ThemenSchöpfungsglaube

Die richtigen Argumente gegen Evolution einsetzen (Teil 2)

Wer die Evolutionstheorie kritisch betrachten will, sollte das mit den richtigen Argumenten tun. Anstelle mancher angreifbarer Argumente, die gelegentlich verwendet werden, bieten sich aber zahlreiche tragfähigere an.

Im ersten Teil des Artikels, der zuerst in „Bibel und Gemeinde“ 3/1998 erschien) habe ich eine Liste von Aktualisierungen verbreiteter Argumente gegen Evolution veröffentlicht. Diese Mitteilung stieß auf große Resonanz, was dazu ermutigt, weitere Themen und Fragen dieser Art folgen zu lassen. Wieder soll es darum gehen, Argumente zu schärfen, Aktualisierungen vorzunehmen, falsche Vorstellungen zu korrigieren und – wo möglich – bessere Argumente zu präsentieren. Es wäre schade, wenn an sich zutreffende evolutionskritische Argumente dadurch angreifbar werden, dass sie teilweise falsche oder fragwürdige Aussagen beinhalten. In diesem Sinne sind nachfolgende Klärungsversuche zu verstehen.

1. „Es gibt keine Zwischenformen.“

Dieses Argument besagt, dass größere Gruppen von Lebewesen (z. B. Vögel und Kriechtiere oder Fische und Amphiben) sich so sehr unterscheiden, dass sie deutlich voneinander getrennt sind und dadurch nicht leicht in eine evolutionäre Abstammungsreihe gestellt werden können – auch unter Berücksichtigung ausgestorbener Formen, die als Fossilien bekannt sind. In einem antikreationistischen Buch stellt Jeßberger1 jedoch Dutzende von Zwischenformen zusammen. Wer hat recht?

Zunächst ist die Behauptung, es gebe keine Zwischenformen, anfechtbar. Denn es gibt tatsächlich zahlreiche Arten, die Merkmale verschiedener größerer Gruppen in sich vereinigen. Der berühmte Urvogel Archaeopteryx ist dafür wohl das bekannteste Beispiel, denn er besaß einerseits Federn (und andere Strukturen) als typische Vogelmerkmale, andererseits aber auch viele Merkmale, die für die meisten Reptilien typisch, für Vögel dagegen untypisch sind oder bei heutigen Vögeln gar nicht vorkommen (z.B. eine lange Schwanzwirbelsäule, einen bezahnten Kiefer statt eines Hornschnabels). Also handelt es sich um eine Zwischenform. Dennoch – und damit kommen wir zum „springenden Punkt“ – wird der „Urvogel“ heute von der Mehrheit der Evolutionstheoretiker nicht als direkte evolutionäre Übergangsform zwischen Reptilien und Vögeln gewertet. Dafür weist er zu viele spezielle Merkmale auf, die in eine Abfolge Reptil –> Vogel nicht passen.2

Gott hat auch Zwischenformen erschaffen, z.B. den „Urvogel“

Wichtig ist hier also eine begriffliche Unterscheidung von Zwischenform (oder Mosaikform) als rein beschreibendem Begriff und (evolutionärer) Übergangsform als deutendem Begriff. Die Existenz von Zwischenformen ist an sich neutral bezüglich der Deutung der Entstehungsweise. Gott hat auch Zwischenformen (Mosaikformen) erschaffen, zum Beispiel den „Urvogel“. Evolutionstheoretisch entscheidend ist, ob solche Zwischenformen als Bindeglieder (Übergangsformen) in eine hypothetische evolutionäre Reihe eingepasst werden können. Und das ist in der Regel auch unter Evolutionstheoretikern mindestens umstritten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt zu dieser Frage ist die Klärung, ob eine behauptete Übergangsform sich innerhalb eines Grundtyps (entspricht einer geschaffenen Art) bewegt oder zwischen eindeutig verschiedenen Grundtypen vermittelt. Im ersten Fall werden Übergangsformen auch im Schöpfungsmodell erwartet. Fossilreihen, bei denen sich direkt von Schicht zu Schicht die Formen in gewissen Grenzen ändern, sind offenkundig Beispiele für Mikroevolution oder Variation innerhalb von Grundtypen (wobei ökologische Gründe für das Variieren vermutet oder nahegelegt werden können). Solche Übergangsformen beweisen keine Makroevolution.

2. Sprechen lebende Fossilien gegen Evolution?

Zahlreiche heute lebende Arten oder Grundtypen sind auch als Fossilien bekannt. Sie werden mit dem paradoxen Begriff „lebende Fossilien“ bezeichnet. Oft werden sie als Hinweise gegen Evolution gewertet, weil sie sich über große (angenommene) Zeiträume hinweg nicht oder kaum verändert haben. Dieses Argument hat jedoch kein starkes Gewicht, da Evolutionstheoretiker diesen Befund in ihrem Denkgebäude einigermaßen plausibel einordnen können. Denn nach der Evolutionstheorie gibt es keinen Veränderungszwang. Wenn ein Teil der Lebewesen sich lange Zeit nicht verändert, so wird das z. B. auf konstante Umweltbedingungen zurückgeführt. Gleichzeitig, so wird argumentiert, habe sich ein Teil der Lebewesen aber weiterentwickelt, der Teil nämlich, der unter veränderte Umweltbedingungen geriet (es kommen auch andere Gründe in Frage). Wie gut die evolutionstheoretische Argumentation ist, kann nur von Fall zu Fall bei näherer Betrachtung beurteilt werden.

Die Tatsache, dass eine große Zahl lebender Fossilien bekannt ist, kann allerdings durchaus als ein Baustein gewertet werden, der im Rahmen der Schöpfungslehre verständlich ist, nämlich als Hinweis auf die Konstanz von Grundtypen.

3. „Die Entstehung neuer Arten wurde nicht nachgewiesen.“

Artbildungsvorgänge haben nichts mit Makroevolution zu tun

Zur Beurteilung dieser Aussage ist eine wichtige Unterscheidung notwendig, nämlich zwischen „Arten“ und „Grundtypen“ (letztere werden im Rahmen des Schöpfungsmodells als „geschaffene Arten“ interpretiert). Der Artbegriff wird in der Biologie uneinheitlich gehandhabt, doch ist er fast immer deutlich enger gefasst als der Grundtypbegriff. Letzterer ist klar definiert3 (in Kürze: alle kreuzbaren Arten, deren Mischlinge das Erbgut beider Eltern ausprägen, gehören zu einem Grundtyp). In der Regel gehören zu einem Grundtyp mehrere, oft hunderte von Arten („Biospezies“). Zahlreiche Experimente und Freilandbeobachtungen haben gezeigt, dass innerhalb von Grundtypen sehr wohl neue Arten durch natürliche Prozesse entstehen können.4 Artbildungsvorgänge sind jedoch meistens mit Spezialisierungen verbunden (z. B. durch Anpassungen5 an spezielle Umweltbedingungen) und haben nichts mit Makroevolution zu tun. Das heißt: Solche Vorgänge bewegen sich innerhalb des Grundtyprahmens, so dass man sagen kann: Die Entstehung neuer Grundtypen wurde bisher nicht nachgewiesen.

4. „Die Evolutionstheorie ist keine wissenschaftliche Theorie.“

Hierbei handelt es sich um eine sehr pauschale Behauptung, die häufig von Kritikern formuliert wird. In dieser allgemeinen Form ist sie sehr fragwürdig, denn es muss gesagt werden, was mit „Evolutionstheorie“ gemeint ist und was unter „wissenschaftlich“ verstanden wird. Zum ersten: Die Evolutionslehre als Gesamtanschauung macht Aussagen über einen mutmaßlichen vergangenen Ablauf, der als solcher nicht direkt untersuchbar ist. Sie ist damit am ehesten mit einer geschichtlichen Rekonstruktion vergleichbar, wie sie auch in den historischen Wissenschaften anhand von Dokumenten der Menschheitsgeschichte vorgenommen wird. In diesem Sinne ist die Evolutionstheorie als wissenschaftlich zu bezeichnen, eben als „geschichtswissenschaftlich“. Dies gilt entsprechend auch für die Schöpfungslehre. An dieser Stelle ist wichtig, zwischen empirischen, historischen und philosophischen Wissenschaften zu unterscheiden.

Schöpfungstheoretiker verstehen die Geschichte des Lebens auf der Grundlage des Wortes Gottes

Würde aufgrund der Tatsache, dass Makro-Evolution nicht direkt beobachtbar und erforschbar ist, die Evolutionstheorie pauschal als unwissenschaftlich eingestuft werden, so träfe dies auf jede historische Wissenschaft zu – folglich auch auf die Schöpfungslehre, denn deren grundlegende Aussagen beziehen sich ebenfalls auf nicht beobachtbare (sondern geoffenbarte und geglaubte) Tatsachen. Der Evolutionstheoretiker glaubt, dass die Entstehung und Entfaltung des Lebens durch natürliche Prozesse erklärbar ist, und darauf aufbauend versucht er Wissenschaft zu betreiben. Schöpfungstheoretiker bauen ihre Rekonstruktion der Geschichte des Lebens auf dem geoffenbarten Wort Gottes.

Die Evolutionstheorie besteht aus Teiltheorien, die auf experimentellen Studien oder Freilandbeobachtungen basieren (empirischer Bereich, Bereich der Mikroevolution). In diesem Bereich, der den Hauptteil der praktischen Arbeit ausmacht, ist die Evolutionstheorie zweifellos naturwissenschaftlich. Die Zusammenfügung und Ausdehnung dieser Teiltheorien auf Makroevolution überschreitet allerdings diesen empirischen Bereich und versucht ihn in ein weltanschauliches Gebäude einzuordnen. Die Gewinnung der Einzelbausteine erfolgt durchaus nach allgemein anerkannten naturwissenschaftlichen Regeln, die auch Vertreter der Schöpfungslehre für sinnvoll halten. Auch in dieser Hinsicht sind – was die Vorgehensweise betrifft – Evolutions- und Schöpfungslehre vergleichbar.6

5. Ist die Evolutionstheorie wissenschaftlich widerlegt?

Angesichts der Tatsache, dass wesentliche Aussagen der Makro-Evolutionslehre effektiv kritisiert werden können und hin und wieder von ihren eigenen Vertretern als unbewiesen oder sogar schwach begründet herausgestellt werden,7 kann der Eindruck entstehen, dass die Evolutionslehre naturwissenschaftlich widerlegt sei. Auch hier ist eine differenzierte Argumentation angebracht. Eine strikte Widerlegung ist nicht möglich, da immer mit dem Argument begegnet werden kann, dass heute noch Unverstandenes in Zukunft geklärt werden könne. Nicht die Frage „widerlegt oder nicht?“ ist zu klären, sondern die Frage „wie gut passen die Daten zur Theorie?“ oder: „Was spricht dafür und was dagegen?“

6. „Makroevolution ist aus wahrscheinlichkeitstheoretischen Gründen unglaubhaft.“

Diese Aussage trifft zu, wird aber sehr häufig in einer anfechtbaren Weise präsentiert. Beispiel: Der Evolutionsprozess wird mit einer Affenhorde verglichen, die – ohne etwas zu beabsichtigen – auf Schreibmaschinen herumhackt und auf diese Weise etwas Vernünftiges zuwege bringen soll. Auf diese Weise wird kein sinnvoller Text entstehen. Genausowenig wird durch die Explosion einer Druckerei ein Buch produziert werden. Vergleiche dieser Art sind jedoch fragwürdig, weil der Evolutionsprozess (soweit aus der Mikro- Evolutionsforschung bekannt) mit solchen Vorgängen nicht ohne Weiteres vergleichbar ist. Auf Details kann hier nicht eingegangen werden, doch sei darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Evolutionslehre der Faktor „Auslese“ (Selektion) eingeschaltet ist, der bei den oben genannten Vergleichen fehlt. Evolutionstheoretiker behaupten nicht, dass quasi auf einen Streich (wie bei der explodierenden Druckerei) schon ein komplexes Lebewesen aus seinen molekularen Bestandteilen entstehen soll.

Dennoch ist dieses Argument von Wert. Denn es ist möglich (und diese Mühe muss man sich machen!), behauptete evolutionäre Abläufe so weit in Teilschritte zu unterteilen, dass diese nicht mehr verkleinert werden können. In diesem Fall muss die nächste Stufe tatsächlich auf einen Schlag überwunden werden. Es muss dabei sichergestellt werden, dass in einer postulierten Evolutionsreihe keine auslesbaren Zwischenschritte mehr eingeschaltet werden können. Dann kommen wahrscheinlichkeitstheoretische Berechnungen zum Zuge, und nach heutigem Wissen kann gezeigt werden, dass Makroevolution tatsächlich extrem unwahrscheinlich (nicht: widerlegt, s. o.!) ist.8

 


Zum ersten Teil des Artikels „Die richtigen Argumente gegen Evolution einsetzen“

 


  1. Jeßberger R (1990) Kreationismus. Kritik des modernen Antievolutionismus. Berlin und Hamburg, S. 92-94. 

  2. Genaues in: Junker R Scherer S (1998) Evolution – ein kritisches Lehrbuch. Giessen, Abschnitt VI.13.5. 

  3. Scherer S (1993) Tpyen des Lebens. Berlin. Dieses grundlegende Buch sollte jeder schöpfungstheoretisch interessierte Biologe kennen. 

  4. Vgl. Junker Scherer (s. Anm. 2), Abschnitt III.5.1; Junker R (1996) Evolution ohne Grenzen? Neuhausen-Stuttgart. 

  5. Anpassung hat nichts mit Höherentwicklung zu tun, sondern kann als schöpfungsbedingte „Überlebensstrategie“ gedeutet werden, die sich im mikroevolutionären Rahmen abspielt, d. h. auf der Basis vorgegebener Strukturen und vorgegebener Flexibilität, ohne Notwendigkeit der Entstehung neuartiger Strukturen. 

  6. Nähere Begründungen der hier sehr knapp gehaltenen Ausführungen finden sich in: Junker Scherer (s. Anm. 2), Kapitel I.1 sowie in: SG Wort und Wissen, Schöpfung (o)der Evolution? Neuhausen-Stuttgart, Kapitel 3. 

  7. E. Szathmáry J. Maynard Smith schreiben beispielsweise (in: Nature 374 [1995], 227) zusammenfassend: „Aus theoretischen Gründen ist nicht zu erwarten, daß innerhalb evolutionärer Linien ein Komplexitätszuwachs mit der Zeit erfolgt; und es gibt keine empirischen Belege, daß dies geschieht. Trotzdem sind eukaryontische Zellen komplexer als prokaryontische Zellen, Tiere und Pflanzen sind komplexer als Protisten usw. Diese Zunahme der Komplexität könnte das Ergebnis einer Reihe von großen Übergängen sein, welche Änderungen in der Informationsspeicherung sowie Informationsweitergabe mit sich brachten.“ 

  8. Junker Scherer (s. Anm. 2), Abschnitt IV.7.4; eine ausführliche Diskussion und Auseinandersetzung mit Einwänden findet sich in: S. Scherer (1996) Entstehung der Photosynthese. Grenzen molekularer Evolution? Studium Integrale. Neuhausen-Stuttgart. Populärwissenschaftlich aufbereitet ist diese Thematik in: R. Junker: „Design-Signale.“