Der Papst ist in Deutschland (im September 2011). Es ist ja schon eine Seltenheit, dass ein Deutscher Papst ist, und dass ein solcher vor dem Deutschen Bundestag eine Rede hält, ist fraglos bemerkenswert. Dass der Papst in seinen Reden und Predigten Katholisches sagt, darf niemanden verwundern. Dass darunter auch Aussagen sind, die ein protestantischer Christ unterschreiben kann, sei gerne zugegeben.
Indes, seine Betonung der Natur, des Naturrechts und der Vernunft ist Ausdruck einer Entwicklung, die bei dem römischen Kirchenlehrer Thomas von Aquino (1225-1274) ihren Ausgang genommen hat und immer wieder dazu geführt hat, die natürlichen Kräfte des Menschen, seine Vernunft und seine Willenshaftigkeit zu beschwören, um sie einzusetzen für das Gute und Gott Wohlgefällige. Doch daraus wird ein Bumerang. Gesteht man der Natur ein Eigenrecht zu, dann kommen irgendwann die Grünen und Linken und demonstrieren: „Ich bin homosexuell. Das ist meine Natur!“ Der Evolutionsbiologe behauptet: „Die Evolution hat den Menschen nicht auf Ehe und eheliche Treue hin angelegt.“ Dass die Papstkritiker besonders die katholische Sexualmoral ins Visier nehmen, ist bezeichnend: Getroffene Hunde bellen. Offenbar gibt es für sie kein anderes Thema, das des Widerspruchs würdig wäre. Sie zeigen damit das katastrophale Ausmaß ihrer Lustverfallenheit an. Das aber sind die Folgen, wenn man der Natur ein Eigenrecht zubilligt.
Die Bewertung der Natur war bei den Reformatoren sehr viel realistischer, denn sie hörten auf Gottes Wort. Dieses deckt bekanntlich die sündige Natur des Menschen in großer Klarheit auf. Auch die menschliche Vernunft steht unter der Sünde. Luther konnte sie als „Hure“, „Teufelsbraut“ und „Wetterhexe“ bezeichnen. Die Vernunft – auch die politische Vernunft – soll auf Gottes Wort hören, denn das Recht lässt sich nicht auf dem Sumpfboden des Naturrechts begründen. Die Natur ist in den Sündenfall hineingezogen und deshalb viel zu zwiespältig, als dass man aus ihr ein eindeutiges Recht ableiten könnte. Gott hat sein Recht, das Recht des Schöpfers, in seinem Gesetz offenbart. Wir haben es in den Zehn Geboten. Sie weisen in die geschöpflichen Ordnungen ein und lassen sie recht erkennen. Das ist die Botschaft, die ein Vertreter der Kirche der Politik hätte ins Stammbuch schreiben müssen.