ThemenFrage & Antwort

Kriegsgefangene zersägt?

Frage: Ältere Übersetzungen von 2 Sam 12,31 berichten David habe die Ammoniter zersägen lassen und sie verbrannt. In neueren Übersetzungen heißt es, er habe sie als Fronarbeiter an Sägen und Öfen arbeiten lassen. Wie kommt ein solcher Unterschied zustande und welche Übersetzung ist nun richtig?

Antwort

Die Verschiedenheit zwischen der alten und der neuen Übersetzung hängt damit zusammen, dass das hier verwendete hebräische Verb (Tätigkeitswort) die sehr umfassende Bedeutung „setzen, stellen, legen“ oder auch einfach „tun“ hat. Das Gleiche gilt für die dazugehörige Präposition (Verhältniswort), die im Lexikon mit „in, an, durch“ wiedergegeben wird. Darum lässt sich entweder übersetzen: „Er legte sie in die Säge“ oder „Er stellte sie an die Säge.“ Nah am Text, aber eben darum auch mehrdeutig wäre die Übersetzung: „Er tat sie an die Säge.“ Ob damit eine qualvolle Tötung oder eine Indienstnahme gemeint ist, bleibt dann die Entscheidung des Lesers. Dasselbe gilt für den zweiten Teil des Satzes. Dort ist das Verb mit der dazugehörigen Präposition ebenfalls mehrdeutig: Es kann heißen: „hindurchgehen lassen“ (durch einen Ofen wäre Folter), aber auch „hinüberführen zu“, womit auch eine Überführung über den Jordan (wie Josua 7,7 u.a.) zu einem in Israel befindlichen Arbeitsplatz gemeint sein kann. Frühere Übersetzer lehnten sich stärker an die griechische Septuaginta an, die sich anscheinend für „legte sie in die Säge“ entschieden hatte. Die neuen Übersetzer wählten zwar eine humane Deutung, haben aber die genannte Möglichkeit „er ließ hinübergehen“ nicht gewählt. Wegen der Ähnlichkeit der Buchstaben B und R im hebräischen Alphabet nehmen sie bei der hebräischen Form hääbir („er ließ hinübergehen“) einen Schreibfehler von hääbid („er ließ arbeiten“) an und übersetzen entsprechend.

Die Parallelstelle 2Chr 20,3 hilft nur wenig. Ihr fehlt der zweite Teil und beim ersten steht man vor dem gleichen Problem: Alte Übersetzungen entscheiden sich wieder für die Folterung, neue für die Indienstnahme der Gefangenen. Der hebräische Urtext scheint auf den ersten Blick mehr Klarheit zu geben. Das dort verwendete Verb heißt eindeutig „sägen“. Dennoch bleibt die Verlegenheit. Denn es kann entweder übersetzt werden: „Er (David) sägte mit Sägen“, oder „es (das herausgeführte Volk) sägte mit Sägen“. In der hebräischen Sprache ist das Wort „Volk“ nämlich anders als im Deutschen maskulin (männlich), so dass aus dem Text entschieden werden muss, wer der Sägende ist. Aber auch das ist schwierig, weil das gesägte Objekt nicht genannt wird. Es kann je nach dem sägenden Subjekt vielleicht Holz oder das misshandelte Volk sein. Es sind also auch hier beide Deutungen möglich.

Will man sich gegen die inhumane Deutung für die Indienstnahme des Volkes entscheiden, dann ist es also unnötig und sogar unstatthaft, den Textbestand der Chronikfassung willkürlich nach 2Sam 12,31 in „Er tat sie an die Säge“ zu verändern, wie es die neue wissenschaftliche Urtextausgabe vorschlägt. Die Übersetzung der neuen Revision „er ließ sie Frondienste leisten“ ist entweder eine sehr freie Wiedergabe des eben genannten Veränderungsvorschlags, oder aber sie will den Text mit der angeblich verbesserten Fassung von 2Sam 12 harmonisieren.

In beiden Fassungen ist aber ein humanes Verständnis auch ohne jede Textänderung möglich, und das ist auf jeden Fall vorzuziehen, obwohl manche Ausleger das Zersägen auf die Menschen beziehen und zum Teil sogar deswegen den Text 2Sam 12 nach dem Chroniktext verändern wollen. Aber dann würde die Schlussbemerkung von 12,31 besagen, dass sämtliche Ammoniter ausgerottet worden wären, was nicht der Fall war. Um zu foltern hätte David auch nicht so viele verschiedene Werkzeuge benutzen müssen. Die Schwierigkeit, dass man nicht mit allen genannten Werkzeugen sägen kann, bliebe auch dann bestehen, wenn nicht totes Material, sondern lebendige Menschen als zu sägendes Objekt gedacht wären. Eine solche grausame Maßnahme entspräche zudem nicht dem Charakterbild, das sich aus der Schrift über die Person Davids erheben lässt. Zwar hat er viele Moabiter getötet (2Sam 8,3), aber nirgends wird bemerkt, dass er die Feinde auch gefoltert hätte. Es würde dann wohl auch nicht heißen: „Er zersägte“, sondern „Er ließ zersägen“. Für Verrichtungen, die man nicht selbst tut, stellt die hebräische Sprache eine besondere grammatische Form zur Verfügung, die hier nicht verwendet ist. Ein siegreicher König sägt aber nicht, sondern allenfalls das von ihm gefangene Volk.1


  1. Anmerkung von Thomas Jeising: 1Chr 22,2 berichtet davon, dass David nichtisraelitische Einwohner zu Steinmetzen für den geplanten Tempelbau einsetzte. Nach 2Chr 2,17 waren das mehr als die Hälfte der gezählten „Ausländer“. Es war also die Hauptaufgabe der Gastvölker. Zum Bearbeiten der Steine wurden Eisenwerkzeuge verwandt. Dazu gehörten Sägen, Hämmer und Beile (1Kön 6,7). Dies wirft ein Licht auf die Bedeutung des Verses, der klarer wäre, wenn schon der direkte Zusammenhang deutlich machte, was David beabsichtigte. Die besiegten Ammoniter schickte er über den Jordan zu den Steinbrüchen im Gebirge (1Kön 5,29-31 von Salomo). Dort sollten sie mit Sägen, Hämmern und Beilen Steine behauen. Wahrscheinlich spricht der Vers auch nicht von Ziegelöfen, sondern von Steinbrüchen. Denn dass es sich bei dem hebräischen Wort maleken (vielleicht eine Verschreibung von maleben) überhaupt um Öfen oder Ziegelherstellung handelt ist unsicher und kann nur aus der Septuaginta abgeleitet werden.