Die „Multioptionsgesellschaft“ hat Generationen an entscheidungsschwachen Menschen hervorgebracht: Ist es der Mann fürs Leben? Ist es diese oder jene Ausbildung? Dieser oder jener Urlaub? Diese oder jene Stelle? Diese oder jene Wohnung? Oder noch viel banaler: Diese oder jene Party? Dieser oder jener Film? Dieses oder jenes Joghurt? Wenn du dir mal überlegst, wie oft du solche Entscheidungen treffen willst oder musst, wirst du mit mir feststellen: Es wird sehr viel Zeit für Entscheidungen verwendet.
Diese Tendenz hat sich auch auf unsere Gottesbeziehung ausgewirkt: Wir verbergen unsere Passivität und unser Zögern hinter frommen Argumenten. Und vielleicht noch mehr verbinden wir grünes Licht auf unserer Lebensautobahn mit „angenehm“ oder der besten Option. Unbewusst verknüpfen wir nämlich die Präsenz Gottes mit dem Anspruch, dass unser Leben die perfekte Erfüllung bringen muss.
Mein Anliegen mit diesem Beitrag ist es nicht, eine pfannenfertige Matrix für Entscheidungen an die Hand zu geben. Ich möchte ermutigen, voranzugehen, auch und gerade dann, wenn es unangenehm ist.
1. Prinzip: Vertraue Gottes souveränem Willen!
Denkt an den Anfang, an das, was schon immer war: Ich bin Gott und keiner sonst, ich bin Gott, und meinesgleichen gibt es nicht: Der von Anfang an kundtut, wie es endet, und schon in frühester Zeit, was noch ungeschehen ist, der sagt: Was ich geplant habe, wird sich erfüllen, und was immer mir gefällt, das führe ich aus (Jesaja 46,9+10).
Hier reklamiert Gott seine Einzigartigkeit im Hinblick auf seine Souveränität. Was er plant, das kommt zustande. Das können wir nur bei wenigen unserer Vorhaben sagen. Wie wir es aus anderen Bibeltexten wissen, benutzt Gott dazu auch das Böse, ohne selbst von dem Bösen berührt zu werden (z. B. Spr 16,4). Das Paradebeispiel dafür ist die Hingabe seines eigenen Sohnes. Es war sein Ratschluss, dass durch die Bosheit seines eigenes Volkes sein geliebter, einziger Sohn für die Sünde derer, die ihm gehören, hingegeben wird (Apg 4,27+28). So etwas übersteigt unser Verständnis. Gott hat uns auch nicht gesagt, dass wir alles verstehen werden, sondern dass wir bewundernd seine Herrlichkeit und seinen Rat anbeten. Jesaja 46 steht als Aussage nicht allein, weitere Texte sind zum Beispiel Jes 43,13; Ps 33,11; Ps 135,6; Dan 4,35.
Es gibt also einen souveränen Willen Gottes, der mit 100 %iger Garantie zustande kommt. Dieser Wille ist uns nur bruchstückhaft bekannt – wenn überhaupt. Überlegen wir uns etwas genauer, was dies bedeutet.
1. Alle Dinge sind innerhalb seines Plans.
Gott „setzt alles ins Werk nach dem Ratschluss seines Willens.“ (Epheser 1,11) Es existiert nichts, aber auch gar nichts, das außerhalb seines Planes wäre. Es dient alles seiner Herrlichkeit. Das bedeutet:
2. Gott plant auch die kleinsten Dinge unseres Lebens.
Er ist der „Mikromanager“ unseres Lebens.
Verkauft man nicht zwei Spatzen für einen Fünfer? Und nicht einer von ihnen fällt zu Boden, ohne dass euer Vater bei ihm ist. Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. (Matthäus 10,29+30)
3. Gottes souveräne Führung kann Risiko beinhalten.
Was sollen denn unsere verfolgten Brüder und Schwestern, über 100 Millionen an der Zahl, sagen, wenn es nicht so wäre? Welche Hoffnung hätten sie? Erinnern wir uns an Esther, die im 5. Jahrhundert vor Christus durch Gottes Vorsehung in einem kritischen Moment Israels die Frau des persischen Großkönigs wurde. Sie bekam den Auftrag, unter Lebensgefahr für ihr eigenes Volk einzustehen. Das wurde ihr damals bewusst.
Und Mordochai ließ Ester antworten:
Bilde dir nicht ein, im Haus des Königs gerettet zu werden, anders als alle anderen Juden. Denn wenn du in dieser Zeit tatsächlich schweigen solltest, wird den Juden Befreiung und Rettung von anderer Seite erstehen, du aber und deine Familie, ihr werdet umkommen. Und wer weiß, ob du nicht gerade für eine Zeit wie diese zur Königswürde gelangt bist? (Esther 4,13+14)
Mordechai brachte ein wichtiges Argument ein: Er und sie wussten nicht, welchen Platz Esthers Handeln in Gottes Geschichte haben würde. Genau so wenig wissen wir das in Bezug auf unsere Geschichte. Wessen wir uns aber sicher sein können, ist dies:
4. Gottes souveräne Führung beschert uns Tage, die wir nicht wollen.
Am Tag des Glücks sei guter Dinge! Und am Tag des Unglücks bedenke: Auch diesen hat Gott ebenso wie jenen gemacht; gerade deshalb, weil der Mensch gar nichts herausfinden kann von dem, was nach ihm ist (Prediger 7,14).
Bedeutet dies nun, dass wir alles schlucken müssen? Nein!
5. Wir dürfen um Änderung von Gottes souveränem Willen bitten!
Das beste Beispiel ist Paulus. Er schreibt im gleichen Brief, aus dem der Ausspruch stammt, dass alle Dinge zu unserem Guten mitwirken (Röm 8,28):
In allen meinen Gebeten bitte ich darum, es möge mir durch Gottes Willen endlich gelingen, zu euch zu kommen. Denn ich sehne mich danach, euch zu sehen; ich möchte euch geistliche Gaben vermitteln, damit ihr dadurch gestärkt werdet, oder besser: damit wir, wenn ich bei euch bin, miteinander Zuspruch empfangen durch euren und meinen Glauben. Ihr sollt wissen, Brüder, dass ich mir schon oft vorgenommen habe, zu euch zu kommen, aber bis heute daran gehindert wurde (Röm 1,10-13).
Paulus hatte einen sehnlichen Wunsch. Er wollte endlich die Gemeinde in Rom besuchen. Er hatte viel von dieser großen Gemeinde gehört, manche Leute getroffen, die sich jetzt dort aufhielten. Er war beseelt vom Gedanken, endlich diesen Knotenpunkt aufzusuchen. Nicht nur wollte er dort predigen, nein, es würde auch eine Ermutigung für ihn selbst sein.
An welcher Stelle könntest du Gottes souveränem Willen mehr Vertrauen schenken? Was würde dies möglicherweise in deinem Leben in Bewegung bringen?
2. Prinzip: Gehorche Gottes moralischem Willen!
Eine erste große Hürde ist das Vertrauen in Gottes souveränen Willen. Was er sich vorgenommen hat, kommt zustande. Das zweite Prinzip ist ebenso wichtig: Füge dich seinen Anordnungen. Dazu muss ich gleich ergänzen: Für jemanden, der das neue Leben noch nicht bekommen hat, ist es unmöglich, Gott zu gefallen (Hebr 11,6).
Kann ein Nichtchrist eine gute Ehe führen? Ja. Kann ein Nichtchrist Kinder gut erziehen? Ja. Kann ein Nichtchrist eine wichtige Entdeckung zur Rettung von Leben machen? Sowieso. Gott in seinem souveränen Willen zeichnet auch dafür verantwortlich. Es ist seiner Gnade zu verdanken, dass diese Welt nicht im Chaos versinkt.
Fragen wir aber als Glaubende nach dem moralischen Willen Gottes, dann fragen wir: Was hat Gott denen geboten, die ihm gehören? Ich greife fünf Bereiche mit einzelnen Beispielen heraus:
a) Arbeit
Alles, was sie (als Arbeitnehmer) tun, soll eine Empfehlung für die Lehre sein, die von Gott, unserem Retter, kommt (Titus 2,10).
Wie ich mit meinen Bürokollegen umgehe, wie ich mich abgrenze, wie ich meine Mittagspause verbringe, soll eine Empfehlung für den sein, dem ich gehöre. Wörtlich steht an dieser Stelle, dass mein Verhalten eine Zierde (Schmuck) sein soll für Christus.
b) Ehe
Liebe deine Frau wie deinen eigenen Körper (Epheser 5,28).
Wie achte ich auf meinen Körper? Ich nehme nur einen Aspekt heraus: Ich achte darauf, dass ich meinem Körper gesunde Nahrung zuführe. Ungesundes beeinträchtigt mein Wohlbefinden. Wie aber sorge ich dafür, dass meine Frau sich geistlich gesund ernährt? Diese Versorgung ist in der Ehe meine Aufgabe als Ehemann.
c) Evangelisation
Verkünde die Botschaft ‚Gottes‘! Tritt für sie ein, ob sie erwünscht ist oder nicht (2Tim 4,2).
Was gebietet Gott? Tritt für seine Botschaft ein, auch wenn es dem anderen nicht in sein Konzept passt.
d) Geld
Wer jedoch darauf aus ist, reich zu werden, verfängt sich in einem Netz von Versuchungen und erliegt allen möglichen unvernünftigen und schädlichen Begierden, die dem Menschen Unheil bringen und ihn ins Verderben stürzen. (1Tim 6,9)
Hier geht es nicht darum, wie wohlhabende Menschen mit ihrem Geld umgehen sollen, sondern um den Wunsch, reich zu werden. Paulus spricht von einem Netz von Versuchungen und schädlichen Auswirkungen, welche das Begehren nach Reichtum auslösen werden.
e) Gemeinde
Deshalb ist es wichtig, dass wir unseren Zusammenkünften nicht fernbleiben, wie einige sich das angewöhnt haben, sondern dass wir einander ermutigen. (Hebr 10,25)
Das Gemeindeleben erfüllt bei weitem nicht immer meine Träume! Im Gegenteil: Es ist immer wieder Grund für Frust, Sorge und Entmutigung. Wenn mir Gott jedoch die Gemeinschaft mit anderen begnadigten Sündern gebietet, werde ich mich dem fügen. Es ist (unter anderem) Gottes Instrument, um mich zu ermutigen und zu korrigieren.
Diesen und anderen Anweisungen Gottes bin ich verpflichtet. Rebellion gegen den Chef, Selbstsucht in der Ehe, Schweigen aus Feigheit, der Wunsch nach viel Geld, ein Leben ohne Gottesdienste: Das alles sind Dinge, die Gottes moralischem Willen widersprechen. Wenn wir ihnen durch die Kraft des Heiligen Geistes widerstehen und der wahren Freude nachstreben können, wird dies unseren Alltag entscheidend prägen und viele Optionen überflüssig werden lassen. Das wichtigste für Gott sind also nicht unser gelungenes Wochenende, das preiswerte neue Auto oder eine Fahrt zur Arbeit ohne Stau.
Was fehlt denn, um seinen Willen für die nächste Stunde zu erkennen? Ich behaupte: Nichts mehr!
3. Prinzip: Entscheide mutig!
Ich bin überzeugt: Gott bürdet uns nicht die Last unablässiger Detektivarbeit auf. Diese Energie investieren wir besser darin, seinen offenbarten Willen zu suchen und im Übrigen ihm zu vertrauen. Ich befürchte, dass wir geneigt sind, unsere täglichen Entscheidungen zu „vergeistlichen“. Unser Streben hat aber einen anderen Hintergrund: Wir suchen die perfekte Erfüllung im Leben. Wir streben nach absoluter Harmonie in unserer Wohnungseinrichtung, an unserem Körper, in unserem Outfit, in unserer Partnerschaft, in unserer Familie. Wir suchen die optimale Erfüllung am Arbeitsplatz, in der Kirche, im Urlaub.
Manchmal höre ich vom Argument der „inneren Ruhe“. Ich frage mich, ob wir das so betonen sollten. Die Frage ist, mit was wir innere Ruhe verbinden! Ist es die Befriedigung unseres perfektionistischen Strebens? Wenn ich Menschen begegne, die mutig entschieden haben, waren gerade die Zeiten der Entscheidung nicht von innerer Ruhe, sondern innerer Unruhe geprägt. Ich wünsche mir deshalb mehr innere Unruhe und den Mut, trotzdem zu handeln.
4. Praktisch angewandt: Die drei Prinzipien in drei Lebensbereichen
a) Was bedeutet es, dass wir in der Partnerschaft Gottes souveränem Willen vertrauen?
Für Unverheiratete, die gerne verheiratet wären, könnte dies heißen: Gott ist der „Mikromanager“ deines Lebens. Dein Lebensstatus von heute ist innerhalb seines Planes und dient zu deinem Guten. Er mutet dir schwierige Tage zu. Das heißt nicht, dass du nicht um Änderung seines Willens bitten dürftest. Die wahre Freude wird aber nicht von einem Traumpartner abhängen.
Gleiches gilt für den Verheirateten: Gott ist der „Mikromanager“ deines Lebens. Dein Lebensstatus von heute ist innerhalb seines Planes und dient zu deinem Guten. Er mutet auch dir schwierige Tage zu. Das heißt nicht, dass du nicht um Besserung deiner Situation beten dürftest. Die wahre Freude wird nicht vom ungestörten Glück in deinen vier Wänden abhängen.
b) Was bedeutet es, in der Berufswahl Gottes moralischen Willen zu suchen?
Ich kenne jede Menge Menschen, die mir bei jedem Treffen ihre Unzufriedenheit über ihre momentane Situation kundtun. Der Banker wäre lieber Hotelier, der Büromitarbeiter würde lieber Tram fahren, der Arzt einen großen LKW fahren. Ich sage nicht, dass wir nicht die Stelle wechseln dürften. Hast du Wechselgelüste? Dann überleg dir die Rahmenbedingungen von Gottes Anordnungen für deine Neuorientierung. Wenn du täglich drei Stunden Fahrt in Kauf nimmst, die Gemeinde am Sonntag häufiger streichen musst, Frau und/oder Kinder vernachlässigst etc. – dann könnte es angezeigt sein, von einer verlockenden Option zu lassen.
c) Was bedeutet es, in der Gemeindefrage mutig zu entscheiden?
Jede Gemeinde ist eine Gemeinschaft von begnadigten Sündern, von Menschen, denen Gott die Sehnsucht. Ihn zu suchen, geschenkt hat. Wenn du dir die perfekte Aufladestation der Woche erträumst, dann entledige dich dieses Traums! Prüfe, ob an diesem Ort Gottes Wort rein verkündigt wird. Vielleicht ist ja auch einmal ein Wohnortwechsel der Gemeinde wegen angezeigt, wer weiß? Und dann lass dich nieder, bringe dich ein.
Und wenn du eine Gemeinde verlässt, dann suche Gottes offenbarten Willen: Geh in Frieden, hüte dich vor deinem Mundwerk, informiere die Ältesten, setze dich bis zum Schluss ein, statt dich stillschweigend auszufädeln.
Anstoß für diesen Aufsatz war Kevin DeYoung mit seinem Buch Just Do It! (Moody Publishers: Chicago 2009).