ThemenEhe und Familie

Wilde Eheschließung statt Wilde Ehe? – Wie biblisch ist das Standesamt?

Lädt das neue Personenstandsgesetz, das am 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist (Bundesgesetzblatt vom 19. Februar 2007), zu »wilden« Eheschließungen ein? Diesen Eindruck könnte man gewinnen, wenn man die Diskussionen der letzten Monate in den Medien – auch den christlichen – verfolgt hat. Richtig sind gemeindliche Trauungen ohne rechtlich verbindliche Eheschließung deswegen trotzdem nicht.

Spiegel-Online textete am 3.7.2008 unter der Überschrift Heiraten bald ohne Standesamt erlaubt:

»Das neue Recht hindert die Geistlichen nicht mehr, Heiratswillige kirchlich zu verbinden, selbst wenn diese gar nicht beabsichtigen, sich auch staatlich trauen zu lassen. Man kann also nun kirchlich heiraten, ohne sich staatlich und zivilrechtlich binden zu wollen«.

Auch in Idea-Online hieß es nach einer Reihe von Meldungen, die über den Sommer verteilt waren, am 19.9.08 nur noch kurz und knapp:

»Ab dem kommenden Jahr wird es aufgrund einer Änderung des Personenstandsgesetzes auch möglich sein, ohne vorherige standesamtliche Trauung kirchlich zu heiraten«.

In evangelikalen Kreisen erwarten besonders Seniorenpaare, die unverheiratet zusammenleben, weil sie durch die Eheschließung finanzielle Nachteile erleiden würden, dass sie nun die Möglichkeit haben, dass aus ihrer »Wilden Ehe« durch eine kirchliche Trauung eine christliche Ehe werden könnte, ohne dass sie vorher oder nachher auch wirklich heiraten müssten.

  • So hatte auch der frühere Leiter des Weißen Kreuzes Gerhard Naujokat in Idea 7/2007 vorausschauend auf die jetzt in Kraft getretene Gesetzesänderung dafür plädiert, eine solche spezielle »Alten-Ehe« einzu­­führen.
  • Dass bisher keine Kirche offiziell zu dieser Praxis eingeladen hat, die evangelischen Kirchen sogar verlautbaren, an der bisherigen Praxis – erst Standesamt, dann Kirche – festzuhalten, beendet die Diskussion nicht.
  • Der Evangelische Arbeitskreis der CDU (EAK) sieht den Schutz der Ehe gefährdet und befürchtet, dass der Staat die unter verschiedenen religiösen Vorzeichen geschlossenen Ehen auch dann anerkennen muss, wenn sie der Gesetzeslage – wie etwa bei Vielehen – widersprechen (Idea 35/2008: 33).
  • Und auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Dieter Wiefelspütz, befürchtet als »Nebenwirkung« eine Aufwertung von symbolischen Eheschließungen, was vielleicht sogar Zwangsheiraten begünstige (Spiegel-Online 3.7.08).

Ist also nun die Tür offen für eine freiere Praxis der Eheschließung ohne Zwang zur staatlichen Ehe-Zeremonie? Können wir wieder zur »guten alten Zeit« vor dem so genannten Kulturkampf in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts zurückkehren, als noch alle Ehen in der Kirche geschlossen wurden? Oder wird der grundgesetzliche Schutz von Ehe und Familie ausgehöhlt, weil der Staat anscheinend sein Monopol in Sachen Eheschließung aufgibt und in Zukunft nicht nur in Kirchen, sondern auch in Moscheen, Schrebergärten oder am Küchentisch Ehen geschlossen werden können? Und wie soll die bibeltreue Gemeinde diese Entwicklungen vor dem Hintergrund der biblischen Eheordnung beurteilen? Haben Gemeinden nun mehr Freiheit in der Durchführung von Trauungen? Oder ist nur die Verwirrung größer geworden?

Ich will im Folgenden die Chancen und Gefahren der Diskussion um die neue Regelung beurteilen und dies auch zum Anlass nehmen, an die biblischen Aussagen zu Ehe und Eheschließung zu erinnern.

1. Eine geschichtsvergessene Diskussion

Hört man heute manche Äußerung zum neuen Personenstandsrecht, dann bekommt man den Eindruck, dass es verschiedentlich als ein Zurück hinter die Einführung der obligatorischen Zivilehe verstanden wird, die das erste deutsche Personenstandsgesetz aus dem Jahre 1875/76 mit sich gebracht hat. Dieses Gesetz wurde noch von Reichskanzler Otto von Bismarck unterzeichnet und war Teil des so genannten Kulturkampfes, in dem die preußische Regierung den Einfluss der römisch-katholischen Kirche auf die Kultur des Deutschen Reiches zurückdrängen wollte. Im Zusammenhang mit dem Verbot bestimmter Orden und Ordensschulen, der Erleichterung des Kirchenaustritts, der Einführung des »Kanzelparagraphen«, der politische Äußerungen auf der Kanzel verbot,1 wurden auch die Kirchenbücher, in denen bisher alle Daten zum Personenstand, also Geburt, Taufe, Verheiratung, Scheidung, Tod, Bestattung registriert wurden, von einem staatlichen Melderegister abgelöst.2 Zwar hatte es auch unter napoleonischer Herrschaft kurzfristig die Zivilehe als Eheschließung ohne kirchliche Beteiligung gegeben, aber sie war wieder abgeschafft worden. Sie gehörte jedoch 1848 wieder zu den Forderungen der Paulskirchenversammlung. Im Laufe der 1870er Jahre aber gab es erst in den Ländern einzelne Bestrebungen dazu, bis 1876 reichsweit kein Weg mehr am Standesamt vorbeiführte, wenn man heiraten wollte.

Die evangelischen Kirchen hatten das Gesetz mit unterstützt, die römisch-katholische lehnte es vehement ab. Die ersten, die die neue staatliche Eheschließung nutzten, waren Angehörige der Freikirchen und Freireligiöse. Ihnen war es, weil Trauungen nur von Pfarrern als »Amtshandlungen« vorgenommen werden durften und sie dies nur an Kirchenmitgliedern vollzogen, sehr schwer gemacht, eine ordentliche Ehe einzugehen. Hinzu kamen gemischt-konfessionelle Paare, die sich die Zivilehe herbeigesehnt hatten, weil katholische Priester immer vehementer Erklärungen zur katholischen Erziehung der zukünftigen Kinder forderten, ehe sie eine Trauung vollziehen wollten. Der preußische Staat versuchte diese Maßnahmen, die er als eine Art Zwangs-Katholisierung verstand, mit eigenen Verordnungen einzudämmen. Es kam aber immer wieder zu Konflikten. So wurde das neue Personenstandsrecht durchaus begrüßt, auch von Katholiken, nicht aber von der katholischen Kirche. Es wurde allerdings für die Evangelische wie die Katholische Volkskirche bald offenbar, wie entkirchlicht die Bevölkerung besonders in den Städten war. Der Liberalismus des Staates hatte für die Evangelische Kirche, obwohl oder weil die Regierung mehrheitlich protestantisch war, insgesamt die stärkeren Nachwirkungen. Während Bismarck einen Teil der Kulturkampfgesetze bis 1890 zurücknahm, blieb die Zivilehe und das Personenstandsrecht unverändert.

1937 war das Personenstandsrecht von den Nationalsozialisten mit ihrem Interesse an der »arischen« Abstammung der Bürger stark überarbeitet worden. Heiraten konnte schon seit September 1935 nur, wer einen »Ariernachweis« beibrachte, der drei Generationen »deutsches Blut« dokumentierte. So wurde das Personenstandsrecht von der antijüdischen und antichristlichen Ideologie der Nazis missbraucht. Die Ariergesetze wurden gleich 1945 außer Kraft gesetzt.

1958 wurden dann im Westen Deutschlands etliche Paragraphen des Personenstandsgesetzes geändert oder gestrichen. Einige Ehehindernisse wurden aufgehoben, das Heiratsalter gesenkt und besonders auch die Strafandrohung bei Ordnungswidrigkeiten abgemildert. Die DDR gab sich ein ganz neues Personenstandsrecht, das mit dem Einigungsvertrag von 1990 aufgehoben wurde. Die erhobenen Daten wurden in das west­deutsche System übergeführt.

Ein Paragraph aber, der seine Herkunft aus der Zeit des Kulturkampfes nicht leugnen konnte, blieb 133 Jahre erhalten und ist erst im neusten Gesetz ersatzlos gestrichen:

§ 67 Wer eine kirchliche Trauung oder die religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung vornimmt, ohne daß zuvor die Verlobten vor dem Standesamt erklärt haben, die Ehe miteinander eingehen zu wollen, begeht eine Ordnungswidrigkeit, es sei denn, daß einer der Verlobten lebensgefährlich erkrankt und ein Aufschub nicht möglich ist oder daß ein auf andere Weise nicht zu behebender schwerer sittlicher Notstand vorliegt, dessen Vorhandensein durch die zuständige Stelle der religiösen Körperschaft des öffentlichen Rechts bestätigt ist.

§ 67a Wer eine kirchliche Trauung oder die religiöse Feierlichkeit einer Eheschließung vorgenommen hat, ohne daß zuvor die Verlobten vor dem Standesamt erklärt hatten, die Ehe miteinander eingehen zu wollen, begeht eine Ordnungswidrigkeit, wenn er dem Standesamt nicht unverzüglich schriftlich Anzeige erstattet.

Mit der 1958 in Kraft getretenen Reform war zwar die kirchliche Trauung vor der standesamtlichen Eheschließung nicht mehr mit bis zu 5 Jahren Gefängnis (in Preußen waren es 2 Jahre) für den Pfarrer bedroht, aber die religiöse »Voraustrauung« blieb doch eine Ordnungswidrigkeit. Dabei war in die Reformdiskussion 1955 die Nachricht geplatzt, dass in Bayern mehrere Paare ihre »Onkelehe« durch eine katholische Trauung von der Kirche legalisieren ließen. Allerdings wollten sie keine staatliche Eheschließung, weil die Witwenrente der Frau dann nicht mehr gezahlt worden wäre. Der damalige Innenminister Schröder wagte die öffentliche Auseinandersetzung mit dem päpstlichen Legaten im Fall »Tann« und wies auf die Doppelbödigkeit des Handelns der römischen Kirche hin, da die scheinbar Getrauten ja gar keine wirkliche Ehe mit Rechtsfolgen wollten. In der Praxis wurde allerdings weder in diesem noch einem anderen Fall seitdem eine Ordnungswidrigkeit nach Paragraph 67 bestraft. Einerseits weil in den Kirchen doch Einigkeit bestand, den Vorrang der standesamtlichen Trauung anzuerkennen. Die römisch-katholische Kirche hat das im Reichkonkordat von 1933, einem bis heute gültigen Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und der katholischen Kirche, offiziell getan und will daran nicht wirklich rütteln. Und das, obwohl sie wegen ihres Verständnisses der Ehe als Sakrament keine andere Eheschließung als gültig anerkennt als die von einem geweihten Priester vollzogene. Die evangelischen Kirchen hatten schon von Luther her die Ehe als »weltlich Ding« angesehen, das durch gesellschaftliche Ordnungen und staatliche Gesetze geregelt werden soll. Die Ehe wird aber wegen ihrer Bedeutung für Glaube und Leben in einem Traugottesdienst gesegnet. Andererseits wurden religiösen Traufeiern auch von Staat und Gesellschaft zunehmend keine bindende Bedeutung mehr zugemessen und allgemein nicht mehr als die Ehe begründend angesehen. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass sich derzeit rund zwei Drittel der standesamtlich getrauten Paare nicht mehr kirchlich trauen lassen. Es sprach von daher nichts dagegen, den Paragraphen im neuen Gesetz nicht wieder aufzunehmen und er entfiel ersatzlos.

Insofern war der Gesetzgeber über die nun entstandene Diskussion auch einigermaßen überrascht. Er dachte, ganz im Sinne der Entbürokratisierung, ein überflüssiges Gesetz abgeschafft zu haben, wollte aber keine Kirche dazu einladen, Quasi-Eheschließungen an der staatlichen Gesetzgebung vorbei vorzunehmen. So wurde denn auch immer wieder betont, dass der besondere Schutz für die Ehe selbstverständlich nur für standesamtlich geschlossene Ehen gelte. Der Staat betrachte Paare, die nur kirchlich getraut seien, als nichteheliche Lebensgemeinschaften, für die weder die die Ehe betreffenden Steuergesetze, noch die Erbregeln, noch andere Fürsorgepflichten gelten. Die Kirchen wiederum betonten einhellig, dass sie nicht daran dächten, die alte Praxis zu ändern. Einen Traugottesdienst werde es auch in Zukunft nur geben, wenn das Paar die staatliche Heiratsurkunde vorlege, die allerdings im neuen Gesetz jetzt »Eheurkunde« heißt. So betont der Rat der EKD, der in seiner Sitzung am 25./26.4.2008 über die Folgen der Gesetzesänderung debattiert hat, dass die Voraussetzung für eine Trauung auch weiterhin eine rechtgültige Eheschließung sei. Diese sei aber nach § 1310 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), »nur dadurch geschlossen, dass die Eheschließenden vor dem Standesbeamten erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen«.

Die katholische Bischofskonferenz kam im März in der Sache zum gleichen Ergebnis, wenn auch die Ausgangslage eine ganz andere ist. Kardinal Lehmann betonte, dass die römisch-katholische Kirche seit den Auseinandersetzungen im Kulturkampf immer wieder gefordert hatte, die kirchliche Trauung von staatlichen Regelungen freizustellen. Für die römische Kirche begründet nur eine sakramentale Trauung die Ehe. Außerdem hat sie das gesamte Instrumentarium, das für eine ordentliche Eheschließung unter kirchlicher Hoheit nötig ist, im kirchlichen Recht geregelt. Trotzdem wolle man die Regelung des Reichkonkordats von 1933, das von Papst Pius und Adolf Hitler unterzeichnet wurde, weiter einhalten (KNA-ID NR. 10/5.3.2008). Paragraph 26 dieses Vertrages zwischen dem Deutschen Reich und der Römischen Kirche bestimmt, dass eine Trauung nur bei »einem schweren sittlichen Notstand« vor der standesamtlichen Eheschließung vorgenommen werden darf und dass auch dann die Trauung umgehend dem Standesamt gemeldet wird.

Trotzdem gab es hinter den Kulissen wohl doch Überlegungen eine Regelung für eine rein kirchliche Trauung zu finden. Jedenfalls meldete die katholische Zeitschrift »Gottesdienst« am 12. Juni 2008, dass an einer kirchenrechtlichen Regelung gearbeitet werde, um mit einer bischöflichen Ausnahmeregelung in Einzelfällen »Rentnerehen« zu ermöglichen. Man wollte allerdings die »seelsorgerlichen und gesellschaftlichen Folgen« einer solchen Regelung erst bedenken. Das Ergebnis des Bedenkens meldete der Deutschlandfunk am 6. November 2008 so:

»Die katholische Kirche dagegen hat anfangs die Idee der rein kirchlichen Trauung begrüßt, sieht aber nun in der Umsetzung Probleme. Denn ohne Trauschein vom Standesamt haben Eheleute keine zivilrechtlichen Rechte und Pflichten. Und das widerspräche dem Kern des kirchlichen Ehesakraments – in dem für den Partner in guten und in schlechten Zeiten zu sorgen ist.«

Der Sprecher der evangelischen nordelbischen Kirche Thomas Kärst, der zum Thema befragt wurde, bestätigte das Prinzip in der gleichen Sendung, ließ aber zugleich ein Hintertürchen erkennen, um verwitweten Rentnern eine kirchliche Verbindung zu ermöglichen, ohne diese Trauung nennen zu wollen:

»Ich denke, das ist natürlich auch ein seelsorgerisches Anliegen, das die Menschen dann haben und dem kann man auch entsprechen. Aber das ist dann eben nicht das, was wir klassisch unter einer Trauung verstehen. Das kann man sich gut vorstellen, dass ein Pastor dann eine Andacht mit dem Paar feiert, das ist, denke ich möglich, da kann man sicherlich auch Formen entwickeln. Aber die klassische kirchliche Trauung ist dem vorenthalten, bis vorher das Standesamt aufgesucht ist«.

Diese etwas gewundene Erklärung spiegelt den in den 90er Jahren gereiften Entschluss wider, auch eheähnliche Verhältnisse zu segnen, ohne den Vorrang der Ehe aufgeben zu wollen.

Das Präsidium des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) äußerte sich in einer »Empfehlung« an die Mitgliedsgemeinden, unter denen es verschiedene Meinungen und Praktiken gibt, am 19.9.2008 mit Blick auf die sich ändernde Gesetzeslage erneut eindeutig gegen eine »Kirchen-Ehe« für Senioren als kirchliche Trauung ohne standesamtliche Eheschließung, da

»eine Kirchen-Ehe in unserer Gesellschaft keine Lösung ist. Es wäre eine unverbindliche Handlung, die ohne Rechtsfolgen bliebe und kein hilfreiches Signal für Menschen, bei denen es nicht um den Erhalt der Rente, aber ebenfalls um finanzielle Folgen durch eine Eheschließung ginge (Studenten, geschiedene Mütter mit Kindern)«.

Der Bund Freier Evangelischer Gemeinden (BFeG) hat in einer Empfehlung an die angeschlossenen Gemeinden Anfang Dezember 2008 ebenso von einer rein gemeindlichen Trauung abgeraten und dabei auch die »Rentner-Ehen« ausdrücklich abgelehnt.3

Man kann mehrere Einsichten aus der dargestellten jüngeren Geschichte des Personenstandsrechtes gewinnen.

A. Auch aus biblischer Sicht braucht jede Gesellschaft eine Art Personenstandsregister. Sie muss wissen, wer mit wem verwandt ist, wer verheiratet ist und wer nicht. In einer Stammesgesellschaft kann das allgemeines Wissen sein, ein Staatswesen braucht irgendeine andere leistungsfähigere Form. Der Beginn der Chronikbücher mit ihrem ausgedehnten Geschlechtsregister macht deutlich, dass es das auch in Israel als Teil einer (staatlichen) Geschichtsschreibung gegeben hat.

B. Wer das Register führt, ist letztlich egal, wenn die jeweilige Institution es nicht für ihre machtpolitischen Interessen missbraucht. Das kann durch die Kirche genauso geschehen wie durch den Staat. Wie die römisch-katholische Kirche unter Ausnutzung ihrer Macht konfessionelle Mischehen verhindern wollte oder der Nazi-Staat seinen Rassenwahn durchsetzen, so fragen wir uns heute, ob der Staat den »gläsernen Bürger« anstrebt, den er besser überwachen kann.

C. Was die Eheschließung angeht, so kann ich mir nicht vorstellen, dass irgendjemand ernsthaft einen Zustand wie vor der Einführung der Zivilehe anstreben will, wo die Kirchen allein die Eheschließungen regelten. Das wäre auch in einem Staat, der – anders als in Zeiten des cuius regio eius religio (die Religion des Regenten bestimmt die Religion seiner Untertanen) – die Religionsfreiheit garantiert, gar nicht möglich.

D. Eine völlige Freigabe der Eheschließung kann aber weder der Staat noch die christliche Gemeinde wollen. Es muss auf jeden Fall eine Form der Eheschließung geben, die zweifelsfrei deutlich macht, wer verheiratet ist und wer nicht. Alles andere würde die Ehe selber in Frage stellen. Sie wäre keine zu schützende Institution der Gesellschaft mehr, sondern höchstens ein freier Vertrag zwischen zwei Menschen. Das aber widerspricht der Bibel, die die Ehe als von Anfang an gegebene allgemeine schöpfungsmäßige Ordnung ansieht (Mk 10,6-9), die nicht am Glauben festgemacht ist. Auch verbinden sich nach christlichem Verständnis mit der Ehe bestimmte Rechte und Pflichten, die nicht in das Belieben einzelner Menschen oder Institutionen gestellt sind.

Es erhebt sich nun die Frage, was denn eine Ehe zur Ehe macht. Aus christlicher Sicht kann die Antwort ja nicht einfach heißen: »Eine Ehe ist, wenn sich zwei Menschen vor einem Standesbeamten das Ja-Wort geben«. Aber wenn das stimmt, dann kann die Antwort auch nicht sein, dass das Ja-Wort und der Segensspruch in der Kirche die Ehe begründet. Beides kann ein Teil der Eheschließung sein, aber die Ehe selbst muss andere entscheidende Voraussetzungen haben.

2. Keine Ehe ohne eine rechtsverbindliche Eheschließung

Nur aus der Antwort auf die Frage nach dem Wesen der Ehe kann erschlossen werden, wie man als Christ zum neuen deutschen Personenstandsrecht und der Eheschließung auf dem Standesamt stehen soll. Ist beides einfach überflüssig und Christen achten es höchstens nach dem Motto »Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist«, ansonsten sind nur Ehen gültig, die in der Gemeinde geschlossen wurden? Steht es vielleicht sogar dem christlichen Ehever­ständnis entgegen? Oder kann die christliche Gemeinde jetzt eine eigene Kultur der Eheschließung entwickeln, weil der Staat seine Strafandrohung aufgegeben hat? Und aktuell ergibt sich daraus die Frage, ob die christliche Gemeinde eine Trauung für Rentnerpaare einführen soll, die die Absicht haben, dem Staat gegenüber als unverheiratet zu gelten, aber in den Augen der christlichen Gemeinde als verheiratet angesehen werden wollen?

Ehe und Eheschließung unterliegen offenbar kulturellen Variationen. Aber die Ehe ist doch nach christlicher Überzeugung keine kulturelle Erfindung, neben der etwa auch eine Rudelbildung genauso möglich wäre, bei der ein Platzhirsch, solange er stärker ist alle anderen Konkurrenten, auch sämtliche Weibchen begatten kann und mit ihnen so viele Nachkommen wie möglich zeugt. Genauso wenig steht ihr eine reine Fortpflanzungsgemeinschaft – wie etwa bei vielen Vögeln – gegenüber, die nur solange besteht, bis die Jungen selbstständig sind. Ehe ist eine Institution, die durch die Schöpfung Gottes gegeben ist. Mit der Schöpfung von Mann und Frau wurde zugleich die Ehe als besondere Gemeinschaftsform geschaffen. Kloster- oder Wohngemeinschaften, Stammesgesellschaften oder demokratische Staatswesen sind kulturelle Entwicklungen, also Schöpfungen der Menschen, die Ehe ist es nicht. Die Ehe mit dem, was sie in ihrem Wesen ausmacht, ist überkulturell. Kulturell bedingt ist, ob mehrere Ehen generationenübergreifende Großfamilien bilden. Kulturbedingt ist, wie stark die Familie auch Wirtschaftgemeinschaft ist, etwa in der Landwirtschaft. Stärker kulturbedingt ist offenbar auch die Form der Eheschließung. Wie der Ehebeginn gestaltet wird, kann stark variieren. Ob es dabei ausgedehnte Hochzeitsfeiern gibt, ein Brautpreis gezahlt wird, besondere Verträge geschlossen oder ein Mann einfach nur seine Frau in eine vorbereitete Wohnung heimholt, das kann sehr unterschiedlich sein. Aber auch dabei gibt es aus christlicher Sicht Konstanten, die in den verschiedenen Formen zum Ausdruck kommen, aber nicht zu Disposition stehen.

A. Lebenslange Zuordnung von Mann und Frau zu einer neuen Familie

Aus christlicher Sicht ist eine öffentliche lebenslange Zuordnung einer Frau und eines Mannes zueinander Voraussetzung für eine Ehe. Diese Zuordnung muss die Gründung einer neuen Familie oder biblisch eines neuen »Hauses« bedeuten. Das gilt auch, wenn die beiden kinderlos bleiben. Sie ist also nicht gleichzusetzen mit der Zuordnung von Schwester und Bruder durch Geburt oder der Entscheidung zu einer klösterlichen Lebensgemeinschaft. Das und einiges mehr hat Jesus, als er nach der Möglichkeit der Ehescheidung gefragt wurde, kurz und knapp so ausgedrückt (Markus 10,6-9):

»Aber von Beginn der Schöpfung an hat Gott sie geschaffen als Mann und Frau. Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein. So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.«

Mit der Eheschließung beginnt das neue Haus dort, wo ein Mann Vater und Mutter, also sein bisheriges Haus, verlässt und seiner Frau anhängt, also die Ehe mit ihr eingeht. Die Betonung auf dem Verlassen des Mannes in der Bibel zeigt an, dass es nicht um ein einfaches Ausziehen von Zuhause geht. Denn es ist der Mann, der nach biblischem Verständnis immer das Haupt der Frau und damit der Ehegemeinschaft oder des neuen Hauses darstellt (Eph 5,23). Das neue Haus bildet mit seinem Beginn eine Rechtsgemeinschaft, in der nach biblischem Verständnis der Hausvater die Familien­gerichtsbarkeit ausübt. Das ist übrigens – wenn auch gleichberechtigt für beide Ehepartner – auch in Deutschland bis heute so. Besonders im Blick auf die Kinder wird das deutlich. Die Eltern haben das Sorgerecht ebenso wie das Aufenthaltsbestimmungsrecht über ihre Kinder. Sie bestimmen über den gemeinsamen Besitz und bis zum 14. Lebensjahr (Religionsmündigkeit) auch über die Religion der Kinder.

Obwohl es auf den ersten Blick so scheint, als sei der Mann die treibende Kraft für die Eheschließung, er verlässt und hängt an, so zeigt doch Vers 9, dass Gott selbst die erste Ehe zusammengefügt hat. Gott war gewissermaßen der erste, der eine Ehe zwischen einem Mann und einer Frau getraut hat. Über eine besondere Eheschließungszeremonie hören wir nichts, außer vielleicht dem Ausruf Adams in 1Mo 2,23. Adam und Eva wurden von Gott verheiratet, indem er sie aneinander gewiesen hat. Das kommt einerseits in dem Auftrag: »Seid fruchtbar und mehret euch!« zum Ausdruck. Und andererseits darin, dass Gott Eva ausdrücklich als Hilfe an Adams Seite stellt. Jesus sieht offenbar nicht nur die erste Ehe, sondern auch jede andere Ehe als von Gott geschlossen an. Das hängt allerdings nicht an einer Trauung mit Gottesbezug, sonst müsste man nur kirchliche Trauung als vollgültig anerkennen. Andere Ehen könnten demzufolge, weil sie nicht von Gott geschlossen wären, auch leicht wieder geschieden werden. Aber das entspricht nicht der biblischen Aussage. Jede Ehe, die den Namen zu Recht trägt, ist seit Adam und Eva von Gott geschlossen und zwar durch das Gebot »Seid fruchtbar und mehret euch!« und die schöpfungsmäßige Bestimmung zur gegenseitigen Versorgung, wobei der Mann die Erstverantwortung trägt und seine Frau ihm auch dabei Hilfe ist.

Die Hilfe, die Gott für den ersten Mann Adam schaffen wollte, war kein Haushaltsroboter, sondern Eva als weibliches Gegenüber, das in jeder Hinsicht zu ihm passte. »Hilfe« ist also in einem umfassenden Sinn gemeint, denn sie soll dem Alleinsein abhelfen, nicht der Unordnung einer Junggesellenbude. Nachdem Adam das erkannt hatte, schließt mit einem »Darum« in 1Mo 2,24 gleich das Verlassen und das Anhängen des Mannes an seiner Frau an. Das kann nichts anderes bedeuten, als dass hier die lebenslange Gemeinschaft der beiden gemeint ist. Lebenslang ist diese Gemeinschaft nicht aufgrund eines Gebotes, so als könnte es eine Ehe auf Zeit geben, nur Gott habe diese Möglichkeit eben willkürlich ausgeschlossen. Es gehört zum Wesen der Ehe, dass sie auf Lebenszeit begründet wird. Das »Ein-Fleisch-Werden« beinhaltet nämlich mit dem Beginn des neuen Hauses auch den Beginn einer neuen Verwandschaftsbeziehung. Mann und Frau werden durch den Eheschluss wie Blutsverwandte. Das lässt sich leicht an den verschiedenen Inzestverboten zeigen (3Mo 18,6-18; 20,11-14.17-21). Die Ehegemeinschaft beinhaltet als Beginn einer neuen Familie also notwendig die geschlechtliche Gemeinschaft und die Versorgungsgemeinschaft. Mann und Frau teilen Tisch und Bett. Das doppelte von Tisch und Bett kommt gleich zweimal zum Ausdruck: einmal im Befehl der Vermehrung und der Hilfe, weil Alleinsein nicht gut ist; und das zweite Mal in Verlassen und Ein-Fleisch-Werden.

Die sexuelle Gemeinschaft begründet die Ehe zwar nicht, aber die körperliche Vereinigung gehört doch elementar zu ihr. Deswegen kann zu Recht eine Eheschließung, nach der es nie zu körperlicher Vereinigung kam, als ungültig angesehen werden. Eheschließungen, die ohne Absicht auf eine Ehegemeinschaft vollzogen wurden und dann auch keine nach sich ziehen, sind auch nach deutschem Recht Scheinehen und können für nichtig erklärt werden. Das Problem hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen, insbesondere zur Erschleichung einer Aufenthaltsgenehmigung.4 So gesehen kann es aber auch keine »Homo-Ehe« geben. Denn die gegenseitige sexuelle Stimulation zweier Frauen oder Männer ist kein »Ein-Fleisch-Werden«, sondern nach biblischem Verständnis nur Unzucht, auch wenn sie lebenslang eine Wohnung miteinander teilen. Selbst wenn das Paar Kinder adoptierte, ahmte es nur nach, was es dem Wesen nach nicht sein kann. Auch der vom Grünen-Politiker Volker Beck verbreitete und weithin aufgenommene Satz: »Familie ist, wo Kinder sind«, ist eine Täuschung. Ein Kinderheim ist keine Familie, sondern ein Ersatz, wo Familie fehlt oder versagt hat. Lebensgemeinschaften mögen familiär sein, aber Christen sollten den Begriff »Familie« weiter vom biblischen Verständnis prägen.

Aber auch die sexuelle Gemeinschaft allein, ohne das gemeinsame Haus und den gegenseitigen Beistand, wäre keine biblische Ehe. Eine Verabredung zum regelmäßigen Geschlechtsverkehr ist nach göttlichen Maßstäben also auch nur Unzucht, weil eine Ausübung der Sexualität außerhalb einer Ehe. Dass die körperliche Vereinigung von Mann und Frau nur der Ehe angehören soll, wird auch daran deutlich, dass unter Ehebruch in erster Linie die sexuelle Gemeinschaft mit einem Partner neben der Ehe verstanden wird. Außerdem sollen Ehepartner davon ausgehen können, dass der andere zum Zeitpunkt der Eheschließung noch »Jungfrau« ist. Wenn nicht, muss das vorher bekannt sein, sonst liegt ein schwerer Betrug vor (5Mo 22,13-21).

Die Ehe hat damit notwendig einen klar bestimmbaren Anfang, man stolpert nicht hinein, und sie endet normalerweise durch den Tod eines der Partner. In Ausnahmefällen kann eine Ehe geschieden werden. Aber das ist nur eine Notlösung, wenn die Sünde das menschliche Herz so bestimmen kann, dass ein Zusammenleben der Ehepartner einfach nicht mehr möglich ist. Aber auch das ist nicht einfach mit dem Wegschicken des ungeliebten Partners getan. Auch die Bibel erwartet, dass es zu einem geordneten »Entlassen« kommt und ein Scheidebrief ausgestellt wird (5Mo 24,1; Mt 5,31-32). Weil dieser Akt zu alttestamentlichen Zeiten in die Familiengerichtsbarkeit fiel, bei der der Hausvater zugleich der Familienrichter war, kam es allerdings zu der Situation, dass der Ehemann über seine eigene Ehe das Urteil fällen konnte und den Scheidebrief ausstellen. Das hatte bei manchen Schriftgelehrten offenbar zu der Überzeugung geführt, dass der Mann jedes Recht hat, seine Frau aus irgendeinem Grund zu entlassen. Eine leichtfertige Praxis war offenbar die Folge geworden. Jesus jedenfalls macht klar, dass aus der Möglichkeit des Scheidebriefs keine göttliche Erlaubnis zur beliebigen Scheidung von Ehen abgeleitet werden darf (Mt 5,31-32 parr). Darum erklärt er, dass eine Ehe nach Gottes Willen nur gebrochen, aber nicht geschieden werden kann. Das heißt, sie wird entweder durch den Tod beendet oder durch die Sünde zerstört, aber nie »ordnungsgemäß« geschieden.

B. Die notwendige öffentliche Bekanntmachung

Dass nach christlichem Verständnis das Institut der Ehe keine Privatsache ist, sondern immer in der Öffentlichkeit steht, wird an vielen Stellen deutlich. Wieder handelt es sich nicht um ein Gebot der Gestalt: »Du sollst nicht heimlich verheiratet sein!«, sondern es gehört zum Wesen der Ehe. Mann und Frau werden aneinander gewiesen, eine neue Familie zu begründen. Ein neues »Haus« hat seinen Anfang. Es bildet Rechtsgemeinschaft, Versorgungsgemeinschaft, Geschlechtsgemeinschaft. Das kann gar nicht heimlich, nebenbei oder schleichend geschehen. In eine Affäre kann man vielleicht hineinstolpern, aber nicht in eine Ehe.

Weil die Ehe zum Ein-Fleisch-Werden führt, also zu einer verwandtschaftlichen Beziehung, sind immer die beiden Herkunftsfamilien beteiligt, weil die verwandtschaftlichen Beziehungen in diese Familien hineinreichen. Gewissermaßen verbinden sich auch die Herkunftsfamilien.5 Sie stellen selbst in einer Stammesgesellschaft die erste Stufe der Öffentlichkeit dar. Die Bibel geht offenbar davon aus, dass die Eltern bzw. die Väter ihr Einverständnis geben oder, wenn entscheidende Gründe dagegen sprechen, dies auch verweigern. Zu solchen Gründen zählt nicht, dass den Schwiegereltern die Schwiegertochter nicht gefällt, wohl aber wenn Stiefschwester und Stiefbruder heiraten wollten (3Mo 20,17) oder der Stiefsohn die Stiefmutter (1Kor 5,1) oder eine ungeschiedene Ehe besteht6 oder Ähnliches. Das Paar könnte versuchen, sich darüber hinwegzusetzen, aber die Gesellschaft soll es nach christlichem Verständnis nicht tun. Eine zweite Heirat ohne vorherige Scheidung wird in Deutschland nicht zugelassen und ist, wenn sie doch vorgenommen wird, nichtig, weil eine andere Ehe besteht. Ohne eine gesellschaftlich geregelte Form der öffentlichen Bekanntmachung der Ehe ist also ein Zusammenziehen zweier Partner keine Ehe, sondern auch Unzucht. Dass es zum gesellschaftlichen Normalfall geworden ist, dass man mindestens zuerst einmal ohne Eheschluss zusammenzieht, ändert daran nichts. Das wird auch dadurch unterstrichen, dass solche Paare ja bewusst nicht heiraten wollen, meist weil sie sich eine leichtere Trennung innerhalb einer Probephase erhoffen, manchmal weil sie die Ehe im oben beschriebenen Sinn grundsätzlich ablehnen.

Eine öffentliche Eheschließung ist aber deswegen notwendig, weil sie auch biblisch gesehen immer Rechtsfolgen nach sich zieht. Die eingegangene Ehe kann jetzt gebrochen werden, darum sollte man wissen, der Mann oder die Frau ist nicht mehr frei. Die Ehepartner gehören jetzt dem neuen Haus als ihrer Versorgungsgemeinschaft an. Die Ursprungsfamilien sind nicht mehr zuständig oder verpflichtet, für den Unterhalt zu sorgen. Kinder, die der Ehe geboren werden, haben ein Zuhause. Man kann wissen, wohin sie gehören und wer für sie zuständig ist, wer Sorgerecht und Sorgepflicht hat.

Auch das Einverständnis der Brautleute ist Bestandteil der Öffentlichkeit. Verheiratung war offenbar auch in biblischen Zeiten kein erzwungener Akt. Obwohl aus der Bibel die besondere Rolle des Vaters der Braut für die Verheiratung hervorgeht, kann man nicht von »Zwangsverheiratung« sprechen. Auch wo Ehen arrangiert sind, bleibt das Einverständnis der Brautleute eine wichtige Voraussetzung für die Ehe. Ohne das Einverständnis wäre eine solche Verbindung eine Form der Sklaverei. Deswegen sollte auch eine Gesellschaft, die sich christlichen Maßstäben verpflichtet weiß, bei allem Verständnis für fremde Kulturen keine Zwangsheiraten mit so genannten »Importbräuten« dulden.

Alles, was zur öffentlichen Bekanntmachung gehört, muss unmissverständlich sein. Zweideutigkeiten kann sich das christliche Verständnis der Ehe nicht leisten. Darum kann offenbar auch die Bekanntmachung nicht in das Belieben der Eheleute gestellt sein, sondern braucht eine klare Form in der Gesellschaft, zu der die Partner gehören. Rund um den Globus finden sich viele Formen der Ehe­schlie­ßung, aber eines haben alle gemeinsam: sie sind in der jeweiligen Gesellschaft unverwechselbar als solche zu erkennen. Die Zahlung eines Brautpreises kann etwas Geschäftliches an sich haben, aber es ist doch ganz klar, dass es kein Geschäft ist, sondern Teil einer Eheschließung.

Die Eheschlie­ßung, wie sie in Deutschland durch den Gang zum Standesamt geregelt wird, hat aus christlicher Sicht alle notwendigen Bestandteile. Das liegt auch daran, dass sie als Abbild kirchlicher Eheschließungen in einer christlich geprägten Gesellschaft geordnet wurde. Nach unserem Recht gehört nämlich zur standesamtlichen Trauung durchaus nicht nur das formale »Ja« und die Unterschriften. Der Standesbeamte muss auch prüfen, ob beide Partner wissen, dass sie eine Ehe eingehen und sie im Zweifel über die Folgen aufklären. Er muss sich wenigstens dem Augenschein nach vergewissern, dass die Ehe nicht unter Druck und gegen den Willen eines der Partner geschlossen werden soll. Er darf die Ehe nicht schließen, wenn er ernsthafte Zweifel am echten Ehewillen der Partner hat, wenn sie also Tisch und Bett gar nicht teilen wollen, sondern sich nur andere Vorteile von einem Eheschluss versprechen. Er traut sie nicht, wenn einer schon verheiratet ist. Er darf keine Geschwister und auch nicht ein Elternteil mit dem Kind verheiraten. Insofern müssen Christen anerkennen, dass in Deutschland auf dem Standesamt echte Ehen geschlossen werden. Dass dort auch Lebenspartnerschaften eingetragen werden können, schafft zwar einige Verwirrung, aber es handelt sich definitiv nicht um Ehen und sie werden auch nicht so genannt. Unsere Kultur der Eheschließung entspricht also dem christlichen Verständnis von Ehe.

3. Ein Weg zu einer neuen Kultur der Eheschließung?

Es ergibt sich allerdings ein anderes Problem aus dem neuen Personenstandsgesetz, das mit dem Wegfall der Strafandrohung bei Voraustrauung überhaupt nichts zu tun hat. So ist es bedauerlich, dass die Diskussion damit vermischt wurde. Der neue § 34 Absatz 2 regelt den Eintrag von im Ausland geschlossenen Ehen und erlaubt jetzt auch in Deutschland, Ehen unter Ausländern durch einen Bevollmächtigten ihres Heimatlands zu schließen und zwar nach dem in ihrem Land geltenden Recht.7 Auch bisher wurden im Ausland geschlossene Ehen in der Regel anerkannt, wenn sie glaubwürdig bezeugt waren und nach dem jeweiligen Recht des Landes geschlossen waren. Aber hier waren Ermessenspielräume möglich. Auch aus christlicher Sicht sollte nicht gefordert werden, dass Eheschließungen nur nach deutschem Recht anzuerkennen sind. Allerdings könnten mit dieser neuen gesetzlichen Regelung die schlimmsten Heiratspraktiken einen gesetzlichen Schutzschirm erhalten und Eingang in unsere Kultur finden. Wir empören uns zu Recht, wenn wir hören, dass eine Familie in Pakistan ihre minderjährige Tochter einem mehr als 30 Jahre älteren Mann zur Frau überlässt. Eine solche »Eheschließung« darf bei uns keinen Bestand haben. Sie könnte auch nicht als christliche Ehe zustande kommen. Sie kann nur als eine Form von Sklaverei angesehen werden. Hier müssen wir mit wachen Augen sehen, was in unserem Land geschieht und uns für die Rechte der – in der Mehrzahl – Frauen einsetzen, die in solche »Ehen« versklavt werden. Ich würde dafür plädieren, dass in Deutschland grundsätzlich nur Ehen nach deutschem Recht geschlossen werden können und bestehende Gesetze zum Schutz von Kindern und Frauen konsequent auch gegen solche »Ehen« angewandt werden.

Bleibt noch die Frage zu beantworten, ob sich die christliche Gemeinde durch die Abschaffung der Strafandrohung bei einer Voraustrauung anregen lassen soll, eine neue Kultur der Eheschließung einzuführen. Das Standesamt ist kein biblisches Gebot, es erfüllt nur weitgehend die biblischen Anforderungen an eine Eheschlie­ßung. Könnte da nicht die christliche Gemeinde in Zukunft ihre eigenen Ehen schließen? Oder wenigstens die christliche Eheschließung der standesamtlichen vorschalten? Dagegen spricht nach dem bisher Gesagten eine ganze Menge.

A. Zusätzliche Verträge werden notwendig

Wer nicht standesamtlich heiraten will und doch die Rechte und Pflichten einer Ehe weitgehend wahrnehmen will, der muss weitere Verträge schließen: ein Ehevertrag etwa, der die Besitzverhältnisse regelt; ein gerichtliche Regelung über das gemeinsame Sorgerecht für Kinder; gegenseitige Vollmachten über Konten oder Kenntnis des Gesundheitszustands nach Einlieferung ins Krankenhaus usw. Damit würden aber viele Dinge, die selbstverständlich zur christlichen Ehe gehören, in das Belieben der Partner gestellt. Sie könnten das eine tun, das andere lassen oder sich Vollmachten auch wieder entziehen. Das kann nicht im Sinne einer christlichen Ehe sein. Der Staat hat die Sache ausreichend geregelt, da muss es nicht zur Aufgabe der Gemeinde werden, Ehepaare zu den aus christlicher Sicht nötigen Rechtsfolgen anzuhalten.

B. Die christliche Gemeinde hätte die Pflicht, die Ehefähigkeit festzustellen

Wenn nicht mehr das Standesamt und die Personenregister die Fähigkeit zur Eheschließung prüfen, dann müsste das die christliche Gemeinde übernehmen. Sie kann niemand trauen, der an einem anderen Ort verheiratet ist usw. Das wäre im Prinzip sicher möglich. Aber es ist doch fraglich, ob das wirklich gewollt werden kann. Es bedeutete jedenfalls einen großen, und weil es das Standesamt gibt, eigentlich unnötigen Aufwand. Mir ist bisher nur ein Notstand (wie es in § 67 hieß) begegnet, in dem ich eine Voraustrauung erwogen habe. Dabei ging es darum, dass die Beibringung einer ausländischen behördlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung eine nahezu unüberwindbare Hürde darstellte. Hier könnte eine gegenseitige Information unter christlichen Gemeinden ausreichend sein und eine Trauung eventuell vorgezogen werden, wenn bestimmte Urkunden erst nach langer Zeit in Deutschland eintreffen und dem Paar eine vielleicht jahrelange Wartezeit nicht zugemutet werden kann. Aber ich halte das für eine sehr seltene Ausnahme.

C. Die standesamtliche Trauung würde freiwillig

Der größte Teil der Diskussion wird dadurch am Leben gehalten, dass Paare von verwitweten Rentnern keine standesamtliche Trauung wollen, weil damit die so genannte Witwenrente nicht weiter gezahlt wird. Da diese Rente eine aus den Rentenansprüchen des verstorbenen Partners abgeleitete Versorgungsleistung des Sozialstaates ist, wird sie dann nicht weiter gezahlt, wenn ein neuer Partner für die Versorgung zuständig ist. Das ist nachvollziehbar und entspricht Regeln, die früher auch für eine christliche Witwenversorgung in der Kirche bestanden. Es leben in Deutschland inzwischen zahlreiche Rentnerpaare unverheiratet zusammen. Die christlichen unter ihnen würden aber gern, statt in »Wilder Ehe« zu leben, christlich getraut sein, ohne standesamtlich verheiratet zu sein, damit sie den negativen Rechtsfolgen ausweichen. An den anderen Rechtsfolgen der Ehe (z.B. Steuervorteile; Kindererziehung usw.) haben sie meist kein Interesse oder wären auch bereit, zusätzliche Verträge zu schließen. Weil aber das Paar aus finanziellen Interessen nur für einen Teil der Öffentlichkeit als verheiratet gelten will und für einen anderen nicht, darf die christliche Gemeinde das nicht unterstützen. Es widerspricht den Grundsätzen einer christlichen Ehe und ist im Übrigen auch ein Betrug am Sozialsystem.8

Würde die christliche Gemeinde nun zuerst trauen und es hinterher in das Belieben der Partner stellen, auch standesamtlich zu heiraten, würde sie eine Praxis der Quasi-Ehe unterstützen und damit das christliche Verständnis der Ehe untergraben. Die römisch-katholische Kirche hat das nach eingehender Prüfung erkannt und man kann ihr darin nur zustimmen. Es spricht weiter im Grundsatz nichts dagegen, erst nach der standesamtlichen Eheschließung eine kirchliche Trauung zu vollziehen, auch um zu verhindern, dass man Formen einer Quasi-Ehe fördert.

D. Eine Quasi-Ehe stellt keinen Beitrag zu einer positiven Prägung der Ehekultur dar

Die christliche Gemeinde muss ein Interesse daran haben, dass das biblische Eheverständnis gefördert und verbreitet wird. Das aber geschieht nicht, wenn sie Quasi-Ehen von Partnern schließt, die in gewisser Hinsicht gar nicht verheiratet sein wollen. Auch wäre es eine missverständliche Botschaft, wenn neben der gesellschaftlich bekannten und in Gesetzen geregelten Ehe ein anderes Eheinstitut gestellt würde. Zumal, wie gesehen, das deutsche Recht weite Teile des christlichen Eheverständnisses widerspiegelt. Ich plädiere sehr dafür, dass Christen ihre Kultur nach biblischen Maßstäben prägen, aber ich befürchte, dass das im Blick auf die Ehe mit einer Voraustrauung nicht geschehen würde. Den immer unübersichtlicheren Verhältnissen des Zusammenlebens würde durch ein eigenes gemeindliches Eheinstitut nur ein weiteres hinzugefügt, das aber kaum eine Prägekraft ausüben kann.

Wie aber kann die christliche Ehe als geniale Schöpfungsordnung weiter gefördert werden? An erster Stelle steht sicher eine klare Verkündigung der biblischen Inhalte. Die Wahrheit spricht für sich selbst und hat eine große Kraft. Leider aber zeigt die Diskussion auch unter Christen, dass hier viel Wissen und Gewissheit verloren gegangen ist. Auch in der christlichen Gemeinde hat eine die Ehen zerstörende Ideologie Eingang gefunden, die die Ehe als menschliche Erfindung abtun will. Eine höhere Bereitschaft zur Akzeptanz eheähnlicher Verhältnisse und auch der Scheidung unter Christen sind ein Ausdruck davon. Stattdessen sollte eine größere seelsorgerliche Kompetenz am Platze sein, Menschen in solchen Situationen nach Gottes Maßstäben zu begleiten.

Für die Kultur der Eheschließung sehe ich in einer anderen Entwicklung grö­ßere Chancen. Immer mehr Standesbeamte verlassen ihre amtlichen Trauzimmer und richten in Schlössern, Parks, Burgkellern oder an anderen interessanten Orten Traumöglichkeiten ein. Vielleicht sollten sich Gemeinden in Absprache mit einem Standesbeamten darum bemühen, standesamtliche und kirchliche Trauung wieder näher zueinander zu rücken. Dies könnte möglich werden, weil der Staat mit dem neuen Gesetz keine Konkurrenz mehr in der kirchlichen Trauung sieht. Er ergeben sich viele positive Gestaltungsmöglichkeiten, die eine klare Verkündigung der biblischen Botschaft von der Ehe unterstützen könnten.


  1. Mit dem neuen § 130a wurde am 10. Dezember 1871 der »Missbrauch« der Kanzel verboten: »Ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufes öffentlich vor einer Menschenmenge, oder welcher in einer Kirche oder an einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte vor Mehreren Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstande einer Verkündigung oder Erörterung macht, wird mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu zwei Jahren bestraft«. Der Paragraph wurde auch angewendet. Eine Ergänzung vom 26. Februar 1876 weitete die Vorschrift auf die Verbreitung von Schriften aus: »Gleiche Strafe trifft denjenigen Geistlichen oder anderen Religionsdiener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufes Schriftstücke ausgibt oder verbreitet, in welchen Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstand einer Verkündigung oder Erörterung gemacht sind«. Erst 1953 wurde das Gesetz aufgehoben. 

  2. Die Kirchen führen ihre Bücher für die religiösen Amtshandlung selbstverständlich weiter. 

  3. Es ist leider eine Schwäche dieser sonst hilfreichen Stellungnahme der Bundesleitung des BFeG, dass sie die Ehe in ihrem Wesen als Treueversprechen ansieht. »Die Ehe ist nach christlichem Verständnis ihrem Wesen nach die lebenslange Treue zwischen einem Mann und einer Frau in einer ganzheitlichen Lebensgemeinschaft. […] Eine solche Ehe entsteht durch das öffentliche, aus freiem Entschluss gegebene gegenseitige Versprechen zu solcher lebenslangen Treue«. [Hervorhebungen im Original]. Auch in ihrem Wesen als Bund ist die Ehe in der Bibel offenbar mehr als ein Vertrag mit Treueschwur. 

  4. In der Schweiz sind Scheinehen seit Beginn 2008 strafbar. In Deutschland gibt es keinen eigenen Straftatbestand, aber die Erschleichung von Vorteilen, die nur echten Ehen gewährt werden, wird natürlich bestraft. Allerdings lautet § 1353 des BGB über die Eheliche Lebensgemeinschaft unmissverständlich: Absatz (1) 1 Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen. 2 Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung. 

  5. Nach deutschem Recht endet zwar die Ehe mit einer Scheidung, nicht aber die Schwägerschaft. 

  6. Die Monogamie hat sich erst mit dem Christentum durchgesetzt. Ein Problem, auf das hier nicht näher eingegangen werden kann. 

  7. (2) Die Beurkundung der Eheschließung nach Absatz 1 erfolgt auch dann, wenn die Ehe im Inland zwischen Eheschließenden, von denen keiner Deutscher ist, vor einer von der Regierung des Staates, dem einer der Eheschließenden angehört, ordnungsgemäß ermächtigten Person in der nach dem Recht dieses Staates vorgeschriebenen Form geschlossen worden ist. 

  8. Näheres dazu in meinem Artikel: »Zur Ehe ohne Trauschein gezwungen oder verführt?« Bibel und Gemeinde 3/2006: 45-62.