ThemenFrage & Antwort

Hat sich Lukas mit der Volkszählung bei der Geburt von Jesus geirrt?

Frage: Sind die Angaben des Evangelisten Lukas zur Geburt von Jesus im Zusammenhang mit einer Volkszählung von Augustus und der Regierungszeit von Herodes historisch zuverlässig?

Antwort:

In einem Zitat aus www.heiligenlexikon.de heißt es:

„Jesus wurde während der Regierungszeit des römischen Kaisers Augustus geboren (Lukasevangelium 2, 1), also zwischen 31 vChr und 14 nChr. Schwierig ist aber, das genaue Geburtsjahr zu bestimmen. Nach Matthäusevangelium 2,1 und Lukasevangelium 1,5 fiel seine Geburt noch in die Regierungszeit von Herodes dem Großen, der 4 vChr. starb. Die Steuererhebung, die Jesu Eltern nach dem Bericht des Lukasevangeliums nach Bethlehem führte (2,1), fand aber erst im Jahr 6/7 n. Chr. statt, nachdem der hier ebenfalls erwähnte Quirinius auch erst 6 nChr sein Amt angetreten hatte; außerdem fand diese nur in Judäa statt, erfasste also nicht Josef als Bürger von Nazareth in Galiläa.”

Dies ist ein typisches und häufig wiederholtes Beispiel, wie im Blick auf die Bibel kritisch argumentiert wird. Es gibt zwar keine positive Erwähnung der Volkszählung, die Lukas berichtet, in einer außerbiblischen Quelle, aber das heißt lange nicht, dass die Volkszählung nicht stattgefunden hat. Es gilt das im Angelsächsischen geflügelte Wort:

„The absence of evidence is not the evidence of absence”. (Das Fehlen eines Beweises für die Existenz ist nicht der Beweis für die Nicht-Existenz einer Sache.)

Dass der jüdische Historiker Josephus die Volkszählung von 6/7 nach Christus unter der Leitung von Quirinius berichtet, hat viele Theologen dazu ermutigt, Lukas eine Verwechslung zu unterstellen. Weil diese Zählung so viel Aufsehen erregte und den Menschen noch lange im Gedächtnis blieb, habe er übersehen, dass Herodes der Große um diese Zeit bereits 10 Jahre tot war. Das aber ist höchst unwahrscheinlich, denn Lukas hält die verschiedenen Herodesse und ihre Regierungszeiten und Bereiche fein säuberlich (Lk 3,1) und in Übereinstimmung mit anderen Quellen auseinander. Außerdem ist in der Apostelgeschichte diese Zählung wahrscheinlich erwähnt (Apg 5,37) und die zur Geburt von Jesus heißt ausdrücklich die „erste“ (Lk 2,2). Wir sollten also davon ausgehen, dass es genauso war, wie es Lukas schreibt.

Gibt es dafür, wenn schon keinen Beweis, dann wenigstens historische Wahrscheinlichkeit? Durchaus.

Quirinius (45 v.Chr – 21 n.Chr) war zur der Zeit der von Lukas berichteten Volkszählung zwar wahrscheinlich nicht der reguläre römische Prokurator von Syrien, aber das fordert das griechische Wort hegemon auch nicht. Seit 12 v.Chr war er Consul und des Augustus Mann für schwierige Fälle. Da er zur fraglichen Zeit Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Homonadenser und zeitweise Statthalter in Galatien und Pamphylien war, könnte er während der Truppenaufenthalte auch Rechte in anderen vom Krieg betroffenen Nachbarprovinzen gehabt haben. Das war soweit man weiß nicht unüblich (z.B. bei Tiberius).

Eine Inschrift, auf der leider der Name fehlt, erwähnt einen Statthalter, der zweimal in Syrien eingesetzt war. Man weiß außerdem aus einem von Augustus selbst verfassten Bericht seiner Taten (res gestae), dass ihm Volkzählungen sehr wichtig waren. 8 v.Chr hat er einen Census für alle römischen Bürger angeordnet und 3 v.Chr stolz berichtet, dass nun alle römischen Bürger ihm die Treue geschworen haben und ihn als Vater des Landes anerkennen. In Ägypten ordnete er einen 14jährigen Rhythmus für die Zählungen an. Würde das auch für Judäa gelten, dann hätten wir nicht nur die von Josephus berichtete Zählung 6/7 nach der Zeitenwende, sondern auch eine 14 Jahre zuvor, was gut passte. Dass das Land noch von Herodes dem Großen regiert und erst 6 n.Chr der römischen Präfektur unterstellt wurde, widerspricht einer möglichen Volkszählung auch nicht, weil Herodes König von Augustus Gnaden war.

Und vielleicht ist die fragliche Volkszählung bei der Geburt von Jesus sogar indirekt bei Josephus erwähnt (Jüdische Altertümer, 17,2,4). In der Zeit als Herodes der Große seine beiden Söhne erdrosseln ließ (um 7 v.Chr) erzählt Josephus, dass das jüdische Volk dem Kaiser Augustus einen Treueeid geschworen habe, dem sich aber 6000 Pharisäer verweigerten. Ein solcher Treueeid ist aus Anlass von Volkszählungen bekannt. Ein anderer Anlass zu dieser Zeit, bei der ein persönlicher und nicht nur ein allgemeiner Treueeid gefordert gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Und auch die Reaktion von Herodes, nämlich eine Geldstrafe zu verhängen, passte zu einer Volkszählung, die vor allem der Steuererhebung diente.

Diese Hinweise mögen genügen. Keiner von ihnen ist so stark, dass die Sache aus ihnen als historisch bewiesen gelten kann. Zusammen mit dem Bericht von Lukas kann das Geschehen aber als sicher gelten. Aber es geht uns hier nicht um den Beweis, dass Lukas wahrheitsgetreu berichtet. Darauf vertrauen wir, weil es in Gottes Wort steht.

leicht überarbeitete Version November 2014