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Der Vogel Phönix in der Bibel?

Der Vogel Phönix ist aus der griechischen und römischen Literatur bekannt. Kommt das legendäre Tier wirklich in der Bibel vor, wie einige Übersetzungen nahelegen?

Herodot (484 bis 425 v.Chr.), ein griechischer Schriftsteller, der Vater der abendländischen Geschichtsschreibung, ist der erste, der den Vogel Phönix erwähnt. Sein einziges erhaltenes Werk sind die Historien, die in Form einer Universalgeschichte die Kriege der Griechen mit den Persern im 6. und 5. Jahrhundert vor Christus schildern.

Herodot beschreibt einen Vogel namens Phönix, den er allerdings nur auf einem Bild gesehen habe. Dieser Vogel käme alle 500 Jahre zu Besuch, wenn sein Vater gestorben sei. Er sei gold- und rotgefiedert und etwa so groß wie ein Adler. Er würde aus Arabien kommend nach Ägypten in den Sonnentempel von Heliopolis fliegen und dort seinen Vater begraben.

Der römische Dichter Ovid (43 v.Chr. bis 17 n.Chr.) beschreibt in seinen Metamorphosen XV die Lehren des Pythagoras (griechischer Philosoph, 570-510 v.Chr.) unter anderem über den Phönix: Ein Vogel, der sich selbst erzeugt und erneuert. Wenn er 500 Jahre vollendet hätte, würde er sich ein Nest bauen, verschiedene Duftstoffe darauf tun, sich selbst hinein betten und in Düften sein Leben enden. Dann würde aus dem Leib des Vaters ein kleiner Vogel Phönix entstehen, der seine Wiege, die gleichzeitig das Grab seines Vaters sei, nach Heliopolis tragen und am heiligen Tor des Sonnentempels niederlegen würde.

Erst der römische Geograph Pomponius Mela schrieb um 44 n.Chr., dass das Nest des Phönix ein Scheiterhaufen mit verschiedenen Duftstoffen sei, auf dem der alte Vogel verbrenne und der neue aus der Asche entstehe. Die Reste des alten werden von ihm dann auf die lodernden Scheiterhaufen im Sonnentempel in Heliopolis getragen.

Christliche Schriftsteller vergleichen Tod und Auferstehung von Christus mit dem Phönix.

Spätere antike Schriftsteller wie Plinius der Ältere und Tacitus, schreiben über den Phönix. Aber auch christliche Schriftsteller wie Clemens von Rom, Physiologus, Isidor von Sevilla und Lactantius vergleichen Tod und Auferstehung von Christus mit dem Phönix. Ja der Vogel wird regelrecht Sinnbild für die Auferstehung.1

Auch in der jüdischen Überlieferung ist der Phönix bekannt. Er begegnet uns in wilden Fabeleien im Zusammenhang mit Eva und Noah, die in der Mischna2 sowie in den Midraschim3 zu Hiob überliefert wurden.4 Allerdings gab es sie erst um 200 n.Chr. in schriftlicher Form. Vermutlich ist die Sage durch die Hellenisierung Israels in der Phase nach Alexander dem Großen, also etwa 500 Jahre vorher, nach Israel gekommen.

Dass etwas aufersteht „wie ein Phönix aus der Asche“ ist selbst im nichtchristlichen Bereich bis heute ein geflügeltes Wort.

Der Phönix in Hiob 29,18

Es stellt sich die Frage, ob der Phönix als sagenhafter Vogel tatsächlich in der Bibel vorkommt, ob dessen Geschichte sogar ernst genommen und geglaubt wurde. Einige Bibelübersetzungen scheinen das anzudeuten.

Kommt der sagenhafte Vogel tatsächlich in der Bibel vor?

Hiob 29,18: Und ich sagte [mir]: Mit meinem Nest werde ich verscheiden und wie der Phönix meine Tage zahlreich machen (Revidierte Elberfelder). Ebenso die Zürcher Bibel von 2007: So dachte ich: Wie der Phönix werde ich sterben mit meinem Nest und lange leben.

Dagegen übersetzt die Hückeswagener Ausgabe der Elberfelder von 2003: Und ich sprach: In meinem Neste werde ich verscheiden, und meine Tage vermehren wie der Sand. Ebenso die Luther-Bibel, Ausgabe 84: Ich dachte: Ich werde in meinem Nest verscheiden und meine Tage so zahlreich machen wie Sand am Meer. Benedikt Peters übersetzt in seinem Kommentar zu Hiob: „Ich will in meinem Nest verscheiden, meine Tage mehren wie Sand.“

Auch die Schlachter 2000 vermeidet die unsichere Bezugnahme auf den Phönix, ja selbst die „Bibel in gerechter Sprache“ erklärt in ihrer Anmerkung zu der Stelle:

„Vielleicht liegt hier eine Anspielung auf die griechische Sage vom Phönix vor, der am Lebensende verbrennt und aus seiner Asche neu ersteht. Möglicherweise bedeutet das Wort, das hier als ‚Phönix’ wiedergegeben ist, aber auch ‚Sand’, womit es im Vergleich um die Menge der Tage ginge.“5

Der Phönix in Hiobs Zeit

Eine entscheidende Frage ist, ob Hiob eine historische Gestalt war oder nur eine literarische Fiktion. Wer letzteres annimmt, verlegt die Entstehungszeit des Buches gewöhnlich in das vierte vorchristliche Jahrhundert oder noch später. Wenn sowieso alle Gespräche zwischen Hiob und seinen Freunden erfunden worden wären, würde auch eine Anspielung auf den Phönix, dessen Sage in dieser Zeit schon bekannt gewesen sein könnte (siehe oben), gut passen.

Wer Hiob als historische Person auffasst, die nach Beobachtungen aus dem Buch Hiob in der Zeit der Erzväter gelebt haben muss, fragt sich natürlich, wo da auf einmal der Vogel Phönix herkommt. Natürlich kann Hiob sein Buch nicht selbst aufgeschrieben haben,6 aber das klassische Hebräisch des Vorworts lässt auf eine Zeit nach 1500 v.Chr. schließen. Als mögliche Verfasser werden Mose oder Salomo vermutet. Auch in deren Zeit ist eine Geschichte vom Vogel Phönix nicht nachweisbar. Weshalb sollte also damit argumentiert worden sein?

Der hebräische Text

Eine wörtliche Übersetzung gibt am besten die unrevidierte Elberfelder wieder: „Und ich sprach: In meinem Neste (im-qinij) werde ich verscheiden, und meine Tage vermehren wie der Sand (we-ka-chôl).“

Das hebräische Qên, das nur achtmal vorkommt, bedeutet Vogelnest, aber fünfmal davon auch Wohnung eines Menschen, besonders eine hoch liegende Wohnung, wie das Adlernest (4Mo 24,21; Jer 49,16; Ob 1,4; Hab 2,9; Hiob 39,27).

Im-qinij müsste allerdings nicht „in meinem“, sondern genauer „mit meinem Nest“ übersetzt werden. Das meint dann also das Zuhause, in dem auch alle jungen Mitglieder der Familie eingeschlossen sind. Das Nest ist dann ein Bild von Einheit und Geborgenheit.

Das hebräische chôl, das 30mal im AT vorkommt, bedeutet immer Sand, besonders auch Ps 78,27, wo die gleiche Wendung vorkommt: wie der Sand.

Bei Hiob eine Ausnahme machen zu wollen, der das gleiche Wort auch Kapitel 6,3 als „Sand am Meer“ verwendet, erscheint nicht sinnvoll, zumal die Übersetzung mit Sand einen guten Sinn ergibt. Die Menge der Tage wird mit der Anzahl der Sandkörner verglichen.

Wahrscheinlich wurden manche Übersetzer durch das Vogelnest von Hiob 29,18a und die jüdischen Fabeleien angeregt, hier eine bibelfremde Mythologie im Text zu vermuten.

Hiob 29,18 in der LXX

In der Septuaginta (LXX), der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, wird Hiob 29,18 so wiedergegeben: Aber ich sagte, mein Lebensalter wird sehr hoch sein, so wie der Stamm (oder der Baum) des Phönix (oder: der Dattelpalme) lange Zeit lebt.

Bei dieser Übersetzung, die etwa im 3. Jahrhundert vor Christus in Ägypten entstand, muss man davon ausgehen, dass die Übersetzer die Sage vom Vogel Phönix kannten, zumal die Sage ja zum Teil in Heliopolis spielt.

Auch die LXX ist nicht eindeutig auf den Phönix fixiert.

Dennoch ist auch die LXX nicht eindeutig auf den Phönix fixiert. Deshalb wird z.B. von Franz Delitzsch vermutet, dass die Wendung hôsper stelechos foinikos eine Interpolation sei und die Übersetzung ursprünglich gelautet habe: hôsper foinix, was sich eindeutiger auf den Vogel Phönix beziehen würde, wobei foinix eben auch Palme heißen kann.

Die gängige LXX-Forschung geht davon aus, dass nicht der Fabelvogel, sondern der Baum gemeint ist. Die neueste englische Übersetzung der Septuaginta (A New English Translation of the Septuagint, Oxford, 2007) übersetzt das fragliche Wort mit „palm tree“.7

Fazit

Es ist keineswegs zwingend, anzunehmen, dass Hiob in seiner Argumentation auf die Sage vom Vogel Phönix zurückgreift. Er spricht vom Sand. Diese lexikalisch und grammatisch naheliegendste Übersetzung des hebräischen Textes ergibt einen durchaus akzeptablen Sinn. Bibelübersetzer sollten keine fremde Mythologie in den Bibeltext hineinschmuggeln.


  1. http://12koerbe.de/pan/phoenix.htm. Autor: Hans Zimmermann, Görlitz. 

  2. Das ist die Auslegung der Tora, der 5 Bücher Mose. Dort speziell im Traktat Sanhedrin 108. 

  3. Midraschim sind Auslegungen. 

  4. Franz Delitzsch: Das Buch Hiob. Leipzig 1876. 

  5. Anmerkung 435 zu Hiob 29,18. 

  6. Die Botschaft des Buches stützt sich ja gerade auf Hiobs Unwissenheit über die Ereignisse im Himmel und sein Leid. Es wird im Buch auch nicht erwähnt, dass Hiob diese Dinge später offenbart worden wären. 

  7. H. von Siebenthal in einer E-Mail an den Verfasser.