ThemenBibelstudien, Predigten und Bibelarbeiten

Die Anatomie der Gemeinde

John MacArthur berichtet aus seiner persönlichen Erfahrung über das Wesen der Gemeinde und die wichtige Rolle von Leitern und Ältesten für den Aufbau der Gemeinde.

Die Skelettstruktur

Als die Grace Community Church außerordentlich zu wachsen begann, überstürzten sich die Ereignisse, sodass ich gar nicht mehr Schritt halten konnte. Das war eine aufregende und euphorische Zeit für die Gemeinde. Ich nenne diese Zeit gern „die Entdeckungsjahre“. Als ich zur Grace Church kam, wusste ich nicht viel. Woche für Woche musste ich die Bibel studieren und meine Predigten vorbereiten, und am Sonntag kam die Gemeinde zusammen, um mit mir gemeinsam zu lernen. Ich vermittelte, was die Bibel sagt, und die Leute reagierten: „Toll! Das also ist es, was die Bibel sagt!“ Wir kamen in unserem geistlichen Wachstum und Verständnis mit großen Schritten voran, und der Herr tat viele Menschen zur Gemeinde hinzu. Diese Jahre waren wie ausgedehnte Flitterwochen. Überall herrschte Enthusiasmus und Tatendrang. In meiner Anfangszeit in der Grace Church war es mein Ziel, die Leute, die bereits zur Gemeinde gehörten, vom Weggehen abzuhalten. Ich habe mir damals nie ausgemalt, dass die Gemeinde zu ihrer jetzigen Größe anwachsen könnte. Das ist der Grund, warum ich oft Epheser 3,20 als den Vers bezeichne, den ich in den Jahren meines Dienstes am meisten verstehen gelernt habe. Dieser Vers beschreibt Gott als den, „der über alles hinaus zu tun vermag, über die Maßen mehr, als wir erbitten oder erdenken.“ In meiner ganzen Dienstzeit habe ich gesehen, wie Gott weit über das hinaus wirkte, als ich es mir je vorgestellt hätte! Gemeinden scheinen im Allgemeinen ein und demselben Muster des Aufstiegs und Niedergangs zu folgen. Die erste Generation kämpft darum, die Wahrheit zu entdecken und aufzurichten. Die Grace Church hat diese Phase durchlaufen; die ersten Jahre waren eine Zeit des Entdeckens und Einführens der Wahrheit. Die zweite Generation kämpft darum, die Wahrheit zu bewahren und zu verkünden. Auch das haben wir in der Grace Church erlebt. Was wir gelernt haben, hielten wir in Büchern und auf Vortragskassetten fest. Wir haben Männer angeleitet und ausgebildet, als Hirten zu dienen, hinauszugehen und zu beginnen, andere zu lehren. Was wir wussten, haben wir anderen Gemeindehirten vermittelt. Doch die dritte Generation einer Gemeinde sorgt sich oft denkbar wenig um diese Dinge. Warum? Weil die Angehörigen dieser Generation nicht den Kampf der ersten beiden Generationen miterlebt haben, steht für sie nichts auf dem Spiel. Sie neigen dazu, die bereits etablierten Dinge als selbstverständlich hinzunehmen.

Gleichgültigkeit hat ein Kind namens Kritik

Das macht mir Angst. Gleichgültigkeit ist die schwierigste Sache, mit der man beim Dienst im Reich Gottes zu kämpfen hat. Es bricht einem das Herz, wenn man bedenkt, dass diejenigen, die nicht am Aufbau der Gemeinde beteiligt waren, dazu neigen, alles als selbstverständlich hinzunehmen. Weil sie nicht mitgekämpft haben, haben sie auch nicht den Preis des Sieges gezahlt und können dessen süßen Geschmack nicht wertschätzen. Sie wissen nicht, wie schwer dieser Kampf war. Wer nicht am Prozess des Kämpfens, Entdeckens und Gründens der Wahrheit beteiligt war, kann oft nicht wertschätzen, was Gott getan hat. In unserer Gemeinde gibt es viele Gläubige, die nicht verstehen, wie viel Opfer an Zeit, Gaben, Mühen und Geld nötig waren und von den Leuten der Gemeinde während deren Wachstum gebracht wurden. Zu Beginn unserer Geschichte als Gemeinde verzichtete ein junges Ehepaar sogar auf seine Flitterwochen, weil sie ihre Ressourcen lieber der Gemeinde geben wollten. Das ist nur eines von vielen Beispielen für Aufopferungsbereitschaft. Wer nicht am Kampf des Gemeindeaufbaus beteiligt war, wird schnell pingelig in Bezug auf kleinere Dinge, die falsch laufen. Viele Leute halten sich zu lange damit auf, ihre Zeit mit Trivialitäten zu vergeuden, während sie sich eigentlich mehr um das Reich Gottes sorgen sollten. Gleichgültigkeit hat ein Kind namens Kritik. Man kommt so leicht an den Punkt, wo man alles als selbstverständlich hinnimmt und beginnt, alle auffindbaren Unvollkommenheiten zu kritisieren. Der Autor Thomas Hardy berichtete von einem Freund, der in jeden beliebigen Park gehen kann und sofort einen Maulwurfhügel ausfindig macht. Eine solche Perspektive sollten wir nicht haben. Gott hat der Grace Church viele wunderbare Gläubige gegeben, und dafür danken wir ihm. Aber ich weiß, dass es bei uns auch Leute gibt, die nur dann zur Gemeinde kommen, wenn es ihnen passt. Der Gemeindebesuch steht bei ihnen ganz unten auf der Prioritätenliste. Wenn sie es sich nicht leisten können, übers Wochenende wegzufahren, dann kommen sie zur Gemeinde. Sie sehen keinerlei Anlass zu Verbindlichkeit. Manche kommen nicht am Sonntagabend zum Mahl des Herrn. Sie meinen, eine Predigt pro Woche sei genug. Solche Leute sollten zweihundert Predigten in einer Woche hören, um sie aus ihrer Unbekümmertheit aufzuwecken! Kierkegaard beobachtete, dass die Leute meinen, der Prediger sei ein Schauspieler und sie seien seine Kritiker. Was sie nicht wissen: Sie sind die Schauspieler und er ist der Souffleur hinter den Kulissen, der sie an ihren vergessenen Text erinnert.1 Christen geraten so leicht an einen Punkt, wo sie erwarten, dass andere die Dinge für sie tun. Sie lassen sich nur dann in der Gemeinde blicken, wenn sie meinen, dass sie etwas davon mitnehmen können. Eine Gemeinde aufzubauen, ist einfach. Die schwere Arbeit beginnt, wenn die Gemeinde angewachsen ist und wenn man sich Leuten gegenüber sieht, die selbstzufrieden geworden sind.

Ich bekam einen Brief von einem jungen Gemeindeleiter, der darüber nachdachte, ob er seinen Dienst aufgibt. Dieser Brief brach mir das Herz. Er schrieb: Ich möchte Ihnen etwas erklären, worüber ich mir Sorgen mache. Ich war nicht imstande, diese Sache zu korrigieren und deshalb denke ich nun darüber nach, ob ich aus diesem Dienst aussteigen soll. Vielleicht wird der Herr Ihre Weisheit gebrauchen, um mir Wegweisung zu geben. Ich bin fest überzeugt, dass die Leitung einer Gemeinde die allerbeste sein sollte, und das nicht nur im persönlichen geistlichen Leben, sondern auch darin, ein Vorbild für ihre Anvertrauten zu sein. Ich sage nicht, dass ein Leiter vollkommen oder ein Supermensch sein muss, aber er sollte eine lebendige, wachsende persönliche Beziehung zum Herrn haben. Ich bin fest überzeugt: Wenn die Leiter einer Gemeinde kein Vorbild liefern für ein Leben der entschlossenen Hingabe an ihren Herrn und an die Gemeinde, werden ihre Anhänger das auch nicht tun. Das Problem ist, dass zwei Drittel unserer gewählten Amtsinhaber nur einen einzigen Gottesdienst pro Woche besuchen. Ich sage nicht, dass sie alle immer anwesend sein müssen, sobald die Türen geöffnet sind, aber ich glaube, dass die Leiterschaft einer Gemeinde außer bei unvorhersehbaren Situationen, Krankheit und Reisen doppelte Mühe aufwenden sollte, um bei den Gemeindeveranstaltungen dazusein, und wenn nur aus dem Grund, um die Gläubigen und den Gemeindeleiter zu ermutigen. Ich finde es extrem schwierig zu glauben, dass angemessene Leiterschaft ausgeübt werden kann, wenn die Leiter nicht ausreichend Zeit mit ihren Gemeindegliedern verbringen, um herauszufinden, welche Sorgen und Nöte sie haben.

Bei unseren Mitarbeiterbesprechungen wird der weitaus größte Teil der Zeit mit Themen verbracht, die nichts mit den Bedürfnissen und Sorgen der Gläubigen zu tun haben

Bei unseren Mitarbeiterbesprechungen stelle ich fest, dass der weitaus größte Teil der Zeit mit Themen verbracht wird, die nichts direkt mit den Bedürfnissen und Sorgen der Gläubigen zu tun haben. Ich glaube, dass unsere Gemeinde aus diesem Grund zum Stillstand gekommen ist, was gleichbedeutend ist mit einer Rückwärtsentwicklung anstelle von Fortschritt.

Ich habe diese Dinge bei unseren Besprechungen mehrfach auf die Tagesordnung gebracht (einige unserer Mitarbeiter kommen nicht einmal regelmäßig zu unseren Besprechungen), und dabei ist absolut nichts herausgekommen. Ich spreche nicht von Männern und Frauen, die es nicht schaffen, zur Gemeinde zu kommen, sondern über Leute, die einfach nicht kommen wollen. Einige Leiter sagen, sie seien zu beschäftigt, nach einem Arbeitstag zu müde oder haben gar keine Entschuldigung. Aber solche Leiter zögern nicht, mich daran zu erinnern, dass sie die Kraft der Gemeinde sind. Das geschieht oft. Ich bin an den Punkt angelangt, wo ich sage, wenn das noch ein Jahr so weitergeht, trete ich von meinem Amt als Gemeindeleiter zurück. Wie kann ein Gemeindeleiter seine Herde führen, die notwendigen Angebote organisieren und eine geistliche Leiterschaft entwickeln, wenn ihm keine anderen Leiter zur Verfügung stehen, die ihm den Rücken stärken? Ich bin offen für Ihren Rat. Ich glaube, unsere Gemeinde hat große Möglichkeiten. Doch solange wir lau sind, wird der Herr uns weder segnen noch gebrauchen. Dieser Brief könnte von Tausenden anderer Gemeindeleiter geschrieben sein, weil es so normal ist, dass die Leute die guten Dinge, die Gott ihnen gegeben hat, als selbstverständlich hinnehmen. Ich möchte nicht, dass die Grace Church einmal so endet. Ich möchte nicht, dass die Leute den Herrn vergessen. Ich möchte, dass sie beständig den Namen des Herrn fürchten. Petrus schrieb an seine Versammlung: „Deshalb will ich Sorge tragen, euch immer an diese Dinge zu erinnern, obwohl ihr sie wisst und in der bei euch vorhandenen Wahrheit gestärkt seid.“ (2Petr 1,12). Petrus hatte eine hohe Berufung von Gott und wollte nicht verantwortungslos damit umgehen. Er war besorgt um die, die zu belehren er berufen war, und erinnerte sie deshalb immer wieder an das, was sie bereits gelernt hatten. Er sagte: „Ich weiß, dass ihr diese Dinge bereits wisst, aber ihr habt es nötig, daran erinnert zu werden.“ In Vers 13 fährt er fort: „Ich halte es aber für recht, solange ich in diesem Zelt bin, euch durch Erinnerung aufzuwecken, da ich weiß, dass das Ablegen meines Zeltes bald geschieht … Ich werde aber darauf bedacht sein, dass ihr auch nach meinem Abschied jederzeit imstande seid, euch diese Dinge ins Gedächtnis zu rufen“ (V. 13-15).

Es lohnt sich, Elementares zu wiederholen, das nicht vergessen werden darf

Es lohnt sich, Elementares zu wiederholen, das nicht vergessen werden darf. Und das möchte ich nun tun. Viele Gemeindeleiter besuchen die Grace Church, um herauszufinden, warum sie wächst und was wir tun. Normalerweise kommen sie, um nachzuforschen, was in der Gemeinde wie getan wird. Sie möchten wissen, was Gott tut, und manche von ihnen meinen, sie könnten sich die Methoden, Mittel, Programme und Ideen abkupfern und sie in ihrer eigenen Gemeinde anwenden. Das ist jedoch, als wenn man einen Stier kaufen will und nur mit einem Fell nach Hause kommt. Sie sehen nur das Fleisch unserer Aktivitäten und nicht die inneren Aspekte, auf denen das Funktionieren dieser Aktivitäten beruht. Unter der Oberfläche der Dinge liegt ein Fundament, das man von außen betrachtet nicht sieht. Wir versuchen den Gemeindeleitern zu erklären, dass sie vielleicht eine funktionierende Gemeindearbeit sehen, aber dass sie eigentlich das verstehen müssten, was hinter den Kulissen geschieht. Für diesen ersten Teil unseres Themenstudiums über Gemeindeleitung werde ich die Analogie heranziehen, die Paulus in 1. Korinther 12,12-31 verwendet. Die Gemeinde ist ein Leib, und wir sollten die Anatomie dieses Leibes sorgfältig untersuchen. Jeder Körper besteht aus bestimmten Bereichen: ein Skelett, innere Organe, Muskeln und Fleisch. Eine Gemeinde muss das richtige Grundgerüst haben (das Skelett), innere Organe (bestimmte Einstellungen), Muskeln (verschiedene Funktionen) und Fleisch (die Gestalt der Veranstaltungen). Wenn man einen dieser Schlüsselbereiche wegnimmt, ist der Körper nicht überlebensfähig. Anatomie ist das Studium, wie diese Bereiche zusammenpassen und zusammen funktionieren. Mit dieser Anatomie wollen wir uns nun befassen. Wir beginnen beim Skelett. Um zu funktionieren, braucht ein Körper eine Grundstruktur. Bei Wirbeltieren stellt das Skelett diese Struktur dar. Ebenso gibt es bestimmte skelettartige Wahrheiten, denen eine Gemeinde verpflichtet sein muss, wenn sie eine gesunde Struktur haben soll. Diese Lehren sind unabänderlich und unumstößlich und hier dürfen keinerlei Kompromisse zugelassen werden. Wenn man in einem dieser Punkte nachgibt, wird man das Grundgerüst zerstören – dann hört die Gemeinde auf, eine Gemeinde zu sein und wird stattdessen zu einem unförmigen Etwas.

Eine hohe Sicht von Gott

Es ist absolut notwendig, dass eine Gemeinde sich als Institution ansieht, die zur Ehre Gottes eingerichtet ist. Ich befürchte, dass die Gemeinde in Amerika diese erhabene Stellung verlassen hat und anstatt auf Gott auf den Menschen blickt. Die Gemeinde meint heute offenbar, ihr Ziel sei es, den Menschen zu helfen, sich besser zu fühlen und zufriedener mit sich zu sein. Sie bieten den Menschen nichts Weiteres an als geistliche Placebos. Sie widmet sich Bereichen wie Psychologie, Selbstwertgefühl, Unterhaltung und unzähligen anderen Ablenkungen, um erkannte Bedürfnisse zu stillen. Die Gemeinde, die eigentlich ein Gott erkennender und verehrender Organismus ist, wurde degradiert zu einer Organisation, bei der es hauptsächlich um menschliche Bedürfnisse geht. Aber: Wenn man Gott kennt und ehrt, werden die Bedürfnisse des Lebens gestillt. „Die Furcht des HERRN ist der Weisheit Anfang“ (Spr 9,10). Wenn man eine echte Beziehung zu Gott hat, wird alles andere den richtigen Platz einnehmen. Ich meine damit nicht, dass wir die Bedürfnisse der Menschen ignorieren sollten. Wir sollten um die Menschen genauso besorgt sein, wie Gott es ist. Doch dabei muss eine Ausgewogenheit erreicht werden, und die beginnt mit einer hohen Sicht von Gott. Wir müssen Gott ernst nehmen. Ich bin zurecht empört über Prediger und andere, die Gott von seinem Thron setzen und ihn zu einem Diener machen wollen, der zu allem verpflichtet ist, was sie von ihm wollen. Die Menschen neigen zur Unehrerbietigkeit und wissen nicht, wie Gott angebetet werden muss. Manche meinen, Anbetung sei etwas, das ein angenehmes Gefühl verursacht. Sie haben wenig von Gott erkannt. In der Gemeinde gibt es zu viele Marthas und zu wenig Marias (Lk 10,38-42). Wir sind so mit dem Dienen beschäftigt, dass wir uns nicht die Zeit nehmen, um zu Jesu Füßen zu sitzen. Wir erzittern nicht vor Gottes Wort.

Wir lassen nicht zu, dass wir mit der Heiligkeit Gottes und unserer Sündhaftigkeit konfrontiert werden, sodass er uns zu seiner Ehre gebrauchen kann

Wir lassen nicht zu, dass wir mit der Heiligkeit Gottes und unserer Sündhaftigkeit konfrontiert werden, sodass er uns zu seiner Ehre gebrauchen kann. Wenn jemand stirbt, sagen wir oft: „Wie konnte Gott das zulassen?“ Wir haben kein Recht, so zu fragen. Vielmehr sollten wir fragen: „Warum leben wir noch?“ Gott ist heilig und hätte den Menschen sofort nach dem Sündenfall vernichten können. Nur weil Gott gnädig zu uns ist, haben wir noch lange kein Recht zu Gleichgültigkeit. Gott muss ernstgenommen werden. Schauen Sie sich in einer christlichen Buchhandlung um. Bei der großen Mehrzahl der heutigen Bücher geht es nur um triviale Probleme. Während der Zeit, als die Kirche am heiligsten war, hatten die Christen nur wenig Literatur, aber die wenigen Bücher, die sie hatten, erklärten ihnen, wie sie eine Beziehung Gott haben können. Bei den meisten heutigen Büchern ist das nicht der Fall.

Das Problem ist, dass die Menschen Gott nicht ernst genug nehmen, um nach seinen Geboten zu leben

Eine Umfrage auf einer USA-weiten Gemeindeleiterkonferenz ergab, dass die meisten Gemeindeleiter merken, dass sie Unterstützung in der Arbeit mit Familien brauchen. Trotz aller Bücher über familiäre Themen brauchen christliche Führungspersonen hier immer noch mehr Hilfe. Die Lösung besteht also nicht darin, noch mehr Bücher über die Familie zu schreiben. Das Problem ist, dass die Menschen Gott nicht ernst genug nehmen, um nach seinen Geboten zu leben. Wenn den Familien eine hohe Sicht von Gott gelehrt wird, gäbe es nicht so viele Familienprobleme in der Gemeinde. In Jakobus 4,8 steht: „Naht euch Gott! Und er wird sich euch nahen.“ Möchten Sie mit Gott in Ihrer unmittelbaren Nähe leben? Wenn Sie sich Gott nahen, wird er sich Ihnen nahen. Doch Sie sagen: „Wenn ich Gott zu nahe komme, werde ich schnell nervös.“ Deshalb sagt Jakobus 4,8 im zweiten Teil des Verses: „Säubert die Hände, ihr Sünder, und reinigt die Herzen, ihr Wankelmütigen!“ Je näher man Gott kommt, desto mehr erkennt man seine eigene Sünde. Folglich wird man sich demütigen und die eigenen Sünden beklagen. Jakobus 4,10 sagt, wenn wir uns vor dem Herrn demütigen, wird er uns erhöhen. Wir müssen Gott ernst nehmen und ihn erhöhen; wir wollen keine Gemeinde, in der der Mensch im Mittelpunkt steht. Wir müssen uns in der Liebe Christi um Menschen bemühen, doch Gott ist und bleibt der Mittelpunkt unserer Anbetung und unseres Lebens.

Die absolute Autorität der Bibel

Eine zweite unumstößliche Wahrheit, die zum Skelett-Grundgerüst der Gemeinde gehört, ist die absolute Autorität der Bibel. Die Bibel wird ständig angegriffen, und das sogar von bekennenden Gemeinden. Kürzlich las ich einen Artikel von einem Professor einer theologischen Ausbildungsstätte, der behauptete, Christen sollen homosexuelles Verhalten nicht als sündig ansehen. Wenn jemand diese Auffassung vertritt, muss er die Bibel missachten. Wie widersprüchlich ist es, wenn ein Theologieprofessor die Bibel verleugnet und gleichzeitig Männer ausbildet, die künftig Diener des Wortes Gottes sein sollen! Doch das sind die heutigen Zustände; die Bibel wird angriffen, koste es, was es wolle. Ich bin überzeugt, dass die Charismatiker die Bibel angreifen, wenn sie ihre eigenen Visionen und Offenbarungen hinzufügen. Dieser Angriff ist zwar unterschwellig und oft unbewusst, aber keinesfalls harmloser als andere Angriffe. Sie sagen, Jesus habe ihnen dieses und jenes gesagt und Gott habe ihnen jenes gezeigt. Sie untergraben das Wort Gottes, wenn sie die Bibel nicht als alleinige Autorität ansehen. Wer glaubt, Gott rede häufig durch besondere Botschaften zu individuellen Christen, macht Gottes Wort zur Trivialität. Gott offenbart sich in erster Linie durch die Seiten der Bibel, und diese geschriebene Offenbarung muss als absolute Autorität festgehalten werden.

In ganz Amerika behaupten Menschen, sie glaubten alles, was in der Bibel steht, kennen jedoch keinen einzigen Abschnitt daraus

Einer der schlimmsten Angriffe auf Gottes Wort ergeht von Leuten, die sagen, sie glauben der Bibel, aber nicht wissen, was sie lehrt. Das ist der am schwersten erkennbare Angriff. In ganz Amerika behaupten Menschen, sie glaubten alles, was in der Bibel steht, kennen jedoch keinen einzigen Abschnitt daraus. Wie können sie das glauben, was sie nicht kennen? Jesus sagte: „Nicht von Brot allein soll der Mensch leben, sondern von jedem Wort, das durch den Mund Gottes ausgeht“ (Mt 4,4). Wenn jedes Wort aus dem Mund Gottes unsere Nahrung ist, dann sollten wir jedes einzelne Wort studieren. Heute haben die Prediger den Blick dafür verloren. Ein Gemeindeleiter sagte mir einmal: „Ich leite eine Gemeinde nur zwei Jahre lang, und dann wechsle ich wieder.“ – Ich fragte ihn: „Geht das schon lange so?“ – „Ja, ich bin zwei Jahre hier, zwei Jahre dort, und zwei Jahre wieder woanders.“ – „Warum?“, fragte ich. – „Ich habe zweiundfünfzig Predigten. Jede halte ich zwei Mal und dann wechsle ich die Gemeinde.“- Daraufhin fragte ich: „Warum lehren Sie nicht den ganzen Ratschluss Gottes, wie es in Apostelgeschichte 20,27 heißt?“ – Er antwortete: „Ich lehre nicht alles, sondern nur das, was ich für wichtig halte.“ Aber jedes einzelne Wort aus dem Mund Gottes ist wichtig!

Gesunde Lehre

Der dritte Teil, den eine Gemeinde als Element des Skeletts braucht, ist gesunde Lehre. Wer eine hohe Sicht von Gott hat und ihm hingegeben ist, muss an dem festhalten, was sein Wort lehrt. Die Lehren des Wortes Gottes bilden zusammen die gesunde Lehre. Viele Christen von heute haben nur vage Vorstellungen in lehrmäßigen Dingen. Viele Gemeindeleiter bieten „Predigtchen für Christchen“ – Minipredigten, die nett und unterhaltsam sind. Manchmal vermitteln sie angenehme, aufregende oder traurige Gefühle. Dass Lehre vermittelt oder über Lehrfragen gesprochen wird, hören wir selten. Nur sehr wenige Prediger erklären die Wahrheiten über Gott, das Leben, den Tod, Himmel, Hölle, den Menschen, Sünde, Christus, die Engel, den Heiligen Geist, die Stellung des Gläubigen, das Fleisch oder die Welt. Wir brauchen Wahrheiten, an denen wir festhalten können. Der Prediger muss einen Text lesen, herausfinden, was er sagt und bedeutet, eine geistliche Wahrheit daraus gewinnen und diese Wahrheit durch Wiederholung ins Denken der Zuhörer einpflanzen. Diesen Predigstil lernte ich kennen, als ich meinen Abschluss an der High School machte. Mein Vater gab mir eine Bibel mit einer persönlichen Widmung, mit der er mich ermutigte, den 1. und 2. Timotheusbrief zu lesen. Das tat ich, und die Botschaft von Paulus an Timotheus ging mir nicht mehr aus dem Sinn: „Wenn du dies den Brüdern vorstellst, so wirst du ein guter Diener Christi Jesu sein, der sich nährt durch die Worte des Glaubens und der guten Lehre, der du gefolgt bist“ (1Tim 4,6; vgl. 1Tim 1,3.10; 4,13.16). Zu Beginn meines Dienstes in der Grace Church lehrte ich den Epheserbrief und erläuterte die Stellung des Gläubigen in Christus. Diese fortlaufenden Textpredigten waren für die Gemeinde grundlegend. Vor kurzem habe ich meinen Football-Trainer von der High School besucht, den ich lange Zeit nicht mehr gesehen hatte. Er ist gläubig und lehrt ebenfalls das Wort Gottes. Wir erinnerten uns an einige der Dummheiten, die mir damals beim Football passiert waren. Dann sagte er zu mir: „John, du hast mir die Stellung des Gläubigen in Christus begreifbar gemacht. Ich habe deine Vortragskassetten über Epheser 1 viele Male gehört und ich habe jungen Leuten über Jahre hinweg immer wieder dieses Kapitel gelehrt. Mir hat es ein Fundament für mein ganzes Leben gegeben, diese Lehre von der Stellung des Gläubigen in Christus zu verstehen.“

Die Leute brauchen gesunde, kräftige Lehre, um ihr Leben darauf zu bauen

Nicht ich habe meinem Trainer dieses Fundament gegeben; der Epheserbrief und der Heilige Geist haben das getan. Worum es geht, ist, dass die Leute gesunde, kräftige Lehre brauchen, um ihr Leben darauf zu bauen.

Persönliche Heiligung

Wenn es um persönliche Heiligung geht, müssen wir klare Grenzen ziehen. Wir müssen aufpassen, welchen Dingen wir uns und unsere Kinder aussetzen. Einige Kinofilme und Bücher von heute können nicht konsumiert werden, ohne den Preis dafür zu bezahlen. Manchmal frage ich mich, was wohl solchen Christen durch den Sinn geht, die sich Filmen, Fernsehsendungen und Printmedien aussetzen, die Unmoral und ein biblisches Wertesystem verbreiten. Wir dürfen nicht wagen, unsere Maßstäbe herunterzuschrauben und der Welt anzugleichen. Es schockiert, dass unsere Gesellschaft alles toleriert. Worüber man noch vor zehn Jahren höchstens hinter vorgehaltener Hand getuschelt hat, das wird heute öffentlich zur Schau getragen. Ich staune, dass unsere Kultur in so kurzer Zeit so enorm verfallen konnte. Christen sind zu einem reinen Leben berufen, und darin können wir keine Kompromisse eingehen. Wir sollten unter uns den Maßstab der Reinheit neu bestärken. Zweiter Korinther 7,1 sagt: „Da wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, so wollen wir uns reinigen von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes und die Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes.“ Eine Gemeinde sollte für diesen Maßstab eintreten (siehe Mt 18,15-17). Deshalb praktizieren wir bei uns in der Grace Church Gemeindezucht. Wenn jemand sündigt, ziehen wir ihn dafür zur Rechenschaft. Viele Christen sorgen sich um persönliche Heiligung weniger, als sie sollten. Wo stehen Sie in Sachen Heiligkeit und Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott? Wir können nicht halbherzig als Christen leben und dennoch erwarten, dass Gott sein Werk an uns tut.

Geistliche Autorität

Eine Gemeinde muss verstehen, dass Christus das Haupt der Gemeinde ist und dass er seine Rolle mittels gottesfürchtiger Ältester ausübt

Eine letzte Komponente der Skelettstruktur einer Gemeinde ist geistliche Autorität. Eine Gemeinde muss verstehen, dass Christus das Haupt der Gemeinde ist (Eph 1,22; 4,15) und dass er seine Rolle mittels gottesfürchtiger Ältester ausübt (1Thes 5,13-14; Hebr 13,7.17). Hebräer 13,17 sagt: „Gehorcht und fügt euch euren Führern! Denn sie wachen über eure Seelen.“ Ihrem Vorbild ist zu folgen. In 1. Thessalonicher 5 werden wir aufgefordert, „dass ihr die anerkennt, die unter euch arbeiten und euch vorstehen im Herrn und euch zurechtweisen, und dass ihr sie ganz besonders in Liebe achtet um ihres Werkes willen“ (V. 12-13). In der Grace Church haben wir viele Führungspersonen; ich bin nur einer davon. Mir fällt die von Gott gegebene Aufgabe des Predigens zu. Jesus hatte zwölf Apostel. Bei allen Auflistungen in den Evangelien wird Petrus als erster genannt (Mt 10,2-4; Mk 3,16-19; Lk 6,14-16; Apg 1,13). Er war stets der Sprecher. Das bedeutet nicht, dass er besser war als die anderen. Er hatte lediglich die Gabe des Redens, und die übrigen waren anderweitig begabt. Petrus und Johannes reisten immer zusammen. Deshalb könnte man meinen, Johannes habe nicht so viel gesagt. Aber er schrieb das Johannesevangelium, die drei Johannesbriefe und die Offenbarung. Zweifellos hätte er uns aufgrund seiner innigen Freundschaft zu Christus noch mehr großartige Dinge mitteilen können. Doch wenn er in den ersten zwölf Kapiteln der Apostelgeschichte zusammen mit Petrus erwähnt wird, schweigt er. Warum? Weil Petrus die Gabe des Redens hatte. Barnabas war ein großartiger Lehrer – wahrscheinlich der führende Lehrer der Urgemeinde. Doch wenn Barnabas und Paulus zusammen unterwegs waren, erkannten sogar Ungläubige, dass Paulus der Wortführer war. Somit gibt es also Unterschiede in den Begabungen von geistlichen Führungspersonen. Doch insgesamt ist denen, die die Bibel als Älteste oder Aufseher bezeichnet, eine gleiche Autorität gegeben. Fassen wir zuletzt noch einmal zusammen, was wir gelernt haben: Damit die Gemeinde als Leib Christi funktionieren kann, muss sie die richtige Grundstruktur haben. Sie muss eine hohe Sicht von Gott haben. Eine Gemeinde sollte danach streben, Gott zu erkennen. Bei diesem Streben muss die Autorität der Bibel anerkannt werden, denn nur durch die Bibel können wir Gott erkennen. Eine Gemeinde sollte eine hohe Sicht von der Bibel haben und der gesunden Lehre und Verkündigung verpflichtet sein. Die Gemeindeglieder sollten ferner nach persönlicher Heiligung streben und ihre Seelen der Obhut derer unterordnen, die der Herr über sie als geistliche Autoritätspersonen gesetzt hat.

 


Abdruck des ersten Kapitels mit freundlicher Genehmigung aus: MacArthur, John. Die lebendige Gemeinde. Der Plan des Baumeisters für seine Gemeinde. Bielefeld: Bethanien 2002. 315 S. EUR 12,50. ISBN 3-935558-53-8.


  1. Parables of Kierkegaard, Thomas C. Oden, Hrsg., Princeton: Princeton University 1978, S. 89-90.