Ich kenne ihn nicht mit einem ganz bestimmten Hahn verknüpft wird, nämlich dem, der nicht kräht, bevor dieser Verleugnungstyp dreimal erfüllt sei. Die These ist ziemlich kompliziert und erscheint nicht haltbar; ob Petrus sagt, „Ich kenne ihn nicht“ oder ob er sagt, „Ich bin’s nicht“ oder „Ich weiß nicht, was du sagst“, in allen Fällen handelt es sich um eine einzige Verleugnung, nicht um drei. Das „Verleugnen“ von Mt 26,34 // Mk 14,30 // Joh 13,38 kann nicht ein anderes sein als das „Leugnen, dass du mich kennst“ von Lk 22,34. Ein Vergleich von V. 34 mit V. 61 zeigt, dass es dasselbe ist. Alle vier Evangelisten verwenden für „verleugnen“ und „leugnen“ dasselbe Wort (aparneomai). 

  2. Matthäus und Markus zeigen deutlich auf, dass Jesus Christus den Verräter vor dem Herrenmahl bezeichnete. Johannes sagt, dass Judas sofort danach den Raum verließ (13,30). Lukas sagt nichts Näheres über die Bezeichnung des Verräters (Lk 22,21.22). Nachdem Judas den Bissen der Freundschaft, den Jesus Christus ihm darbot, genommen hatte, ging er hinaus. Es hielt ihn nichts mehr zurück, noch länger in der Gesellschaft zu verweilen. 

  3. So Kermit Zarley in: „Das Leben Jesu. Die authentische Biographie mit Erklärungen“, Hänssler-Verlag, S. 355. Zarley selber tendiert zu der Annahme einer zweiten Feuerstelle. 

  4. Das griechische Partizip Aorist drückt gewöhnlich ein vorzeitiges Zeitverhältnis zum übergeordneten Verb aus. (Hoffmann, E. G., v. Siebenthal H., Griechische Grammatik zum Neuen Testament, § 228; 231,d; 206f/i; Riehen 1990) Exelthonta („hinausgegangen seiend“) sollte man daher in erster Linie, wenn es Sinn macht, vorzeitig aufzulösen versuchen, nicht gleichzeitig. Und an unserer Stelle macht es Sinn. Die Übersetzung „nachdem er hinausgegangen war“ (bzw. „als er hinausgegangen war“) ist also naheliegender als die Übersetzung „als er hinausging“. Vorzeitig übersetzen denn auch Bengel, die unrev. Elberfelder 1871, 1905, 2003, die rev. Elberfelder, Menge, Herder, Henne-Rösch, Jantzen, Schumacher, Neue Welt Übersetzung; Zürcher 1860. Ebenso übersetzen sehr viele bekannte englische Übersetzungen: „when he had gone out“ bzw. „when he was gone out“. Vgl. American Standard Version 1901, Bible in Basic English 1949/64, Bishop 1595, Darby 1890, King James Version 1611, New King James Version 1982, New American Standard Bible 1977, New American Standard Bible 1995, Webster 1833, Revised Webster 1995, Tyndale 1534. 

  5. Pickering, Wilbur N.: „How often did Jesus say, Peter would deny him?“; unveröffentlichtes Manuskript, vom Autor versandt. 

  6. Carson, D. A., „The Gospel according to John“, Grand-Rapids, 1991, S. 487 

  7. Lenski, R. C. H., „The Interpretation of St. Mark’s Gospel“, Minneapolis, 1946 (printing 1964), S. 632 

  8. Cor Bruins, „Er wohnte unter uns“, http://www.soundwords.de/artikel.asp?id=1180